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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.08.2018

Hochwertig in Ausstattung und Inhalt

Freundinnen
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„Besuche deine Freunde oft, sonst wächst der Weg zu.“ (Sprichwort)
„Beziehungsneugierige Leserinnen“ wünscht Verena Kast diesem Buch. Besser könnte man es nicht ausdrücken, denn die Beziehung zwischen ...

„Besuche deine Freunde oft, sonst wächst der Weg zu.“ (Sprichwort)
„Beziehungsneugierige Leserinnen“ wünscht Verena Kast diesem Buch. Besser könnte man es nicht ausdrücken, denn die Beziehung zwischen Freundinnen ist so vielfältig, wie Menschen vielfältig sind. Der vorliegende Bildband zeigt diese Vielfalt auf beeindruckende Weise.
Schon das Äußere des großformatigen Buches besticht. Das Cover zeigt das Gemälde „Al Fresco Tea“ von Lawton S. Parker, einem amerikanischen Maler des Impressionismus, und es hat eine hinreißende Wirkung auf mich. Ein unbeschwerter Sommertag, flirrendes Sonnenlicht, das durch die Blätter fällt, im Halbschatten unter Bäumen Zweisamkeit genießen, sich erzählen und von Zukunft träumen… Genau so stelle ich mir das ideale Freundin-Treffen vor, leicht und voller „Zeitwohlstand“, wie Verena Kast in ihrem klugen Vorwort es nennt, wenn Freundinnen Zeit haben füreinander. Der Fliederton im Bild setzt sich im Buch fort. Einfach nur schön. Seit vielen Wochen steht das Buch quer in meinem Bücherregal, und bei jedem Vorbeigehen erfreue ich mich an dem wunderbaren Cover.
Auch der Inhalt des Buches ist hochwertig. Nicht nur der großartige Beitrag von Verena Kast, der Grande Dame der Jung’schen Psychoanalyse, beleuchtet das Thema Freundschaft unter Frauen in umfassender Weise. Dörthe Binkert gelingt eine zusätzliche Dimension: Sie schlägt einen großen Bogen von der ersten Freundin über die beste Freundin, über die erotische Komponente in Frauenfreundschaften bis hin zur alle Schwierigkeiten überdauernden vertrauensvollen Verbindung. Und diesen großen Bogenschlag untermalt sie im wahrsten Sinne des Wortes mit einer unglaublichen Fülle an Gemälden aus den verschiedensten Epochen. Sie knüpft anhand der Bilder faszinierende Gedankenfäden. Und genau diese Verknüpfung macht den Reichtum des Buches aus. Die Texte lesend erschließen sich mir die Gemälde auf neue Weise, und die Gemälde betrachtend erschließen sich mir die Texte in größerer Tiefe. Das Buch endet mit dem russischen Sprichwort: „Wer sich keine Zeit für seine Freunde nimmt, dem nimmt die Zeit die Freunde.“ Nehmen Sie sich Zeit – auch für dieses wunderbare Buch!

Veröffentlicht am 07.08.2018

Eine große Enttäuschung

Am Anfang die Schuld
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Bislang war ich ein Fan der Bücher von James Oswald, speziell von der von ihm geschaffenen Figur des Inspector Tony McLean. Das vorliegende Buch jedoch war für mich und meine zugegebenermaßen hohen Erwartungen ...


Bislang war ich ein Fan der Bücher von James Oswald, speziell von der von ihm geschaffenen Figur des Inspector Tony McLean. Das vorliegende Buch jedoch war für mich und meine zugegebenermaßen hohen Erwartungen eine einzige Enttäuschung.

Tony McLean leitet eine Razzia in einem vermeintlichen Bordell, was sich jedoch als Reinfall herausstellt. Dennoch hat der Inspektor bei Durchsuchung des Hauses vage Erinnerungen an ein Etablissement, aus dem er in seiner Dienst-Anfangszeit ein entführtes Mädchen rettete. Ein ungeheurer Verdacht beschleicht McLean…

Beginnen muss ich mit Wechsel der Übersetzerin. Sigrun Zühlke wurde leider, leider in diesem 6. Band abgelöst von Conny Lösch, die den bestimmten „Oswald-Sound“ einfach nicht trifft. Die Sprache wirkt etwas verquast, langatmig, nicht pointiert, was sich besonders darin zeigt, dass der gelegentlich eingestreute böse Humor von James Oswald völlig untergeht, nicht „aufblitzt“ wie bei Sigrun Zühlke.
Aber auch der Plot konnte mich überhaupt nicht überzeugen. Die Geschichte wirkt auf mich nicht wirklich schlüssig, irgendwie nicht „bis Ende erzählt“, es bleiben viele Fragen offen. Und sowohl durch den seltsamen Plot als auch durch die schlechte Übersetzung bleibt die Spannung auf der Strecke. Ich quälte mich regelrecht durch die Seiten. So schade!

Veröffentlicht am 05.08.2018

Ein tiefes, ein intensives Buch

Die Annäherung
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Hier schreibt eine der ganz großen Gegenwarts-Autorinnen, die mich im Jahr 1987 mit dem auf mich erschreckend intensiv wirkenden Buch „Die Züchtigung“ fesselte und seither nicht mehr losgelassen hat.

Theo ...

Hier schreibt eine der ganz großen Gegenwarts-Autorinnen, die mich im Jahr 1987 mit dem auf mich erschreckend intensiv wirkenden Buch „Die Züchtigung“ fesselte und seither nicht mehr losgelassen hat.

Theo ist 96. Er erleidet einen Schlaganfall, kann sich nur noch mit Mühe mitteilen. Zu Frieda, seiner Tochter, besteht seit vielen Jahren kaum mehr Kontakt, woran Berta, Theos zweite Frau, einen wesentlichen Anteil hatte. Als Frieda einen Anruf aus dem Krankenhaus erhält, entwickelt sich in der Folgezeit ganz langsam eine neue Chance der Annäherung. Der pflegebedürftige Theo verliert die Gegenwart völlig aus dem Blick, erst der ukrainischen Pflegerin Ludmilla gelingt es, zu Theo vorzudringen.

Es wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Theo erlebt seine letzte Lebenszeit, schildert sehr bewegend seine Gedanken zu dem, was bald kommen wird. Und er lebt in Erinnerungen, in den guten und weniger guten. Frieda hingegen berichtet in der ihr eigenen spröden Art von ihrer Sicht auf ihre Kindheit und Jugend, auf ihre gescheiterte Ehe, auf alles, was sie lebenslang vermisst hat. Weder Theo noch Frieda ist es je gelungen, offen miteinander zu sprechen. So viele offene Fragen, so viele Unsicherheiten auf beiden Seiten. Dieses entsetzliche Schweigen zwischen den Menschen, aus dem heraus so viel Verletzendes entsteht – dieses große, große Schweigen macht dem Leser das Herz schwer.

Anna Mitgutsch erzählt das Große und das Kleine im Leben, Krieg und Schuld, aber auch die Wirkung eines überraschenden Händedrucks. Sie beschreibt Menschen mit einer weisen, beobachtenden Toleranz, ohne Wertung, ohne Stellungnahme, in deren feinsten Regungen wahrnehmend, immer aber so lebensnah, dass man Frieda und Theo und Berta und all die anderen genau vor sich sieht und mit ihnen durch den Park spazieren möchte oder einfach nur am Bett sitzend mit kleinen Gesten wie dem Falten-Wegstreichen auf der Bettdecke Nähe zeigen möchte. In ihrer wunderbar langsamen, elegisch schönen Sprache zieht die Autorin den Leser hypnotisch in ihren Bann, und man landet, ob man will oder nicht, in diesem Buch in einer Welt des Passiven, des scheinbar Unausweichlichen, des Ausgeliefert-Seins und des lebenslang Versäumten. Aushalten muss man die Intensität und Tiefe dieses Buches, aushalten und bestenfalls eigene Bilanz ziehen.

Veröffentlicht am 03.08.2018

Kein Buch für Häkel-Neulinge

100 süße Häkelfiguren (KREATIV.INSPIRATION)
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Wie alle Handarbeitsbesessenen habe auch ich einen überquellenden Korb voll mit kleinen Wollresten, die ich einfach nicht wegwerfen kann. Da kam mir das vorliegende Buch mit seinen vielen Mini-Häkelvorschlägen ...

Wie alle Handarbeitsbesessenen habe auch ich einen überquellenden Korb voll mit kleinen Wollresten, die ich einfach nicht wegwerfen kann. Da kam mir das vorliegende Buch mit seinen vielen Mini-Häkelvorschlägen natürlich genau recht.
Sehr positiv habe ich empfunden, dass die gebundene Buch-Ausgabe in seinem Äußeren stabil und schmutzresistent ist, denn solch ein Anleitungsbuch muss ja so Einiges wegstecken. Es liegt schon mal unmittelbar neben der Kaffeetasse oder kopfüber im Wollkorb. Es wird mit ungeeigneten Lesezeichen wie Häkelnadel oder halbem Wollknäuel gequält. Die Buchseiten selbst sind relativ fest, sodass man es bedenkenlos Kinderhänden zum Durchblättern überlassen kann. Das Cover zeigt sich liebenswert ansprechend dank der abgebildeten Flamingos. Im Buchinneren sind die Kapiteleinteilungen wie z. B. „Frühlingserwachen“ oder „Tiere suchen ein Zuhause“ gut gelungen. Es fehlen auch nicht die grundsätzlichen Angaben zu Material, Werkzeug und Häkeltechnik. Schön empfinde ich die unterschiedliche Farbgestaltung der Seiten und die Übersichtlichkeit der Anleitungen.
Tja, aber jetzt beginnt leider der weniger erfreuliche Teil, aber ich schicke voraus, dass dies meine ganz subjektive Meinung ist. 100 Anleitungen – aber bei nur ganz wenigen geht „das Herz auf“, bei ganz wenigen hat man den Impuls, genau dies oder das sofort nacharbeiten zu wollen. Die vorgeschlagenen Ideen sind nett, das ja, aber wir wissen ja, nett ist nicht genug, damit es uns in der Häkelnadel juckt. Mir fehlt insbesondere an den Tierchen und Superhelden und Engelchen das Liebenswerte, die Gesichter würde ich teilweise sogar als missglückt bezeichnen. Letztlich kann man jedoch darüber hinwegsehen, denn eine geübte Häklerin bekommt den Gesichtsausdruck besser hin als die Musterhäklerin des Buches. Wirklich problematisch finde ich jedoch, dass ein Häkelneuling mit der Angabe „2 Lm, dann fm in Spiral-Rd. häkeln“ nichts, aber auch schon gar nichts anfangen kann. Hier hätte es am Anfang durch Step-by-Step-Fotos einer Erläuterung bedurft, wie man nach Häkeln von 2 Lm plötzlich zu Spiralrunden kommt und was das überhaupt heißt. Und der Satz „mit Füllwatte ausstopfen“ erscheint mir ebenfalls nicht genug, denn gerade durch das feste oder weiche Ausstopfen kann ich die Füllwatte als zusätzliches Gestaltungsmittel benutzen, kann damit regelrecht formen. Hierzu fehlt leider jeglicher Hinweis im Buch.
Fazit: Ein handwerklich gut gemachtes Ideen-Buch, leider mit einigen Schwächen, insbesondere für Häkelneulinge.

Veröffentlicht am 02.08.2018

Wenn die Stille Lapplands die Seele heilt

Helle Tage, helle Nächte
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Ein Buch, in dem nicht viel geschieht, und doch so viel Entscheidendes. Gemächlich erzählt, der Landschaft Lapplands angepasst in seiner Weite und Einsamkeit und Stille.

Eine Kleinstadt, am Fuß der Schwäbischen ...


Ein Buch, in dem nicht viel geschieht, und doch so viel Entscheidendes. Gemächlich erzählt, der Landschaft Lapplands angepasst in seiner Weite und Einsamkeit und Stille.

Eine Kleinstadt, am Fuß der Schwäbischen Alb. Hier lebt Anna Albinger, knapp über 70, an Lungenkrebs erkrankt, einsam, durch eine jahrzehntelange Lüge niedergedrückt. Und Frederike, Nichte von Anna, von ihr als Kind liebevoll aufgezogen, knapp über 50, frisch geschieden, orientierungslos, was ihr zukünftiges Leben betrifft. Als Anna sie bittet, einen Brief persönlich zu überbringen, und zwar an Peter Svakko, 3.000 km entfernt im schwedischen Lappland lebend, lässt sich Frederike nur sehr widerwillig darauf ein, diese eindringliche Bitte ihrer Tante zu erfüllen. Doch schließlich macht sie sich mit ihrem Campingbus auf eine lange, lange Reise…

Der Roman wird wechselnd aus zwei Perspektiven erzählt. Anna berichtet über ihr stilles Leben, in der die Krankheit eine große Bandbreite an Gefühlen auslöst, Selbstmitleid und Kampfgeist, Depression und trotzigen Überlebenswillen, Verunsicherung und Angst. Über allem jedoch stehen Erinnerungen, intensive Erinnerungen an ihre eigene Kindheit.
Dramaturgisch von der Autorin geschickt eingestreut, werden in jedem Anna-Kapitel mehr und mehr Erinnerungen lebendig, und einem Puzzle gleich entwickelt sich ein Bild, das das alles überschattende Schuldgefühl Annas‘ erklärt. In den Frederike-Kapiteln machen wir uns mit ihr auf eine lange Reise, äußerlich und innerlich. Auch Frederike hat aufgrund ihrer Lebenserfahrungen eine eher negative Sicht auf die Dinge, lässt sich aber doch ein auf das, was ihr auf dieser Reise begegnet und erfährt eine ungeahnte Wandlung.

Die Autorin erzählt so hautnah, dass ich Annas‘ Schmerzen fast körperlich spüre, mit Herzklopfen zum ersten Mal in einem Helikopter sitze oder die Juni-Morgenkälte Lapplands in meine Knochen kriecht. Und ich erlebe mit den Augen der Autorin eine überwältigend schöne Landschaft, die den Menschen zurückführt auf das, was wesentlich ist. Die Liebe der Autorin zu Lappland teilt sich unmittelbar mit und hallt noch lange nach Beendigung des Buches nach. Es ist nicht wichtig, dass die Geschichte vorhersehbar endet. Wichtig ist, wie gekonnt Hiltrud Baier die großen Lebensthemen mit leichter Hand skizziert und gerade durch die Leichtigkeit und Ruhe eine Intensität erreicht, die mich im Innersten bewegt und nicht mehr loslässt.