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Veröffentlicht am 19.07.2023

Wenn alle besonders sind, dann sind am Ende doch alle gleich

Genial normal
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Heutzutage versucht jeder irgendwie besonders zu sein und sich von der Masse abzuheben. Durchschnittlichkeit gilt als verpönt und bedeutet quasi langweilig zu sein. Doch es gibt sie, diese Menschen, die ...

Heutzutage versucht jeder irgendwie besonders zu sein und sich von der Masse abzuheben. Durchschnittlichkeit gilt als verpönt und bedeutet quasi langweilig zu sein. Doch es gibt sie, diese Menschen, die sich damit wohlfühlen und nicht herausstechen müssen. Der 15jährige Sam ist einer von ihnen. Er lebt mit seiner Familie in einer ganz normalen Stadt in England, hat ganz normale Freunde und ist damit mehr als zufrieden. Nur leider ist seine Familie alles andere als normal. Sein älterer Bruder Ethan ist ein begeisterter Musiker und scheint sehr talentiert zu sein. Zusätzlich ist seine kleine Schwester Freya ein kleines Zeichentalent und schreibt dazu Geschichten. Sams Mutter dagegen hat ständig wechselnde Interessen, in denen sie Bestimmung sucht. Sam scheint der einzige talentfreie in der Familie zu sein. Bisher hat ihn dies auch nie gestört, bis sein Vater der Familie eine beträchtliche Geldsumme einbringt und damit Sams bisheriges Leben auf den Kopf gestellt wird. Unerwartet zieht die gesamte Familie in einen noblen Vorort von London. Dies bedeutet natürlich auch, dass Sam seine Freunde verlassen muss und eine neue Schule besuchen muss. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, muss es für seine Mutter unbedingt eine Schule für besonders kreativ-begabte Kinder sein. Für einen normalen Jungen wie Sam eine Katastrophe.

Auch, wenn ich eigentlich nicht mehr zur Zielgruppe gehöre, konnte ich mich sehr gut in Sam hineinversetzten. Ich muss gestehen, dass mich Sam wirklich beeindruckt hat. Er ist wirklich ein ganz normaler Teenager, der mit ganz normalen Umständen zu kämpfen hat. Nur dass seine Familie und seine Schule es ihm noch schwerer machen. Der Neue irgendwo zu sein ist schon nicht leicht. Mir selber wäre es glaube auch echt schwer gefallen mich in einer solchen Umgebung einzuleben.

Er hat gelernt nur sich selbst etwas beweisen zu müssen. Denn auch, wenn du etwas besonders gut kannst, macht es dich nicht automatisch zu einem besseren Menschen. Du kannst dich zwar vor anderen verstellen um akzeptiert zu werden aber es macht dich auf Dauer nicht glücklich. Schön war, dass Sam etwas gefunden hatte in dem er gut war aber nicht versuchte sich darüber zu definieren.

Sams Familie gegenüber bin ich doch etwas zwiegspalten. Von außen betrachtet wirkten die Gespräche schon sehr skurril und sehr witzig. Aber je mehr Zeit man in Sams Kopf verbrachte, desto belastender wurde es für mich. Was mich wirklich störte, war die Tatsache, dass sie doch sehr aneinander vorbei leben. Auch wenn der Vater nicht immer präsent ist, so empfinde ich es doch als sehr unglaubwürdig, dass keines der Kinder wusste beziehungsweise daran interessiert war, was ihr Vater beruflich macht. Aber am meisten hat mich die Mutter aufgeregt. Sie scheint sich in einem Selbstfindungsprozess zu befinden, um etwas Besonderes aus sich heraus zu holen. Dabei überträgt sie anscheinend vieles unbewusst auf Sam. Ich meine es ist schon schlimm von seinem sozialen Umfeld das Gefühl zu bekommen ungenügend zu sein. Wenn man dies aber auch noch von seiner eigenen Mutter zu spüren bekommt, sei es auch nur unbewusst, dann macht mich das echt wütend. Mich wundert es wirklich, dass Sam trotz allem so normal geblieben ist. Ich an seiner Stelle wäre längst durchgedreht. Zwar gab es auch einen Moment, in denen seine Geschwister sich für ihn eingesetzt haben. Dennoch hatte ich dabei kein schönes Gefühl, da ihm quasi vorgeworfen wurde, dass seine Probleme (Mobbing) von ihm selbst verschuldet wurden.

Der Schreibstil war sehr faszinierend. Durch die Ich-Perspektive war man direkt an Sams Gefühls- und Gedankenwelt beteiligt. Es wurde alles sehr bildreich geschildert. Für einen 15jährigen hat Sam recht tiefgreifende Gedankengänge. Aber gerade zum Ende hin, wurde es mir doch manchmal zu umgangssprachlich und auch ein bisschen zum fremdschämen. Dennoch gefiel mir der Erzählstil, da er auf der einen Seite sehr humorvoll aber dennoch einen melancholischen Grundton besaß.

Für mich ein sehr inspirierendes Buch über Akzeptanz und die eigene innere Stärke für Jugendliche ab 15 Jahren.

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Veröffentlicht am 07.07.2023

Irgendwann vielleicht für immer?

Vom Ende der Nacht
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Eine Freundin sagte letztens zu mir, dass sie daran glaube, dass es Seelenverwandtschaft wirklich gäbe. Dass zwei Menschen für einander bestimmt seien aber manchmal einfach nicht der richtige Zeitpunkt ...

Eine Freundin sagte letztens zu mir, dass sie daran glaube, dass es Seelenverwandtschaft wirklich gäbe. Dass zwei Menschen für einander bestimmt seien aber manchmal einfach nicht der richtige Zeitpunkt oder Ort sei. Nicht jede Reise sei dafür gemacht, sie gemeinsam zu bestreiten. Dass diese zwei Menschen dann voneinander getrennt wachsen müssten, um zu denen zu werden, die sie füreinander sein sollten.
So in etwa könnte man die Beziehung der beiden Protagonisten Will und Rosie beschreiben. Ihre ersten Begegnungen haben mich wirklich tief berührt. Es war von Anfang an eine derartige Anziehungskraft zwischen ihnen vorhanden, die sich kaum in Worte fassen lässt. Es ging mir förmlich unter die Haut. Es bestand zwischen den beiden eine Art Intimität, die man nie durch eine körperliche Verbindung erreichen könnte. Doch manchmal reicht dies leider für ein Happy End nicht aus. Dafür hatte jeder von ihnen einfach zu viel Ballast auf seinen Schultern. Ihre unterschiedlichen Lebenswelten und Zukunftspläne, machte die Sache auch nicht gerade leichter. Und außerdem hat das Leben auch noch ein Wörtchen mitzureden und schlug mit aller Härte zu. All dies sorgte dafür, dass es aufhörte, bevor es überhaupt beginnen konnte. Doch ganz stimmt das nicht, denn wenn die Seele sein Gegenstück gefunden hat, dann ist man auf ewig verbunden. Und so passiert es, dass sich ihre Lebenswege zwar trennen aber nie ihre innere Verbundenheit. Über viele Jahre hinweg, kreisen sie wie zwei Planeten umeinander, deren Umlaufbahnen sich ab und an kreuzen und den Sternenstaub des jeweils anderen mit sich tragen.
Doch je mehr Jahre ins Land gingen und mit jedem weiteren Aufeinandertreffen, schlichen sich bei mir immer mehr Zweifel ein, ob zwischen ihnen wirklich die unsterbliche Liebe besteht. Meine eigene Gefühlswelt war eine reine Achterbahnfahrt. Es lag nicht unbedingt an dem ständigen Auf und Ab der beiden, sondern vielmehr an Rosies Verhalten währenddessen. Will und Rosie hatten jeder für sich schon einiges zu verkraften. Rosies innerer Drang es alles Recht machen zu müssen und sich selbst dabei zu verlieren konnte ich noch nachvollziehen. Auch ihr schwerer Verlust machte es nicht besser. Doch hatte ich oft das Gefühl, dass je mehr sie sich für andere aufopfert, sie egoistischer Will gegenüber wurde. Will war ihr in all der Zeit immer bedingungslos gegenüber und hat sie bei allem unterstützt. Er ahnte, wenn sie ihn brauchte und lies für Rosie alles stehen und liegen. Rosie hingegen suchte eigentlich nur Kontakt zu Will, wenn sie ihm von einem wichtigen Ereignis berichten wollte oder ihr Seelenleben in Trümmern lag und er es wie selbstverständlich zusammen kehrte. Oft schlichen sich Worte, wie Notfallplan oder Ankermensch in meine Gedanken. Hielt Rosie an Will so fest, da sie sich bei ihm einfach fallen lassen konnte? War in Will einfach nur die Sehnsucht nach der Vorstellung was hätte sein können? Genau diese Aspekte nahmen mir leider im Laufe der Geschichte die starken Empfindungen, die ich anfangs durch die beiden empfunden hatte. Die Geschichte lebt dennoch vor allem durch seine Charaktere, deren starke Gefühls- und Gedankenwelt gut herausgearbeitet wurden. Die ständig wechselnde Erzählsicht gab mir wirklich das Gefühl, dass sie das was in ihrem Inneren verborgen liegt nur mir preis gaben. Der Schreibstil ist durchgehend schwermütig. Selbst in den kleinen gestohlenen Momenten des Glücks schwang eine tiefgreifende Melancholie mit, die tief in mir etwas zum Klingen brachte. Die teils sehr großen Zeitsprünge waren ein sehr effektives Stilmittel. Durch sie wurde noch deutlicher, dass selbst jahrelange Funkstille ihrer inneren Verbindung nichts anhaben konnte. Dennoch, trotz all der Schwermut, erklang zwischen den Zeilen eine immerwährende Hoffnung, dass am Ende der Nacht, ein für immer möglich sein könnte. Allerdings bin ich mir irgendwie unsicher, ob beide wirklich im sicheren Hafen angekommen sind oder es nicht einfach nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm ist. Letzten Endes war ich aber froh, dass Rosie es aus eigener Kraft geschafft hat sich weitestgehend selbst zu reparieren und jetzt für sich und ihre Wünsche einsteht.
Eine Geschichte voller Momente, verpassten Chancen und innerer Zerrissenheit. Es war ein Auf und Ab der Gefühle, das ich so noch nie erlebt habe.

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Veröffentlicht am 18.06.2023

Schattenseite einer leuchtenden Stadt

Die Wölfe von Pompeji
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Wir schreiben das Jahr 74 v. Chr. und befinden uns mitten im alten Pompeij. Jeder kennt diese antike griechische Stadt, die durch einen Vulkanausbruch vollständig zerstört wurde. Man verbindet sie ebenfalls ...

Wir schreiben das Jahr 74 v. Chr. und befinden uns mitten im alten Pompeij. Jeder kennt diese antike griechische Stadt, die durch einen Vulkanausbruch vollständig zerstört wurde. Man verbindet sie ebenfalls mit Demokratie, Philosophie und Kultur. Doch hinter all dieser zivilisierten Fassade, lauerten Schatten innerhalb dieser Stadt und besonders in den Köpfen der damaligen Menschen. Dieser Roman schildert das unwürdige Leben der Sklaven, insbesondere derer die in die Prostitution geschickt wurden.
Im Zentrum der Geschichte steht die junge Amara. Aufgewachsenen als wohlbehütete Arzttochter, landet sie durch widrige Umstände im berühmt berüchtigten Stadtbordell Pompeijs, der Wolfshöhle. Ein erniedrigendes Leben unter dem grausamen Zuhälter Felix wartet auf sie. Doch statt sich ihrem Schicksal zu ergeben oder gar daran zu zerbrechen, setzt sie alles daran diesem Leben entfliehen und wieder frei zu sein. Immer an ihrer Seite sind 4 weitere Leidensgenossinnen. Die „Wölfinnen“ könnten in ihren Charakteren und Lebensgeschichten nicht unterschiedlicher sein. Jede von ihnen geht anders mit ihrem Schicksal um und war dabei absolut nachvollziehbar. Ihr Leben wird eindringlich geschildert und der harte Alltag wird in all seinen Facetten dargestellt. Trotzt des enormen Konkurrenzdrucks herrscht eine unglaubliche Solidarität zwischen den Frauen, ohne die wohl keine lange durchgehalten hätte. Und auch von anderen Sklaven erfährt man einiges. Es berührte mich sehr, diese Menschen über ein Jahr zu begleiten und ihre Ängste, Leiden, Träume und Hoffnungen zu teilen. Die kleinen unerwarteten oder gestohlenen Momente von Glück, die manchmal schneller platzten als eine Seifenblase waren teilweise genauso schlimm wie all die Grausamkeiten, die sie zu ertragen hatten. Es wird auch ebenfalls gut dargestellt, dass nicht jeder der grausam ist auch so geboren wurde, sondern dass gewisse Umstände eine Persönlichkeit dazu bringen können. Bis zum Schluss blieb es unklar, ob Amara jemals wieder ein freies Leben führen würde. Das Ende kam für mich völlig abrupt. Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass dies der Auftakt einer Trilogie sein sollte und Amaras Reise noch nicht zu Ende erzählt ist.
Die Beschreibung des Alltags und der Umgebung empfand ich als sehr lebendig und so konnte ich mir alles viel bildhafter vorstellen. Ob jetzt alles historisch korrekt war, kann ich leider nicht sagen aber es wirkte zumindest alles sehr authentisch. Anfangs tat ich mich wirklich schwer in die Geschichte hineinzufinden. Gleich zu Beginn wurde man so vielen Namen konfrontiert und es war zunächst nicht klar wer wer ist, sodass ich schnell den Überblick verlor. Ich brauchte etwas, um mich zurecht zu finden. Der Sprachstil an sich ist relativ derb gehalten, was aber aufgrund der Umgebung doch passend war. Dennoch war er mir stellenweise zu modern gehalten. Es wird nichts beschönigt aber ich bin froh, dass in vielen Dingen nicht zu sehr ins Detail gegangen wurde. Teilweise war das Unausgesprochene erschreckend genug.
Sprachlich gesehen konnte mich Elodie Harper nicht vollständig abholen, dennoch bin ich neugierig welche Wege das Schicksal für Amara und die Wölfinnen noch vorgesehen hat.



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Veröffentlicht am 21.05.2023

Aufgewärmt schmeckt eigentlich nur Gulasch...

Sieben Männer später
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Was wäre, wenn man nur sieben Chancen im Leben bekommt, den richtigen Partner zu finden?
Esther jedenfalls glaubt an diese Theorie. Endlich hat sie eine Erklärung dafür gefunden, warum es beziehungstechnisch ...

Was wäre, wenn man nur sieben Chancen im Leben bekommt, den richtigen Partner zu finden?
Esther jedenfalls glaubt an diese Theorie. Endlich hat sie eine Erklärung dafür gefunden, warum es beziehungstechnisch einfach nicht bei ihr klappen will und jedes Date in einer Katastrophe endet. Eigentlich ist sie ja glücklich in ihrer kleinen WG mit ihren besten Freundinnen und ihrem Job. Trotzdem ist da die Sehnsucht nach einer festen Partnerschaft. Und so kurz vor ihrem 30. Geburtstag beginnt ihre biologische Uhr immer lauter zu ticken. Wild entschlossen daran etwas zu ändern, macht sie sich auf die Suche nach ihren sieben Ex-Partnern, da einer von ihnen schließlich ihr Mann fürs Leben sein muss. Mir gefiel der Einstieg in die Geschichte sehr und ich mochte Esther und ihre verrückten Freundinnen sofort. Nach den ersten Kapiteln, erwartete ich eine schräg-sarkastische Mischung aus Sex and the City und How I met your Mother. Die Grundidee war wirklich toll und mal etwas ganz anderes. Der Schreibstil war angenehm locker und hatte stellenweise einen wirklich trockenen Humor. In Rückblenden erhält man Einblicke, wie die jeweiligen Beziehungen abliefen und woran es letztendlich scheiterte. Hierbei bekommt man aber zunächst nur Esthers subjektive Wahrnehmung gezeigt, die sich erst im Laufe der Handlung aufklärt. All dies hätte den Roman zu einem echtem Sommerhighlight für mich machen können.
Doch leider hielt meine anfängliche Begeisterung nicht sehr lange. Das Problem lag einfach an der Protagonistin selbst, die in meinen Augen alles ruiniert hat. Von Kapitel zu Kapitel kristallisierte sich immer mehr ihr nerviger Charakter heraus. Anfangs hatte ich noch Mitleid mit Esther, da man schon merkte wie sehr ihr die fehlende Nähe eines Partners zusetzte. Doch je mehr ich von ihr und ihren früheren Beziehungen erfuhr, desto mehr konnte ich verstehen, warum sie immer noch Single war. Betrachtet man die Rückblicke genauer, lässt sich erkennen, dass Esther die Hälfte ihrer Beziehungen eigentlich selbst torpediert hat, da sie mit sich selbst nicht im Reinen war. Ihre stetige Unentschlossenheit und das ständige Hineininterpretieren in alles und jeden war furchtbar anstrengend. Aber nicht nur ihr Beziehungsverhalten machte Esther mir so unsympathisch. Auch als beste Freundin war sie für mich eine unglaublich toxische Person. Sie verrennt sich so sehr in ihre Mission und stellt dafür alles hinten an. Nicht nur, dass sie dadurch vollkommen blind für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen wird, auch verlangt sie die bedingungslose Unterstützung ihrer besten Freundinnen. Sie verhält sich ihnen gegenüber unfassbar egoistisch und absolut selbstgerecht. Esther badet förmlich in Selbstmitleid und erwartet ihre ständige Anteilnahme. Verhalten sich die anderen nicht so wie gewünscht, dann benimmt sie sich wie ein trotziges Kind, ist nachtragend und wird dann regelrecht verletzend. Sie gönnt wirklich niemandem sein Glück und empfindet alles persönlichen Angriff. Und dass sie am Ende immer noch jeder lieb hat, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Die sogenannten Running Gags machten das Ganze auch nicht besser und gingen mir nach kurzer Zeit wirklich auf die Nerven. Ich war oft davor dieses Buch abzubrechen, da ich beinahe ein Schleudertrauma vom Kopfschütteln hatte. Doch leider war ich zu neugierig darauf, wer am Ende an ihrer Seite stehen wird. Im Nachhinein hätte es auch gereicht, bis zum letzten Kapitel vor zu blättern. Mit dem Ausgang ihrer Suche konnte ich mich dann wieder anfreunden. Und auch ihr Blick auf dieses ganze Thema hat sich stark weiterentwickelt. Am Ende wirkte die Geschichte auf mich weniger wie eine Liebesgeschichte, als eine Auseinandersetzung mit Esthers eigener Vergangenheit. Man könnte eigentlich sagen, dass alles in ihrer Vergangenheit seinen Sinn hatte. Ohne all diese kleinen und großen Begebenheiten, wäre sie nicht dort wo sie jetzt ist.
Zwischen all den Peinlichkeiten kamen auch gesellschaftskritische Themen zur Sprache, in Verbindung mit wirklich tiefgründigen Gedanken. Auch wenn es wichtig diese anzusprechen, wirkten diese ernsten Worte in all dem kindischen Kontext leider irgendwie deplatziert.
Das Beste an diesem Buch war in meinen Augen einfach der Prolog. Jedes einzelne Wort strahlte so viel Sehnsucht und Hoffnung aus, dass es mich tief berührte. Ich wünsche jedem, der es auch möchte, diesen besonderen Menschen zu finden, bei dem solche Gedanken der Vergangenheit angehören.
Mein Fazit zu der ganzen Geschichte ist leider nicht so wie gehofft. Die Idee, der Aufbau und Schreibstil waren echt gut aber die Protagonistin machte leider alles zunichte. Solch eine Freundin wünsche ich niemandem.

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Veröffentlicht am 08.05.2023

Manchmal muss man vom Leben eine Pause machen

Die Tage in der Buchhandlung Morisaki
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Takakos Welt liegt in Trümmern. Ihre Zukunftsträume sind zerplatzt wie eine Seifenblase. Sie fällt in ein tiefes Loch und der Knoten in ihrer Brust nimmt ihr die Luft zum Atmen. Ein Tapetenwechsel scheint ...

Takakos Welt liegt in Trümmern. Ihre Zukunftsträume sind zerplatzt wie eine Seifenblase. Sie fällt in ein tiefes Loch und der Knoten in ihrer Brust nimmt ihr die Luft zum Atmen. Ein Tapetenwechsel scheint da genau richtig, so die Meinung ihrer Familie. Notgedrungen zieht Takako zu ihrem Onkel Satoru in das berühmte Bücherviertel Jinbocho. Dort soll sie erst ein Mal eine Auszeit nehmen und ihrem Onkel in seinem Antiquariat unter die Arme greifen. Da Takako weder ihrem Onkel noch dem Lesen besonders zugetan ist, verkriecht sie sich noch mehr in ihr Schneckenhaus.
Satoshi Yagiawa hat seinen Roman in zwei Teile eingeteilt. Der erste Teil behandelt dabei Takakos Seelenheilung während ihrer Tage in der Buchhandlung Morisaki. Mit Begeisterung begleitete ich Takako auf ihren Streifzügen durch Jinbocho und fühlte ihren plötzlichenunbändigen Drang sämtliche Literatur in sich aufzusaugen. Die Menschen denen sie währenddessen begegnete, waren allesamt sehr charmante Persönlichkeiten. Allen voran ist mir ihr Onkel Satoru besonders ans Herz gewachsen. Seine sehr direkte Art mag nicht jedem gefallen, doch hat genau dies seinen besonderen Charme ausgemacht. Beschäftigt man sich näher mit ihm, dann erblickt man eine unglaublich sensible und loyale Persönlichkeit. Er und alle anderen in Takakos neuem Umfeld trugen auf eine ganz besondere Art und Weise dazu bei, dass sie wieder zu sich selbst finden konnte. In dieser Zeit hat Takako eine starke Entwicklung durchgemacht.
Für mich persönlich hätte die Geschichte hier enden können und ich wäre glücklich gewesen.
Mit dem nachfolgenden Teil konnte ich mich einfach nicht identifizieren. Dieser spielte außerhalb der Buchhandlung und handelt hauptsächlich von Takakos Tante Momoko. Und genau dieser Charakter minderte meine Begeisterung für dieses Buch deutlich. Auch wenn ich ihre Beweggründe in Teilen nachvollziehen konnte, war sie für mich eine wirklich sehr unsympathische Person. Aufgrund ihrer anmaßenden und unhöflichen Art baute sich förmlich eine Mauer in mir auf, die ein Schatten auf die gesamte Geschichte warf. Und genau hier zeigt sich wieder, dass eine vernünftige Kommunikation vieles leichter gemacht hätte. Doch liegt es wahrscheinlich in der Natur des Menschen, sich bei Problemen in Schweigen zu hüllen und somit Dinge unnötig zu verkomplizieren. Auch mit Takako hatte ich in diesem Teil so meine Probleme, da ihre Gedanken mit ihrem Handeln im Widerspruch standen. Außerdem hätte ich erwartet, dass sie viel mehr hinterfragen und gewisse Dinge nicht einfach so hinnehmen müsste. Genau dies habe ich auch bei Onkel Saturo vermisst, der leider in diesem Teil sehr stark in den Hintergrund gerückt ist.
Den Schreibstil von Yagisawa mochte ich sehr. Er erzählt die Geschichte schnörkellos und auf eine sehr direkte Art. Eigentlich passiert gar nicht wirklich viel, dennoch sind es diese kleinen Momente die einen aufgrund von Komik oder Sensibilität berühren. Es sind hier wieder die leisen Töne, die teilweise echt poetisch dahin getragen werden, die die Geschichte zu etwas einzigartigen macht.
Manchmal habe ich mir etwas mehr von allem gewünscht. Mehr von Jinbocho, mehr Bücherzauber und mehr Dialoge. Ich glaube aber, dass es einfach an dem gewohnten westlichen Literaturstil liegt, manches viel zu sehr auszuschmücken. Manchmal ist weniger einfach mehr und lässt einen sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Dieses Buch ist optisch gesehen ein absoluter Blickfang. Das Cover erinnerte mich sofort an die Zeichnungen in den japanischen Mangas. Es wirkte auf mich wie eine persönliche Einladung, mich umgehend auf die Reise dorthin zu begeben, durch Jinbocho zu streifen, sämtliche Auslagen zu durchforsten und mich mit meinen neuen Schätzen in das Zimmer über der Buchhandlung niederzulassen.
Abschließend kann ich sagen, dass mich dieser Roman sehr zwiespältig zurück lässt. Während mich der erste Teil sehr gut unterhalten hat, konnte mich der Rest leider weniger überzeugen. Würde ich den zweiten Teil außer Acht lassen, dann gäbe ich mit Freuden 4 ½ Sterne. Doch leider muss ich das Gesamtergebnis bewerten. Eine Verfilmung des Romans erfolgte bereits 2018, doch bisher nicht auf Deutsch. Sollte es noch dazu kommen, würde ich ihn gern sehen.

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