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Veröffentlicht am 26.08.2017

Vergangenheit kann eine Stütze sein, aber auch alles gefährden

Das Glück meines Bruders
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Für das Buch "Das Glück meines Bruders" bewundere ich Stefan Ferdinand Etgeton sehr. Er schafft es aus der Darstellung einer Familiengeschichte ein tragisches, philosophisches, gesellschaftskritisches, ...


Für das Buch "Das Glück meines Bruders" bewundere ich Stefan Ferdinand Etgeton sehr. Er schafft es aus der Darstellung einer Familiengeschichte ein tragisches, philosophisches, gesellschaftskritisches, poetisches und mitreißendes Gesamtwerk zu machen. Eigentlich geht es um die Geschichte zweier Brüder. Zweier Brüder, die mit einem Ausflug in das Dorf ihrer Großeltern ihre Vergangenheit und nicht einfache Kindheit endgültig abschließen wollen, bevor das ganze Dorf dem Erdboden gleichgemacht wird. Zum einen handelt es von Arno, dem älteren Bruder, der aufgrund traumatischer Ereignisse und darauf folgende Abstürze etwas zurückgeblieben ist, seine Vergangenheit einfach nur auslöschen will und Halt in seinem Leben sucht. Zum anderen von Betho, der immer irgendwie der Reifere war und sich an seine Vergangenheit klammert. Niemand hätte gedacht, dass nach dieser Reise , Bethos Welt komplett zusammenbricht und in einer Art Sinnfrage des Lebens endet und Arno gar der Glücklichere von beiden wird.


Hierzu möchte ich gerne ein Zitat des Buches wiedergeben, welches das Gesamtbild dann doch sehr gut umfasst:
"Da war die Schaukel. Die Schaukel, die Kindern eine Idee von Grenzenlosiigkeit geben kann, auf der man versuchen kann, zu entkommen und wegzufliegen in einer andere Galaxie, in eine neue Freiheit: Ein bisschen mehr Schwung, noch ein bisschen mehr Schwung, dann schafft man es. Man muss versuchen, sich mit Armen und Beinen, dem ganzen Leib kräftiger reinzulegen in die fallende Schaukel und dann hochzuschwingen und alles aus der Verankerung zu reißen und raus in den Himmel! Bewegung, Kraft, Kraft! Aber am Ende fliegt doch niemand mitsamt der Schaukel hinaus ins Irgendwo. Alle sinken immer wieder zur Erde zurück, werden auf den Grund zurückgeholt, und selbst der nächste Versuch und der übbernächste, sie alle bleiben erfolglos. Man kann diese Welt nicht hinter sich lassen, zumindest nicht auf einer Schaukel sitzend."


Obwohl es sich um ein, wie ich finde, großartiges Buch handelt, gibt es meinerseits auch ein paar kritische Anmerkungen. Die sehr verschachtelten und langen Sätze machen es an einigen Stellen recht schwer dem nicht enden wollendem Gedankenstrang zu folgen, sodass man sich teilweise recht intensiv mit dem Gelesenem auseinandersetzen muss. Der Spannungsbogen konzentriert sich hauptsächlich auf die mittleren Kapitel. Nach der eigentlichen Wendung ebbt die Spannung rasant ab und wir befinden uns einzig und allein in der Sinnfrage.

Veröffentlicht am 26.08.2017

Ein sehr leiser, aber ergreifender Roman

Ein Leben mehr
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"Ein Leben mehr" ist ein sehr ruhiger Roman, der auch ohne viel Tamtam sehr viel Aussagekraft besitzt. Es geht im Grunde um recht verschrobene Charaktere, die ihr restliches Leben in der Abgeschiedenheit ...

"Ein Leben mehr" ist ein sehr ruhiger Roman, der auch ohne viel Tamtam sehr viel Aussagekraft besitzt. Es geht im Grunde um recht verschrobene Charaktere, die ihr restliches Leben in der Abgeschiedenheit als Einsiedler verbringen wollen. Eine Fotografin ist auf der Suche nach Überlebenden des großen Brandes um diese zu porträtieren und die Puzzleteile einzelner Erzählungen zusammenzufügen. Bei ihrer Suche stößt sie im Wald auf diese kleine, abgeschottete Gemeinschaft. Als sie dann die Tante eines der Männer bei sich aufnehmen passiert etwas sehr rührendes und anmutiges. Marie-Desneige, die ihr ganzes Leben in einem Heim verbrachte, bekommt nun von Ihnen ein ganz neues Leben geschenkt.

Nach einem recht langatmigen Einstieg durch und durch ein sehr ergreifender Roman, der mit Vergänglichkeit und Erinnerungen endet - oder auch gerade erst anfängt. Ich hatte Gänsehaut.

"Hier ruht eine alte Frau mit ihren Hoffnungen und Träumen, sagte die Erde. Ihr Leben passte in ein einziges Jahr, der Rest war unwichtig, den Rest nahm sie nicht mit ins Grab, und an ihrer Seite ruht ihr Gefährte. Er liebte sie, wie man einen Vogel liebt, einen seltenen Vogel, der dir von weit her zugeflogen ist und der sich in deiner Hand ein Nest gebaut hat."