Profilbild von oceanloveR

oceanloveR

Lesejury Star
offline

oceanloveR ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit oceanloveR über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2023

Stilvoll, wertig & ergreifend

WasserWelten
0

Ein ermutigendes Buch über Natur und Nachhaltigkeit, ein Plädoyer für den Erhalt der Wunder um uns herum und eine staunende Reise zu den Wasserwelten unseres Planeten.



Meine Verbundenheit mit und zum ...

Ein ermutigendes Buch über Natur und Nachhaltigkeit, ein Plädoyer für den Erhalt der Wunder um uns herum und eine staunende Reise zu den Wasserwelten unseres Planeten.



Meine Verbundenheit mit und zum Wasser ist offensichtlich - als ich dieses Buch also in der Vorschau entdeckte, war ich sofort neugierig - umso freudiger las ich dann auch im Buch.

Und welch Vergnügen das war! So deprimierend gegenwärtige Entwicklungen und menschengemachte Umweltkatastrophen auch sind - die Schönheit der Natur, sei es von Gletschern, Seen, Trocken- und Feuchtgebieten, dem Regenwald, Deltas, Küsten, Meeren, Korallenriffen und Ozeanen konnte dieses Buch hervorragend einfangen. Allein schon das Bestaunen der Fotos bereitet Freude. An der Stelle möchte ich auch schon die Formatierung hervorheben: Bei Bildbänden ärgern mich ja oft die Umbrüche; mitten im Satz oder noch schlimmer im Wort endet die Seite und es folgen Fotos - und erst Seiten später die textliche Fortsetzung. Nicht so bei diesem Buch. Jede Seite, aber wirklich jede Seite endet mit einem abgeschlossenen Satz, ja sogar der Absatz endet, bevor die Bildstrecken beginnen. Das hat mein bibliophiles Herz zum freudigen Klopfen gebracht!

Begeistert hat mich dieses Buch vor allem damit, dass es nicht aus dem stillen Kämmerlein durch trockene (pun intended) Literaturrecherche heraus entstanden ist, sondern Aktivist*innen und Menschen vor Ort zu Wort kommen - ein inspirierendes, schillerndes Dutzend beeindruckender Personen und Vorbilder! Überhaupt, auch wenn WasserWelten als Sachbuch zu zählen ist, lebt es von einem ergriffenen und ergreifenden Schreibstil des Staunens und Bewunderns. Sämtlichen Mitwirkenden, sei es in Text oder Bild, gelingt es, die Einzigartigkeit bestimmter Landschaften und Regionen einzufangen und die Notwendigkeit, diese zu erhalten, eingängig zu machen. Zugleich ist es ermutigend zu sehen, dass wir Menschen eben doch besser können und es noch nicht zu spät ist. Wenn wir nur wollen. Interessant waren auch die verschiedenen Ansätze - alle vereint im Ziel, Natur zu erhalten und schützen und doch auch einen Ausgleich mit den Bedürfnissen der Menschen vor Ort zu finden. Gerade der Fokus auf Wissen, Erfahrungen und Aktivismus indigener Bevölkerungsgruppen begeisterte mich - gerne wird Naturschutz ja nur aus "westlicher" Perspektive gedacht und gemacht. Dieses Buch ist nicht von und für den weißen Mann an irgendeiner renommierten Hochschule.

Mir hat auch die thematische Untergliederung gefallen und während ich mich normalerweise verstärkt mit Meeren, Küsten und Ozeanen beschäftige, konnte ich nun auch über andere Wasserlandschaften wie Mangroven, Kelpwälder, Gletscher und wiederbegrünte Wüsten dazulernen. Gerade letzteres, die Möglichkeit, vollkommen vertrocknete Böden wieder erblühen zu lassen, fand ich faszinierend und ermutigend.

Am Ende des Buches finden sich Literaturtipps und Vorstellung sämtlicher Beitragenden, was ich zur vertiefenden Beschäftigung wunderbar finde - die Dokumentation Chasing Corals etwa ist definitiv auf meine Liste gewandert!

Erst hier beim Schreiben der Rezension bin ich über den Preis des Buches gestolpert und musste ganz schön schlucken - ja, die Buchpreise sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen und Bildbände waren schon immer teuer, aber 78€? Puh. Es ist jedoch auch ein besonders schön verarbeitetes Buch; fantastische Fotos in hervorragender Auflösung, die Papierhaptik der Seiten bereitet Freude und auch Karte und Tierzeichnungen bereichern das Werk.

Veröffentlicht am 28.05.2023

Faszination Leuchtturm

Kleiner Atlas der Leuchttürme am Ende der Welt
0

Kein wissenschaftliches Kompendium eines Experten, sondern eine ehrfürchtige Hommage an die stillen Wächter der See - und ihre Bewohner:innen. Ein Buch, das zu lesen und darin zu blättern Freude bereitet ...

Kein wissenschaftliches Kompendium eines Experten, sondern eine ehrfürchtige Hommage an die stillen Wächter der See - und ihre Bewohner:innen. Ein Buch, das zu lesen und darin zu blättern Freude bereitet (und Fernweh weckt). Und nun weiß ich auch, was gegen Skorpione zu tun ist, warum Ketchup und Bohnen die wahren must haves wie für die abgelegene Insel sind und was Virginia Woolf, Jules Verne, Ray Bradbury und Edgar Allan Poe mit Leuchttürmen verbindet.


Seit ich durch Leuchttürme - Von Borkum bis Usedom meine Faszination für Leuchttürme entdeckt habe, komme ich um Bücher zu den Lichtwächtern der See nicht mehr herum - egal ob Romane oder Sachliteratur. Als ich diesen Augenschmaus in der Vorschau entdeckte, war es sogleich um mich geschehen.

Und als ich dann zwischen den Buchdeckeln Leuchttürme fern und nah besuchen konnte, waren der Zauber und die Gänsehaut wieder da - in dieser Hinsicht bin ich wahrlich ins falsche Zeitalter geboren worden; wie gerne wäre ich Leuchtturmwärterin! Ich glaube, das wäre mein Traumberuf - Alltag und Routine, aber doch jeden Tag anders, bezahlt werden fürs Aufs-Meer-Gucken und die Ruhe und Abgeschiedenheit.

Besonders gefallen an diesem Büchlein hat mir, dass die Geschichten um Turm und Menschen nicht nur so verschieden sind, sondern auch zeigen, dass Frauen sehr wohl eine Rolle für und in den Türmen spielten - explizit auch als Leuchtturmwärterinnen. Sonst wird ja gerne nur "die Frau des Leuchtturmwärters" erwähnt. Gerade die Geschichten von Ida Lewis auf Lime Rock, Abbie Burgess auf Matinicus Rock, Grace Darling auf Longstone oder auch der Katze Tibbles auf Stephens Island berührten und begeisterten mich. Und natürlich - Eilean Mòr. Über das mysteriöse Verschwinden der drei Leuchtturmwärter habe ich nun schon etliche Male und zwei Romane gelesen.

Aber auch sonst allerhand kuriose, faszinierende, aufwühlende und bewegende Geschichten - zwischen Staunen und Fernweh konnte ich die Brandung, das Tosen des Meeres und die Stille des Ozeans förmlich hören; das Salz in der Luft schmecken und mit diesem kleinen feinen Atlas an die entlegensten Orte reisen. Die meisten Türme werde ich wohl leider nie bereisen können; nur beim dänischen Rubjerg Knude kann ich mich rühmen, bereits vor Ort gewesen zu sein.

Die Gestaltung ist einladend und wertig, die Seiten von weicher Haptik und das Farbkonzept ausgesprochen harmonisch - die Illustrationen und Karten sind vorwiegend türkis wie der Einband gehalten; rot als Akzentuierung wie der Leinenrücken des Buches. Häufig waren mir die Karten zu "nah dran" als dass ich Ihnen viel entnehmen konnte - glücklicherweise gab es aber immer zwei kleine Ausschnittskarten, denen ich entnehmen konnte, in welchem Teil der Welt ich mich gerade befinde.

Jedem der 34 Leuchttürme sind zwei Doppelseiten gewidmet - eine große Illustration, eine Seite Text, eine kleine Umrisszeichnung des Turms inklusive einiger Daten wie Bau- und Betriebszeiten, Höhe, Kennung und Koordinaten, sowie eben besagte Karten. Sortiert ist der Atlas nicht geographisch sondern alphabetisch; eine Weltkarte am Anfang gibt Überblick über die vorgestellten Türme.

Dieses Buch zu lesen; darin zu schmökern, macht einfach Spaß - ferne Orte, kuriose Ereignisse, eigenwillige Menschen, beeindruckende Architektur und Faszination Meer. Wahrlich eine erquickliche Lektüre und optisch ein Fest dazu.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 27.10.2022

Komplex

Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit
0

Eine grandiose historische Fiktion, wohlrecherchiert, mit intelligent durchdachten Zeitreisen, facettenreichen Charakteren, einer leisen Liebesgeschichte und geschickt konzipierten Spannungsbogen. Mein ...

Eine grandiose historische Fiktion, wohlrecherchiert, mit intelligent durchdachten Zeitreisen, facettenreichen Charakteren, einer leisen Liebesgeschichte und geschickt konzipierten Spannungsbogen. Mein Seefahrtsherz ist begeistert.


Dieses Buch wollte ich schon seit dem Erscheinen letztes Jahr lesen; als es nun mit diesem wunderschönen Cover ins Deutsche übersetzt wurde, konnte ich nicht länger widerstehen - Leuchtturm, Zeitreise und eine Autorin, die auch auf der Pelican gesegelt ist; das klingt schon nach einem Buch für mich!

Bereits mit Widmung und Dankwort hatte die Autorin mein Herz berühren können - und auch auf allen folgenden Seiten war herauszulesen, dass sie nicht nur in Büchern über Seefahrt informiert hat, sondern selbst an Bord war. Ich liebe es, wie sie mit ihren Beschreibungen das Setting lebendig machte, mich förmlich zwischen die Seiten sog - das ohrenbetäubende Rattern der Ankerketten, dieses Gefühl, mitten in der Nacht geweckt zu werden und wie man sich dennoch an den Wachrhythmus gewöhnt, das Hochgefühl trotz und wegen der Erschöpfung nach dem Steuern, wie die Seekrankheit im Liegen oder bei Konzentration nachlässt, wie Becher wegen des Seegangs über den Tisch rutschen... Ich hatte das Gefühl, selbst dabei, wieder an Bord zu sein. Und auch die Schlacht- und Kampfszenen sind durch die Details realistisch und bildlich; Schrecken und Verlust liegen die ganze Geschichte über in der Luft und lassen das Grauen von Krieg lebendig werden.

Die Geschichte besteht aus vielen Zeitsträngen und möglichen Verläufen, die die Autorin geschickt umeinander gewoben hat, sodass erst ganz am Ende alle Fragen geklärt sind. Okay, nicht alle, aber dafür müsste ich in die Spoilerkiste greifen:

Geschickt reißt die Autorin etwas an, nur um dann die Szene zu wechseln oder einen Bericht abrechen zu lassen, sodass über das gesamte Buch hinweg viel Ungewissheit herrscht, was genau geschieht. Manches ahnte ich dabei, anderes hingegen konnte ich mir nicht zusammenreimen und oftmals musste ich die Geschehnisse kurz zeitlich lokalisieren, um folgen zu können - eine meisterhaft komplexe, unkonventionelle und spannungsreiche Erzählung! Keine Geschichte, die ich einfach so nebenbei lesen konnte, sondern eine, auf die ich mich einlassen musste und die mich nach Beenden noch immer nicht losließ. Es ist alles erzählt und doch würde ich so gerne noch länger in dieser Welt verweilen, bei liebgewonnenen Charakteren und sicherstellen, dass es ihnen (jetzt) gutgeht...

Denn die Charaktere sind ein weiterer Grund, dieses Buch zu lieben - sie sind vielschichtig und von Schicksal, Krieg und Leid gezeichnet; keine 0815-Figuren, sondern Menschen mit Ecken und Kanten, die sie realistisch und greifbar, liebenswert, machen. Und ja, es gibt eine Liebesgeschichte, die sich durch die Zeitstränge windet, zart und verzweifelt und genau deshalb so berührend. Sie schimmert bis zum Ende immer wieder durch, nimmt aber nie viel Raum ein, sondern taucht nur an den Rändern der Wahrnehmung auf und ist dennoch essentiell. Eine Liebe, die sich langsam entwickelt, die Zeit überdauert und mich auf den letzten Seiten atemlos mitfiebern ließ.

Kurzum, diese unkonventionelle Erzählung hat einfach alles, um mich zu begeistern - authentische Beschreibungen des Lebens auf See, das Spiel mit der Faszination Leuchtturm, Geheimnisse und Zusammenhänge, die erst nach und nach gelüftet und erklärt werden, überzeugende Charaktere, eine berührende Liebesgeschichte, viel Verzweiflung und Action. Spannung von der ersten Seite an.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.10.2022

Zeit(un)gerechtigkeit & was sich verändern muss

Alle_Zeit
0

Zeitarmut - was ist das, warum gibt es sie (und für wen!) & was könn(t)en wir dagegen tun? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich Teresa Bücker in ihrem Buch.

Ich empfand es ausgesprochen interessant ...

Zeitarmut - was ist das, warum gibt es sie (und für wen!) & was könn(t)en wir dagegen tun? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich Teresa Bücker in ihrem Buch.

Ich empfand es ausgesprochen interessant und bereichernd, mit diesem Buch Erwerbsarbeit und (unbezahlte) Care-Arbeit, patriarchale Ausbeutung, Verteilungsungerechtigkeit, Nachhaltigkeit und politische Partizipation aus einer anderen Perspektive, mit einem veränderten Blickwinkel zu betrachten - dadurch entstehen nicht nur ganz neue Erkenntnisse und Fragen, sondern auch ein verändertes Verständnis dafür, was uns von einer besseren, gerechteren, inklusiven und sozialen Gesellschaft trennt. Und das Zeit unfassbar politisch ist.

Ich nehme für mich den Begriff "Zeitkonfetti", die Erkenntnis, dass "Freizeit" nicht unbedingt freie Zeit bedeutet, sondern ein (bewusst?) unglücklich gewählter Begriff für die Zeit außerhalb von Erwerbsarbeit ist und den Wunsch, die aktuelle Zeitkultur (radikal) zu verändern, mit. Spannend fand ich auch den Gedanken eines Mindestmonatslohns statt Mindeststundenlohns, um reduzierte Arbeitszeiten finanziell realisierbar zu machen.

Das Buch bietet viel food for though und reizvolle Gedankenanstöße; ich hätte es mir jedoch auch kürzer, vielleicht sogar in Essayform vorstellen können. Das mag aber auch daran liegen, dass ich mich mit vielen verknüpften Themen bereits beschäftigt habe und einige Ausführungen nicht gebraucht hätte. Alles in allem bilden fundierte Recherche, angenehmer Schreibstil, interessante Blickwinkel, Forderungen und Ideen eine lesenswerte Lektüre, die sich der Zentrierung um und auf Erwerbsarbeit als Kern von Identität und Lebenszeit mutig entgegenstellt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 24.09.2022

Optisch ein Traum

In 80 Büchern um die Welt
0

Ein Schatz für das heimische Bücherregal und eine wahre Freude für Auge und bibliophiles Herz - und für mich dennoch enttäuschend, da ich mit dem Stil der Texte nicht warmwurde. Auch wenn meine Leseliste ...

Ein Schatz für das heimische Bücherregal und eine wahre Freude für Auge und bibliophiles Herz - und für mich dennoch enttäuschend, da ich mit dem Stil der Texte nicht warmwurde. Auch wenn meine Leseliste gefüttert wurde, konnte das Buch keine Euphorie in mir auslösen.


Abenteuerliche Reisen und ganz viele Bücher? Nehmt mich mit; mein Seesack ist gepackt!

Dieses Buch ist eines, bei dem einfach Freude aufkommt, es in den Händen zu halten - äußerst angenehmes Format, das zum Blättern und Lesen förmlich aufruft und einladende Innengestaltung. Mindestens eine Doppelseite pro Buch, auf der stets eine Coverabbildung sowie ein Autor:innenporträt zu finden ist, dazu häufig Fotos, Zeichnungen, Karten oder andere Illustrationen sowie Zitate und Hintergrundinformationen zu Werk und Autor:in. Hier hätte ich mir lediglich gewünscht, das konsequent immer die Lebensdaten am Seitenrand angegeben werden; manchmal fehlten die. Und was mir sowohl bei früheren wbg-Titel als auch bei anderen Bildbänden (negativ) aufgefallen ist: Wenn ein Satz (oder sogar Wort) am Ende der Seite unvollendet bleibt, dann aber erstmal eine illustrierte Doppelseite fehlt - hätte man das beim Drucksatz nicht geschickter lösen können? Aber alles kleine Wehwehchen angesichts ansonsten wundervoller Gestaltung.

Beim Lesen jedoch, denn dieses mal bin ich allen 80 Büchern gefolgt, überkamen mich zunehmend Zweifel. Zweifel an mir selbst. War ich euphorisch durch die Seiten Wonderlands geflogen, wollte der Funke dieses Mal jedoch einfach nicht überspringen. Aber warum, was störte mich; das Buch war doch "von den Machern von Wonderlands", es müsste doch eigentlich genauso nur anders sein?

Well, ich hab dann mal geblättert und recherchiert - auf die Herausgeberin Laura Miller von besagtem anderen Buch stieß ich nicht mehr, die Übersetzer:innen sind bei beiden Titel auch verschieden und Literary Journeys mapping fictional Travels across the World of Literature, wie das Buch im Original heißt, was auch erst in kleinster Schrift der letzten Seite zu entnehmen ist, das habe ich im Netz nicht gefunden. Sehr wunderlich alles. Auf den letzten Seiten werden aber zumindest sämtliche Autor:innen der Texte im Buch vorgestellt; nach einer Autor:innenangabe hatte ich länger gesucht. Worauf sich das "von den Machern von Wonderlands" bezieht, ist mir also nicht klar - einfach den Verlag?

Anyway, mit diesem Wissen im Hinterkopf - die Texte haben andere Leute geschrieben und übersetzt, als die bei Wonderlands, konnte ich mein Unbehagen dann langsam in Worte fassen - ich hatte das Gefühl, im Feuilleton zu blättern. Nur in hübsch gestaltet. Für mich sind die Texte zwar sprachlich anspruchsvoll und grammatikalisch komplex, aber letztlich inhaltloses Getöse. Die meisten enthielten so viele Spoiler, dass ich wenig Lust verspüre, die vorgestellten Bücher noch zu lesen - wofür auch - und gleichzeitig doch unbefriedigend ob fehlender Auflösung zurückbleibe. Wenn mir schon die gesamte Handlung samt Wendepunkten erzählt wird, will ich auch wissen, wie es nun ausgeht. Andere Texte blieben so diffus und vage, dass ich selbst bei Werken, die ich gelesen habe, Schwierigkeiten hatte, den Inhalt wiederzuerkennen geschweige denn bei mir unbekannten Titeln nach Lesen des Textes wiederzugeben, worum es genau geht. Es wird sich in Allgemeinplätzen ergangen und bedeutungsvolle Worte aneinandergereiht, was die Texte für mich anstrengend zu lesen machte, ohne mich zu euphorisieren.

Ich will keinen übellaunigen Eindruck entstehen lassen - die Texte sind nicht schlecht, nein wahrlich nicht; handwerklich sind sie wenig kritisierbar und stets voller literarischer Zuneigung zu Werk und Autor:in; Bibliophilie und Reiselust spricht durchaus aus ihnen - nur waren sie nicht, was ich mir erhofft hatte. Zu viel und gleichzeitig zu wenig; mehr anspruchsvolle Besprechung von Literaturkritiker:innen untereinander, als Vorstellung und Zusammenfassung. Dementsprechend ist meine Enttäuschung auch eine subjektive, die sicher nicht alle (so) teilen und erleben werden.

Gegliedert ist das Buch im Übrigen in die vier (zeitlichen) Abschnitte "Expeditionen und Reisen", "Zeitalter des Reisens", "Postmoderne, neue Wege" und "Reisen in der Gegenwart". Mir ist natürlich bewusst, dass es aus einer Vielzahl von politischen, kulturellen und historischen Gründen vor allem Berichte weißer Männer in das Literaturgedächtnis geschafft haben, hätte mir aber dennoch mehr Vielfalt bei den Werken erhofft. Der Großteil der Reisen dieses Buches findet nicht nur auf europäischem oder nordamerikanischem Boden statt; sie wurden auch aus westlicher Perspektive verfasst. Etwa ein Viertel der Autor:innen, deren Werke vorgestellt werden sind weiblich; nicht einmal ein Fünftel BIPoC - und die wiederum sind fast alle im 20. und 21. Jahrhundert verortet. Ich bin mir sicher, dass auch aus früheren Zeiten vorstellenswerte Werke hätten gefunden werden können. Schade auch, dass bis auf die einmalige Verwendung von "Leser(innen) in der Einleitung konsequent auf das Gendern verzichtet wird und stets von Autor und Leser die Rede ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil