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Veröffentlicht am 30.07.2018

Explodierendes Oma-Glück

Kidnapping Oma
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Explodierendes Oma-Glück

Was für eine wunderbare Beschreibung: Oma-Glück, das in der Achterbahn geradezu explodiert… Ein Autor, der so ein intensives Gefühl beschreiben kann, dem konnte nur ein richtig, ...

Explodierendes Oma-Glück

Was für eine wunderbare Beschreibung: Oma-Glück, das in der Achterbahn geradezu explodiert… Ein Autor, der so ein intensives Gefühl beschreiben kann, dem konnte nur ein richtig, richtig gutes Kinderbuch gelingen!

Leni und Jonas sind viel allein, denn die Mutter muss immerzu arbeiten, manchmal auch am Wochenende. Die beiden Kinder sind sehr selbstständig, Mama kann sich auf sie immer verlassen. Der Vater ist weit weggezogen. Großeltern gibt es nicht, wie die Mutter ihnen erzählt hatte. Traurig und etwas ratlos wird Leni, als sie in der Schule einen Aufsatz schreiben soll über einen Tag mit Oma oder Opa. Wie sollte sie das schaffen, ohne je einen solchen Tag erlebt zu haben? Eine seltsame Begegnung am Spielplatz wirft plötzlich viele Fragen auf. Wer ist diese alte Frau, die mit ihrem Shetlandpony auf der Wiese sitzt? Warum hat sie einen so seltsamen Akzent? Warum versteckt sie sich im Gebüsch, mit einem Fernglas vor den Augen? Nach und nach kommt Leni und Jonas ein Verdacht. Könnte es sein, dass diese alte Frau mit Pony, die ihnen so viele Fragen stellt, tatsächlich ihre Oma ist? Wenn das so ist, darf Oma keinesfalls wieder entwischen, notfalls muss man sie entführen! Und so beginnt ein großartiges Abenteuer, denn Oma lässt sich tatsächlich von Leni und Jonas kidnappen, und die drei erleben mit Campingbus, Pony und gemeinsamer Zeit das beste Wochenende ihres Lebens, denn Oma fährt mit in der Achterbahn, spielt endlos Mensch-ärgere-dich-nicht und beim Schwimmen im Badesee. Als sie allerdings bemerken, dass sie von der Polizei gesucht werden, wird aus dem Spiel schnell Ernst…

Für 8- bis 10-jährige Leseratten bietet das Buch allerbestes Lesefutter. Es ist ausgesprochen spannend und mit ganz großem Humor erzählt. Kurzweilig und mit viel, viel Herz wird das Leben von zwei Kindern erzählt, wie es inzwischen so viele Kinder aus ihrem eigenen Umfeld kennen: Vater oder Mutter alleinerziehend mit Beruf, sodass die Ansprüche der Kinder auf der Strecke bleiben müssen. Es wird auch thematisiert, wie alte Streitigkeiten unausgesprochen auf der Familie, besonders auf den Kindern lasten. Und wie feinfühlig Kinder spüren, wenn sie belogen werden. Die vielen überraschenden Ereignisse und Wendungen im Buch machen das Lesen oder Vorlesen zu einem wahren Vergnügen, insbesondere das wohltuend warmherzige Ende lässt alle vorherigen Spannungen und Entbehrungen vergessen. Miteinander reden hilft. Versprechen muss man halten. Es braucht nicht viel, um zufrieden zu sein. Alles Botschaften, die in der fröhlichen Handlung so ganz nebenbei verpackt sind. Und die wichtigste aller Botschaften natürlich: Habt Zeit für einander. Es gibt nichts Wichtigeres, als gemeinsame Zeit mit der Familie zu verbringen. Und allein schon wegen dieser Botschaft sollten auch Erwachsene dieses zauberhafte Kinderbuch lesen! Die karikaturhaften Illustrationen von Marloes de Vries passen meiner Meinung nach sehr gut zum humorvollen, vergnüglichen Schreibstil des Buches.

Veröffentlicht am 29.07.2018

Meisterhafte Erzählkunst

Schuld
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Ein kleines Buch. Schönes Papier. Große Schrift. Ein Zitat von Kierkegaard vorangestellt: „Wenn alles still ist, geschieht am meisten.“

Zwölf Erzählungen. Zwölf? Eine Zahl von Symbolwert. Zwölf Erzählungen, ...


Ein kleines Buch. Schönes Papier. Große Schrift. Ein Zitat von Kierkegaard vorangestellt: „Wenn alles still ist, geschieht am meisten.“

Zwölf Erzählungen. Zwölf? Eine Zahl von Symbolwert. Zwölf Erzählungen, die ein Ganzes umschließen. Zufall? Wohl kaum. Der große Ferdinand von Schirach erzählt in einer packenden Mischung von distanziertem Beobachten und empathischer Ruhe. Er benötigt nur wenige Worte, um gewaltige Inhalte in Szene zu setzen, so gewaltig, dass uns Lesern der Atem stockt. Irregeleitete Menschen, vom Leben an den Rand gespülte Menschen, aus der Zeit gefallene, gestrandete Menschen. Menschen, die tatenlos auf ihr Leben wie auf ein leeres Blatt Papier starren. Menschen, die im Rad der zunehmenden Verzweiflung gefangen sind. Aus normalen Tagesabläufen kriecht plötzlich das Entsetzliche hervor, nur ganz kurz, aber dieser Moment genügt, damit das Opfer sich aufbäumt und zum Täter wird. So viele verlorene, entsetzlich traurige, unendlich einsame Menschen, deren Leben im Sog der Einsamkeit in die Irre geht.

Schicksal oder Schuld, Vorsatz oder Zufall, Wille oder Fügung? Die vorliegenden zwölf kleinen Erzählungen umschließen große Lebensthemen. Sie sind in größter Präzision geschliffene kleine Erzähl-Diamanten, in Schmuckfassung gebracht von einem der ganz großen Wortkünstler.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Zeitgeschichte unterhaltsam verpackt

Das Jahrhundertversprechen (Jahrhundertsturm-Serie 3)
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Leider kannte ich die beiden Vorgängerbände dieser Trilogie bislang nicht, was ich im Nachhinein sehr bedauere. Dennoch konnte ich mich sofort gut in diesem dritten Band mit seinen Personen zurechtfinden. ...

Leider kannte ich die beiden Vorgängerbände dieser Trilogie bislang nicht, was ich im Nachhinein sehr bedauere. Dennoch konnte ich mich sofort gut in diesem dritten Band mit seinen Personen zurechtfinden. Dem Autor ist es gut gelungen, auch „Neulesern“ den Einstieg problemlos zu ermöglichen.

Es geht um die Familie Briest in der Zeit der Weimarer Republik 1921. Obwohl der erste Weltkrieg bereits seit 3 Jahren zu Ende ist, herrschen Not und Elend. Hohe Reparationszahlungen zwingen das Land in die Knie. Hunger ist Alltag. Wirre politische Strömungen schaffen Angst und Unsicherheit. Otto und Hermine Briest stehen kurz vor dem Bankrott, die Tochter Luise hofft auf eine Filmkarriere. Die Menschen suchen Ablenkung von ihrer Not, und so boomt alles, was kurzzeitig Vergnügen bereitet, Filmtheater, Varietés und Autorennen. Max, der Ziehsohn der Familie Briest, der einst Luisa das Leben gerettet hatte, versucht sich als Rennfahrer zu beweisen, doch ein Erzfeind der Familie von Briest nutzt die Politik der Zeit, um den Untergang der Familie von Briest voranzutreiben.

Vom Buchumfang von mehr als 650 Seiten zu Anfang etwas verschreckt, nahm mich die Geschichte jedoch nach kurzem Einlesen restlos gefangen, und ich las mich mit großer Freude und kurzweilig unterhalten durch die Zeit von 1921 bis 1928. Richard Dübell versteht es meisterhaft, eine Zeitspanne lebendig werden zu lassen, deren Schattenseiten mir bislang in dieser geschilderten Eindrücklichkeit nicht bewusst waren. Die Zwanziger Jahre waren mir als Zeit der überschäumenden Lust an Ablenkung, an Unterhaltung, an Tanz und Champagner im Gedächtnis. Die unendliche Not, der zu entfliehen die Menschen versuchten, wurde mir erst durch dieses Buch augenfällig, nachspürbar, erschreckend nah. Dem Autor gelingt es auf großartige Weise, politisches, gut recherchiertes Hintergrundwissen so mit der erzählten Handlung zu verweben, dass man keinen Moment der Langeweile erlebt, aber dennoch diese gespenstisch anmutende Zeit der Tristesse, der Orientierungslosigkeit, des aufkommenden Nationalsozialismus und all der damit verbundenen Ängste stets als leise Drohung im Hintergrund grollen hört. Bedeutende Namen lernen wir kennen wie Fritz Lang, den Stummfilm-Regisseur, oder den Politiker Walter Rathenau, der als Reichsaußenminister einem Attentat zum Opfer fiel. Die anständige Familie von Briest und Max mit seiner liebenswerten Berliner Schnauze sind mir im Buch ans Herz gewachsen, und so beende ich diesen dritten Band der Trilogie etwas traurig, insgesamt jedoch bereichert und mit einer unbedingten Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Manches bleibt im Dschungel-Dunkel

Ins Dunkel
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Ein unglaublich fesselndes Buch, das ich nur wärmstens empfehlen kann!

Es wirkt fast wie ein Schulausflug: Eine Männer- und eine Frauengruppe, jeweils zu fünft, fröhlich-aufgeregt, haben als teambildende ...

Ein unglaublich fesselndes Buch, das ich nur wärmstens empfehlen kann!

Es wirkt fast wie ein Schulausflug: Eine Männer- und eine Frauengruppe, jeweils zu fünft, fröhlich-aufgeregt, haben als teambildende Maßnahme von ihrer Firma eine mehrtägige Wanderung durch den australischen Busch zu absolvieren, nur mit Landkarte, Kompass und ihrem Rucksack versehen. Kein Handy. Beide Gruppen haben unterschiedliche Routen, Treffpunkt am vierten Tag 12 Uhr wieder zurück am Ausgangspunkt. Die Männer sind pünktlich da. Viele Stunden später tauchen auch die Frauen auf, verletzt, nach Hilfe schreiend – und es sind nur vier! Der Ermittler Aaron Falk und seine Kollegin müssen Alice, die vermisste Frau, unbedingt finden, denn sie ist eine wichtige Information.

Bereits der Prolog hat mich gepackt, und so ist es das gesamte Buch über geblieben. Ich hing an den Seiten, konnte nicht mehr aufhören. Jane Harper hat einen unglaublich intensiven Sprachstil, dessen Bilderwelt einen regelrecht verfolgt. Geradezu filmreif sieht man das Geschehen vor sich, man wird hineingestoßen in eine Welt, in der die Natur die wahre Herrscherin ist, ihren eigenen Gesetzen folgend, die uns Menschen in ihrer Gewalt Angst macht. Man erlebt hautnah die Kälte, die in jede Pore zieht, und spürt den eisigen Regen, der überall eindringt. Man erlebt, wie Dunkelheit und seltsame Geräusche die Angst steigern. Und wie vor allen Dingen die fünf Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit sich erst einmal mit halbwegs freundlicher Bereitschaft bemühen, miteinander auszukommen, aber je mehr Angst und Verzweiflung Raum gewinnen, fällt diese Fassade ab und harte Wahrheiten brechen auf.
Man tut gut daran, das Buch möglichst zeitnah von Anfang bis Ende zu lesen (wozu einen die Spannung sowieso bringt). So stören die nach rückwärts unterschiedlich zeitversetzten Perspektivwechsel etwas weniger. Diese verhackstückte Erzählweise ist leider ein derzeit gerne benutztes Stilmittel zur Spannungsverdichtung, wobei das vorliegende Buch dies absolut nicht gebraucht hätte, denn die Geschichte ist richtig gut, absolut packend, sie spielt intensiv mit unseren Ängsten und sie schildert psychologisch nachvollziehbar extrem unterschiedliche Charaktere und deren Reaktion in einer Ausnahmesituation.

Bis fast zum Schluss bleibt man als Leser im Ungewissen. Nicht alles findet letztlich im unerwarteten Ende der Geschichte eine schlüssige Erklärung, auch bleibt mir persönlich absolut rätselhaft, weswegen sich die Frauen beharrlich siezen. Dennoch bleibt mein Fazit: Ein großartig geschriebener Thriller, fesselnd bis zur letzten Seite, in seiner Intensität lange nachwirkend.

Veröffentlicht am 23.07.2018

Meine Güte, ist das Buch gut!

Die Kunst, einfache Lösungen zu finden
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Als ich meine Rezension zu schreiben begann, stellte ich fest, dass sie wie eine Werbebotschaft des Verlags klingt, wie eine geradezu marktschreierische Werbung. Und doch wollte ich nur meiner uneingeschränkten ...

Als ich meine Rezension zu schreiben begann, stellte ich fest, dass sie wie eine Werbebotschaft des Verlags klingt, wie eine geradezu marktschreierische Werbung. Und doch wollte ich nur meiner uneingeschränkten Begeisterung Ausdruck verleihen, mit einem gewissen Überschwang zugegebenermaßen.
Meine Güte, ist dieses Buch gut! Jedem, wirklich jedem möchte ich zurufen: Lesen Sie dieses Buch! Egal wer Sie sind, wie alt Sie sind, ob Sie viel oder wenig lesen, ob Sie Probleme haben oder nicht – lesen Sie dieses Buch! Es wird Sie erheitern, es wird Sie erstaunen. Und es wird Ihnen Gewinn bringen, es geht gar nicht anders, denn der Buchinhalt bleibt im Sinn. Passagen, die für Sie wichtig sind, bleiben wie Kaugummi in Ihren Gedanken kleben, es gibt keine Chance des Entkommens.

Steve de Shazer war Psychotherapeut und entwickelte auf der Grundlage von Milton Erickson die lösungsorientierte Kurztherapie. Auf de Shazer, Watzlawick und auf andere kluge Menschen bezieht sich der Autor und holt aus ihren Werken jeweils das Beste und Eingängigste hervor, um es dank seines eigenen Wissens und Denkens zu einem Buch höchster Wirksamkeit zu verdichten.
Alles hängt mit allem zusammen. Wenn wir das verstanden haben, wird uns klar, weshalb bereits kleinste Interventionen unser Problem- oder Streitgefüge massiv stören können. Unscheinbar sind die Lösungsmöglichkeiten, es fehlt ihnen an jeglichem Drama, und das macht sie irgendwie geradezu unbeliebt. Denn mein Problem ist ein großes Drama, da kann der Lösungsweg nicht einfach so um die Ecke kommen, so harmlos, so nebenbei… Und wenn wir dann weiter noch verstehen, dass unser persönliches Weltbild eine ganz und gar subjektive Konstruktion ist, erahnen wir bereits nach wenigen Buchseiten, dass das, was wir persönlich zum Problem erklären, ein ebenso subjektives Empfinden ist. Meist agieren wir in unserem persönlichen „Theater des Bewusstseins“, ohne seine Subjektivität zu erkennen, und definieren die Mitspieler, die sich nicht an unser Drehbuch halten, als Problem, an dem es gilt sich abzuarbeiten. Christian Ankowitsch reicht uns in seinem Buch einen ganzen Schlüsselbund zum Knacken unserer persönlichen Problemschlösser. Und das macht er auf beeindruckende Weise, mit großem fachlichem Hintergrundwissen (23 Seiten kleingedruckte Anmerkungen!). Er schreibt nicht wissenschaftlich-verstiegen, sondern menschennah, geradezu freundschaftlich, und vor allen Dingen mit entlarvend-intelligentem Humor. Er setzt uns Lesern sehr kurzweilig Problemlösungen in appetitlichen Häppchen vor, so verlockend angerichtet, dass wir ihm nach wenigen Seiten bereits aus der Hand fressen.
Probieren Sie es aus!