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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.04.2025

Zwischen Marmor und Melancholie – Die Kunst, zu lieben

Was ich von ihr weiß
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Jean-Baptiste Andreas Roman "Was ich von ihr weiß" ist eine stille Wucht – poetisch, melancholisch und von großer erzählerischer Kraft. Erzählt wird aus der Perspektive des sterbenden Mimo, eines kleinwüchsigen ...

Jean-Baptiste Andreas Roman "Was ich von ihr weiß" ist eine stille Wucht – poetisch, melancholisch und von großer erzählerischer Kraft. Erzählt wird aus der Perspektive des sterbenden Mimo, eines kleinwüchsigen Bildhauers, der sein Leben rückblickend betrachtet – und dabei vor allem über die Frau spricht, die es von Anfang an durchdrungen hat: Viola.

Die beiden begegnen sich als Kinder in einem kleinen italienischen Dorf – er ein armer Junge mit großem Talent, sie Tochter aus gutem Haus, klug, rebellisch und voller Freiheitsdrang. Ihre Verbindung ist tief, komplex und nie einfach – keine klassische Liebesgeschichte, sondern ein jahrzehntelanges Ringen um Nähe, Selbstverwirklichung und gesellschaftliche Grenzen.

Andrea erzählt diese Geschichte nicht laut oder dramatisch, sondern mit leisen Tönen, die lange nachhallen. Es ist ein Roman über das Erinnern, über das, was nicht gesagt wird, über Verpasstes – und über die Kunst, nicht nur mit den Händen, sondern mit dem Herzen zu formen.

Was mich besonders berührt hat, ist die innere Spannung zwischen Mimos künstlerischem Aufstieg und seiner emotionalen Unvollständigkeit. Denn trotz Ruhm und Erfolg bleibt eine Lücke – in Form von Viola, die zwar immer da ist, aber nie ganz greifbar. Und doch prägt sie sein Werk, seine Sicht auf die Welt, seinen Abschied.

Ein eindrucksvolles, tief empfundenes Buch über zwei Menschen, die sich nie ganz bekommen – aber einander nie loslassen. Ein literarisches Kunstwerk, das mit seiner leisen Intensität mitten ins Herz trifft.

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Veröffentlicht am 30.03.2025

Die Melodie der Rebellion

Die Melodie der Lagune
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Harriet Constable entführt uns in das Venedig des 18. Jahrhunderts, wo Musik nicht nur Unterhaltung, sondern Überlebensstrategie ist. Die junge Anna Maria wächst im Waisenhaus Ospedale della Pietà auf, ...

Harriet Constable entführt uns in das Venedig des 18. Jahrhunderts, wo Musik nicht nur Unterhaltung, sondern Überlebensstrategie ist. Die junge Anna Maria wächst im Waisenhaus Ospedale della Pietà auf, das für seine herausragende musikalische Ausbildung bekannt ist. Als sie die Geige für sich entdeckt, wird schnell klar: Sie ist ein außergewöhnliches Talent. Doch in einer Welt, in der Frauen bestenfalls musizieren, aber niemals komponieren dürfen, ist ihr Ehrgeiz eine Bedrohung.

Die Autorin zeichnet mit viel Feingefühl das Bild einer klugen, leidenschaftlichen und entschlossenen jungen Frau, die gegen die ihr gesetzten Grenzen ankämpft. Besonders faszinierend ist die Darstellung von Anna Marias Synästhesie – für sie hat jeder Ton eine Farbe, und Musik ist ein sinnliches Erlebnis. Als Antonio Vivaldi ihr Mentor wird, scheint ihr Weg vorgezeichnet. Doch während er sie fördert, erkennt Anna Maria bald, dass ihr eigener Ruhm ihm gefährlich werden könnte. Constable gelingt es meisterhaft, historische Fakten mit einer fesselnden, emotionalen Geschichte zu verweben. Sie zeigt nicht nur die prachtvolle, aber auch düstere Seite Venedigs, sondern thematisiert Machtverhältnisse, Eifersucht und die systematische Unsichtbarmachung talentierter Frauen. Der Roman besticht durch eine atmosphärische Sprache, lebendige Figuren und einen stetigen Spannungsaufbau, der einen bis zur letzten Seite mitfiebern lässt.

Fazit: Ein intensiver, bildgewaltiger Roman über Musik, Leidenschaft und den Kampf um Anerkennung. Besonders empfehlenswert für alle, die historische Geschichten mit starken weiblichen Figuren lieben. Und noch dazu ein wunderschönes Cover!

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Veröffentlicht am 21.03.2025

Tiefgründig, bissig und überraschend leichtfüßig – eine Familiengeschichte der besonderen Art!

Die Fletchers von Long Island
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„Die Fletchers von Long Island“ hat mich sofort gepackt! Was zunächst wie ein klassisches Familiendrama beginnt – ein wohlhabender Mann wird 1980 vor seinem Haus entführt – entwickelt sich schnell zu einer ...

„Die Fletchers von Long Island“ hat mich sofort gepackt! Was zunächst wie ein klassisches Familiendrama beginnt – ein wohlhabender Mann wird 1980 vor seinem Haus entführt – entwickelt sich schnell zu einer vielschichtigen und bittersüßen Geschichte über eine jüdisch-amerikanische Familie, die über Jahrzehnte hinweg von genau diesem Ereignis geprägt bleibt.

Taffy Brodesser-Akner gelingt es wunderbar, sowohl die Komik als auch die Tragik dieser Familiengeschichte herauszuarbeiten. Die Figuren wirken unglaublich lebendig und jede ihrer Perspektiven bringt neue Facetten ans Licht – mal zum Schmunzeln, mal mit einem Kloß im Hals. Vor allem mochte ich den Wechsel zwischen den Generationen und die feinen Zwischentöne im Schreibstil, der messerscharf, witzig und gleichzeitig sehr berührend ist.

Besonders spannend fand ich, wie die Autorin es schafft, den Glanz und den Druck des wohlhabenden Long Island zu porträtieren, aber auch zu zeigen, wie die Familie trotz äußerem Reichtum von inneren Brüchen und Geheimnissen geprägt ist. Die Last der Vergangenheit schwebt über allem – und trotzdem bleibt Platz für eine gute Portion schwarzen Humor.

Mich hat „Die Fletchers von Long Island“ wirklich überrascht: Eine tiefgründige, teils schräge, aber auch sehr ehrliche Familiengeschichte, die über mehrere Jahrzehnte hinweg fesselt. Wer Lust auf eine besondere Mischung aus Drama, Humor und scharfer Beobachtung menschlicher Beziehungen hat, sollte dieses Buch unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 22.02.2025

Mehr als nur ein Liebesroman: Eine Reise zu sich selbst

Something Old, Someone New
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„Something Old, Someone New“ von Jessie Rosen ist eine humorvolle und zugleich tiefgründige Geschichte, die weit mehr bietet als eine typische Liebesgeschichte. Zunächst dachte ich, dass es sich um einen ...

„Something Old, Someone New“ von Jessie Rosen ist eine humorvolle und zugleich tiefgründige Geschichte, die weit mehr bietet als eine typische Liebesgeschichte. Zunächst dachte ich, dass es sich um einen klassischen Liebesroman handeln würde – ein Genre, das ich normalerweise nicht gerne lese. Ich befürchtete, dass das Ende kitschig und vorhersehbar sein würde. Was mich am Buch interessierte, war die Reise, auf die die Protagonistin Shea sich begibt. Doch je weiter ich in die Geschichte eintauchte, desto mehr merkte ich, dass sie sich viel tiefgründiger entwickelt, als ich es erwartet hatte.

Shea hat klare Vorstellungen vom Leben – eine davon ist, niemals einen Verlobungsring zu akzeptieren, der schon von jemand anderem getragen wurde. Als ihr Freund John ihr jedoch genau so einen Ring schenkt, wird sie von der Angst vor „schlechtem Karma“ regelrecht besessen. Um dem Ring und seiner Geschichte auf den Grund zu gehen, macht sie sich auf eine Reise, die sie nicht nur durch verschiedene Länder führt, sondern auch zu einer Entdeckung über sich selbst.

Die Reise, die Shea antritt, ist spannend und emotional. Mit Hilfe eines schlagfertigen und etwas zynischen Journalisten kommt sie dem Geheimnis um den Ring immer näher – und gleichzeitig auch ihrer eigenen Vergangenheit und den Werten, die sie im Leben wirklich sucht.

Jessie Rosen gelingt es, eine Geschichte zu erzählen, die sowohl humorvolle als auch nachdenkliche Momente vereint. Besonders beeindruckt hat mich die Entwicklung der Protagonistin. Auf ihrer Reise muss Shea nicht nur ihre Ängste und vorgefassten Meinungen überdenken, sondern auch ihre Einstellung zu Liebe, Familie und Vertrauen hinterfragen. Das Setting, das sich von New York bis nach Europa erstreckt, sorgt für eine abwechslungsreiche und lebendige Atmosphäre.

Das Cover des Buches ist super modern und passt perfekt zur Geschichte. Es spiegelt die Reise und die Themen der Geschichte wider und macht sofort neugierig.

Was dieses Buch von typischen Liebesromanen abhebt, ist der tiefere emotionale Kern. Es geht nicht nur um den Ring, sondern auch um die Frage, was im Leben wirklich zählt. Die Dialoge sind stark, die Charaktere authentisch und lebendig, sodass man schnell eine Verbindung zu ihnen aufbaut. „Something Old, Someone New“ ist ein Buch über Selbstfindung, Liebe und Schicksal, das sowohl zum Schmunzeln als auch zum Nachdenken anregt. Ein echtes Herzensbuch, das man nicht unterschätzen sollte.

Ein Roman, der zeigt, dass das Leben oft in unerwartete Richtungen geht und man den richtigen Weg erst durch eine Reise zu sich selbst finden kann.

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Veröffentlicht am 17.12.2024

Schatten der Vergangenheit

Das Waldhaus
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In „Das Waldhaus“ kehrt die 37-jährige Hannah in ihr Elternhaus zurück, um ihren an Demenz erkrankten Vater zu versorgen. Doch seine Worte erschüttern sie zutiefst: Er verwechselt sie mit ihrer Mutter, ...

In „Das Waldhaus“ kehrt die 37-jährige Hannah in ihr Elternhaus zurück, um ihren an Demenz erkrankten Vater zu versorgen. Doch seine Worte erschüttern sie zutiefst: Er verwechselt sie mit ihrer Mutter, die vor Jahren unter mysteriösen Umständen starb, und bittet sie immer wieder um Verzeihung. Was verbirgt er? Auf der Suche nach Antworten beginnt Hannah, in die Rolle ihrer Mutter zu schlüpfen, und ahnt nicht, dass sie damit die düsteren Ereignisse der Vergangenheit erneut heraufbeschwört.

Liz Webb entfaltet eine beklemmende, fast albtraumhafte Atmosphäre, die von der ersten Seite an fesselt. Dennoch braucht die Geschichte etwas Zeit, um in Fahrt zu kommen. Der Einstieg wirkt etwas zäh, doch sobald sich die ersten Geheimnisse entfalten, zieht die Spannung spürbar an. Was zunächst ruhig beginnt, steigert sich zu einem regelrechten Strudel aus Paranoia, düsteren Erinnerungen und der Frage, was Realität und was Einbildung ist.

Die Geschichte wird aus Hannahs Ich-Perspektive erzählt, wodurch der Leser tief in ihre fragile Gedankenwelt gezogen wird. Ihre zunehmende Unzuverlässigkeit als Erzählerin sorgt für Verwirrung und Spannung zugleich – was ist real, was Einbildung? Das alte Haus, die düsteren Erinnerungen und das Verweben von Gegenwart und Vergangenheit schaffen eine unheimliche Kulisse, die das Buch in ein verstörendes Psychospiel verwandelt.

Besonders gelungen ist die komplexe Figurenzeichnung. Hannah ist keine klassische Heldin, sondern eine Frau, die selbst mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Ihr Abgleiten in die Rolle der Mutter ist gleichermaßen verstörend wie faszinierend. Auch die Nebenfiguren tragen zur dichten Atmosphäre bei: Jeder scheint ein Geheimnis zu verbergen, jeder könnte Teil des rätselhaften Geschehens sein.

Trotz des langsameren Einstiegs wird der Leser für seine Geduld belohnt. Die Geschichte nimmt immer mehr Fahrt auf und gipfelt in einem nervenaufreibenden Finale voller Überraschungen. Liz Webb gelingt es meisterhaft, das schleichende Gefühl von Unbehagen in einen mitreißenden Showdown zu überführen. „Das Waldhaus“ ist ein starker Thriller, der mit psychologischer Tiefe, düsteren Familiengeheimnissen und einer subtilen Gruselstimmung überzeugt – ein beeindruckendes Debüt, das noch lange nachhallt.

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