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Veröffentlicht am 16.09.2021

Endlich wieder ein guter Schreiber

Der Mauersegler
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Da liegt er nun, der dritte Roman von Jasmin Schreiber. Mit Mariannengraben hat sie sich in mein Herz geschrieben, mit Abschied von Hermine grenzenlos enttäuscht.
Nun liegt „Der Mauersegler“ vor mir, ...

Da liegt er nun, der dritte Roman von Jasmin Schreiber. Mit Mariannengraben hat sie sich in mein Herz geschrieben, mit Abschied von Hermine grenzenlos enttäuscht.
Nun liegt „Der Mauersegler“ vor mir, der an nur einem Vormittag gelesen wurde und das Vertrauen in Schreibers Schreibkünste wiederhergestellt hat. So hat sie hier wieder vertrautes Terrain betreten. Ähnlich wie bei „Mariannengraben“ geht es um den Tod, um Schuld und um Trauerarbeit, jedoch auf eine andere Art und Weise. Während ihr erster Roman wie ein traurig-schöner Roadtrip-Roman war, ist der Mauersegler viel ernsthafter und auch düsterer.
Es geht um Prometheus, der als Arzt seinen krebskranken besten Freund behandelt. Er verliert sich irgendwo zwischen der Behandlung, Rationalität, Emotionalität und folgenschweren Entscheidungen. Der einzige Ausweg: die Flucht, die ihn weinend nach Dänemark verschlägt, wo er durch Zufall auf ein altes, lesbisches Pärchen trifft, die einen Pferdehof betreiben. Obwohl Prometheus panische Angst vor Pferden hat und die alten Frauen eher grimmig sind, scheint all dies ihm bei seiner Trauerbewältigung und dem Schuldbekenntnis zu helfen.
Während die Protagonisten in Mariannengraben sympathisch, warmherzig und liebenswert waren, ist Prometheus vor allem eins: ein Arschloch. Man mag ihn nicht. Er wirkt unsympathisch, narzisstisch und vor allem egoistisch. Auch wenn seine Trauer, seine Gedanken und seine Schuldgefühle nachvollziehbar und vor allem auch begründet sind, ist Prometheus vielleicht nicht der beste Protagonist, tut aber seinen Dienst. Er bringt den Leser in ein tiefes, düsteres Tal aus Gedanken und Gefühlen, die besser gar nicht beschrieben hätten werden können.
Der Mauersegler ist ganz anders als erwartet und vielleicht nicht das Highlight wie Mariannengraben. Trotzdem ein wunderbares, vor allem gut geschriebenes, Buch. Schreiber kann eben schreiben, den Leser abholen und nebenbei immer wieder mit kleinen Fakten, die man nie vergisst, punkten. Lesenswert. Absolut.

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Veröffentlicht am 16.09.2021

Typisch McFarlane

Du hast mir gerade noch gefehlt
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Stell dir vor, du verlierst deine beste Freundin mitten in deinen Dreißigern? Wie viel gibt es noch, was ungesagt geblieben ist? Was wird sie alles verpassen? Und wie soll das Leben einfach weiter gehen?
So ...

Stell dir vor, du verlierst deine beste Freundin mitten in deinen Dreißigern? Wie viel gibt es noch, was ungesagt geblieben ist? Was wird sie alles verpassen? Und wie soll das Leben einfach weiter gehen?
So geht es Eve. Sie ist seit Studienzeiten mit Susie, Ed und Justin befreundet und genau an dem Abend, an dem Eds Freundin, in dem sie seit Jahre heimlich verliebt ist, ihm einen Heiratsantrag macht, erleidet Susie einen Unfall. Dadurch erscheint auch Susis älterer Bruder Finlay in Eves Leben und sorgt für jede Menge Chaos. Als Eve feststellt, dass sich unter Finlays rauer Schale ein gar nicht so unattraktiver Kern verbirgt, spielt Ed plötzlich mit dem Gedanken, die Hochzeit abzusagen. Was für Eve ein Grund zur Freude sein sollte, hat ihr jetzt gerade noch gefehlt …
Mhairi McFarlane – ein Garant für gute Literatur und ein Name, der bei mir immer Freude hervorruft, sobald ich ihn auf der Liste der Neuerscheinungen sehe. So groß war daher die Vorfreude als „Du hast mir gerade noch gefehlt“ auf der Bühne erschien.
Und wie immer, McFarlane hat abgeliefert. Ihr neuster Roman ist ganz typisch ein McFarlane und doch so gar nicht. Im Mittelpunkt von „Du hast mir gerade noch gefehlt“ steht diesmal nicht nur eine zauberhafte Liebesgeschichte, sondern auch Trauerarbeit. Sie nimmt den Leser mit auf die Reise von Verlust, Freundschaft und dem „mit dem Leben wieder anfangen“. In all das baut sie eine aufkeimende neue Liebe ein.
All das macht sie wie gewohnt mit leichten Worten, schafft eine zuckersüße Geschichte, die doch so viel mehr Tiefgang hat als man zunächst denkt.
Das McFarlane sich nicht nur mit einem Thema beschäftigt, das kennen die treuen Leser. Geschickt und leicht für den Leser baut sie Rassismus, Feminismus, Demenz und auch die Trauer ein. Doch ihre Bücher wirken immer leicht, fluffig und haben trotzdem genau das richtige Maß an Tiefgang und snd mehr als nur eine Liebesgeschichte. Mit „Du hast mir gerade noch gefehlt“ hat sie ein mitreißenden, ans Herz gehenden Roman verfasst, der allen Erwartungen der treuen Fans gerecht wird, aber auch für jeden neuen Leser einen toller Einstieg bietet.

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Schwere Familiengeschichte

Die Überlebenden
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"Eins weiß ich über Wälder", sagte Papa. "Und zwar, dass jeder seinen eigenen Wald in sich trägt, den er in- und auswendig kennt und der ihm Geborgenheit gibt. Und einen eigenen Wald zu haben, ist das ...

"Eins weiß ich über Wälder", sagte Papa. "Und zwar, dass jeder seinen eigenen Wald in sich trägt, den er in- und auswendig kennt und der ihm Geborgenheit gibt. Und einen eigenen Wald zu haben, ist das Schönste, was es gibt. Wenn du oft genug durch diesen Wald läufst, kennst du bald jeden Stein, jeden schwierigen Weg..."
Wir sind mitten in Schweden, vor einem roten Sommerhaus – doch nichts mit Idylle. Drei Brüder liegen sich prügelnd in den Armen. Die Gefühle sind übergekocht. Sind sie doch eigentlich aus einem Grund hier: Die Asche ihrer Mutter verstreuen und damit ihren letzten Wunsch erfüllen.
In seinem Roman „Die Überlebenden“ erzählt Alex Schulmann abwechseln in der Gegenwart und Vergangenheit wie es zu dieser Situation kam. Es ist eine bedrückende, schwere Familiengeschichte über drei Brüder, unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Um einen alkoholkranken Vater, eine in sich gekehrte und aggressive Mutter. Alle Jungs wirken um Anerkennung buhlend, angestrengt und ein bisschen verloren. Pierre, Benjamin und Nils – die Brüder – sind sich fremd geworden. Zwischen ihnen viel Ungesagtes, viel liegt in der Luft. Es geht um das Miteinander, den Bruch der Brüder, viel Zwischenmenschliches.
Die Überlebenden liest sich nicht einfach, aber die Geschichte zieht den Leser mit. Schulman erzählt unaufgeregt, bildhaft, ruhig. So bedrückend die Stimmung ist, so sehr kann man den Sommer, die Hitze und den Wald förmlich spüren. Obwohl die Geschichte so bedrückt, spürt man förmlich eine träge Kindheit, warme Sommerabende und das kindliche Freisein. Es ist eine Geschichte über Familie, Beziehungen, aber vor allem auch über Schuld, Verdrängung und Trauma.

Absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 07.09.2021

von Haushalt und Krankheit

Barbara stirbt nicht
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In Herr Schmidts Leben gibt es klare Regeln, klare Abläufe und ganz viele Routinen. Für die Einhaltung dieser ist vor allem seine Frau Barbara verantwortlich. Als eines morgens kein Kaffeegeruch in der ...

In Herr Schmidts Leben gibt es klare Regeln, klare Abläufe und ganz viele Routinen. Für die Einhaltung dieser ist vor allem seine Frau Barbara verantwortlich. Als eines morgens kein Kaffeegeruch in der Luft liegt, er nicht vom Gewusel im Erdgeschoss wachwird, ist er zunächst irritiert und danach besorgt. Barbara liegt auf dem Fußboden des Badezimmers, wieder bei Bewusstsein, aber alles in Ordnung ist es nicht. Und ehe sich Herr Schmidt versieht, ist Barbara zum ersten Mal wirklich krank und er steht vor ganz anderen Problemen: Wer kocht denn nun? Und wer räumt auf? Und wie geht das überhaupt?
Eigentlich klingt „Barbara stirbt nicht“ wie ein kurzer, lustiger Roman, der zur Unterhaltung da ist und zwischendurch ist er das auch. Doch neben der kurzweiligen, humoristischen Art ist der Roman von Alina Bronsky doch sehr tiefgründig und melancholisch. Denn während Barbara sich „scheinbar“ erholt, ist Herr Schmidt, dessen Vorname konsequent nicht benutzt wird, überfordert und fast unsympathisch. Er ist eben der typische alte Herr, der von „Frauenkram“ spricht, stoische Ignoranz ausstrahlt und absolut nicht lebensfähig ohne seine Frau ist, dies aber nie zugeben würde. Doch am Ende beschreibt „Barbara stirbt nicht“ die Reise von Herrn Schmidt, wie er sich immer mehr mit den alltäglichen Dingen, aber auch dem Leben auseinandersetzt und die Komfortzone verlässt.
Und während Barbara immer kränker wird, Herr Schmidt dies jedoch gekonnt ignoriert, wird der Roman immer zu seiner Geschichte, der Liebe zum Kochen und dem eigentlichen Familienleben. Stück für Stück wird die Familie Schmidt aufgerollt, ein bisschen mehr erzählt und Hintergründe werden dem Leser auf einmal klar.
Doch hier ist auch der kleine Knackpunkt. Die ganzen Einzelgeschichten sind am Ende etwas zu konstruiert, so als wolle Bronsky noch mehr geben, noch mehr Punkte setzen und noch mehr Diversität zeigen. Feminismus, queere Einflüsse, Rassismus, Inklusion – am Ende wirkt es alles zu viel und zu gewollt. Hier hätte ein bisschen gespart und dafür die einzelnen Themen mehr Tiefe gegeben werden können.
Und das Ende, das kam leider viel zu abrupt. War man noch ein paar Seiten vorher massiv überrascht von so vielen Wendungen, neuen Erzählsträngen, so überfahren war man über den plötzlichen, kurzen Cut, der mir persönlich viel zu wenig gegeben hat.

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Veröffentlicht am 30.08.2021

Österreichischer Sherlock

Das Buch des Totengräbers (Die Totengräber-Serie 1)
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Deduktion, moderne Ermittlungsmethoden, drei bis vier Mal um die Ecke denken - das sind die typischen Merkmale der Detektivarbeit von Sherlock Holmes und wer ist bitte ist kein Fan von dem so berühmten ...

Deduktion, moderne Ermittlungsmethoden, drei bis vier Mal um die Ecke denken - das sind die typischen Merkmale der Detektivarbeit von Sherlock Holmes und wer ist bitte ist kein Fan von dem so berühmten Ermittler? Bücher und Filme, die nicht zwangsweise von Sherlock Holmes handeln, aber sich den gleichen Methoden und Erzählarten bedienen, sind immer wieder ein Genuss.
So ist es auch mit „Das Buch des Totengräbers“ von Oliver Pötzsch, welches nicht in Großbritannien spielt, sondern in Wien um 1893. Auch gibt es hier nicht den altbekannten, berühmten Ermittler, aber einen der es mit ihm aufnehmen kann: Leopold von Herzfeldt. Leopold ist seiner Zeit voraus, nutzt Fotoapparate, ermittelt mit Schlussfolgerungen und Laborergebnissen. Seine Arbeit wird nun in Wien gebraucht, wo er sich als neuer Ermittler erst positionieren muss und das zwischen all den alteingefahrenen Polizisten, die „wie immer“ arbeiten.
Nun wurden mehrere Dienstmädchen ermordet – jede von ihnen brutal gepfählt. Augustin Rothmayer, der städtische Totengräber – etwas schrullig, aber sehr hilfreich, hat schon Leichen in jeder Form gesehen, kennt alle Todesursachen und Verwesungsstufen. Schreibt sogar ein Buch darüber. Er weiß auch, dass das Pfählen eine uralte Methode ist, um Untote unter der Erde zu halten. Geht in Wien also ein abergläubischer Serientäter um? So entwickeln Leopold von Herzfeld und August Rothmayer gemeinsam und bilden ein seltsames, aber effektives Duo, das einen famosen Auftakt für eine neue Krimi-Reihe.
…und für einen Auftakt, einen ersten Band, leistet Pötzsch hier super Arbeit. Grundlegend sind Krimis, die nicht in der jetzigen Zeit spielen, für mich persönlich immer schwierig zu lesen. „„Das Buch des Totengräbers“ macht es einem aber sehr einfach. Die Charaktere sind angenehm, haben schon erste Tiefe und sind sympathisch, bzw. klassisch „schwierig“ angehaucht. Der Schreibstil ist fließend, leicht und hilft dem Leser schnell durch die Seiten zu fliegen. Und noch ein großes Plus: der Täter war nicht direkt bekannt und kam mir zwar nicht erst bei Auflösung in den Sinn, aber doch später als gedacht.
Von daher: vielversprechender Anfang für eine neuen Krimi-Reihe, der Lust auf mehr macht!

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