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Veröffentlicht am 23.05.2021

Von der Schwierigkeit, einen Roman zu schreiben

Die dritte Frau
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In Wolfram Fleischhauers neuem Roman steckt ein namenloser Autor in der Krise. Er hat eine unangenehme Scheidung hinter sich, kämpft mit finanziellen Problemen, und es mangelt ihm an Ideen für einen neuen ...

In Wolfram Fleischhauers neuem Roman steckt ein namenloser Autor in der Krise. Er hat eine unangenehme Scheidung hinter sich, kämpft mit finanziellen Problemen, und es mangelt ihm an Ideen für einen neuen Roman. Vor Jahren hat er den historischen Roman "Die Purpurlinie" veröffentlicht - wie der real existierende Autor Fleischhauer. Damals hatte ihn der Franzose Charles Balzac auf die miserable Qualität der französischen Übersetzung und zahlreiche sachliche Fehler in der Darstellung hingewiesen. Der Einladung, vor Ort Dokumente einzusehen, war der Autor damals nicht gefolgt. Jetzt möchte er dies nachholen und erhält Antwort von Camille Balzac, der Nichte des inzwischen verstorbenen Mannes.
Es geht in diesem Roman um ein berühmtes Gemälde im Louvre, das zwei Frauen beim Baden zeigt, Gabrielle d´Estrées und Henriette d´Entragues, eine Vorfahrin von Camille Balzac. Beide Frauen waren Geliebte des französischen Königs Henri IV. Um Königin zu werden, mussten sie dem König Kinder schenken. Es gab Komplikationen. Der König heiratete eine Medici.
Der Autor darf bei zwei Besuchen in Frankreich eine Reihe von Dokumenten einsehen, die auf tödliche Intrigen und Aktivitäten der Geheimdienste hinweisen. Zwischen ihm und Camille entwickelt sich eine komplizierte Beziehung aus Anziehung und Abstoßung. Es ist von Anfang an nicht zu übersehen, dass Camille ihre eigenen Ziele verfolgt, es auf eine ganz spezielle Zusammenarbeit mit dem Autor abgesehen hat.
"Die dritte Frau" zeichnet das Porträt einer Epoche - des beginnenden 17. Jahrhunderts -, handelt aber auch vom Schreiben selbst. Fleischhauer erscheint als namenloser Protagonist in seinem eigenen Roman. Wahrheit und Fiktion werden untrennbar vermischt. Ich habe das Buch sehr gern gelesen und empfehle es ohne Einschränkung weiter.

Veröffentlicht am 16.05.2021

Eine junge Frau auf der Suche nach den eigenen Wurzeln

Viktor
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Judith Fanto erzählt in ihrem Roman „Viktor“ eine Familiengeschichte, die an ihre eigene angelehnt ist. In Wien lebt 1914 die gutbürgerliche Familie Rosenbaum: Großeltern, Eltern und die Kinder Viktor, ...

Judith Fanto erzählt in ihrem Roman „Viktor“ eine Familiengeschichte, die an ihre eigene angelehnt ist. In Wien lebt 1914 die gutbürgerliche Familie Rosenbaum: Großeltern, Eltern und die Kinder Viktor, Felix und Laura. Zunächst geht es ihnen gut. Nur der unkonventionelle Viktor schlägt mit seinen vielen Frauengeschichten und nicht immer ganz legalen Geschäftsideen aus der Art. Dann ändern sich die Zeiten. Antisemitismus und Verfolgung nehmen zu, und viele Juden wandern aus, einige gerade noch rechtzeitig. Viktors Bruder mit Frau und Kind fliehen mit Hilfe der katholischen Kirche nach Holland. Auf der zweiten Zeitebene beginnt die junge Geertje in den 90er Jahren in Nimwegen ein Jurastudium. Sie macht ihren Eltern und ihrer Großmutter seit langem den Vorwurf, dass sie die jüdische Vergangenheit ihrer Familie leugnen und alle Ereignisse im Zusammenhang mit der Schoah totschweigen. Geertje nimmt den Namen Judith an, nimmt Kontakt zur jüdischen Gemeinde auf und will eventuell ein jüdisches Leben führen. Sie stellt Nachforschungen an, um das Schicksal ihrer Vorfahren aufzuklären. So erfährt der Leser kapitelweise wechselnd von der Vergangenheit und Gegenwart, wobei über die Gegenwart aus Judiths Perspektive berichtet wird.
Der Roman liest sich sehr gut. Er macht noch einmal deutlich, wie furchtbar die Naziverbrechen waren und wie schuldig sich die Überlebenden fühlten, weil sie das Grauen überlebt hatten. Keiner kommt jemals über dieses Trauma hinweg. Auch wenn man die geschichtlichen Daten und Fakten kennt, ist dies ein sehr empfehlenswertes Buch.

Veröffentlicht am 16.05.2021

Eine ungewöhnliche Kindheit

Der Junge, der das Universum verschlang
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Die Geschichte um eine Familie in Darra, einem verarmten Arbeiterviertel von Brisbane, setzt etwa 1985 ein. Die Brüder Eli, 12 und August Bell, 13 leben mit ihrer Mutter im Haus des Stiefvaters Lyle unter ...

Die Geschichte um eine Familie in Darra, einem verarmten Arbeiterviertel von Brisbane, setzt etwa 1985 ein. Die Brüder Eli, 12 und August Bell, 13 leben mit ihrer Mutter im Haus des Stiefvaters Lyle unter sehr schwierigen Bedingungen. Lyle Orlik verdient seinen Lebensunterhalt als Heroinhändler, die Mutter ist drogenabhängig und hat den Vater, einen Alkoholiker, Jahre zuvor verlassen, nachdem dieser bei einem Autounfall absichtlich oder im Suff seine kleinen Söhne fast getötet hätte. Der beste Freund der Jungen ist der verurteilte Mörder Arthur „Slim“ Halliday, der durch mehrere Ausbrüche aus dem berüchtigten Boggo Road-Gefängnis berühmt geworden ist. Eines Tages rächt sich der örtliche Drogenboss an Lyle für eigenmächtige geschäftliche Aktivitäten, und die Mutter der Jungen kommt ins Gefängnis. Die Jungen leben deshalb einige Jahre bei ihrem Vater.
In diesem ganz besonderen Coming-Of-Age-Roman gibt es außer den ungewöhnlichen Protagonisten sehr viel Gewalt, auch häusliche Gewalt gegen Frauen, und eine Menge Grausamkeiten in teilweise übertrieben drastischen Szenen. Für den Leser ist es vor allem interessant zu sehen, welche Strategien die Jungen entwickeln, um diesen Sumpf zu überleben und unbeirrt ihre Ziele zu erreichen. Eli schafft den Sprung in eine Karriere als Journalist, indem er als Praktikant bei einer lokalen Zeitung erst anderen in untergeordneter Stellung zuarbeitet, dann den großzügigen Wohltäter der Gemeinde als das enttarnt, was er ist: ein grausames Monster an der Spitze des Drogenkartells. Es gibt aber nicht nur menschliche Abgründe in diesem Roman, sondern auch die erste Liebe Elis zu einer deutlich älteren Journalistin und seine enge Bindung an seinen sehr speziellen Bruder August, der ihn beschützt. Große Teile der Geschichte sind nicht erfunden, sondern entsprechen den Erlebnissen des Autors. Lediglich die etwas gewöhnungsbedürftigen mystischen Elemente um August, seine prophetische Vorausschau und seine kryptischen mit den Fingern in die Luft geschriebenen Botschaften sind nicht einer realistischen Darstellung verpflichtet.
Mir hat das Buch gut gefallen. Wenn man sich eingelesen hat, ist das eine sehr lohnende Geschichte vom anderen Ende der Welt.

Veröffentlicht am 16.05.2021

Wer war´s?

Eine perfekte Ehe
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In Kimberly McCreights Roman „Eine perfekte Ehe“ bekommt die Anwältin Lizzie Kitsakis eines Tages einen Anruf von einem Bekannten, der sie bittet, ihn in einem Strafprozess zu vertreten. Lizzie hat Zach ...

In Kimberly McCreights Roman „Eine perfekte Ehe“ bekommt die Anwältin Lizzie Kitsakis eines Tages einen Anruf von einem Bekannten, der sie bittet, ihn in einem Strafprozess zu vertreten. Lizzie hat Zach Grayson seit dem Studium nicht mehr gesehen und lehnt zunächst ab, weil sie auf Wirtschaftsrecht spezialisiert ist. Man verdächtigt Zach, seine Frau Amanda ermordet zu haben und hält ihn im Gefängnis Rikers Island fest – ohne die Möglichkeit, auf Kaution frei zu kommen. Lizzie übernimmt den Fall schließlich doch, weil sie Zach für unschuldig hält. Sie stellt eigene Nachforschungen an, weil für die Polizei der Schuldige zweifelsfrei feststeht. Der Leser entdeckt mit ihr nicht nur neue Spuren und andere Verdächtige, sondern erlebt auch Amandas letzte Tage vor der berüchtigten Party mit, nach der sie in ihrem Haus umgebracht wurde. Eine Gruppe von gutsituierten Eltern feiert bei einem Ehepaar einmal im Jahr eine ausgelassene Party, während ihre Kinder sich im Ferienlager aufhalten. Dort gibt es im Obergeschoss des Hauses Gelegenheit zum unverbindlichen Partnertausch. Außerdem findet Lizzie Amandas Tagebücher und erfährt so über so manche dunkle Seite in ihrem Leben, u.a. dass ein unbekannter Stalker sie ständig beobachtete und verfolgte, so dass Amanda unter Albträumen und Halluzinationen litt. Lizzie schaut auch hinter die Fassaden der anderen Ehen und muss feststellen, dass es überall Probleme gibt genauso wie in ihrer eigenen. Es ergibt sich ein verworrenes Bild mit mehreren Verdächtigen und zahlreichen falschen Fährten. Nichts ist, wie es scheint, und der Leser wartet gespannt auf die überraschende Auflösung.
Der Roman ist eine Mischung aus Justizdrama inklusive Vernehmungsprotokollen und Gerichtsverhandlungen und häuslichen Dramen vorwiegend in der Gesellschaftsschicht der Reichen und Schönen. Die Geschichte ist nicht uninteressant, konnte mich aber nicht durchweg fesseln.

Veröffentlicht am 15.02.2021

Die Geschichte eines skrupellosen Schurken

Die Geschichte eines Lügners
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Im Mittelpunkt von John Boynes neuem Roman steht der junge Maurice Swift. Er hat den Ehrgeiz, ein herausragender Schriftsteller zu werden, kann auch sehr gut schreiben, nur fehlt es ihm an wichtigen Voraussetzungen ...

Im Mittelpunkt von John Boynes neuem Roman steht der junge Maurice Swift. Er hat den Ehrgeiz, ein herausragender Schriftsteller zu werden, kann auch sehr gut schreiben, nur fehlt es ihm an wichtigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere als Romanautor. Er hat keine Fantasie und keine Ideen für einen Plot, aber er findet einen Weg, um diese Defizite auszugleichen. Dabei hilft ihm sein ungewöhnlich attraktives Aussehen, durch das sich Männer und Frauen gleichermaßen angezogen fühlen. So verführt er in den 80er Jahren in Berlin den erfolgreichen Schriftsteller Erich Ackermann, der ihm ein schreckliches Geheimnis verrät, das er 40 Jahre für sich behalten hatte. Maurice Swift schreibt die Geschichte auf, landet einen Riesenerfolg, zerstört jedoch gleichzeitig Leben und Reputation des alten Mannes. In den folgenden Abschnitten geht er immer nach dem gleichen Erfolgsrezept vor. Er manipuliert die Menschen, die ihm für seine Karriere nützlich sein können und stiehlt ohne jede Skrupel ihre Ideen, zumal er der Überzeugung ist, dass eine Geschichte dem gehört, der sie zuerst veröffentlicht. Der Leser fragt sich, wie weit er noch gehen wird, um seinen krankhaften Ehrgeiz zu befriedigen. Das ist, wie eine Leiter zum Himmel bauen zu wollen - Originaltitel „A Ladder to the Sky“ - ein sinnloses und zugleich unmögliches Unterfangen, das nur in einem tiefen Fall enden kann.

Der Autor erzählt an zahlreichen Schauplätzen über einen Zeitraum von vielen Jahren mit wechselnder Perspektive eine Geschichte, die als witzige Satire über Neid und Missgunst im Literaturbetrieb und den Rummel um Preisverleihungen beginnt und sich zu einem Psychothriller entwickelt, der den Leser in grausame menschliche Abgründe blicken lässt. Mir hat der spannende Roman sehr gut gefallen, auch wenn der Plot in der zweiten Hälfte bis zu einem gewissen Grad absehbar ist. Ein weiterer, sehr lesenswerter Roman des bekannten irischen Schriftstellers

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