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Veröffentlicht am 02.03.2024

Eine Frau voller Widersprüche

»Diese Freiheit bedeutet mir alles«
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Geboren als jüngste Tochter eines Pastors geht Kathleen Scott geb. Bruce einen für die damalige Zeit einen ungewöhnlichen Weg, sie wird Bildhauerin. Mit ihren Büsten und Portraits hält sie Zeit ihres Lebens ...

Geboren als jüngste Tochter eines Pastors geht Kathleen Scott geb. Bruce einen für die damalige Zeit einen ungewöhnlichen Weg, sie wird Bildhauerin. Mit ihren Büsten und Portraits hält sie Zeit ihres Lebens ihre Familie finanziell über Wasser. Kerstin Ehmer portraitiert in ihrer Biographie "Diese Freiheit bedeutet mir alles" @mareverlag das Leben einer Ausnahmefrau. Mich hat vor allem die junge Kathleen sehr begeistert, welche während ihres Studiums in Paris im Gegensatz zu ihren Kommiliton*innen keine sexuellen Abenteuer pflegt, sondern eher keusch lebt und die Platonische Liebe beinahe in Perfektion auslebt. Sie heiratet vergleichsweise spät den Polarforscher Robert Falcon Scott. Kathleen hat nach genau dem einen perfekten Mann und Vater ihres Sohnes gesucht. Sie vergöttert beide über die Maßen. Doch nach nur wenigen Ehejahren stirbt ihr geliebter Robert. Die Anfangs für mich faszinierende Frau wird beim Lesen für mich zunehmend widersprüchlicher. Sie lebt ein äußerst emanzipiertes Leben, ist weitgehend unabhängig und frei, auch in ihrer ersten und auch zweiten Ehe. Gleichzeitig hält sie an den stereotypen Geschlechterrollen fest, ihre Mutterschaft geht ihr über alles, gleichzeitig ist sie unter vielen Männern eine erfolgreiche Bildhauerin. Und sie ist bis ans Lebensende Gegnerin des Frauenwahlrechtes. Ich habe hier eine Frau kennen gelernt, welche einerseits Pionierin war aber Frauen in ihrem Umfeld eher als Konsequenz oder unter dem eigenen Wert betrachtet hat. Eine Frau, welche eher Männerfreundschaften gepflegt hat. Feministin war sie definitiv nicht, Sisterhood hat sie praktisch nicht gelebt.
Dennoch eine sehr spannende Biographie, welche mich auch durch die mitteleuropäische Geschichte geführt hat. Definitiv lesenswert.

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Veröffentlicht am 02.03.2024

Aufwachsen & leben in einem der ärmsten Stadtteile Seouls

Wo ich wohne, ist der Mond ganz nah
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In ihrem Roman "Wo ich wohne, ist der Mond ganz nah" @kiwi_verlag (Übersetzung aus dem Koreanischen von Jan Henrik Dirks) lässt Autorin Cho Nam-Joo ihre Erzählerin Mani auf deren Leben zurück blicken. ...

In ihrem Roman "Wo ich wohne, ist der Mond ganz nah" @kiwi_verlag (Übersetzung aus dem Koreanischen von Jan Henrik Dirks) lässt Autorin Cho Nam-Joo ihre Erzählerin Mani auf deren Leben zurück blicken. Diese ist 36 Jahre alt, arbeitet als Büroangestellte und lebt mit im Haus ihrer Eltern. Es ist ein Rückblick auf eine Kindheit, in der sie davon träumt Kunstturnerin zu werden und obwohl die Familie wenig Geld hat, versucht Manis Mutter ihrer Tochter mit den besten Privatschulen diesen Traum zu ermöglichen. Es ist aber auch eine Kindheit mit wenig Freund*innen, ls Teenagerin ist sie oft einsam, Mobbing an der Schule ist auch ein Thema. Fasziniert haben mich vor allem die Dialoge zwischen Mutter und Tochter. Diese haben bei mir oft für Irritation gesorgt. Denn insbesondere der Umgang der Mutter mit Mani hat aus meiner Sicht oft etwas aggressives, manchmal aber auch absurd komisches. Doch es wurde für mich auch sichtbar, dass die kleine Familie in armen Verhältnissen lebt. Sie sind auf das zusätzliche Einkommen der Tochter angewiesen, obwohl der Vater mit seinem Streetfoodimbis schon ein bisschen etwas von einem Lebenskünstler hat. Die Lebensumstände in dem Stadtteil, in dem die Familie lebt sind prekär, Hochhäuser sind mehr Flickwerk als Wohnraum und schon bald werden Immobilienspekulanten darauf aufmerksam. Thematisch ein tolles Buch, doch der Monolog von Mani war für mich teils langatmig und eintönig.

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Veröffentlicht am 26.01.2024

Spuren der Vergangenheit

Webmuster gewaltiger Landschaften
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Auf den ersten Blick wirken diese Orte alltäglich. Doch bei genauerem Hinsehen erzählen sie Geschichten. Die Toilettenkabinen eines Rastplatzes zeugen von gegenwärtiger Geschlechterzuschreibung und intimem ...

Auf den ersten Blick wirken diese Orte alltäglich. Doch bei genauerem Hinsehen erzählen sie Geschichten. Die Toilettenkabinen eines Rastplatzes zeugen von gegenwärtiger Geschlechterzuschreibung und intimem Alleinsein. Waren sie in Vergangener Zeit doch Orte der Zusammenkunft, Geselligkeit und Austausch. Ein Kriegerdenkmal, auf welchem gefallenen Soldaten des 1. Weltkrieges gedacht wird, steht in jedem Dorf, doch wer gedenkt den Opfern des damaligen grausamen Kolonialismus deutscher Besatzer? Und dann die eigene Familie, wie sehr war diese ins vergangene Nazi-Regime verstrickt? Was wird verschwiegen und auf diese Weise aus der Erinnerung gelöscht?
"Webmuster gewaltiger Landschaften" von Anne Storch @wortenundmeer ist nicht einfach nur ein Roman. Es ist eine Reise. In ein Auto werden Bücherregale gebaut, der Hund wird mitgenommen, es ist eine Reise mit wenig Gepäck, aber mit vielen Entdeckungen. Verschiedene Schriftstellererinnen, Historikerinnen und andere Wissenschaftl*erinnen werden zitiert, weshalb das Buch auf mich wie zum Teil auch wie ein Sachbuch gelesen wurde. Es ist eine Auseinandersetzung mit Verbrechen in der Vergangenheit: Kolonialismus, Ausgrenzung, Diskriminierung, Sexismus, Nationalsozialismus, Antisemitismus, Christianisierung und einigem mehr. Verbrechen an der Menschheit, welche labfe zurück liegen, aber deren Folgen bis in unsere Gegenwart reichen. Ein Pageturner war das Buch für mich nicht. Aber es hat mich immer wieder nachdenklich gemacht, bedrückt, aber nicht kalt gelassen.

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Veröffentlicht am 26.01.2024

10 Tage und 9 Geschichten

Sapphos Sprung
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Mit ihrem Roman "Sapphos Sprung" @edition_federleicht entführt mich Karen Aydin auf die griechische Insel Lefkada. An einer steil abfallenden Klippe lässt sie einen Mann und eine Frau aufeinander treffen. ...

Mit ihrem Roman "Sapphos Sprung" @edition_federleicht entführt mich Karen Aydin auf die griechische Insel Lefkada. An einer steil abfallenden Klippe lässt sie einen Mann und eine Frau aufeinander treffen. Zwei völlig fremde Menschen. Die Frau verwickelt den Mann in ein Gespräch und erzählt ihm eine Geschichte von einem Mann, der ein Haus erbt und dieses renoviert. Er träumt davon dieses mit seiner jungen Nachbarin zu bewohnen. Er ist verliebt und träumt von einer eher klassischen Liebe: Haus mit Garten, junge Mutter und zwei Kinder. Doch die betreffende Frau liebt bereits einen anderen. Selbstlos überschreibt er das Haus an ebendiesen anderen Mann.
An 10 aufeinander folgenden Tagen treffen sich der Mann und die Frau wieder an der Klippe. Und sie erzählt ihm immer eine neue Geschichte und er hört gespannt zu. Alle 9 Geschichten drehen sich um Liebe. Mal nicht erwiderte, selbstlos, scheiternde Liebe. Geschichten von verliebten Anhimmeln, Schwärmen und Träumen.
Im Grunde ist dieser Roman für mich eher ein Kurzgeschichtenband. Oder beides ein bisschen - Kurzgeschichten in einer Rahmengeschichte. Einige sind witzig, einige traurig, einige langweilig andere absurd.
Was alle gemeinsam haben, sind die heteronormative Liebe. Leider haben mir hier andere Formen der Liebesbeziehungen gefehlt. Ansonsten finde ich die Verknüpfung von Roman und Kurzgeschichtenband sehr gelungen.

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Veröffentlicht am 26.01.2024

Was geschah mit Esther Bianchi???

Dinge, die wir brennen sahen
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In ihrem Kriminalroman "Dinge, die wir brennen sahen" (aus dem englischen übersetzt v. Andrea O'Brian) @eichbornverlag portraitiert Hayley Scrivenor eine westaustralische Kleinstadt während des Verschwindens ...

In ihrem Kriminalroman "Dinge, die wir brennen sahen" (aus dem englischen übersetzt v. Andrea O'Brian) @eichbornverlag portraitiert Hayley Scrivenor eine westaustralische Kleinstadt während des Verschwindens der Schülerin Esther, welche von ihrem Heimweg von der Schule nie Zuhause angekommen ist. Aus den Perspektiven der Kinder der Stadt Durton (genannt Dirt Town), der Mutter des verschwundenen Mädchens, der besten Freundin Esthers, ihrem Schulfreund und der verantwortlichen Polizistin darf ich eintauchen in die Gedanken der betroffenen Personen.
Leider ist schon zu Beginn des Buches ersichtlich, dass Esther nicht mehr lebend aufgefunden werden kann. Das fand ich schade, denn somit war dieser Aspekt bereits vorhersehbar. Die für das Verschwinden Esthers verantwortliche Person wird zwar erst gegen Ende zu erkennen gegeben, ist aber aufgrund der gesamten Konstruktion der Handlung auch schon sehr früh zu erahnen.
Thematisch verwebt die Autorin hier aber auch Themen wie u.a. den Zerfall einer Kleinstadt, viele Geschäfte stehen leer, viele Familien müssen sparsam leben um über die Runden zu kommen. Das Kochen von Betäubungsmitteln scheint für einige der Gemeinde der einzige Ausweg zu sein. Häusliche Gewalt (physisch und psychisch) wird hier behandelt. Auch gleichgeschlechtliche Liebe wird hier eingebaut. Trotzdem hat mir hier eine gewisse Tiefe gefehlt, was vielleicht auch an der aus meiner Sicht geringeren Seitenzahl von unter 300 geschuldet ist. Auch die Handlung insgesamt wirkte auf mich sehr gewollt und stark konstruiert. Daher war das Leseerlebnis für mich eher mittelprächtig.

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