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Veröffentlicht am 01.12.2023

Mensch sein

Über Menschen
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Die Coronaregeln haben Deutschland fest im Griff. Dora hat mit Sorge den Veränderungen ihres Freundes Robert zugesehen. Erst hat er fanatisch den Klimaschutz propagiert nun ist er in den Coronadiskussionen ...

Die Coronaregeln haben Deutschland fest im Griff. Dora hat mit Sorge den Veränderungen ihres Freundes Robert zugesehen. Erst hat er fanatisch den Klimaschutz propagiert nun ist er in den Coronadiskussionen voll in seinem Element. Dora findet sich in diesem Leben mit ihm nicht mehr wieder. Sie kauft ein Haus in einem kleinen Ort in Brandenburg. Weit weg von Berlin, wo Häuser noch für Normalsterbliche bezahlbar sind. Hier findet sie sich plötzlich mit Menschen konfrontiert, denen sie in der anonymen Großstadt aus dem Weg gehen kann und die Dinge sagen, die nicht zum Berliner Mainstream passen wollen.
Ich muss zugeben, als ich das Buch begann und feststellte, dass es in der Coronazeit spielt, habe ich erstmal gezuckt und es zuerst wieder weggelegt. Doch die schon sehr reizvollen ersten Seiten haben mich dazu gebracht es doch weiterzulesen. Und es hat sich mehr als gelohnt. Juli Zeh hat die Gabe zielsicher den Kern der gesellschaftlichen Probleme zu treffen. Alles, was ich selber so in dieser Zeit wahrnehme, anstrengend und ärgerlich finde, jedoch irgendwie auch nicht richtig greifen kann, bringt sie mit einer Selbstverständlichkeit auf den Punkt, dass die Erkenntnis wie ein rotes Licht leuchtet. Es gibt nicht nur „den Nazi“, „den Coronaleugner“, „den Klimaaktivisten“, den „AfD-Wählern“ usw. alle sind Teil unserer Gesellschaft und sehr vielschichtige Menschen. Ich habe fast bis zum Schluss gedacht, wie kann sich Dora mit „dem Nazi“ abgeben, ob er am Ende noch eine Erkenntnis haben wir, sich reumütig ändert und mit den „Pflanzkanaken“ Freundschaft schließt, bis ich begriff, dass es hier nicht um Läuterung geht, sondern über Menschen, so wie sie sind und nicht so wie sie vielleicht besser wären. Wer auch immer darüber urteilen möchte, was dieses „besser“ ist. Für mich war es ein wirklich tolles Buch mit einem Blick aus der Vogelperspektive auf unsere Gesellschaft.

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Veröffentlicht am 30.11.2023

Potpourri

Der Kaninchenstall
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Ein großes Apartmenthaus in Vacca Valley ist Schauplatz für ein bizarres Spektakel. Unterschiedlichste Menschen sind hier gestrandet. Manche glücklich, manche zutiefst verstört oder abgelöscht. Wie in ...

Ein großes Apartmenthaus in Vacca Valley ist Schauplatz für ein bizarres Spektakel. Unterschiedlichste Menschen sind hier gestrandet. Manche glücklich, manche zutiefst verstört oder abgelöscht. Wie in einem Zoom bewegen wir uns von Apartment zu Apartment und tauchen in ihre Geschichten ein. Im Zentrum steht die 19-jährige Blandine. Völlig aus der Bahn geworfen durch eine Liebesgeschichte mit ihrem Highschool Lehrer klammert sie sich fanatisch an die heilige Hildegard von Bingen. Während die Hitze des Sommers alles lähmt, lernen wir weitere Nachbarn von Blandine kennen. Oft nicht minder skurril und mit absurden Gedankengängen bestückt.
Ich habe doch ziemlich lange für dieses Buch gebraucht. Denn es war keine leichte heitere Literatur, sondern ziemlich schwere Kost. Die vielen Preis und Lobhymnen auf die Autorin Tess Gunty kann ich durchaus nachvollziehen. Ihre Wortgewalt ist ziemlich beeindruckend und sie schlägt einem mit hoher Frequenz unglaublich bizarre und spektakuläre Sätze um die Ohren. Die Gedankengewitter die ihre Protagonisten erschaffen sind erschlagend und predigtgleich. Die Geschichte selbst war mir doch etwas zu absurd und an mancher Stelle zu schräg. Immer wieder musste ich das Buch zur Seite legen, da ich es als belastend empfand. Ein Fazit fällt hier schwer, denn obwohl mir die Geschichte nicht gefallen hat, ist es doch meiner Meinung nach richtig gute Literatur. Ich bin sehr gespannt auf weitere Romane aus der Feder von Tess Gunty.

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Veröffentlicht am 28.11.2023

Die Schrecken der Vergangenheit

Der Zauber eines Wintertages
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Ihre neue Heimat hat Lee mit ihrem kleinen Sohn Jasper in Amsterdam gefunden. Hier lebt sie zurückgezogen und genießt die friedliche Idylle. Denn Lee hat schwere Zeiten hinter sich, die sie traumatisiert ...

Ihre neue Heimat hat Lee mit ihrem kleinen Sohn Jasper in Amsterdam gefunden. Hier lebt sie zurückgezogen und genießt die friedliche Idylle. Denn Lee hat schwere Zeiten hinter sich, die sie traumatisiert haben. Als Kriegsfotografin war sie zusammen mit ihrem besten Freund in Syrien. Unaussprechliches hat sie dort erlebt und mit ihrem Freund und Kollegen gebrochen. Sie ist nicht bereit sich auf neue menschliche Beziehungen einzulassen, doch dann begegnet ihr Sam.
Dies war mein bisher erster Roman von Karen Swan. Das Buch hatte mich aufgrund des sehr romantischen Covers sofort angesprochen. Erwartet hatte ich einen kurzweiligen, wärmenden Liebesroman und dies war auch das wonach mir gerade war. Deshalb war ich dann doch abgeschreckt als ich merkte, dass es hier viel um Krieg und Trauma geht. Auch der Klappentext weist nicht darauf hin. Für mich rückte die Liebesgeschichte eher in den Hintergrund und ich litt mit Lee ihre Seelenqualen. Nicht gerade das, was ich brauchte und wollte. Dennoch ist der Roman sehr spannend und gut geschrieben. Man sollte jedoch wissen, worauf man sich einlässt und entgegen von Klappentext und Cover keine wohlige Weihnachtsliebesgeschichte erwarten.

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Veröffentlicht am 28.11.2023

Ein Herz für Beamte

Da bin ick nicht zuständig, Mausi
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Was haben wir doch alle unsere Meinung von Beamten. Und was glauben wir doch, was da auf dem Amt abgeht. Conny ist so eine von den Beamtinnen. Sie lebt in Berlin Gropiusstadt und arbeitet in einer Berliner ...

Was haben wir doch alle unsere Meinung von Beamten. Und was glauben wir doch, was da auf dem Amt abgeht. Conny ist so eine von den Beamtinnen. Sie lebt in Berlin Gropiusstadt und arbeitet in einer Berliner Behörde. In ihrem Buch nimmt sie uns mit durch den täglichen Amtswahnsinn. Ihre Kolleginnen symbolisieren typische Charaktere wie man sie wahrscheinlich in jedem Büro findet: eine motzige Giesela, die Mir-doch-allet-ejal-Doris, eine in sich ruhende Petra, die übermotivierte Führungskraft Ronja, die es allen rechtmachen wollende Dilara und die typische mitt40er-Beamtin Conny.
Bevor ich das Buch lass, hatte ich noch nichts von Conny gehört, habe jetzt aber ihren Instagram-Account für mich entdeckt. Hier lässt sie die Puppen tanzen und stellt ihre Charaktere mit viel Charme und Filter vor. Zum schreien komisch. Da ich selbst in einem Amt arbeite, muss ich leider zugeben: Jenau so isset! Das ist keine Satire, sondern mein täglicher Alltag. Und da ich die meiste Zeit meines Lebens selbst in Neukölln Gropiusstadt gelebt habe, kann ich sagen, auch das Bild, dass hier gezeichnet wird ist wirklich gut getroffen. Sehr sympathisch und komisch die Conny. Du bereicherst meinen Arbeitsalltag! Ick sach Danke, wa! Weitermachen! Is jenemicht!
Müssta ma lesen Leute!

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Veröffentlicht am 18.11.2023

Begeistert!

Verlogen
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Die alleinerziehende Mutter Marianna verschwindet spurlos. Aber irgendwie scheint es, als wurde es niemanden wirklich kümmern. Selbst die 15-jährige Tochter Hekla, ist eher froh nun dauerhaft bei ihren ...

Die alleinerziehende Mutter Marianna verschwindet spurlos. Aber irgendwie scheint es, als wurde es niemanden wirklich kümmern. Selbst die 15-jährige Tochter Hekla, ist eher froh nun dauerhaft bei ihren Pflegeeltern bleiben zu dürfen. Als in einer Höhle im Lavafeld Mariannas Leiche gefunden wird, bringt dies nun doch die Polizei auf den Plan. Die junge Polizistin Elma geht dem Fall nach und trifft auf viel Schweigen, Wut und Trostlosigkeit.
Ich war schon lange nicht mehr so begeistert von einem Krimi. Die Stimmung in diesem Buch hat es mir total angetan. Schon früher habe ich gerne skandinavische Krimis gelesen. Doch waren die oft ziemlich gewalttätig und roh. Dieser hier ist geprägt von leisen ruhigen Tönen, ohne Gewaltexzesse oder blutigen Szenen. Hier bringt eher das Ungesagte und Angedeutete die Gänsehaut zum Wachsen. Obwohl doch etwas Düsteres und Bedrückendes nicht unbedingt meine bevorzugte Lektüre für den November ist, war dieses Buch gerade jetzt genau das richtige für mich. Denn die Isländer zeigen uns wie man auch im grauen Winter glücklich sein kann. Unter anderem mit einem Gläschen Rotwein im Whirlpool auf der Terrasse unter einem strahlenden Sternenhimmel. Dieser Islandkrimi war für mich ein absolutes Jahreshighlight und eine tolle Entdeckung. Ich freue mich schon auf die kommenden Bände dieser Reihe.

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