Champagne Problems und kopfloser Eskapismus (aber immerhin mit Meerblick)
Der Sonne entgegenFür Romy könnte es wohl aktuell nicht besser laufen: beneidenswerte Karriere als Fotografin samt eigenem Studio, stabiles soziales Umfeld inklusive stolzem Vater und quirliger bester Freundin - und nun ...
Für Romy könnte es wohl aktuell nicht besser laufen: beneidenswerte Karriere als Fotografin samt eigenem Studio, stabiles soziales Umfeld inklusive stolzem Vater und quirliger bester Freundin - und nun noch ein Goldjunge im Armani-Anzug vor ihr auf den Knien? Wie uns bereits Taylor in „Champagne Problems“ lehrte, ist es nicht unüblich, dass ein Übermaß an Perfektion und Harmonie einen explosiven Cocktail ergeben.
Da ist es doch nur verständlich, dass der guten Romy alle Sicherungen durchbrennen, sie mal eben zu einem Halbfremden ins Auto hüpft und sich Hals über Kopf auf einen Roadtrip mit künstlerischer Note und kriminellen Energien begibt. Oder?
Im Grunde ist diese Prämisse, auf die die folgende Handlung aufbauen wird, viel weniger verständlich als schlichtweg naiv, dreist und selbstzerstörerisch. Einem jeden Kind wird beigebracht, bloß nicht zu Fremden ins Auto zu steigen, aber unsere ach so mutige und abenteuerliche Protagonistin Romy hält genau das für eine blendende Idee. Warum auch mit ihrem Verlobten Henry auf Augenhöhe kommunizieren, wie normale Erwachsene das in der Regel tun, wenn man auch einfach kindisch die Fluch ergreifen kann?
Auch im Laufe der Handlung entpuppt sich Romy als anstrengende Zeitgenossin. Sie ist gelinde gesagt launisch und gerade ihre Strategie, sich mit verklärten Augenaufschlägen und naivem Wimpernklimpern die Männer um den Finger zu wickeln, war zum Haareraufen. An sich verurteile ich keine Frau, die sich ihren Weg durchs Patriarchat bahnt, indem sie sich dessen Strukturen zu Nutze macht, doch in „Der Sonne entgegen“ wurde diese Taktik, die lediglich unreflektierte Symptombekämpfung darstellt, als derart geniales Allheilmittel dargestellt, dass ich mich einige Male kurz vor einem Schreikampf befand.
Doch auch unser männlicher Protagonist ist nicht minder problematisch. Valentin gibt sich als intellektueller, kunstbewanderter Freigeist, ist aber letztlich auch nichts anderes als ein einsamer Kleinkrimineller mit Pascha-Anwandlungen und erstzunehmender Sinnkrise. Ein einziger pseudomysteriöser Möchtegern, der völlig überzeugt ist, das Leben verstanden zu haben, und mit seiner alarmierenden Einsamer-Wolf-Lebensphilosophie eigentlich jede Frau, die auch nur halbwegs bei Verstand ist, in die Flucht schlagen sollte. Da kann man natürlich nur von Glück für Valentin sprechen, dass es auch so verblendete und selbstzerstörerisch veranlagte Exemplare wie Romy gibt.
Auf das Plotten des Romans hätte man gerne ebenfalls noch ein kleines bisschen mehr Augenmerk legen können, denn die Handlung flacht im letzten Drittel samt Spannungsbogen besorgniserregend stark ab. Die eigentliche Geschichte ist im Grunde nach knapp 200 Seiten auserzählt, der Rest ist größtenteils ein Hin und Her an Beziehungsgeplänkel aufgrund von bereits erwähnten Kommunikationsproblemen unserer beiden Protagonisten.
Nichtsdestotrotz handelt es sich bei „Der Sonne entgegen“ um eine unterhaltsame Sommerlektüre, die ihre Leserschaft mitnimmt auf eine Reise mit malerischer Kulisse und zuweilen auch ein paar nette kleine Touri-Infos einstreut. Solange man die Geschichte nicht zu ernst nimmt und erst recht nichts kritisch hinterfragt, wird einem dieser Roman sicher einige idyllische Lesestunden bescheren!