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Veröffentlicht am 30.09.2022

Behind the Scenes in Windsor Castle

Das Windsor-Komplott
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"Das Windsor Komplott" ist ein gemütlicher, sehr lesbarer Krimi, der sehr stark von seinen beiden Protagonistinnen lebt: Die Queen, über die man trotz ihrer allgegenwärtigen Präsenz doch wenig genug weiß, ...

"Das Windsor Komplott" ist ein gemütlicher, sehr lesbarer Krimi, der sehr stark von seinen beiden Protagonistinnen lebt: Die Queen, über die man trotz ihrer allgegenwärtigen Präsenz doch wenig genug weiß, um einem Autor zu gestatten so einiges auf Basis der verfügbaren Hintergrundinformationen dazu zu erfinden und die junge Rozie, die versucht ihrer Chefin zur Seite zu stehen und zuzuarbeiten. Das ungleiche Gespann ermittelt nun in einem leider etwas verworrenen Fall, der den Chef des Geheimdiensts schlecht aussehen lässt, Prince Philip ärgert und dessen Zusammenhänge sich auch am Ende des Romans leider nicht so ganz erschließen.

Zu Beginn kommt die Handlung noch ganz logisch und nachvollziehbar daher: ein Russe wird ermordet - das können nur die Russen gewesen sein, um ein Zeichen zu setzen! Doch sehr bald zerfasert der Krimi-Plot und auch wenn die Bezüge der einzelnen Handlungsteile noch deutlich sind, so verschwimmt das eigentliche Motiv für die Verschwörung doch immer weiter im Dunkeln - es hat leider den Anschein, als ob die Autorin irgendwie selbst nicht so genau wusste, wie sie den Plot zu einem vernünftigen Ende bringen sollte. Mit der Handlung verschwindet auch Rozie mehr und mehr an der Seitenlinie und wird eher nur noch dann und wann von der Reservebank geholt.

Dazu kommen leider so einige Unwägbarkeiten in der deutschen Übersetzung - es ist kein gutes Zeichen, wenn auf der Sinnebene so einiges "Lost in Translation" gerät oder wenn man durch wortwörtliche Rückübersetzung dahinter kommt, was gemeint ist.

Insgesamt ein durchaus vergnüglicher Lesespaß, der aber mit so einigen Schwächen zu kämpfen hat.

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Veröffentlicht am 29.09.2022

Oh! Susanna!

Susanna
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Oh! Susanna! Was für ein Lebensweg, was für eine Geschichte! Alex Capus greift sich aus dem Fundus der weniger geläufigen historischen Figuren die Porträtmalerin Susanna Faesch heraus, die heute hauptsächlich ...

Oh! Susanna! Was für ein Lebensweg, was für eine Geschichte! Alex Capus greift sich aus dem Fundus der weniger geläufigen historischen Figuren die Porträtmalerin Susanna Faesch heraus, die heute hauptsächlich für ihr (unter künstlerischen Aspekten eher wenig herausragendes) Porträt von Sitting Bull, einem der berühmtesten Sioux bekannt ist. Aus den verbürgten Fakten webt Capus einen faszinierenden historischen Roman, der unfassbar modern wirkt, da er auf vollkommen auf geschraubte Plüschigkeit verzichtet und auch ohne gespreizte, hochtrabende Dialoge auskommt – im Gegenteil: das Buch „Susanna“ ist auf beeindruckende Weise so rational und no-nonsense wie seine Protagonistin, deren Wille zur Rebellion und drängende Durchsetzungskraft sich schon in den ersten Kapiteln bemerkbar macht, als sie sich gegen den „Wilden Mann“ in Basel zur Wehr setzt (ein Ereignis, dass im Hinblick auf ihr weiteres Leben prägend erscheint).

Mit sehr viel Feingefühl und ergänzt durch wohldosiert eingesetzte Kommentare der auktorialen Erzählinstanz wird Susannas ungewöhnliche Reise nach und durch Amerika in Szene gesetzt. Der Text macht den Pioniergeist des 19. Jahrhunderts erlebbar und nutzt die Aufbruchsstimmung und den Wandel der Zeit um Susannas Leidenschaft für Selbstbestimmung und ihre Neugier auf Abenteuer reizvoll und sehr lesbar aufzubereiten. Selbst in den Passagen, in denen Susannas Leben nicht mehr vom Fleck zu kommen scheint, bietet der quirlige Kontext des aufstrebenden New Yorks des 19. Jahrhunderts, in dem gerade an der Brooklyn Bridge gebaut wird, seine kulturelle Szene mit den Dandys und den Wild West Shows von Buffalo Bill eine Fülle von Ablenkungen, sodass auch der Leser keine Chance hat, sich zu langweilen. Neben Susannas Werdegang liefert Capus auch sehr detaillierte Einblicke in die Vergangenheit ihres Vaters, der einst in der französischen Fremdenlegion diente, und die ihres Stiefvaters, vermeintlicher Aufrüher aus Dortmund. Bei all den bunten Beschreibungen aus der Lebenswelt dieser Figuren, bleibt die Erzählinstanz auf fast unnachahmliche Weise stets elegant-distanziert zurückhaltend und bietet recht wenig Einblick in das Seelenleben der Figuren – die Handlungsmotive bleiben bisweilen etwas opak. Dies würde mich bei fast jedem anderen Roman mit Sicherheit ziemlich stören, hier passt es einfach ganz famos ins Gesamtkonzept, denn es verhindert ausufernde Spekulationen über das Seelenleben der Figuren, macht Susanna zu einer mysteriöseren Figur, verleiht ihr mehr Eigenleben und Stärke und lässt dem Leser noch Raum für eigene Mutmaßungen. Mit diesem Roman betritt man quasi ein ausgezeichnetes Museum, das einen inspiriert sich mehr mit Susanna Faesch, ihrer Zeit und den Ereignissen, die ihr Leben bestimmten, auseinanderzusetzen.

„Susanna“ wäre ein rundum lesenswerter, empfehlenswerter Roman über eine Frau und ihren eigenen Weg, wenn nicht das sehr enttäuschende Ende wäre. Sicherlich hat der so gestaltete Schluss seine interpretatorische Berechtigung, aber im Vergleich zu dem Wirbelwind aus erzählerischer Kraft, den das Buch über so viele Seiten entfaltet hat, verflacht das Ende doch sehr antiklimaktisch - wie ein laue Brise über dem sonnenverbrannten Gras der weiten Prärie.

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Veröffentlicht am 23.09.2022

Der Dschungel der Erwachsenenwelt

Abgrund
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Das kleine Mädchen Claudia lebt mit ihrer Mutter gleichen Namens und ihrem Vater, der um viele Jahre älter als seine Frau ist, in einer Wohnung voller Pflanzen. So wie ihr Zuhause einem Dschungel gleicht, ...

Das kleine Mädchen Claudia lebt mit ihrer Mutter gleichen Namens und ihrem Vater, der um viele Jahre älter als seine Frau ist, in einer Wohnung voller Pflanzen. So wie ihr Zuhause einem Dschungel gleicht, so undurchdringlich und voller Gefahren erscheint ihr auch das Leben der Erwachsenen. Dies wird besonders in dem Moment deutlich, in dem Claudias Mutter und der jüngere Lebenspartner ihrer Tante sich füreinander zu interessieren beginnen und das dem Kind bekannte, so verlässliche Konstrukt aus Vater-Mutter-Tochter mehr und mehr zu einem Tanz entlang des Abgrunds wird.

Der Roman zeichnet sich dadurch aus, dass er Claudias Perspektive und ihre begrenzten Erkenntnishorizonte mit ihrer unzuverlässigen Erzählstimme geradezu perfekt ausleuchtet. Vieles wird nicht gesagt, ausgelassen, nicht weiter erörtert – einfach deshalb, weil es Claudias Fassungsvermögen völlig übersteigt. Das ist sehr eindrucksvoll und gibt dem Leser nicht nur sehr viel Raum zu eigenen Interpretationen, es erzeugt auch ein bedrohliche Grundstimmung: denn die Situationen, die Claudia nicht versteht, die am Rande ihrer Wahrnehmung liegen, erschaffen in ihr eine latente Angst und Sorge, besonders hinsichtlich ihrer Mutter, die immer wieder mit psychischen Problemen zu kämpfen hat, die sie „Heuschnupfen“ nennt. Dadurch dass Claudia mit der familiären Situation, aber auch mit einem grundlegenden Verständnis der Lage ihrer Eltern überfordert ist, bleiben die erwachsenen Figuren recht mysteriös. Trotz aller Hintergrundinformationen zu Herkunft und Werdegang, die recht detailliert dargeboten werden, kommt Claudia ihren Eltern nie wirklich nahe – und so geht es dann auch dem Leser.

„Abgrund“ ist ein faszinierender Roman, der den Dschungel des Lebens dem Abgrund der Krankheit und des Todes gegenüberstellt und auf feinfühlige Weise einen Einblick in eine Kinderseele gewährt, die sich Sprachlosigkeit und einer depressiven Mutter gegenübersieht und mit der Problematik sehr allein gelassen wird. Eine authentische Erzählstimme in einer eindrücklichen Geschichte, die allerdings nicht vollends zu berühren vermag.

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Veröffentlicht am 18.09.2022

Ein verzwickter, spannender Fall

Das Kind der Lügen
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"Das Kind der Lügen" von Helga Glaesener entführt ins Hamburg der späten Zwanziger Jahre. Angefüllt mit viel Atmosphäre, Düsternis und behutsam eingearbeitetem historischem Kontext begleiten wir die Polizistin ...

"Das Kind der Lügen" von Helga Glaesener entführt ins Hamburg der späten Zwanziger Jahre. Angefüllt mit viel Atmosphäre, Düsternis und behutsam eingearbeitetem historischem Kontext begleiten wir die Polizistin Paula bei ihren Ermittlungen in einem äußerst verzwickten Entführungsfall, in dem ein Kind samt Kindermädchen spurlos verschwunden ist, die Mutter eine recht fragwürdige Person zu sein scheint, und vom Chauffeur über dessen Bruder und die einstigen Pflegeeltern der Mutter des Kindes ein ganzer Katalog an Verdächtigen infrage kommt. Bei der Untersuchung des Falls kommt es zu spannungsreichen, bedrohlichen Situationen und auch die Gefühlsebene und das Zwischenmenschliche kommt nicht zu kurz - hat Paula zu ihrem Kollegen Martin doch eine recht komplizierte Beziehung.

Das Audiobook wird äußerst lebendig, abwechslungsreich und mit gutem Gespür für die Spannungsmomente von Christiane Marx vorgetragen. Zeitweise kann man sich völlig in der Welt von Paula verlieren, allerdings habe ich die Lesung in der zweiten Hälfte auch manches Mal als etwas zu melodramatisch und übertrieben affektiert empfunden.

Meiner Hörfreude hat dies allerdings kaum einen Abbruch getan. Der Roman ist ein wunderbares Buch für graue Autofahrten im Herbst, allerdings muss man der Handlung schon sehr konzentriert folgen, um den Faden nicht zu verlieren. Ich kannte den ersten Band um die Ermittlerin Paula nicht, habe dies aber überhaupt nicht als Problem empfunden. Ich werde mir nun gern auch den ersten Band anhören und sollten weitere folgen, würde ich mich darauf freuen.

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Veröffentlicht am 14.08.2022

Menschen im Hotel

Hotel Portofino
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m „Hotel Portofino“ kann man ein paar unterhaltsame Tage mit interessanten Twists, Liebe, Intrigen, Betrug und politischen Zwistigkeiten unter der warmen Sonne der italienischen Riviera verbringen. Im ...

m „Hotel Portofino“ kann man ein paar unterhaltsame Tage mit interessanten Twists, Liebe, Intrigen, Betrug und politischen Zwistigkeiten unter der warmen Sonne der italienischen Riviera verbringen. Im Mittelpunkt der Handlung steht der Hotelbetrieb des Ehepaars Ainsworth und ihrer Kinder, der von einer sehr überschaubaren Anzahl von Mitarbeitern am Laufen gehalten wird, und die vorübergehende Heimat für eine mehr oder weniger illustre Gästeschar bildet. Der Roman transportiert einen in die goldenen 1920er Jahre, die mit einigen Referenzpunkten aus Literatur und Zeitgeschichte gut kontextualisiert werden.

Handlungs- und figurentechnisch erinnert der Roman sehr an eine Soap Opera. Zahlreiche Figuren bevölkern das Hotel Portofino, die Handlungsstränge sind mal mehr, mal weniger stark miteinander verknüpft, episodenhaft werden Ereignisse angerissen, die dann aber im weiteren Verlauf kaum noch eine Bewandtnis haben. So bleibt der Roman in Figurenzeichnung und Handlungskomplexität doch ziemlich an der Oberfläche. Oftmals fühlte ich mich an flüchtige Begegnungen in einer Hotellobby erinnert, in denen man Personen nur kurz begegnet, Small Talk hält und sich der nächsten zuwendet. Ein wenig entbehrt der Roman durch sein Interesse an all den Figuren, die er in seine Handlungsstruktur einbindet, eines roten geordneten Fadens. Es scheint zeitweise einfach mit zu vielen Figuren jongliert worden zu sein, obwohl eine merkwürdige Disbalance herrscht, denn es gibt realistisch gesehen einfach zu wenig Dienstboten. Dazu schleicht sich der „Downton Abbey“-Effekt ein: das Verhältnis zwischen Untergebenen und Vorgesetzen gestaltet sich oft zu freundschaftlich und zu sehr auf Augenhöhe.
Das grundsätzliche Überangebot an Figuren führt auch zu einem Überfluss an Handlungsteilen, die alle irgendwie nicht richtig zu Ende gedacht oder geführt werden. Der Schluss ist dazu genau so gestaltet, wie man es von Staffelenden von TV-Serien kennt. Zwar erhalten einige Figuren eine Art von Ende für ihren Handlungsstrang, dieser ist aber so strukturiert, dass im Grunde eine Fortsetzung fast schon notwendig scheint. Für einen Roman fand ich diese Art des Endes sogar eher ärgerlich.

Insgesamt habe ich den Roman gern gelesen, ich wurde gut unterhalten, es gab immer wieder Handlungsteile, die meine Aufmerksamkeit gefangen nahmen, oft dümpelte ich aber auch träge durch die Wärme der italienischen Sommertage und wartete auf den nächsten kühleren Handlungstwist, der tatsächlich auch zwei- bis dreimal eingelöst wurde. „Hotel Portofino“ ist ein Sommerurlaubsbuch, das nicht viel fordert, aber auch nicht alle Versprechungen einlöst, für ein paar vergnügliche Lesestunden mit Ferienfeeling jedoch durchaus geeignet ist.

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