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Veröffentlicht am 18.03.2019

Unterwegs mit einer chinesischen Reisegruppe

Neuschweinstein
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Mit zwölf Chinesen durch Europa: Der deutsche Autor Christoph Rehage hat sich mehr oder weniger undercover einer chinesischen Reisegruppe angeschlossen und ist mit ihr von Deutschland über die Schweiz ...

Mit zwölf Chinesen durch Europa: Der deutsche Autor Christoph Rehage hat sich mehr oder weniger undercover einer chinesischen Reisegruppe angeschlossen und ist mit ihr von Deutschland über die Schweiz und Italien bis nach Frankreich gereist. Dabei ist ein unterhaltsames und sympathisches Buch herausgekommen, das versucht, das Phänomen der chinesischen Reisegruppe zu hinterleuchten. Rehage schreibt kurzweilig und die Lektüre macht viel Spaß.

Nach einer Weile fühlte sich das Buch jedoch etwas oberflächlich an. Ich habe vor allem auf interessante Beobachtungen zu den kulturellen Unterschieden zwischen China und Europa gehofft. Da wurde auch einiges erwähnt - von den Hocktoiletten über Babypulver bis hin zum unterschiedlichen Fahrverhalten. Die Themen werden aber immer nur ganz kurz angeschnitten und etwas wirklich Neues oder Ungewöhnliches war meinem Empfinden nach nicht dabei. Vielleicht sind wir uns einfach alle doch ähnlicher, als wir denken.

Auch ein Spannungsaufbau hat mir etwas gefehlt. Etwa ab der Hälfte fand ich das Buch zu gleichförmig und etwas ermüdend (so wie ich mir in etwa eine Gruppenreise vorstelle). Raus aus dem Bus, schlechtes chinesisches Essen im Restaurant zu sich nehmen, zwischen Sehenswürdigkeiten hin- und herhetzen, Fotos machen, zurück in den Bus und dann alles wieder von vorne. Das Buch gibt zwar sehr gut wieder, dass selbst die Reisenden von diesem anstrengenden Rhythmus am Ende etwas ermüdet sind, aber das heißt ja nicht, dass der Autor alles 1:1 wiedergeben muss. Eine weniger chronlogische Struktur oder das Zusammenfassen sich ständig wiederholender Dinge hätte hier meiner Meinung nach nicht geschadet.

Letztendlich ist "Neuschweinstein" eben in erster Linie ein Unterhaltungsbuch, weniger eine tiefschürfende Analyse kultureller Unterschiede. Es ist amüsant geschrieben, bleibt aber an der Oberfläche hängen.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Liebenswert, aber harmlos

Elli gibt den Löffel ab
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Elli ist einfach nett. Sie ist eine freundliche 60-Jährige mit finanziellen Problemen, die ihre Leidenschaft für's Kino zum Beruf gemacht hat. Mal abgesehen von ihrer Schwester Doro mag sie eigentlich ...

Elli ist einfach nett. Sie ist eine freundliche 60-Jährige mit finanziellen Problemen, die ihre Leidenschaft für's Kino zum Beruf gemacht hat. Mal abgesehen von ihrer Schwester Doro mag sie eigentlich jeder. Elli ist eine Protagonistin, die man auf Anhieb mag, die aber keine richtigen Ecken und Kanten hat.

Genauso ist auch die Handlung - sobald Probleme auftauchen, kommt die Lösung mit großen Schritten heran geeilt. Elli steht vor dem Bankrott? Eine Erbschaft ist direkt im Anflug! Ihr Auto gibt auf der Reise nach Italien plötzlich den Geist auf? Ein freundlicher Deutscher nimmt sie mit, fährt sie zu ihrem Ziel und sie verlieben sich! Neben der Pleite und dem Platten gibt es zwar noch weitere Probleme, aber da kurz nach der Einführung eines jeden Problems gleich eine potentielle Lösung am Horizont auftaucht, nimmt das ein bisschen die Spannung. Und natürlich gibt es in allen Bereichen ein Happy End.

Geschichte und Personen sind zwar ziemlich oberflächlich und belanglos, aber unterhalten gut. Das Buch ist in nettem Plauderton geschrieben und liest sich so sehr einfach und schnell. Trotz aller Kritik habe ich mich - bis auf einige wenige Stellen - nie beim Lesen gelangweilt. Dadurch dass alles irgendwie nur an der Oberfläche kratzt, habe ich zwar auch nie wirklich mitgefiebert, mich aber trotzdem gut unterhalten gefühlt. Gut gefallen hat mir, dass Ellis Leidenschaft für den Film immer anklang, indem sie Situationen in ihrem Leben mit Filmszenen verglich. Das hätte vor allem im hinteren Teil auch noch mit vorkommen können.

"Elli gibt den Löffel ab" ist ein locker-leichtes Buch für den Sommerurlaub. Es macht auch direkt Lust auf einen Italien-Urlaub.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Lebensgefährliches Internet

Sieh mir beim Sterben zu
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"Sie mir beim Sterben zu" hat mir gut gefallen, auch wenn es für mich kein richtiger Thriller war. Die Charaktere waren sehr gut ausgearbeitet und besonders positiv fiel mir auf, dass die Protagonisten ...

"Sie mir beim Sterben zu" hat mir gut gefallen, auch wenn es für mich kein richtiger Thriller war. Die Charaktere waren sehr gut ausgearbeitet und besonders positiv fiel mir auf, dass die Protagonisten nicht nur typische Heldenfiguren sind (wie sie besonders in der US-amerikanischen Kultur so oft dargestellt werden), sondern auch ihre Fehler und Eigenarten haben. Dadurch wurden sie mir einfach viel sympathischer und ich habe mit ihnen mitgefiebert.

Das Buch fängt knallhart direkt mit zwei schockierenden Morden an, kann das Tempo, das es zu Anfang vorlegt, aber nicht halten und fällt ab. Trotzdem gibt es noch viele spannende Momente wie beispielsweise die Rettung von Lisa. Schade, dass nicht das ganze Buch so fesselnd ist. Das Thema rund um Internetkriminalität ist immer noch hochbrisant und auch wenn die Leute von Monkeewrench unglaubliche Computerkenntnisse haben, klingt doch an, dass das Internet mit seiner Anonymität und Unüberschaubarkeit ein Nährboden für Kriminalität ist.

Etwas enttäuscht war ich dann allerdings vom Ende - alles kommt sehr plötzlich und auch, wenn anscheinend alle Mörder identifiziert werden können, erhält man doch zu wenige Informationen. Ich hätte gerne gewusst, wie der Mann, den der Richter zum Golfplatz bestellt, denn nun heißt und was genau seine Motivation war, die Liste des Richters "abzuarbeiten". Außerdem ist mir nicht ganz klar, wer von beiden am Ende nun gestorben/verblutet ist - der Mörder oder der Richter?

Erst nach dem Lesen habe ich erfahren, dass schon vor "Sieh mir beim Sterben zu" weitere Romane um die Monkeewrench-Crew erschienen sind. Das hat aber gar nicht gestört, denn wenn die Bücher aufeinander aufbauen sollten, hat mir das Vorwissen beim Lesen nicht gefehlt.

Insgesamt ein gutes Buch, das viel Wert auf interessante Charaktere legt, aber etwas mehr Spannung hätte erzeugen sollen. Ich habe mich unterhalten gefühlt, aber muss jetzt nicht unbedingt noch andere Bücher des Duos lesen.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Nicht ganz nachvollziehbar

Inside AFD
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Franziska Schreiber berichtet über ihre Erlebnisse als AfD-Mitglied und Vorsitzende der Jungen Alternative in Sachsen bis zu ihrem Ausstieg aus der Partei. Dabei verwebt sie ihre persönlichen Ansichten, ...

Franziska Schreiber berichtet über ihre Erlebnisse als AfD-Mitglied und Vorsitzende der Jungen Alternative in Sachsen bis zu ihrem Ausstieg aus der Partei. Dabei verwebt sie ihre persönlichen Ansichten, Erlebnisse und Motivationen mit der Entwicklung und Radikalisierung der Partei. Ihre persönliche Perspektive ist durchaus interessant, auch wenn es mir schwerfällt, ihre Entscheidungen nachzuvollziehen. Die Abschnitte zur generellen Parteientwicklung beinhalten nicht wirklich viel Neues. Das Buch enthält zudem viel Spekulation („Ich glaube, Björn Höcke sind die anhänglichen Burschen[schaftler] manchmal selbst ein bisschen unheimlich.“) und auch einige banal-bizarre Details (Vertraute Frauke Petrys nennen sie "Sternchen").

Zwar distanziert sich die Autorin von den rassistisch und nationalistisch geprägten Zweigen der Partei, deren Entwicklung sie über Jahre verfolgt hat, aber sie vermittelt für mich nicht nachvollziehbar, warum sie trotzdem so lange Mitglied war und das auch noch in einer führenden Position. Sie gibt zu, in ihrer öffentlichen Kommunikation für die AfD falsche Zahlen und Daten verwendet zu haben, um AfD-Anhänger aufzuwiegeln. Die Quellen und Berichte, auf die sie sich dabei bezog und deren Inhalt sie bewusst falsch wiedergab, hat sie nicht gelesen, denn der „Empfängerkreis der Pressemitteilung würde [sie] auch nicht lesen.“ Selbst als ihr auffällt, dass die und ihr Partei-Umfeld immer radikaler werden, macht sie lange weiter und trägt aktiv zu dieser Entwicklung bei. Rückblickend sagt Schreiber von sich selbst, dass sie Angst vor dem Islam entwickelte, aber gar keine Muslime kannte. Immerhin zeigt sie zumindest in manchen Bereichen, wie sie sich weiterentwickelt hat und ihr Handeln und ihre Positionen hinterfragte, obwohl das in dem radikalen Umfeld schwer war.

Man darf jedoch nicht erwarten, dass sie alles abgelegt hat. Gleich in der Einleitung glorifiziert sie die ehemalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry, die nun wirklich kein Symbol für Demokratie und Toleranz ist. Diese unkritische Unterstützung zieht sich durch das gesamte Buch. Den Applaus, mit dem Petrys Wahl zur Parteivorsitzenden bedacht wurde, nutze Schreiber fast zwei Jahre lang als Klingelton auf ihrem Handy. Auch die Begeisterung, mit der sie beschreibt, wie Petry ein Stück Pizza mit der Hand ist, empfand ich einfach nur als skurril.

Einige Argumentationsketten sind mir auch einfach zu simpel. Beispielsweise äußert die Autorin, dass die Basis in einer Art Gruppenzwang die führenden Köpfe zu immer radikaleren Aussagen drängt und dass sich Weidel und Co so krass äußern müssen, wenn sie ihren Posten nicht verlieren wollen. Typisches Muster in der AfD-Kommunikation: Irgendwie sind immer andere Schuld, diese Opferdenkweise hat Schreiber anscheinend noch nicht richtig abgelegt.

Was trieb also einen jungen, durchaus gebildeten Menschen zu dieser Partei? Von der FDP enttäuscht und von Luckes Rationalität begeistert, trat Schreiber 2013 kurz entschlossen der AfD bei. Gleich zu Beginn hat sie ein Schlüsselerlebnis, was sie an die Partei schweißt: Als sie freiwillig an einem Wahlkampfstand arbeitet, wird dieser von Anhängern der Antifa zerstört. Schreibers Reaktion dazu: „Unser Land ist in Gefahr, dachte ich. Die sind noch gefährlicher als die Neonazis. […] Ich werde diese Leute bekämpfen“. Diese Stelle fand ich besonders bemerkenswert, denn der gemeinsame Feind schweißt wohl immer noch am meisten zusammen. Mit diesem Erlebnis scheint sie der Partei treu ergeben zu sein und das Gefühl zu haben, einer Mission zu folgen.

Auf Basis ihrer eigenen Erfahrung und auch durch die Darstellung ihres eigenen Fehlverhaltens hat Franziska Schreiber ein durchaus wichtiges Buch verfasst, das man jedoch kritisch lesen sollte.

Veröffentlicht am 25.11.2018

Gut zugespitzte Branchenkritik, aber leider langatmig

Der Erzähler
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Kif Kehlmann träumt vom Schriftsteller-Dasein, muss aber in der Realität mit finanziellen Sorgen und schlecht bezahlten Langweiler-Jobs kämpfen. Da seine Frau kurz vor der Geburt von Zwillingen steht und ...

Kif Kehlmann träumt vom Schriftsteller-Dasein, muss aber in der Realität mit finanziellen Sorgen und schlecht bezahlten Langweiler-Jobs kämpfen. Da seine Frau kurz vor der Geburt von Zwillingen steht und sie bereits eine gemeinsame Tochter haben, braucht Kif dringend Geld. Also nimmt er den Auftrag an, als Ghostwriter die Autobiografie des Kriminellen und Betrügers Siegfried Heidl zu schreiben. Kif bleiben nur wenige Wochen Zeit und er verzweifelt zunehmend an der unkooperativen Art Heidls.

Die Geschichte empfand ich als clever und durchaus ansprechend. Der Autor baut auf geschickte Weise fundierte Kritik an inhaltslosen, nichtssagenden Bestsellern und Promi-Biografien ein. Dabei spitzt er einige Geschehnisse herrlich zu. Gut gelungen ist Richard Flanagan zudem die psychologische Seite. Kif merkt nach und nach, wie er sich durch das absurde und rücksichtslose Verhalten des manipulativen Heidls selbst immer mehr zum Schlechteren verändert. Die abgrundtiefe Abneigung verwandelt sich nach und nach in Zynismus und sogar in eine Art Bewunderung Heidls. Merkwürdigerweise bleibt Kif trotz dieser Vorgänge als Charakter eher blass. Und Sympathieträger sind weder Kif noch Heidl.

Die Handlung zieht sich zudem streckenweise ganz schön hin. Einige Stellen wie die immer weiter fortschreitenden Lügen Heidls, das ständige Hin und Her zwischen Heidl und Kif, ohne dass sich die Situation weiterentwickelt, sowie die Ausflüge in Kifs Privatleben haben mich ziemlich ermüdet. Darunter leiden für meinen Geschmack leider Erzähltempo und Spannung zu sehr.