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Veröffentlicht am 21.07.2022

"Als das Böse kam" - das packende Thriller-Debüt von Ivar Leon Menger

Als das Böse kam
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Thriller und Krimis sind für mich ja immer was, wenn gar nichts anderes mehr funktioniert. Gerade bei Leseflauten oder, wie momentan, bei heißen Temperaturen hilft so ein spannungsgetriebener Plot vom ...

Thriller und Krimis sind für mich ja immer was, wenn gar nichts anderes mehr funktioniert. Gerade bei Leseflauten oder, wie momentan, bei heißen Temperaturen hilft so ein spannungsgetriebener Plot vom Alltäglichen abzuschalten und in eine ganz andere Welt abzutauchen, ohne sich auf komplexe, hochliterarische Sätze und Verknüpfungen einlassen zu müssen. Das Rätsel um den Mörder/die Täter, die Erklärung des geschilderten Verbrechens und die möglichen Irreführungen, die, wenn es gut läuft, natürlich erst am Ende des jeweiligen Buchs aufgedeckt werden, reizen mich immer sehr und lassen mich in den meisten Fällen auch durch recht dicke Wälzer jagen. So auch der Thriller "Als das Böse kam" von Ivar Leon Menger, der mit seinen knapp 320 Seiten zwar recht dünn ist, aber von der ersten Seite an sehr viel Spannung mit sich bringt und so ganz ohne blutrünstiges Gemetzel auskommt...

Die Leser*innen treffen hier auf einer kleinen, einsamen Insel in Nordland auf die 16 jährige Juno und ihre Familie. Seit nun zwölf Jahren leben sie hier, abgeschottet von der Außenwelt und den dort lebenden Fremdlingen. Einzig Onkel Ole, der sie jeden Montag mit dem Boot besucht und die Post vorbeibringt, sowie die Wächter wissen von ihrer Anwesenheit, zumindest von ihren Eltern. Alle anderen wären eine Gefahr, denn sie haben es auf die Kinder abgesehen und wollen die Familie auslöschen. Diese allgegenwärtige Bedrohung führt sogar soweit, dass ihr Vater ein einiges Warnsystem installierte und einen Schutzraum unter dem Haus baute. Nur hier sind sie wirklich in Sicherheit, nur hier können sie (über-)leben. Doch irgendwann haben es die Kinder einfach nur satt, möchten endlich die Welt kennenlernen, andere Menschen treffen und so schmieden sie Pläne um nachts auszureißen und auf die andere Seite des Ufers zu gelangen, doch die Bedrohung ist viel größer als sie es vorstellen könnten.
Normalerweise halten sich die Kinder an die 7 Gebote, die Regeln, die ihnen jahrelang immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden, sei es durch eine Unachtsamkeit, eine zu langsame Reaktion oder wenn sie in den Schutzraum flüchten. "Wir müssen uns verstecken, wenn Onkel Ole kommt. [...] Niemand darf Vaters Bibliothek betreten [...] Wir müssen sofort in den Schutzraum, wenn die Sirene ertönt. [...] Wir dürfen keine fremden Beeren essen. [...] Wir müssen immer kurz und schmerzlos töten. [...] Und das siebte und wichtigste Gebot der Wächter: Keiner darf unsere Insel ohne die Erlaubnis von Mutter oder Vater verlassen. [...] Ansonsten werden wir beide dafür bestraft." heißt es, doch dann begeht ausgerechnet Juno einen Fehler. Ihre Neugier lässt sie fast alles vergessen, bis ein Foto von ihr auf die andere Seite gelangt, eine Drohne sie verfolgt und sie nachts plötzlich eine folgenschwere Entdeckung macht. Plötzlich steht ihre Welt Kopf, sie wurden entdeckt und das Böse lässt keinen Tag länger auf sich warten...

"Ich habe als Kronzeuge ausgesagt. Ich habe die Verbrecher und ihre Familien verraten. Vor dem Tribunal, vor den Richtern von Rimini. [...] Sie haben mir Rache geschworen. Als Vergeltung wollen sie jedes meiner Kinder töten. Dich und Boy. Deshalb wurden wir nach Skandinavien gebracht. Nach Schweden, tief in die Wälder, auf diese Insel."

Ach, war das gut. Ich würde nun gerne sowas sagen wie "Holy shit, war das krass", aber dazu gab es dann doch so ein paar störende Kleinigkeiten. Der Einstieg und den ersten Teil fand ich sehr bedrückend, sehr genial, die Panik ist direkt auf mich übergesprungen und beinahe jedes Kapitel hatte so seine Überraschungsmomente. Eine Familie abgeschieden von allem, eine etwas düstere Stimmung und die Bedrohung durch die Welt der Menschen abseits der Insel/des Waldes, ein aufmüpfiges Mädchen, das gegen alles bestehende rebelliert und unliebsame Fragen stellt... damit hat Ivar Leon Menger mich total gekriegt. Aber schon am Ende des ersten Teils hatte ich mit dem plötzlichen Romeo-und-Julia-Touch sehr zu kämpfen. Irgendwie hatte ich anderes erwartet und so stieg ich dann auch eher skeptisch in den zweiten Teil ein. Menger lauert auch hier mit einigen Überraschungen und ein paar weiteren Hürden, die er zwar versucht logisch aufzudröseln, so ganz überzeugen, konnte er mich damit allerdings nicht. Dennoch wurde ich auch hier von der Spannung und Neugier getrieben, in das Gefühl des Anfangs fand ich zwar nicht mehr zurück und doch würde ich abschließend behaupten, ohne nun allzu viel verraten zu wollen, es ist ein sehr tolles Buch, das in die Richtung von Romy Hausmann geht und dieses spannende Gefüge aus Abhängigkeit, Abgeschiedenheit, Familie, Vertrauen, Lügen und Wahrheiten, sowie dem Drang aus diesem Käfig endlich zu entkommen und frei zu sein, thematisiert. Ein sehr gedankenreicher Ausflug auf diese kleine, abgeschiedene Insel so mitten im See, eine sehr willkommene Ablenkung mit einigen Todesfällen und der großen Suche nach der Wahrheit, die oftmals ganz anders aussieht, als man erwartet. Und das hat mir dann wiederum sehr gefallen.

"Mutter klappt mein altes Märchenbuch auf und sieht sich jede Seite einzeln an. Was denkt sie, was sie dort findet? Ich starre auf ihre rot lackierten Finger, plötzlich reißt sie den Schutzumschlag herunter. Ich schlucke.
Darunter befindet sich ein rosafarbenes, sorgfältig zusammengefaltetes Stück Papier. Wieso habe ich es all die Jahre nicht bemerkt?
Sie dreht sich zu mir um, funkelt mich aus schmalen Augen an. >Du Lügnerin, ich hab's gewusst.<"

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Veröffentlicht am 30.06.2022

Zwischen Gut und Böse - Der Mensch, die Natur und der bedrohliche? Wolf

Wo die Wölfe sind
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Wie man am Klappentext bereits unschwer erkennen kann, dreht sich in diesem Buch vieles um Wölfe. Teilweise würde ich sogar Vergleiche mit "Tiger" von Polly Clark anstellen. Aber dieser Roman thematisiert ...

Wie man am Klappentext bereits unschwer erkennen kann, dreht sich in diesem Buch vieles um Wölfe. Teilweise würde ich sogar Vergleiche mit "Tiger" von Polly Clark anstellen. Aber dieser Roman thematisiert eben nicht nur die Natur, unsere Abhängigkeit von diesem fragilen Ökosystem, dass nicht mal so eben wieder repariert werden kann, sondern es dreht sich sehr viel um Schutz und die beeinflussenden Machtverhältnisse zwischen einzelnen Geschöpfen. Ohne nun zu viel vorweg zu nehmen, dieser Roman war für mich ganz anders als erwartet. Vergleichend mit McConaghys Vorgängerroman "Zugvögel" erwartete ich eher eine Geschichte, die sich sehr intensiv mit den Wölfen, ihren Spuren und Einflüssen auf die Menschheit, die Natur und ihr Umfeld auseinandersetzt und bei der sich die Protagonistin zahlreichen Widerständen entgegenstellen muss, sie und ihr Vorhaben zurückgedrängt wird und sie dennoch einen Weg findet sich für die Wölfe einzusetzen und damit uns irgendwie auch aufzeigt, wie ein wünschenswerter Umgang und der Wildnis aussehen würde, aber dieser Roman ist dann doch eher eine Kriminalgeschichte, in der die menschlichen Abgründe, Annäherungen und der Familienzusammenhalt im Vordergrund stehen. Was ruhig und überschaubar, für mich zeitweise auch sehr langweilig beginnt, wird nach und nach zur wilden Treibjagd, die die Leserinnen beinahe schon selbst zumzur Detektivin werden lässt, denn kaum nach der Auswilderung der Wölfe, gilt es einen Tod aufzuklären und mit ihm eröffnen sich dunkle Schatten, weitere Abgründe in der Vergangenheit einzelner Protagonistinnen und der große Wunsch nach Gerechtigkeit. Aber was ist schon gerecht? Der Mensch, der sich immer weiter ausbreitete, sich als wichtiger als viele andere Tierarten empfindet und am liebsten für alles die Zügel in der Hand hält, sich selbst oder die Natur in einen goldenen Käfig gesperrt hat (wer wen im Käfig hält, darf jeder selbst entscheiden) hat zumindest in der heutigen Zeit mit einigen Konsequenzen und Folgen seines Egoismus und Eingreifen in die natürlichen Kreisläufe zutun und wenn wir nun nicht handeln, wird es nur noch schlimmer werden. Und auch wenn man das natürlich schon längst weiß, so ist dieser Roman doch wieder ein Stück weit erschreckendes Spiegelbild, das auch hier wieder beängstigend und faszinierend zu gleich sein kann, aber eben auch aufzeigt, dass nicht nur das Wilde in der Natur unberechenbar sein kann, sondern auch der Mensch selbst. Das führt sogar soweit, dass man sich beim Lesen ständig fragt, was an dem Erzählten echt, was vielleicht sogar eingebildet ist, welchen der einzelnen Protagonisten man was zutrauen würde und wie weit die Vergangenheit Einfluss auf uns und unser Verhalten nimmt und vielleicht sogar, wie alles hätte anders werden können, würde sich der Mensch als Herrscher über die Natur stellen. Und so war es dann ein zum Ende hin sehr spannendes Leseerlebnis, das einiges in mir hervorgerufen hat, mich gefordert hat und vor allem auch vieles auch mal aus der Sicht der bedrohten Jagdtiere sehen lassen hat. Und so kann ich nun sagen: Ich wünschte mir es würde tatsächlich mehrere Wolfs-Auswilderungsprojekte geben, mehr Menschen wie Inti, die versuchen fürs Gute zu kämpfen, auch wenn es hin und wieder sehr schwer fällt und dass sich der Mensch einfach mehr Gedanken über sein Handeln macht und gerade für diese Aha-Momente und den überschwappenden Drang etwas bewegen zu wollen, möchte ich diesen Roman doch sehr jedem empfehlen.

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Veröffentlicht am 15.06.2022

Kein Sommer ohne den passenden Roman... "Man vergisst nicht, wie man schwimmt" oder etwa doch?

Man vergisst nicht, wie man schwimmt
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Krüger wollte, dass die Zeit verging, was sollte er in seinem Heimatkaff in dieser brütenden Hitze auch anderes machen, als daheim auf kühlere Zeiten zu warten oder mit seinem besten Freund Vik das neu ...

Krüger wollte, dass die Zeit verging, was sollte er in seinem Heimatkaff in dieser brütenden Hitze auch anderes machen, als daheim auf kühlere Zeiten zu warten oder mit seinem besten Freund Vik das neu herausgekommene "Tony Hawk Pro Skater" auf der Playstation zu zocken? Sommer, für viele Spaß und die Gelegenheit im Schwimmbad die Mädels zu beeindrucken, aber nicht für ihn, denn seitdem er nicht mehr schwimmen kann, hasst Pascal Friedrich, wie er wirklich heißt, die Hitze. Doch der 31. August 1999 war trotzdem anders, vielleicht war es sogar der Tag, der ihn aus dieser Erstarrung herausgerissen hat...

"Jeder von uns hat diese Menschen, an die man ab und an denkt und bei denen wir uns fragen, wie ihre Geschichte weiterging. Der witzigste Junge der Welt, der mit uns vielleicht nur ein halbes Jahr in der Klasse war und dann wegzog. Eine ältere Dame, neben der man eine Zugfahrt lang saß. Ein Punk, mit dem man ein Gespräch auf einer Parkbank führte. Die Sängerin [...] Ein Urlaubsflirt. Was macht sie, was macht er heute?
Bei mir ist dieser Mensch das Zirkusmädchen mit den feuerroten Haaren, den wasserblauen Augen und keiner Angst vor nichts."

Jacky lernt er auf sehr ungewöhnliche Weise kennen. Zuerst beobachtet er sie, wie sie in der Glatzen-Filiale ein Nokia 3210 in ihrer Tasche verschwinden lässt und dann klaut sie ihm auf der Flucht vor dem Filialleiter auch noch seinen Rucksack. Er folgt ihr zunächst unglaublich wütend, doch dann ist er nur noch wahnsinnig fasziniert von diesem geheimnisvollen Mädchen mit den roten Haaren, das einfach keine Angst zu haben scheint. Mit seinem Freund Viktor lernt er das Zirkusmädchen Jacky nach und nach kennen und sie erleben in diesem sehr überschaubaren Ort Bodenstein innerhalb eines Tages ein Abenteuer, das Pascal nie wieder vergessen kann. Es ist einfach ein Tag... nein, was sag ich... ein ganzer Sommer, wie ihn der 15-Jährige schon lange nicht mehr hatte und gleichzeitig ist es ein Tag, an dem er sich so einigen Fragen, sich selbst und seiner Vergangenheit stellen muss. Warum schwimmt er nicht mehr? Warum nennt man ihn Krüger? Und warum darf er sich nicht verlieben? Was ist mit Pascal passiert? Jacky findet irgendwie den Draht zu ihm, holt ihn heraus aus seiner Lethargie und auch, wenn dieser Tag nicht endlos ist, noch so viele vor ihnen liegen, muss Pascal ihr wenigstens eins versprechen, von nun an keinen einzigen Tag mehr zu verschenken.

"Nie werde ich diesen Moment vergessen. Dieses Aufeinanderprallen, das meine Welt aus der Umlaufbahn schmiss. Es hatte lediglich den Bruchteil einer Sekunde gebraucht. Hätte ich eine Armlänge versetzt gestanden, wäre dies ein Tag wie jeder andere geworden.
Doch: Sie war mit Wucht in mich hineingekracht."


Dieser Roman hat mich sehr begeistert und mich mal herausgeholt aus dieser komischen Welt voller Sorgen, Ängste und Probleme. Schon alleine der Gedanke an die Geschichte versetzt mich zurück in meine Kindheit/in die 90er, lässt mich mit Krüger, Jacky und Viktor mitfiebern, Spaß haben und ein wohliges, freudiges Gefühl breitet sich in mir aus. Auch die mitgelieferte Playlist von "Californication" über "A-N-N-A" bis hin zu "My Name is" tut da ihr übriges und lässt neben der passenden Stimmung für dieses Buch eigene Erinnerungen aufblitzen. Kaum zu glauben, dass Christian Hubers Roman fast nur von einem Tag spielt und er dabei so eine tolle, intensive Geschichte erzählt, die zeitgleich noch so viele Themen abdeckt, denn von Bekanntschaft schließen, wilden Partys, Verliebtheit, ein wenig Action, einem Geheimnis, dem großen Verlust, Schmerz, Freude, der Freiheit - endlich über den eigenen Schatten zu springen, Freundschaft und natürlich sehr viel Sonnenschein und Wärme ist alles dabei. Ein bisschen amerikanisch, draufgängerisch und wild, aber zur Unterhaltung ist das eine echt gute Mischung. Und so saugt man diesen unvergesslichen, flirrenden Tag in Krügers Leben und seine Erinnerung nur so auf und möchte weder dass der Tag noch das Buch endet und man dieses kleine Heimatkaff, den Zirkusplatz, die Bucht, den angrenzenden Wald wieder verlassen muss. Für mich ist dieses Buch so viel besser und logischer als Ewald Arenz' "Der große Sommer" und ich kann dann auch nur eine große Empfehlung aussprechen - für mich ist es das Sommerbuch dieses Jahres, auch wenn es laut Roman um den letzten Tag des Sommers geht, den 31. August 1999.

"Was mir von diesem Tag und dieser Nacht [...] geblieben ist, passt in eine Metallbox. Darin sind auch mein Sturmfeuerzeug und Jackys Klappmesser [...] Das Messer würde mir Jacky schenken, hatte Vik gesagt. Sie brauche es nicht mehr. Ebenso wie das Nokia 3210. Und das Foto von uns dreien. Das Polaroid-Bild von Jacke, Viktor und mir aus dem Colorado, auf dessen Rückseite Jacky eine mit Kugelschreiber geschriebene Nachricht für mich hinterlassen hatte..."

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Veröffentlicht am 02.06.2022

Albrecht Selge, "Luyánta [und] das Jahr in der Unselben Welt"

Luyánta
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Ab und zu liebe ich es mal etwas ganz anderes zu lesen, in andere Welten abzutauchen, mich auf Neues einzulassen... und gerade hierfür versuche ich immer mal wieder entsprechend tolle Fantasyromane oder ...

Ab und zu liebe ich es mal etwas ganz anderes zu lesen, in andere Welten abzutauchen, mich auf Neues einzulassen... und gerade hierfür versuche ich immer mal wieder entsprechend tolle Fantasyromane oder Geschichten mit einem Hauch Aberglauben, alten Geister und Sagen zu finden. Die Wintertrilogie von Kathrine Arden fand ich z.B. großartig oder Gusel Jachinas "Wolgakinder" oder "Mr. Parnassus Heim für magisch Begabte" und so stieß ich dann irgendwie auch auf Albrecht Selges "Luyánta".

Die Ausgangslage ist so ein bisschen mit Narnia vergleichbar. Die zwölfjährige Jolantha befindet sich mit ihrer Familie im Bergsteiger-Urlaub. Sie macht einen recht anstrengenden Eindruck, leicht dickköpfig und energisch, teilweise entfernt sie sich von der Familie und geht den Aufstieg allein, bis sie dann eines Nachts von Pfiffen geleitet die Wandershütte und die gekennzeichneten Pfade verlässt. Dabei trifft sie auf die verzweifelt nach ihr rufenden Murmeltiere Paminer und Struggles, die sie anschließend in die Unselbe Welt entführen. Jolantha, in der sie die einst verschollene Prinzessin Luyánta sehen, soll ihnen helfen den Krieg der Fanesleute gegen das Heer des grausamen Adlerprinzen zu gewinnen. Doch sie kämpft nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen die dämonischen Kräfte, die alles ins Unheil stürzen sollen. Auf ihrem Weg findet sie einige Unterstützerinnen, begibt sich auf die abenteuerliche Suche nach den unfehlbaren Pfeilen und dem Weißen Schwert und tritt dann entschlossen dem großen Fein entgegen. Doch wie weit wird sie wirklich gehen und welchen Preis ist sie bereit dafür zu zahlen?

>"Wir wissen, wer du bist, Luyánta", sagte der Greis Titurel. "Das Mitleid ist ein Teil deiner Kraft. Versuche nicht, es abzuschütteln. Denn sonst wist u dich in eine taube, entsetzliche Kampfmaschine verwandeln. So, wie es dem Adlerprinzen ergangen ist." Eine Weile war nur das Knacken und Prasseln des Feuers und ihr Atem zu hören. Dann erst fasst Luyánta sich ein Herz und flüsterte: "Wer ist der Adlerprinz?"<

Anfangs dachte ich noch "Das wird ein toller Ritt" und freute mich auf ein fantastisches Abenteuer in der Unselben Welt, doch meine Reise war dann doch schon recht früh wieder vorbei. Gerade einmal hundert Seiten habe ich gelesen und dann wollte ich einfach nicht mehr, denn weder das Erzählte erschien mit logisch, noch baute sich da ein gewisses Interesse für die Geschichte auf, und wenn ich dann mal wirklich etwas wissen wollte kam recht schnell eine Aussage wie: "Na gut. Aber die Vorgeschichte lass ich weg. Aufstieg und Fall des Fanesreichs, eine glorreiche und todtraurige Angelegenheit. Na, das kennst du wahrscheinlich selbst am besten. Und wenn nicht, dann ist vielleicht ein andermal Zeit. Ist ja nicht Erzähltherapie hier oder Stuhlkreis mit Märchenquatschen, verstehst du, was ich meine?" Und ehrlich gesagt, nein, ich habe es nicht verstanden, denn sind es nicht genau die mystischen, ausgeschmückten Geschichten, die die Leser
innen in eine fremde Welt entführen sollen? Und das zwölfjährige, anstrengende Mädchen Jolantha alias Prinzessin Luyánta, bei deren Aussagen ich mich stets fragte: "Und die soll wirklich erst zwölf Jahre alt sein?", wird die Rettung bringen? Wirklich? Und sollen diese zwei Murmeltiere, die die Ausdrücke "Alter" und "Digger" recht inflationär gebrauchen und deren Dialoge für mich recht unangenehm sind, wirklich die Begleiter in die 'andere Welt' sein, die sich nur ein Fußmarsch entfernt auf der anderen Seite des Berges befindet und von einer starken, dunklen Macht bedroht wird?

"Sind sie so bösartig - die Trussaner?" [...] "Noch bösartiger [...] Denn sie haben jahrhundertelang nichts anderes als Böses getrieben. Darum sind auch ihre Herzen zu Kohle geworden. Früher, in den Zeiten des alten Fanesreichs, war das anders. Da waren sie auch schon Gesindel, lästige Räuber. Nichts als Ärger haben sie gemacht. Aber sie waren doch Menschen. Bruder, Jahrhunderte der Bosheit verwandeln einen!"

Vielleicht merkt man das schon an diesem kurzen Zitat, dass trotz Bedrohung weder Gefühl noch Begeisterung überspringt und wenn dann auch der Rest nicht so ganz stimmig ist, hat es eine knapp 780 seitige Geschichte wirklich schwer. Ich hätte dieses Buch wirklich gerne gemocht, da ich Albrecht Selges Roman "Fliegen" wahnsinnig toll fand, aber "Beethovn" empfand ich dann auch schon sehr speziell und für diesen Ausflug ins Fantasiereich kann ich leider keine Empfehlung aussprechen, weder sprachlich, noch von Seiten der Protagonist*innen und Randfiguren, geschweige denn von der Geschichte selbst. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu alt für diesen Roman und diese Umgangsformen oder aber ich lese einfach viel zu wenig Fantasy, sodass ich diese Erzählung mehr schätzen könnte.

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Veröffentlicht am 14.05.2022

ein kulinarischer Genuss mit überraschenden Noten in Richtung Traditionen, Freundschaft, Feminismus und Befreiung

Butter
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Dass japanische Romane bzw. Bücher aus dem asiatischen Raum immer etwas spezieller, zumindest für unsere Breiten recht ungewöhnlich und wild sind, ist glaube ich, kein Geheimnis. Daher bin ich normalerweise ...

Dass japanische Romane bzw. Bücher aus dem asiatischen Raum immer etwas spezieller, zumindest für unsere Breiten recht ungewöhnlich und wild sind, ist glaube ich, kein Geheimnis. Daher bin ich normalerweise immer etwas vorsichtiger, wenn ein hochgelobter Roman aus dieser Region ins Deutsche übersetzt wurde... Aber wer kann bei Genuss in Kombination mit einer Serienmörderin, Gesellschaftskritik, Freundschaft, einer Auseinandersetzung mit Traditionen, Befreiung und und und schon nein sagen? Genau, ich nicht. So ist dann Asako Yuzuki mit ihrem Roman "Butter" in der Übersetzung von Ursula Gräfe in meinem Regal gelandet und ich muss ganz ehrlich sagen, es hat sich innerhalb kürzester Zeit zu einem meiner liebsten Japan-Romane entwickelt.

Alles beruht auf der Geschichte einer Frau, die Männer, die sie über Datingwebsites und Heiratsbörsen kennenlernte, mit aufwändigen Gerichten verführte, ihnen Geld abluchste und sie dann sterben ließ. Es könnten allerdings auch Selbstmorde gewesen sein; allerdings sehr Auffällige. Nun sitzt die mehrfache Mörderin, der neben Betrug in fünf Fällen eigentlich nur zur Last gelegt wurde, dass sie sich in unmittelbarer Nähe zu den Opfern befand, lebenslang im Gefängnis. Dieser Fall, die Person Manako Kajii, ihr Vorgehen und vielleicht auch ihre Lebenseinstellung zog sehr viel Aufmerksamkeit und Aufregung auf sich. Doch was ist wirklich geschehen und wieso legt sie dabei so viel Wert aufs Essen?

"Mir macht es Spaß, Männern Freude zu bereiten, es ist keine Mühe für mich, wie Sie das sehen. Sich um Männer zu kümmern, sie zu unterstützen und zu wärmen ist meine gottgegebene Aufgabe als Frau, und ich fühle mich verpflichtet, ihr nachzukommen. In Ausübung dieser Pflicht wird jede Frau schön, eine Göttin. Verstehen Sie das nicht?"

Auf den ersten Blick wirkt diese rundliche Frau, wie aus einer anderen Welt, in der Margarine und Feminismus Fremdworte sind, und doch zieht ihr Auftreten viele in den Bann. Auch die junge Journalistin Rika möchte die Serienmörderin kennenlernen und ihrem Geheimnis für einen Artikel auf die Spur kommen. Doch dies scheint einfacher gedacht als getan. Erst als ihre Freundin Reiko ihr den Tipp gibt Kajii über ihre Rezepte näherzukommen, möchte diese sie im Gefängnis treffen. Und schwups ist es tatsächlich um Rika geschehen. Mit Aussagen wie "In der Gegend gibt es ein tolles Teppanyaki-Restaurant. Natürlich ist das abgehangene Miyazaki Steak fantastisch, aber für den Reis mit Knoblauchbutter [...] könnte ich sterben. Den müssen Sie probieren und mit Ihren Eindruck schildern. Von Ihnen zu hören ist das Einzige, worauf ich mich momentan freuen kann." lotst sie Rika durch die Welt voller Genüsse, traditioneller Gerichte und zeigt ihr, dass es da draußen mehr gibt, als die Welt, die sie kennt. Butter bildet neben Kajii so ein anziehendes Hauptelement, dass sich kunstvoll durch den Roman zieht, immer wieder auftaucht und eine Verbindung zwischen diesen geschilderten Lebenswelten darstellt. Generell prallt hier sehr viel aufeinander, Rika und Reiko verrennen sich, finden sich wieder, steuern bewusst dem Abgrund entgegen um dem Geheimnis Kajiis auf die Spur zu kommen, doch was dann folgt ist alles andere, als man anfänglich erwartet...

"Ich war genau wie Kajiis Opfer. So hat sie es immer gemacht, sie ist auf den Leuten rumgetrampelt und hat gewonnen. Und es geht weiter. Es gibt mehr und mehr Menschen wie sie. Leute wie ich verkümmern, vielleicht sterben wir auch aus."

Thematisch ist es ein großartiges Buch, dass wirklich alles von Traditionen, Feminismus, patriarchalen Rollen- und Geschlechterzuschreibungen, Aufbruch, Freundschaft, Gesellschaftskritik, etwas Spannung und eine Auseinandersetzung mit dem Spruch "alles eine Frage der Perspektive" bereithält. Kajii steht für mich für die alten Traditionen, die frisch entdeckt sehr toll, anziehend und aufregend sein können, aber rückblickend betrachtet auch sehr starr, aufdrängend und festgefahren. Manchmal führt dies dann sogar so weit, dass Menschen unglücklich werden oder wie in diesem Fall sterben. Und so ergeht es dann auch Rika im Verlauf des Romans. Nach anfänglicher Begeisterung fürs Essen und insbesondere für Butter, sowie Kajiis Anziehung, zahlreichen Gesprächen, die nicht unbedingt so laufen, wie sie sich das wünscht, findet sie irgendwann ihren eigenen Weg und muss sich mit dem gesellschaftlichen Druck auseinandersetzen. So geht es zeitweise z.B. um die Optik, dass sehr dünn als das Schönheitsideal Japans gilt und Normalgewichtig/'der gesunden Norm entsprechend' als liederlich und verkommend. Auch, dass es scheinbar fast nur Margarine zu kaufen gibt und kaum jemand Butter und andere Milchprodukte zu schätzen weiß oder sich Zeit für aufwändige, traditionelle Gerichte nimmt, gibt so einen gewissen Blick auf diese sehr schnelllebige, nicht ganz gesunde Gesellschaft. Oder dann gibt es noch ganze Abschnitte über das Beziehungsgefüge, während ihre Freundin unbedingt ein Kind will und dafür alles zurückstellt, gibt Rika alles um mit der berühmten Serienmörderin ein exklusives Interview führen zu können. Ihre Partner finden sich nicht wirklich in ihren Lebensvorstellungen wieder, sie beschreiten verschiedene Wege und das klassische Familienbild wird durch eine große, befreundete Gruppe ersetzt. Und das scheint in diesem Roman schon etwas ganz besonderes für das traditionelle Japan zu sein. Auch in den Morden, den Beziehungen, die verschiedenen Typen von Männern, Kajiis Sinneswandel und Co kann man noch wahnsinnig viel reininterpretieren, Anmerkungen finden oder so wie ich, ständig begeistert sein. Und ich warne schon vor, trotz einiger kleinerer Längen, macht dieser Roman unglaublich Appetit. Reis mit Butter und Sojasoße hat es mir zum Beispiel sehr angetan und immer wenn ich an dieses Buch denke, denke ich automatisch an dieses simple Rezept. Und so ist es dann insgesamt eine etwas skurrile Geschichte, die die verschiedensten Sinne anregt, zum Nachdenken einlädt, sehr viel Spaß macht und über das eigene Leben nachdenken lässt. Mehr möchte ich dann auch noch nicht vorweg nehmen, ich finde diesen Roman jedenfalls sehr besonders und für mich ist es schon jetzt ein Highlight des Jahres.

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