Platzhalter für Profilbild

heinoko

Lesejury Star
offline

heinoko ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit heinoko über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.08.2023

Hinreißend gestaltetes Bilderbuch über unsere geschundene Welt

Mein Leben als einsamer Axolotl
0


Die finnische Autorin hat ein ganz besonderes Bilderbuch geschaffen, das sowohl vom Text her als auch von den Illustrationen und der dahinterstehenden Botschaft absolut ungewöhnlich und besonders ist. ...


Die finnische Autorin hat ein ganz besonderes Bilderbuch geschaffen, das sowohl vom Text her als auch von den Illustrationen und der dahinterstehenden Botschaft absolut ungewöhnlich und besonders ist. Ein Bilderbuch, das für Vorschulkinder in allen Facetten vielleicht noch nicht verständlich ist, aber das beim Vorlesen und begleitenden Gesprächen mit den vorlesenden Erwachsenen durchaus seine Botschaft verständlich werden lässt. Und ein Bilderbuch, das älteren Kindern und Erwachsenen mehr als Herz geht als man vielleicht erwartet.
Der namenlose Axolotl ist der letzte seiner Art. Er ist einsam, aber er freut sich dennoch seines Lebens. Er erfreut sich an Fundstücken, die die Plumplinge ins Wasser werfen. Er besucht die Unterwasserschule und hat eine Weile lustige Tigersalamander-Freunde, bis diese an Land auswandern. Das Wasser wird trüber, die Luft wird heißer, die Einsamkeit wird größer. Bis eine Riesenwelle den Axolotl durch die Gegend schleudert und er, völlig unerwartet, in eine neue Zukunft startet.
Von der naiv wirkenden, aber unsagbar eindringlichen Gestaltungskraft von Linda Bondestam bin ich hingerissen. Ich wüsste nicht, welche Geschichte über die Zerbrechlichkeit unserer Erde mir bisher so sehr ans Herz gegangen wäre. Der liebenswerte Axolotl, der sich mit allem, was ist, zufrieden gibt, hat es verdient, zu überleben und letztlich sein Glück zu finden. Vielleicht ganz ohne Plumplinge. Denn die Erde weiß sich zu helfen. Wenig einfacher und doch sehr aussagekräftiger Text ist eingebettet in intensivfarbige großflächige Illustrationen, aus denen der winzige Axolotl hervorscheint. Vieles aus unserer gegenwärtigen Umwelt lässt sich in den Bildern finden. Und der Wandel, den die Erde vollzieht, ist elementar. Was Plumpiane nicht schaffen, gelingt Axolotl wie von selbst: unerschöpflicher Lebensmut.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.07.2023

Wenn Familiensinn und Heimatliebe siegen

Das Haus am Walchensee
0

An meinen eigenen Urlaub am Walchensee vor vielen, vielen Jahren habe ich eine verschwommene Erinnerung. Hauptsächlich ist mir ein etwas unangenehmes Empfinden durch das rundum Umschlossen-Sein von Bergen ...

An meinen eigenen Urlaub am Walchensee vor vielen, vielen Jahren habe ich eine verschwommene Erinnerung. Hauptsächlich ist mir ein etwas unangenehmes Empfinden durch das rundum Umschlossen-Sein von Bergen geblieben. Umso neugieriger war ich auf den vorliegenden Roman, dessen erster Band tatsächlich sehr viele schöne, bildhafte Naturbeschreibungen enthält , die mich dazu verlocken, den Walchensee noch einmal ganz neu zu erleben.

Freya Siebert, die ihre ersten Jahre am Walchensee verlebt hatte und mit ihrer Mutter nach Schweden ausgewandert war, kommt zur Testamentseröffnung nach Tod des Vaters an den Walchensee zurück. Sie ist entsetzt, als sie erfährt, dass sie als Vermächtnis ihres Vaters den heruntergekommenen Gasthof Fischerfleck zusammen mit ihrem Bruder Niklas zukünftig bewirtschaften soll. Wenn das nicht gelingt, fällt der Traditionsgasthof an die Kirche Das stellt Freyas gesamte weitere Lebensplanung in Frage. Aber auch Niklas, der bisher den Fischereibetrieb der Familie führte, steht dadurch vor ganz neuen Herausforderungen. Dass Freya durch ein ungeklärtes Geheimnis aus ihrer Kindheit belastet wird, macht es für sie noch schwieriger, dem Wunsch ihres verstorbenen Vaters zu entsprechen. Als ihr Familiensinn siegt, ahnt sie noch nicht, auf was sie sich einlässt…

Der Autorin gelingt es sehr eindringlich, Situationen zu schildern, sei es in der Natur, sei es im Kontakt mit sympathischen und weniger angenehmen Zeitgenossen. Aber auch innerseelische Gefühlsverwirrungen werden empathisch und für den Leser gut nachvollziehbar vermittelt. Jedenfalls konnte ich mich sehr gut in Freya hineinversetzen, wobei mich deren unerschütterliche Fähigkeit, Ungelerntes perfekt zu erledigen, immer wieder erstaunte. Die Verbundenheit zu der Gegend, in der man geboren ist und die Heimat zu nennen ist, wird ohne Pathos oder Kitsch sehr schön dargestellt. Auch wenn die Dialoge manchmal etwas konstruiert-hölzern daherkamen, empfand ich den Roman insgesamt als sehr angenehme Urlaubslektüre. Der gemeine Cliffhanger, geschickt plaziert zum Schluss, zwingt geradezu, auf den Nachfolgeband zu warten.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.07.2023

Ein Kinderbuch, fantasievoll-spannend trotz der etwas komplizierten Zeitreisen

Memora Castle oder Das Rätsel der vertauschten Zeit
0



Dieses Buch war für mich eine rundum positive Entdeckung! Die Geschichte enthält im Grunde alles, was ein gutes Kinderbuch ausmacht. Zunächst eine spannende Handlung, denn was gibt es spannenderes, als ...



Dieses Buch war für mich eine rundum positive Entdeckung! Die Geschichte enthält im Grunde alles, was ein gutes Kinderbuch ausmacht. Zunächst eine spannende Handlung, denn was gibt es spannenderes, als die Möglichkeit der Zeitreisen zu entdecken? Dazu kommen noch handelnde Personen, die den Leser nicht kalt lassen, im Guten wie im Negativen. Dies alles angesiedelt in einem Ambiente, das wie geschaffen ist für fantastische Geschichten. Und nicht zuletzt ist neben reicher Fantasie auch ein ganz klein wenig Sinnhaftigkeit dabei.

Holly war mit großer Freude ganz allein aufgebrochen zu Memora Castle, einem großen Herrenhaus, um dort Tante Claire zu besuchen, ihre Lieblingstante. Doch Tante Claire ist nicht da, besser gesagt, sie ist wie vom Erdboden verschwunden. Die grantigen Bediensteten geben keinerlei Erklärung. Es ist kalt, der Koffer von Holly ist unterwegs verloren gegangen, und Holly friert. Sie inspiziert aus Langeweile das alte Haus und wundert sich über eine gemalte Tür auf der Balustrade und den seltsamen Kuckuck in der Standuhr. Glücklicherweise kommen Cousine Ilana und ihr Stiefbruder Janko zu Besuch, und gemeinsam versuchen sie, den Rätseln des Hauses und der Zeit auf die Spur zu kommen.

Ein schönes Thema hat die Autorin gewählt: Durch den Schleier zwischen den Zeiten hindurchgehen und dabei die Geheimnisse der Familie aufdecken und dabei erfahren, wie wichtig Erinnerungen sind. Denn Erinnerungen sind magisch, sie enthalten den gesamten Reichtum des Lebens. Und genau deshalb sollte man seine Tage so oft wie möglich mit Gutem und Schönem anfüllen. Die Szenen werden sehr plastisch und eindrücklich geschildert, auch die Wege des Entdeckens sind nachvollziehbar. Leider entstehen durch allerlei notwendige theoretische Erklärungen, wie, warum und wann die Zeitreisen funktionieren oder nicht, gewisse Längen im Text, die die eigentlich spannende Handlung unterbrechen. Und leider beschränken sich die Illustrationen auf kleine Vignetten zum Kapitelanfang. Ein paar Zeichnungen mehr im Text hätten dem Buch und der Lesefreude sicher gut getan.

Fazit: Ein spannendes Kinderbuch, fantasievoll und bildhaft geschrieben. Die etwas komplizierten und erklärungsbedürftigen Zeitreisen sind trotz kleiner Längen im Text aufregend geschildert. Die Geschichte eignet sich sehr gut zum Selberlesen ab 10 Jahren und zum Vorlesen ab 8 Jahren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.07.2023

Ratlos

Nincshof
0

Am besten gelungen am Buch ist meiner Meinung nach das Cover. Es zeigt ein Dorf, versteckt hinter Schilf. Und genau das wollen die Oblivisten, deren verschrobenes Anliegen ist, das Dorf Nincshof im Burgenland ...

Am besten gelungen am Buch ist meiner Meinung nach das Cover. Es zeigt ein Dorf, versteckt hinter Schilf. Und genau das wollen die Oblivisten, deren verschrobenes Anliegen ist, das Dorf Nincshof im Burgenland in die Vergessenheit zu führen. Erst wenn keine Fremden, keine Durchreisenden, keine Touristen mehr nach Nincshof kommen, könnte das Dorf in völliger Ruhe und Freiheit leben, so wie es nach historischer Überlieferung schon einmal geschehen war. Erna Rohdiebl, die freiheitsliebende alte Frau, wollen die Oblivisten dazu bewegen, ihre Pläne, den Ort verschwinden zu lassen, zu unterstützen. Doch Planung und Wirklichkeit passen wie so oft nicht zusammen.
Um es klar zu sagen: Was die Autorin uns mit ihrem Roman sagen will, ist und bleibt mir schleierhaft. Der Roman mäandert zwischen volkstümelnder Heimatliebe und politisch fragwürdigen Gedankenexzessen. Teils komisch, teils unendlich langweilig, teils surreal wandert die Handlung von Ruanda über Bosnien zum Nachbarpool und verliert sich in reichsbürgerähnlichen Fantasien. Zusammenhanglos reihen sich einzelne Szenen aneinander ohne Tragweite für das Gesamtgeschehen. Für mich ohne erkennbaren Sinn. Der Text ist meist leicht lesbar, an weiteren Stellen dröge langweilig und mitunter mit seltsam pseudoliterarischen, gewollt wirkenden Wortbildern geschmückt. Uneinheitlich also.
Ein Roman, den ich nicht ernst nehmen kann, weder vom Inhalt noch vom Schreibstil her. Allein schon die Bezeichnung „Roman“ erscheint mir überhöht zu sein. Aber vielleicht fehlt mir auch einfach nur das Verständnis für dieses Buch.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.07.2023

Ein absoluter Lese-Leckerbissen

Die Zeitreisende
0


Normalerweise sind Autobiographien, von Prominenten (oder Ghostwritern) geschrieben, nur mäßig interessant und vor allen Dingen sprachlich ohne Anspruch. Das Buch von und über Ute Lemper, zum 60. Geburtstag ...


Normalerweise sind Autobiographien, von Prominenten (oder Ghostwritern) geschrieben, nur mäßig interessant und vor allen Dingen sprachlich ohne Anspruch. Das Buch von und über Ute Lemper, zum 60. Geburtstag herausgebracht, ist eine rühmliche Ausnahme. Ute Lemper haben wir in Deutschland irgendwie aus den Augen verloren, obwohl sie doch eine der Wenigen ist, die sich ein echter Weltstar nennen darf und auf die wir stolz sein könnten. Ihre Vielseitigkeit, ihr überragendes Können als Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin, kurzum als beeindruckende Künstlerin, hat die Welt überzeugt. Dazu kommt für mich nach Lektüre des Buches noch ihre außerordentliche schriftstellerische Begabung. Das Buch lohnt sich zu lesen!

Ute Lemper hat schon einmal vor Jahren eine Autobiographie geschrieben. Aus dieser zitiert sie in der ersten Buchhälfte sehr viel, aber nicht aus Bequemlichkeit, sondern unter gleichzeitiger Reflektion ihrer Entwicklung seit diesem ca. 30 Jahre alten ersten Buch. Solch eine Reflektionsfähigkeit ist wahrlich nicht jedem Künstler gegeben. Sie beschreibt die hellen und dunklen Seiten ihres prall vollen Künstlerlebens ungeschönt, offen und selbstkritisch. Immer aber spricht aus den Erzählungen ihre unabdingbare Leidenschaft für ihr Tun. Sie weiß was sie kann, wurde mit vielen Preisen im Verlauf ihrer Weltkarriere ausgezeichnet, aber sie zeigt sich an keiner Stelle im Buch überheblich. Wir gewinnen einen tiefen Einblick in die vielen Facetten des Denkens und Fühlens der Ute Lemper als Künstlerin, als Mensch, als Frau, als Mutter. Und wir dürfen erahnen, welch ungeheuere Bandbreite ihr künstlerischen Tun auszeichnet. Ihre hellwachen Gedanken zu zeitgeschichtlichen Ereignissen fand ich ebenso interessant. Was für mich das Buch jedoch zusätzlich zu einer besonderen Lektüre machte, war die wunderbare, teilweise fast poetisch zu nennende Sprache, in der Ute Lemper erzählt. Ihr gelingt es auf beeindruckende Weise, Innerseelisches in Wortbilder zu fassen. Manche Sätze möchte man am liebsten in großen Buchstaben an die Wand hängen.

Kurzum: Eine außergewöhnlich gut geschriebene, facettenreiche und sehr offene Autobiographie einer Vollblutkünstlerin und ein echter Lese-Leckerbissen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere