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Veröffentlicht am 02.12.2023

Im Krieg und der Liebe…

Beauty and the West Chamber - Band 1
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Yancheng, Nordchina. 1920er Jahre.

Der begabte Chen Qiming tritt zum ersten Mal seit Jahren als Operndarsteller auf. Im Publikum Kommander Yan Ci, sein Kindheitsfreund und der Sohn des Mörders von Chen ...

Yancheng, Nordchina. 1920er Jahre.

Der begabte Chen Qiming tritt zum ersten Mal seit Jahren als Operndarsteller auf. Im Publikum Kommander Yan Ci, sein Kindheitsfreund und der Sohn des Mörders von Chen Qimings Vater…

„Beauty and the West Chamber“ ist ein Danmei-Manhua der Autorinnen Winslow und Ruoyejun, übersetzt von Susanne Hornfeck und Nelly Ma.

Das Buch selbst ist im Großformat gedruckt, die Innenklappen sorgen für Stabilität. Das Papier hat eine schöne Haptik und dank der Art des Druck muss man keine Angst haben, die farbigen Zeichnungen zu berühren (und seine Fingerabdrücke darauf zu hinterlassen:).

Die Zeichnerin Winslow wechselt selbstbewusst mitten im Kapitel den Zeichenstil, um einerseits die Atmosphäre noch besser zu vermitteln und gleichzeitig popkulturelle Referenzen zu integrieren. Zusammen mit den amüsanten Kommentaren der Texterin Ruoyejun ergibt das eine humorvolle Mischung. Aber die Autorinnen können nicht nur mit lustigen Stellen überzeugen, so wird der Manhua zeitweise sowohl optisch als auch inhaltlich ernst und düster. Auch die Sprache kontrastiert stark, von derber Umgangssprache zu poetischen Einschüben ist alles dabei.

Dank unaufdringlich eingebrachter Informationen über das historische China und die Pekingoper lernt man eine Menge, während man gleichzeitig aus dem Lachen und Schwärmen nicht herauskommt.

Es gibt sehr viele Charaktere, aber zum Glück konnte ich dank der ausführlichen Legende auf den ersten Seiten stets den Überblick behalten. Außerdem wird man sie sich beim Weiterverfolgen der Geschichte garantiert besser kennenlernen und einprägen können.

Die politischen Aspekte der Geschichte wurden bisher nur eingeleitet, der Fokus lag auf der Oper und daher wurde Spannung hauptsächlich durch Schilderung dortiger Intrigen erzeugt. Auch die Liebesgeschichte steckt noch in den Kinderschuhen, von einer kleinen großen (und sehr lustigen) Geste zu Beginn einmal abgesehen. Alles in Allem hat man dadurch in alle Handlungsstränge einen guten Einblick erhalten, der Lust auf mehr macht.

Immer noch nicht sicher? Dann lass dich einfach vom „Beauty and the West Chamber“-Musikvideo überzeugen…

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Veröffentlicht am 25.07.2023

Die Fassade bröckelt

Cleopatra und Frankenstein
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Dieser Roman ist wie eine Zwiebel. Doch statt die Schichten nach und nach abzulösen - hielt Coco Mellors beim Schreiben das Messer in der Hand.

Cleo ist eine junge, wunderschöne, depressive Künstlerin ...

Dieser Roman ist wie eine Zwiebel. Doch statt die Schichten nach und nach abzulösen - hielt Coco Mellors beim Schreiben das Messer in der Hand.

Cleo ist eine junge, wunderschöne, depressive Künstlerin aus London.

Frank ist in seinen Dreißigern, Inhaber einer erfolgreichen Werbeagentur und mag Alkohol ein bisschen zu sehr.

Als sie sich auf einer Halloweenparty in New York kennenlernen, ist es Liebe auf den ersten Blick. Zumindest, nachdem Cleo die Nachricht über ihre baldige Abschiebung erhält. Kurzerhand heiraten die beiden - doch damit fangen die Probleme überhaupt erst an…

„Cleopatra & Frankenstein“ ist ein Roman von Coco Mellors.

Ich frage mich zu allererst, wie es zu diesem Werbespruch („Eine absolut süchtig machende New-York-Romanze, herzzerreißend und beglückend zugleich…“) auf der Rückseite des Buches kommen konnte. Entgegen der daraus entstandenen Erwartungen, die von der Leseprobe zunächst befeuert wurden,
handelt es sich nämlich nicht (!) um eine Liebesgeschichte. Und zwar gar nicht.

Aber gerade weil dieses Buch mich in sämtlichen Bereichen, von Handlung über die Erzählstruktur bis zum Ausgang der Geschichte dermaßen überrascht und absolut unvorbereitet erwischt hat, handelt es sich hierbei zwar nicht um ein Jahreshighlight, aber es bleibt mir definitiv noch lange (positiv) im Gedächtnis!

Coco Mellors beleuchtet viele verschiedene Sichtweisen auf Cleos und Franks Beziehung. Dabei vermag sie es, jedem der vielen Charaktere eine authentische, eigene Stimme zu verleihen, die man ganz klar von den anderen abgrenzen kann.

Zwar sind die Figuren nicht unbedingt sympathisch, aber nach kurzer Zeit trotzdem zumindest nachvollziehbar. Die Gefühlreise beginnt bei anfänglicher Neutralität, über plötzliche starke Ablehnung und endet dann wiederum bei Verständnis. Meine Lieblingscharaktere waren Eleanor, Zoe und Santiago (ohne im Vorfeld zu viel über die Rollen der Personen im Roman zu verraten).

Es werden sehr viele Themen zur Sprache gebracht, dabei aber oft nur angerissen. Trotzdem konnten mich tatsächlich einige davon berühren. Es handelt sich (für mich) um eine komplett unvorstellbare Lebensrealität, die beinahe wie eine Parallelwelt wirkt. Ich weiß nicht, wieviel Wahrheit in diesem Roman steckt und bin auch irgendwie froh darüber. Irritierend finde ich jedoch die optische Ähnlichkeit der Autorin (Coco) mit ihrer Protagonistin (Cleo)…

Im Großen und Ganzen geht es um die Arroganz und Oberflächlichkeit der Reichen und Berühmten, mentale Gesundheit, toxische Beziehungen, Süchte, Rassismus und eigentlich alles, was in der heutigen Gesellschaft falsch läuft. Nur eben mithilfe des New Yorker Settings auf die Spitze getrieben.

Der Schreibstil ist fesselnd, rasant und stellenweise humorvoll. Ich habe einfach immer weitergelesen ohne darüber nachzudenken und war dann schon wieder 10, 50, 100 Seiten weiter. Es passierte auf genau richtige Weise immer dann etwas, wenn es nötig war, ohne konstruiert zu wirken.

Alles in Allem bin ich möglichst ohne Erwartungen an diese Geschichte über „Cleopatra & Frankenstein“ herangegangen und wurde in sämtlichen Hinsichten überrascht. Es handelt sich zwar nicht um ein neues Lieblingsbuch, doch ich würde es garantiert erneut zur Hand nehmen und lesen.

Hast du Lust auf eine dramatische Gesellschaftsstudie, New York und ganz viel Absurdität? Dann ist „Cleopatra & Frankenstein“ genau das richtige Buch für dich.

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Veröffentlicht am 09.04.2023

Klirrendes Glas

Es war einmal in Brooklyn
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Juliette Darling lebt mit ihren Eltern in New York und geht bald aufs College. Ihr bester Freund David von nebenan hat Krebs und ist in sie verliebt. Sie wollen ihre Jungfräulichkeit aneinander verlieren. ...

Juliette Darling lebt mit ihren Eltern in New York und geht bald aufs College. Ihr bester Freund David von nebenan hat Krebs und ist in sie verliebt. Sie wollen ihre Jungfräulichkeit aneinander verlieren. Doch als Juliette den Pizzaboten Rico trifft, nimmt die Entfremdung ihren Lauf.

„Es war einmal in Brooklyn“ ist ein Roman von Syd Atlas.

Die drei Protagonisten Juliette, David und Rico scheinen Stellvertreter für die vorherrschenden Denkweisen der Jugendlichen in den 70ern in New York zu sein.

Juliette Darling ist die Protagonistin der Geschichte, an ihr hangelt sich die Geschichte grob entlang, beschränkt sich aber nicht auf ihre Sichtweise. Das ist insofern gut, da ich mit Juliette menschlich nichts anfangen konnte.

Die Geschichte spielt in den 70ern und fängt den damaligen Zeitgeist, soweit ich es beurteilen kann, authentisch ein. Es schwingt durchgehend eine sehnsuchtsvolle Nostalgie mit, aber auch Schrecken angesichts des latenten Rassismus und Sexismus. Die überraschende Erkenntnis, wieviel Gutes sich bis heute eigentlich schon getan hat, stimmt zwar hoffnungsvoll, dennoch ist die Grundstimmung eher destruktiv.

Drei Akte unterteilen das Buch in Abschnitte, das war es aber auch schon mit der Struktur. Sinn und Reihenfolge der willkürlichen Zeitsprünge sind nicht erkennbar.

Der Erzählstil wechselt zwischen den Protagonisten und Nebencharakteren hin und her. Er vermittelt unterschwellig die Tatsache, dass Menschen unterschiedlich sind und nehmen die gleichen Situationen anders wahrnehmen. Es gibt eine mögliche Antwort auf die Frage: Wie wäre es in das Leben und die Sicht der anderen einzutauchen? (Scheinbar nicht erstrebenswert).

Entgegen meiner Erwartungen nach Klappentext und Leseprobe kommt der Blackout nur ganz kurz in der Mitte des Buches vor, der angeteaserte Son of Sam wird ebenfalls nur nebenbei erwähnt. Außerdem handelt es sich weniger, eigentlich überhaupt nicht, um eine Liebesgeschichte, eher um die Geschichte einer sterbenden Freundschaft.

Der Blackout steht eigentlich für den Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, ein traumatisches Ereignis in Juliettes jungem Leben. Der Schreibstil ist nüchtern, der Verzicht auf Wertung ein umstrittenes Stilmittel. Denn das sorgt für fehlende Aufarbeitung der angesprochenen Traumata. Es fühlt sich an, als würden einem selbst schlimme Dinge geschehen, aber man kann nicht in die Handlung eingreifen. Die Leserschaft dieses Buchs sollte also eine gewisse Lebenserfahrung und emotionale Stabilität mitbringen.

Es gibt einen kleinen Twist am Ende, und normalerweise bin ich dafür immer zu haben, dieser erschien mir jedoch nicht mutig und aussagekräftig genug.

Bei genauerer Betrachtung des Titels könnte das Buch sich vage an alten Märchen orientieren, die Moral beinahe eingeprügelt mittels grausamer Exempel. Es lässt mich einzig mit einem Gefühl von Erleichterung und dem Gedanken zurück - Gott sei Dank lebe ich heute und nicht damals!

Syd Altas hat ein interessantes Werk geschaffen, welches zeitgleich eine Hommage an das New York ihrer Kindheit ist und andererseits zum Nachdenken anregt. Denn eines steht fest: „Die Moral von der Geschicht’ verrät dir Frau Syd Atlas nicht.“

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Veröffentlicht am 07.04.2023

Abwarten und Tee trinken

A Magic Steeped in Poison – Was uns verwundbar macht
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Das Kaiserreich Daxi schwebt in großer Gefahr - ein dunkler Schatten vergiftet die Teeziegel der Bevölkerung. Einem dieser Giftanschläge ist Nings Mutter zum Opfer gefallen und ihre kleine Schwester Su ...

Das Kaiserreich Daxi schwebt in großer Gefahr - ein dunkler Schatten vergiftet die Teeziegel der Bevölkerung. Einem dieser Giftanschläge ist Nings Mutter zum Opfer gefallen und ihre kleine Schwester Su droht ebenfalls an einer Vergiftung zu sterben. Um sie zu retten reist Ning verbotenerweise in die Hauptstadt um am Wettbewerb zur Wahl der neuen Hofmagierin teilzunehmen.

„A Magic steeped in Poison - Was uns verwundbar macht“ ist der erste Teil einer Jugendfantasy-Dilogie von Judy I. Lin.

Aufgrund des wunderschönen Covers habe ich Cozy-Fantasy erwartet, erhielt jedoch eine epische Geschichte mit viel Politik - und ich bin trotzdem ganz und gar nicht enttäuscht!

Ning ist eine sehr sanfte und trotzdem starke Protagonistin. Sie fühlt sich Schuld am Tod ihrer Mutter und möchte nun nichts mehr, als ihrer Schwester das Leben zu retten. Doch dieses Ziel wirkt manchmal nicht wichtig genug, sie verliert es zwischenzeitlich aus den Augen.

Es gibt eine dezente Liebesgeschichte, die für die übergeordnete Handlung erfrischenderweise keine Relevanz hatte.

Es werden viele und ungewohnte Namen verwendet, daher muss man gut aufpassen und aufmerksam lesen, sonst verliert man den Faden. Die große Anzahl der Figuren ist jedoch trotzdem authentisch für das Setting des Kaiserhofes. Sämtliche der wichtigen Nebencharaktere sind gut und authentisch ausgearbeitet, ihre Entwicklungen könnten so auch im echten Leben stattfinden.

Zu allen anderen Charaktere behält man als Leser jedoch eine gewisse Distanz, man begleitet sie nicht lange genug, um sich von ihrem Schicksal mitreißen zu lassen.

Der Wettbewerb ruft in mir stellenweise Erinnerungen an das trimagische Turnier hervor. Außerdem erinnert das Grundkonzeption an eine Mischung aus der Selection-Reihe und Mulan, was nicht zuletzt am asiatischen Setting liegt.

Es handelt sich um ein Fantasybuch, auch wenn der fantastische Aspekt sehr gering ist und dadurch eher unterschwellig wirkt. Die Magie ist insgesamt sehr natürlich eingebunden.

Homosexualität wird erwähnt, in dieser Welt aber nicht als ungewöhnlich angesehen oder besonders thematisiert. Das hat mir zum einen sehr gut gefallen, außerdem wurde dadurch der Fokus stärker auf die Hierarchien und politischen Intrigen am Kaiserhof gelegt, was dem Aufbau der Geschichte sehr gutgetan hat.

Das epische Finale beinhaltet nach dem relativ ruhigen Start und Mittelteil viel Spannung, dadurch wirkt es wie der Auftakt einer längeren Reihe. Es handelt sich um die gelungenste erste Hälfte einer Dilogie, die ich je las.

Hast du jetzt Lust auf eine Geschichte mit magischem Wettbewerb und kaiserlichen Verschwörungen? Dann schnapp dir eine Tasse von deinem Lieblingstee und lies dieses Buch. 🍵

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Veröffentlicht am 21.03.2023

Durch die Hölle und zurück

We Will Give You Hell
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Nach ihrem kürzlich bestandenen Abitur, gibt es für Hell nichts Schöneres als mit ihren besten Freunden nach Schweden zu fahren, um auf den Spuren ihres verstorbenen Vaters zu wandeln. Doch familiäre Umstände ...

Nach ihrem kürzlich bestandenen Abitur, gibt es für Hell nichts Schöneres als mit ihren besten Freunden nach Schweden zu fahren, um auf den Spuren ihres verstorbenen Vaters zu wandeln. Doch familiäre Umstände ruinieren die fröhliche Stimmung und schicken Hell auf eine Wanderung in die nördlichen Wälder.

„We will give you hell“ ist ein Fantasy-Jugendbuch von Lina Frisch.

Hell, eigentlich Hellea, ist 19 Jahre alt und wohnt bei ihrer Mutter und dessen neuem Mann. In dieser Familienkonstellation hat sie es nicht leicht, was zu vielen Konflikten und Wutausbrüchen ihrerseits führt.

Die Liebesgeschichte ist wunderbar natürlich, langsam und nicht forciert. Man kann die gegenseitige Anziehung zu jeder Zeit nachvollziehen.

Auch Helleas Freunde sind authentisch geschriebene Charaktere, es handelt sich nicht um Sidekicks, sondern um ausgearbeitete Personen mit eigenständiger Vergangenheit. Allerdings werden insgesamt zu viele Nebencharaktere eingeführt, die man auf Dauer miteinander verwechselt. Aber zur kurzfristigen Hilfe gibt es hinten im Buch ein Glossar.

Die mythologischen Aspekte basieren großteils auf Fiktion, aber das hat man während des Lesens überhaupt nicht gespürt. Es hätte sich auch um wahre geschichtliche Ereignisse mit Fantasy-Aspekt handeln können.

Der Plot der Geschichte wurde insgesamt schlüssig aufgeklärt, obwohl ich zwischendrin so meine Zweifel daran hatte. Aber Lina Frisch hat beim Aufbau der Geschichte wirklich großartige Arbeit geleistet. Das Ende könnte als Aufhänger für einen zweiten Teil herhalten, zur Verbreitung der Message ist es aber wirkungsvoller, wenn „We will give you hell“ für sich allein steht.

Neben dem grundlegenden Thema des Feminismus wird im Speziellen auf ein Thema eingegangen, von welchem ich zuvor noch nie gehört hatte: Weibliche Wut. Lina Frisch erklärt beides für Einsteiger verständlich, indem sie passende Beispiele in die Geschichte einwebt und damit gleich einprägsame Bilder zu den Missständen liefert.

Das Buch ist, mit seinen beinahe 450 Seiten, überraschend umfangreich. Gezogen hat es sich jedoch nicht, da nie absehbar war, was mich im nächsten Kapitel erwarten würde. Zudem lässt es sich nur sehr schwer einem einzelnen Genre zuteilen. Am besten weiß man zu Beginn so wenig wie möglich über „We will give you hell“, so kann man alles erwarten.

Bist du bereit für einen fesselnden Genremix in den dunklen Wäldern Schwedens? Dann zünde dir eine Kerze an und lies dieses Buch 🌲

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