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Veröffentlicht am 26.07.2021

Auszeit?

Auszeit
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In einer Ferienhütte im Bayerischen Wald trauert Henriette um ihr ungeborenes Kind. Was derLeser schnell erfährt: Henriette hat eine alkoholgetränkte Nacht mit ihrem Chef verbracht, wird ungewollt schwanger ...

In einer Ferienhütte im Bayerischen Wald trauert Henriette um ihr ungeborenes Kind. Was derLeser schnell erfährt: Henriette hat eine alkoholgetränkte Nacht mit ihrem Chef verbracht, wird ungewollt schwanger und entscheidet sich schließlich für eine Abtreibung. Um diese Entscheidung zu verarbeiten, macht sie mit ihrer Freundin Paula besagten Trip in die Abgeschiedenheit des Bayrischen Waldes.

Selten habe ich ein Buch mit so einem enttäuschten und v.a. wütenden Gefühl zugeschlagen. Henriette ist eine Frau, die nicht weiß, wo sie mit ihrem Leben hin will, die das noch nie wusste. Dass man an seinem Beruf Spaß haben kann, ist ihr unbegreiflich, die eigene Promotion wird ihr immer mehr zur Last. Als sie ungewollt schwanger ist, ist sie zuerst entsetzt, dann fühlt sie sich kurz glücklich, denkt, dass dieses Kind die Lösung ist und treibt dann doch ab. Schnell bereut sie diese Abtreibung wieder, fühlt sich schlecht, trauert um das Kind, das sie nicht bekommen wird. Natürlich ist eine Abtreibung keine einfache Entscheidung und wird sicher noch in den Gedanken weiter gehen. Doch Henriette suggeriert für mich mit ihren Worten, dass eine Abtreibung furchtbar ist, dass sie ein Kind umgebracht hat, dass sie etwas schlechtes getan hat und kein Recht zu trauern. Das empfinde ich persönlich als unverantwortliche Message.

Henriette ist offensichtlich in einer depressiven Stimmung. Dass dann ihre Freundin Paula ständig mit ihrem Esoterikgehabe nach dem Motto "Geh raus in die Natur, besinne dich auf dich selbst und deinen Körper", getoppt mit Energietherapie und Handauflegen daher kommt, hat mich anfangs genervt und irgendwann geärgert. Klar mag Yoga, Spatieren und Natur gut sein um abzuschalten und die Gedanken zu ordnen, ist aber sicherlich kein Allheilmittel. Stellenweise hatte ich jedoch das Gefühl, dass man mich hier bekehren möchte.

Es geht ähnlich weiter, auch der im Klappentext angekündigte Freund inklusive haarsträubendem Schluss passt gut in das Bild, das der Roman vorgibt. Dass das ganze dann als "die Träume und Ängste einer Generation um die dreißig, die alles zu haben scheint, aber der sich das Glück doch immer entzieht." verkauft wird, finde ich ziemlich schwach. Denn das ist kein Blick auf eine Generation um die dreißig, wie ich sie kenne, sondern viel mehr die Erzählung einer egoistischen Frau, die sich kaum um ihre Mitmenschen schert und die nichts mit sich und ihrem Leben anfangen kann.

Veröffentlicht am 26.07.2021

Liebesdrama

Laudatio auf eine kaukasische Kuh
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Olga, Tochter georgisch-griechischer Einwanderer, will sich von ihrer familie lösen und scheint es endlich geschafft zu haben: Ihr Medizinstudium hat siw fast abgeschlossen, den reichen Arztsohn mit einsilbigem ...

Olga, Tochter georgisch-griechischer Einwanderer, will sich von ihrer familie lösen und scheint es endlich geschafft zu haben: Ihr Medizinstudium hat siw fast abgeschlossen, den reichen Arztsohn mit einsilbigem Nachnahmen (und dann auch noch ein van davor!) hat sie sich auch geangelt. Blöderweise trifft sie im Zug Jack, der sofort hingerissen ist von seiner Aztekenprinzessin (?!) und sofort um sie wirbt. Als sie kurzfristig nach Georgien zur Familie reisen muss, folgt er ihr wenige Tage später nach.

Tja also. Dieses Buch konnte mich leider überhaupt nicht begeistern. Ich konnte weder Humor noch irgendwelche Spannung finden, es liest sich v.a. am Anfang recht langweilig und unspektakulär. Die Informationen, die man zu Georgien erhält sind allerdings sehr interessant und ich finde auch gut dargestellt. Man spürt deutlich den Konflikt der Generationen, die Eltern udn Großeltern, die noch in der Heimat aufgewachsen sind, die die alten Traditionen hochhalten und für die eine 30-Jährige unverheiratete Tochter ein großes Drama darstellt. Im Gegensatz dazu, besagte unverheiratete, 30-jährige Tochter, die gerne die georgischen Wurzeln mit einem deutschen Nachnamen ausmerzen möchte, die sich schämt für die Eltern und die Familie, die das alles vergessen und verschweigen möchte. Auch den Aufenthalt in Georgien empfand ich als sehr interessant, fast schon erschreckend, wie leichtfertig hier manche längst überholte Traditionen weiterhin begangen werden und wie wenig die Frauen dort oft noch gelten.

Das gekünstelte Liebesdrama um Olga, Felix und Jack hat mich allerdings komplett kalt gelassen. Olga, die Felix doch wirklich so gerne lieben würde aber die immer wieder an Jack denkt. Jack, der auf den ersten Blick in Liebe entflammt und ihr dann hinterherrennt und sie fast schon stalkt. Und dann Felix, der liebe nette gutue Junge, der einem fast schon leid tun kann und dann völlig überzogen auf manche Dinge reagiert? Irgendwie alles unrealistisch und langweilig.

Alles in allem bin ich froh, dass es nun fertig ist, die Infos zu Georgien waren interessant, den Rest hätte es nicht gebraucht.

Veröffentlicht am 21.07.2021

Weiße Nacht

Weiße Nacht
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"Weiße Nacht" erzählt die Geschichte dreier Menschen, die unbewusst miteinander verbunden sind und sich in den Straßen von Seoul begegneten. Es ist eine Geschichte voller Geister und surrealer Erlebnissen, ...

"Weiße Nacht" erzählt die Geschichte dreier Menschen, die unbewusst miteinander verbunden sind und sich in den Straßen von Seoul begegneten. Es ist eine Geschichte voller Geister und surrealer Erlebnissen, Szenen zwischen Wachen und Träumen, zwischen Licht und Dunkelheit gefangen. Die Handlung ist recht einfach zusammengefasst: Ayami, früher Schauspielerin, anschließend Assistentin in einem Hörtheater, hat wegen der Schließung des Theaters ihren Job verloren. Planlos, wie es mit ihrer Zukunft weiter gehen soll, trifft sie sich mit ihrem früheren Chef und erklärt sich bereit für ihre Freundin Yoni einen deutschen Schriftsteller vom Flughafen abzuholen. Als Leser begleitet man sie auf diesen zwei Tagen, in denen sie mehr oder weniger ziellos durch Seoul streift und ihre letzten Stunden im Hörtheater verbringt.

Kunst, sowohl literarischer als auch anderer Natur, spielen eine große Rolle in Suahs Buch. Anhand von literaischen Texten oder fotografischen und künstlerischen Ausstellungen, entdeckt Ayami Seoul und sich selbst zusammen mit dem Leser. Auch ihr Text selbst ist voller künstlerischer Aspekte und Anspielungen, die Figuren erleben auf sehr sensorische Weise die schwüle Sommerhitze in Seoul, alles flimmert, nicht nur die Luft auch die Realität.

Aus verschiedenen Perspektiven blickt Bae Suah auf die Straßen und ihre Protagonisten. Als Leser fühlt man sich manchmal als Statist, der am Rande steht um im nächsten Moment selbst ins Rampenlicht zu treten. Wichtigstes künstlerisches Element ist wohl die Wiederholung. Wieder und wieder wiederholen sich Sätze, Ausdrücke, Schilderungen. Es ist als würden alle Figuren zu einem Gedanken verschmelzen, sie alle nehmen die gleichen Dinge wahr, knüpfen ein Band zu bestimmten Dingen. Dadurch erscheinen sie gleichzeitig losgelöst von allem. Alles wird eins und individuelle Eindrücke treten in den Hintergrund.

Normalerweise mag ich solche mystischen, ins unklare, surrealistisch neigende Texte sehr, da sie anders sind als das Übliche und längst Bekannte. Doch "Weiße Nacht" konnte nicht ganz zu mir durchdringen. Oft musste ich v.a. am Anfang Sätze doppelt und dreifach lesen um sie zu erfassen. Man darf sich hier keine Sekunde der Unaufmerksamkeit leisten, da man sonst den Zusammenhang der Sätze verliert. Im 2. Teil wurde es merklich besser, ich habe angefangen mich in den symbolischen Bildern und der drückenden Hitze zurecht zu finden. Und auch der letzte Teil hat mein Interesse geweckt. Doch leider entfernt sich die Geschichte zum Ende hin wieder stark, ich habe nicht mehr begriffen, worum es geht, alles endet irgendwie abrupt und ohne Auflösung, ohne richtiges Ende.

Ich habe es insgesamt doch ganz gerne gelesen, hatte mir aber einfach etwas mehr erhofft.

Veröffentlicht am 15.07.2021

Sterben

Betreff: Falls ich sterbe
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Von einem Tag auf den anderen ist Carolina plötzlich alleine mit dem nur wenige Monate alten Ivan. Gestern waren sie noch zu dritt, doch jetzt ist Aksel tot. Carolina ist überfordert mit der Situation ...

Von einem Tag auf den anderen ist Carolina plötzlich alleine mit dem nur wenige Monate alten Ivan. Gestern waren sie noch zu dritt, doch jetzt ist Aksel tot. Carolina ist überfordert mit der Situation und mit dem Tod ihres Freundes.

Ich weiß nicht so recht, wie ich dieses Buch bewerten soll. Mit "Betreff: Falls ich sterbe" verarbeitet die Autorin ihre eigene Geschichte. Zu Beginn hat sie mich unglaublich berührt und stellenweise sogar zu Tränen gerührt. Die Gefühle, die sie beim Lesen vermittelt, die Verzweiflung, die Trauer, das alles konnte ich so gut nachvollziehen. Die Überforderung direkt nach dem Tod eines geliebten Menschen, die Dinge, die geregelt werden müssen und für die man eigentlich gar keine Kraft hat, haben meine eigene Trauer wieder aufleben lassen.

Leider konnte ich diese Beziehung zu Autorin und Buch nicht lange aufrecht erhalten. Nun ist es natürlich schwer, eine autobiografische Geschichte zu beurteilen, es fühlt sich falsch an, das Leben eines echten Menschen zu bewerten. Und doch bin ich im zweiten Erzählstrang nicht so richtig zu ihr durchgedrungen. Sie schildert ihr Leben mit Aksel vor dessen Tod, vom ersten Kennenlernen bis zum letzten Gespräch. Und man möchte ihr am liebsten sagen, mach doch einen Schritt langsamer, achte mehr auf deinen Partner, er ist nicht so schnell und forsch wie du. Nachdem die beiden Erzählstränge irgendwann zusammen laufen, verschiebt sich der Fokus der Geschichte auf sie und ihr Leben als alleinerziehende Mutter. Auch hier möchte ich sie manchmal schütteln und ihr sagen, welch ein Luxus das ist, dass ihre Freunde und Familie sich um sie kümmern. Sie sind rund um die Uhr für sie da, doch sie sieht das alles nicht. Ich verstehe, dass es ihr Weg ist, sich mit der Trauer auseinanderzusetzen, doch ich konnte mich leider nicht richtig hineinfühlen in diesen Teil des Buches.

Carolina Setterwall kann gut erzählen, sie lässt die Leser an ihrem Leben und ihren Gedanken teilhaben. Auch ist es gut, dass sie sich ihrer Trauer stellt, dass sie den Menschen zeigt, jeder hat seinen eigenen Weg mit Trauer umzugehen, jeder braucht sein eigenes Tempo um zurück in den Alltag zu finden. Doch für meinen Geschmack verschiebt sich der Fokus zu schnell auf die Probleme einer alleinerziehenden Mutter, womit ich persönlich nicht so viel anfangen konnte.

Veröffentlicht am 09.07.2021

Fenians

Der Abstinent
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Die Fenian Brotherhood, hier kurz Fenians, war eine geheime Organisation, die für den irischen Unabhängigkeitskampf gegründet wurde ud terroristische Anschläge in England verübte. Hier setzt "Der Abstinent" ...

Die Fenian Brotherhood, hier kurz Fenians, war eine geheime Organisation, die für den irischen Unabhängigkeitskampf gegründet wurde ud terroristische Anschläge in England verübte. Hier setzt "Der Abstinent" ein. Manchester 1867, die englische Polizei lässt jeden hinrichten, der sich mit den Iren verbündet oder sympathisiert, egal ob diese Vermutung begründet ist oder nicht. Auch die Fenians handeln ohne Skrupel und Kompromisse. Mittendrin befindet sich der Hauptdarsteller dieser Geschichte, Constable James O’Connor, ein Ire der gerade erst aus Dublin nach Manchester strafversetzt wurde.

Die Basis ist wirklich gut und bietet viel Potential. Ich hatte vorher noch nie etwas von der Fenian Brotherhood gehört und war begierig darauf mehr zu erfahren. Auch die Konstellation aus einem rechtschaffenen Iren, der für die englische Polizei irische Freiheitskämpfer jagt, klang vielversprechend. Es hätte also wirklich spannend werden können. Doch leider kommt eben jene Spannung überhaupt nicht auf. Ian McGuire beschreibt alles wirklich schön aber dennoch hat es mich kaum berührt. Leider hatte ich immer wieder das Gefühl nur an der Oberfläche zu schwimmen und die einzelnen Figuren grenzten sich nur wenig voneinander ab. So ist es mir auch immer wieder passiert, dass ich sie verwechselte und oft nicht einordnen konnte, wer denn nun wohin gehört.

Auch über die Fenians erfährt man nur wenig mehr als das was im Klappentext steht, was ich sehr schade finde. Stattdessen verliert sich die Geschichte immer mehr in einem Kleinkrieg zweier Männer insgesamt ziemlich viel Intrigen. Am Ende wusste ich leider nicht so wirklich, was mir dieser Roman denn nun vermitteln möchte, außer dass Vorurteile niemanden weiterbringen und Gewalt oftmals unbegründet und unnötig ist. "Der Abstinent" hatte viel Potential dass er aber leider nicht voll ausschöpft.