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Veröffentlicht am 17.10.2018

Mein lieber Freund und Kupferstecher! Was für ein literarisches Denkmal!

Der Apfelbaum
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Der Autor Christian Berkel sieht sich mit dem fortschreitenden Alter seiner Mutter und ihrer zunehmenden Demenz konfrontiert.

Jeder, der diesen Prozess bereits erlebt hat, weiß, wie emotional fordernd ...

Der Autor Christian Berkel sieht sich mit dem fortschreitenden Alter seiner Mutter und ihrer zunehmenden Demenz konfrontiert.

Jeder, der diesen Prozess bereits erlebt hat, weiß, wie emotional fordernd dies ist und welche Fragen einem durch den Kopf gehen: zB Wer war meine Mutter? Was hat sie erlebt? Weshalb wurde sie die, die sie heute ist? Weshalb kenne ich nur Teile/Fragmente ihrer/meiner Familiengeschichte? Aus welcher Familie komme ich überhaupt? Was bleibt?

Berkel drückt dies in einem Vergleich aus (Seite 174 lt. meiner epub-Version), dass er verhindern möchte, einem Buch gleich zu sein, aus welchem Kapitel herausgerissen wurden, unverständlich für andere und sich selbst und dass er diese leeren Seiten mit Hilfe seiner Mutter noch füllen möchte, denn zuerst stirbt der Mensch und dann die Erinnerung an ihn.


Und Berkel bedient sich – familientraditionsgemäß – der Literatur, Bücher und des schriftlichen Festhaltens der Familiengeschichte, um diesen - teilweise schmerzvollen - Prozess zu bewerkstelligen.

Es offenbart sich die Lebens- und Liebesgeschichte seiner Eltern Sala und Otto Berkel, die sich bereits 1932 in Berlin als 13-Jährige bzw. 17-Jähriger kennengelernt haben. Sie aus einer unkonventionellen jüdischen Intellektuellenfamilie, er aus der Arbeiterklasse (und auch bei diesem Kennenlernen spielte ein Buch eine gewichtige Rolle!).

Die bewegte Familiengeschichte führt einem über drei Generationen über den europäischen Kontinent (Deutschland, Frankreich, Spanien, Polen, Russland) bis nach Argentinien und wieder retour.

Der Roman lässt einem Eintauchen in die Welt der Kunst, Literatur, Mode, Psychotherapie; man begegnet vielen heute noch bekannten schillernden Berühmtheiten der damaligen Zeit, der Zeit des Aufbruchs, der zunehmenden individuellen Freiheit und Emanzipation, der jedoch die Gegenbewegung folgte: die Zeit des Umbruchs, der Diktaturen, des Widerstandes, der Gräuel der Nazis (aus religiösen Motiven oder aufgrund der sexuellen Orientierung), der Lager und der Kriegswirren.


Berkel erzählt große Teile der Familiengeschichte aus der Perspektive Salas, Ottos, der Großeltern oder anderer Familienmitglieder und nimmt selbst hauptsächlich die beobachtende, beschreibende, kaum wertende, manchmal philosophische Perspektive ein.

Seine Emotionen umschreibt er durch literarische Anspielungen, Vergleiche oder macht sie an Büchern fest, beispielsweise hat mir eine seiner „Rand“-Bemerkung zu Elementarteilchen (von Michel Houellebecq) das Wasser in die Augen getrieben.


Das Lesen ist zum Teil eine große Herausforderung: einerseits aufgrund der Vielzahl an Personen und Handlungsschauplätzen, andererseits aufgrund der Schwere der Themen (zB die Entmenschlichung/Verdinglichmachung durch die Nazis, die Lagerbeschreibungen, …).

Es kam mehrmals vor, dass ich das Buch weglegen musste, weil mich Passagen derart emotional beschäftigten!

Gleichzeitig gab es auch immer wieder erfreuliche Momente und Lichtblicke: Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens Menschen geblieben sind und geholfen haben.


Fazit:
Ich freue mich für Christian Berkel, dass er mit seiner Verschriftlichung eine immerwährende literarische Erinnerung an seine Vorfahren (und ihn) in Händen hält, an der er mich teilhaben ließ!

Ein gelungenes Beispiel, wie Buch- und Literaturliebhaber ihre Passion nützen können, um sich herausfordernden Situationen zu stellen. Nicht nur eine Familiengeschichte, sondern ein umfangreiches, bewegendes und einen nachdenklich zurücklassendes Zeitzeugnis der europäischen – insbesondere deutschen – Geschichte. Gehört gelesen!

Veröffentlicht am 16.10.2018

„Mensch“ (Album/Titel von Herbert Grönemeyer)

Der englische Liebhaber
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Inhaltsangabe:
Im zerbombten Nachkriegs-Münster bringt Anna als einzige Erwerbstätige in der Familie als Dolmetscherin und Übersetzerin bei den britischen Siegermächten ihre Familie (Eltern und Schwester ...

Inhaltsangabe:
Im zerbombten Nachkriegs-Münster bringt Anna als einzige Erwerbstätige in der Familie als Dolmetscherin und Übersetzerin bei den britischen Siegermächten ihre Familie (Eltern und Schwester samt Sohn) mehr schlecht als recht durch. Ihr Alltag ist geprägt von massiven Entbehrungen, Hunger, unzureichender Bekleidung gegen den harten Winter und einem täglichen weiten Arbeitsweg, den sie per Rad zurücklegen muss, weil die Infrastruktur direkt nach Kriegsende noch gänzlich zerstört ist.

Als sie fiebernd trotzdem zum Dienst erscheint, leistet der englische Secret Intelligence Service Captain Jeremy Fraser Erste Hilfe und bringt Anna in seinem Jeep samt Rad nachhause. Auf dieser Fahrt unterhalten sich beide, was der Beginn für eine Geheimbeziehung gegen alle damals gängigen Konventionen zwischen einer Deutschen und einem Angehörigen der britischen Siegermacht sein soll, in dessen weiteren Verlauf Anna schwanger wird und Jeremy plötzlich vom Erdboden verschwindet.

Jahrzehnte später wird Charlotte, eine in Berlin lebende Filmschaffende, von ihrer im Sterben liegenden Mutter Anna nach Münster gerufen. Die unterkühlte Mutter-Tochter-Beziehung zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass die Mutter informiert, dass sie bereits alle organisatorischen Erfordernisse im Falle ihres Ablebens organisiert habe und sich ihre Tochter noch aus der Wohnung holen möge, was sie behalten möchte.

Charlotte nimmt wenig mit, unter anderem aber vier Schuhschachteln mit Briefen, Notizbüchern und Tonbandaufnahmen sowie eine vertrocknete rote Rose. Finden sich in diesem Nachlass die Antworten auf ihre Beziehung zu ihrer Mutter und Hinweise auf ihren beinahe unbekannten Vater?

Ad Titel/Cover:
Ich hätte mir dieses Buch aufgrund des Titel/Covers und dem Zusatz „Das »Vom Winde verweht« der deutschen Nachkriegszeit“ NICHT gekauft, da ich zu viel Herz-Schmerz-Kitsch vermutet hätte.
Klappentext und Inhaltsangabe haben mir erst richtige Lust auf das Buch gemacht hat.

Meine Meinung:
Die Inhaltsangabe ist derart vielversprechend, dass man sich beim Intro/der Vorstellung der Protagonistinnen – Anna, die im Sterben liegende Mutter aus Münster und Charlotte, die rebellische in Berlin in der Filmindustrie tätige Tochter – und deren nüchterne, speerige, noch nicht nachvollziehbare Mutter-Tochter-Beziehung durchquält …

… und Frederica de Cesco belohnt einem mit einer spannenden deutschen Familiengeschichte während der Nazi-Zeit und einer verzaubernden und zutiefst tragischen Liebesgeschichte in der Nachkriegszeit, die einem doppelt packt, weil sie nicht reine Fiktion ist, sondern auf wahren Begebenheiten beruht (Federica de Cesco wurde vom Nachlass der Tante zum Buch angeregt).

Beeindruckend sind vor allem die Dialoge zwischen Anna und Jeremy, die gespickt sind mit „leicht daherkommenden“ philosophischen Betrachtungen über Krieg und Frieden, Sieger und Besiegte, Macht, Liebe, uvam und zwar die damalige Zeit betreffen, jedoch auch im Hinblick auf die aktuelle politische (Welt-)Situation noch immer Gültigkeit haben!

Auch aus psychologischer Sicht fand ich „Der englische Liebhaber“ aus mehreren Gründen spannend: Erstens, wie F.d.Cesco die unterschiedlichen möglichen Facetten menschlichen Verhaltens hinsichtlich „Haltung“ (gegenüber politischen Mehrheitsmeinungen, gesellschaftlichen Konventionen, etc.) beschreibt.
Zweitens macht F.d.Cesco deutlich, wie dramatisch sich das Verschweigen von Familiengeschichte (oder Teilen davon) – auch wenn es bloß zum Schutze der Nachfolgegeneration gedacht ist – negativ auf die Beziehung (zwischen Mutter und Tochter) auswirken … und dass es nie zu spät ist/es Wert ist, sich mit ihr auseinanderzusetzen, entweder als Tagebuchschreiberin (wie Mutter Anna) oder als deren Leserin (Tochter Anna).

Tochter Anna (und auch die Leserschaft) werden belohnt mit einem Stück „Seelenfrieden“, einem Verständnis oder zumindest Nachvollziehen-Könnens des Geschehenen auf der persönlichen Ebene der Protagonisten, das einem mit dem Vergangenen versöhnt und die einem Anna und Charlotte emotional näher bringen.

Beim Lesen hatte ich immer wieder H. Grönemeyers Song „Mensch“ mit dem „… DU FEHLST …“ im Ohr, welcher für mich die Emotionalität dieses Werkes am besten beschreibt.


Fazit:
Ein geniales historisches, psychologisches, poetisches und philosophisches Meisterwerk der Zeitgeschichte über die deutsche Nachkriegszeit! Ich bitte um einen Nachschlag!

Veröffentlicht am 16.10.2018

Mein neuer australischer Stern am Krimi-/Thriller-Himmel

Ins Dunkel
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Jane Harper entführt in ihrem zweiten Thriller "Ins Dunkel" ihre Leserschaft zu einem Teambuilding-Survival-Camp eines jeweils gegeneinander entretenden fünfköpfigen Frauen- und Männer-Teams der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ...

Jane Harper entführt in ihrem zweiten Thriller "Ins Dunkel" ihre Leserschaft zu einem Teambuilding-Survival-Camp eines jeweils gegeneinander entretenden fünfköpfigen Frauen- und Männer-Teams der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Bailey Tennants aus Melbourne in die Berge des Giralang-Massivs.

Am dritten Tag erreichen die Männer den vereinbarten Treffpunkt, doch von den Frauen fehlt jede Spur. Stunden später wanken vier von ihnen abgekämpft und teilweise verletzt aus dem Wald, aber wo ist Alice Russell?

Zwischenzeitlich hat Aaron Falk, Ermittler der australischen Finanzpolizei, seine Mobilbox abgehört, auf welcher sich eine Sprachnachricht von Alice befindet, auf welcher eine männliche (?) Stimme bloss mit einem "... ihr weh tun ..." zu vernehmen ist.
Seit Wochen arbeiten Aaron Falk und seine Kollegin Carmen Cooper mit Alice zusammen, um ihre Arbeitgeber - Jill und Daniel Bailey - der Geldwäsche zu überführen. Hat Alice Verschwinden etwa mit diesen Ermittlungen zu tun?

Umfangreiche Sucharbeiten nach Alice starten in den Bergen, die bereits vor vielen Jahren Schauplatz eines Serienmöders waren. Kann Alice gefunden werden?

Meine Meinung:
Hochspannung, die bereits in der Leseprobe versprochen wurde, kann bis zuletzt aufrecht erhalten werden!

Aufgrund des flüssigen Schreibstils ist man schnell mit den Hauptcharakteren - allen voran dem Ermittler Aaron Falk und dem Frauen-Team mit Alice, Lauren, Bree, Beth und Jill - vertraut.

Durch die Rückblenden im Zuge der "Vernehmungen" der Frauen werden die gemeinsamen Berg-Stunden jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, wodurch das komplexe und komplizierte emotionale Beziehungsgeflecht geschickt dargestellt wird.

Die zusätzlichen Ermittlungsergebnisse von Aaron Falk und Carmen Cooper fordern den Leser zusätzlich, immer wieder neue Hypothesen über den möglichen Verbleib von Alice Russel anzustellen.

Fazit:
Mit Jane Harper würde ich jederzeit sofort wieder in Down Under ermitteln, denn Spannung bis zum Ende zu halten, schaffen die Wenigsten ... und ganz besonders gern wieder mit dem Polizistenteam Aaron Falk und Carmen Cooper!

Veröffentlicht am 14.10.2018

WER DAS LIEST, kann lesen und ist MEGAcool! (Originalzitat am Buch-Innenrücken)

Die coolste Schule der Welt
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Zum Inhalt:
Oskars und Wilmas neue Schule ist OK, aber die Schulen ihrer Freunde sind um Ecken besser! Oskar überlegt schon, die Schule zu wechseln, aber nur mit Wilma gemeinsam. Die würde ja auch gerne ...

Zum Inhalt:
Oskars und Wilmas neue Schule ist OK, aber die Schulen ihrer Freunde sind um Ecken besser! Oskar überlegt schon, die Schule zu wechseln, aber nur mit Wilma gemeinsam. Die würde ja auch gerne wechseln, wenn da nicht ihre Freundin wäre, mit der sie weiterhin gemeinsam zur Schule gehen möchte, und die hat auch wieder Freunde, …

Kurzum: die beiden machen eine Liste mit allem, was sie für eine coole Schule brauchen (von Tieren, Natur, Nativespeakern, Sportutensilien, Freizeitunterhaltung, Raketen, Autos, Baustoffen, …) und überlegen, wie sie dies alles organisieren können. Auch der Direktor wird eingespannt und nach und nach beteiligen sich immer mehr MitschülerInnen mit Spitzenideen. Es wird zusammengetragen und Schritt für Schritt umgesetzt, und die Ergebnisse fallen viel spektakulärer aus, als es die Papierform (Liste) oder die Anfangsideen erwarten lassen haben!

Und plötzlich steht eines Tages Rastamän, Oskars Freund aus dem vorigen Schuljahr, wieder im Klassenzimmer, dem seine „ach so coole neue Schule“ anscheinend doch nicht so gefallen hat. Er ist ganz erstaunt, was sich so alles in seiner Abwesenheit an seiner alten Schule geändert hat und ist gleich mittendrin in der coolsten Schule der Welt.

Meine Meinung:
Die Autorin, Saskia Hula, hat hier ein wunderbares Buch für Leseanfänger (Sohnemann geht in die 2. Klasse) geschrieben, weil das Thema direkt aus dem Leben der Kinder gegriffen ist, die heutzutage selbst cool sein und coole Dinge – auch in der Schule – erleben möchten.

Gleichzeitig finden sich die Kids auch mit ihrem Bedürfnis nach Freunden im Buch wieder und es wird ihnen ein „Raum an Möglichkeiten“ aufgezeigt, wie jede/r mittels Engagement, Kreativität, Energie und Spaß sein eigenes Leben und das seiner Freunde schöner und cooler machen kann.

Für die lesenden Kids ist das Buch so spannend, weil anfänglich spektakuläre, unrealisierbar erscheinende Ideen durch das gemeinsame Überlegen, Diskutieren und Lösungen-Suchen auf machbare Umsetzungsschritte heruntergebrochen werden, deren Realisierung noch lustiger und origineller ausfällt und unvorhergesehene Ergebnisse liefert.

Das „Sahnehäubchen“ liefert die Illustratorin Ina Hattenhauer, die mit einer Vielzahl an farbenfrohen, originellen und witzigen Bildern mit einer Unmenge an köstlichen Details die lesenden/staunenden Kids zu „AHs!“, „OHs!“ und „Schau!“ sowie herzhaftem Lachen bringt.

Auch das Verhältnis zwischen Text und Bild ist perfekt auf ZweitklässlerInnen abgestimmt. Der Text variiert dabei in seiner Schreibform zwischen GROSSBUCHSTABEN, „normaler“ Druckschrift sowie einigen Schreibschriftausflügen.

Besonders unterhaltsam fällt Oskars/Wilmas Liste aus, die sich teilweise als kniffeliges Rätsel für die LeserInnen entpuppt, da die Kids ihre Wünsche so festgehalten haben, wie sie glauben, dass die Wörter geschrieben gehören, dh sie haben sich entweder an der Lautschrift orientiert oder ihnen sind originelle Auslegungen der deutschen Rechtschreibung unterlaufen.

Auf der Innenseite des Buchrückens erhalten die Kids, die dieses Buch fertig gelesen haben, quasi noch ihr „Mitarbeits-Sternchen“/ihr "Zeugnis", denn dort steht: WER DAS LIEST, kann lesen und ist MEGAcool!

Fazit:
Spannendes, unterhaltsames und gleichzeitig lehrreiches Buch mit witzigen Illustrationen, das auch Jungs gerne verschlingen und ihre Lesekenntnisse und Liebe zu Büchern COOL fördert.

Veröffentlicht am 11.10.2018

Virtuoser Start der Huber-Reihe

Walter muss weg
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Der österreichische Sprachakrobat Thomas Raab, vielen sicherlich wegen seiner (teilweise bereits verfilmten) Adrian-Metzger-Fälle - bekannt, zelebriert mit seiner neuen silver-/gold-ager-Protagonistin ...

Der österreichische Sprachakrobat Thomas Raab, vielen sicherlich wegen seiner (teilweise bereits verfilmten) Adrian-Metzger-Fälle - bekannt, zelebriert mit seiner neuen silver-/gold-ager-Protagonistin Hannelore Huber (oder kurz "Hanni" oder "Huberin" genannt) in "Walter muss weg" aufs Neue, wie sich das "große Kino" an Politik, Sex und Crime auch in einer kleinen 300-Seelen-Ortschaft wie Glaubenthal abspielen kann.

Wie gewohnt stellen bei Raab der Kriminalfall/Tote/Leichen bloss die Rahmenhandlung dar (zumindest interpretiere ich seine Krimis so).
Hauptteil sind seine gesellschaftlichen, weltpolitischen, wirtschaftlichen und philosophischen Betrachtungen, die von genauer Beobachtungsgabe zeugen und deren Analyse mit spitzer Feder kredenzt werden.

Besonders gut haben mir seine Beispiele gelebter Integration am Lande oder sein Hinschauen auf das Thema Altersarmut - insbesondere bei Frauen bzw. zu welchen "Stilblüten" sich deshalb jemand genötigt fühlt - gefallen.

Es ist eine Freude, Raabs Einsatz und Spiel mit der deutschen Sprache zu verfolgen! So wird zB von Hanni das Wort "Gemahl" nach dem Ableben ihres bedingt geschätzten Gatten zu einem "GEH MAL".

Generell ist Raabs Schreibstil virtuos, spielerisch, häufig humorvoll, ironisch und sarkastisch, aber er vermag sehr wohl auch "tiefe" (emotionale) Töne anzustimmen:
Beispielweise hat mich der Dialog der 6jährigen Amelie Glück mit ihrer Mutter über den Tod sehr berührt und an "Sofies Welt" von Jostein Gaardner erinnert. Amelie versteht aufgrund ihres Alters jedes Wort noch wortwörtlich und kann den Euphemismus der Erwachsenen/ihr Unvermögen über den Tod klar zu sprechen, noch nicht nachvollziehen.

Zusätzlich hinterläßt auch Raabs Musiker-Background seine Spuren im Werk, einerseits in der Sprachrhythmik, andererseits durch das Einstreuen eingängiger Lied(texte), deren Melodien beim (Weiter-)Lesen unweigerlich im Hirn nachhallen.

Fazit:
Frau Huber ist ein weiteres virtuoses Glanzstück von Thomas Raab! Das Cover mit dem Zusatz "Frau Hubers erster Fall" läßt auf eine Fortsetzung hoffen, bei der ich sicherlich wieder dabei bin!