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Veröffentlicht am 24.04.2025

Ein wunderbarer historischr Krimi

Der Tote in der Crown Row
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Kronanwalt Sir Gabriel Ward ist ein etwas eigenbrötlerischer Junggeselle mit leicht autistischen Zügen, ein brillanter Rechtsgelehrter mit einem scharfen Verstand und ein Mann, der seine Gewohnheiten liebt. ...

Kronanwalt Sir Gabriel Ward ist ein etwas eigenbrötlerischer Junggeselle mit leicht autistischen Zügen, ein brillanter Rechtsgelehrter mit einem scharfen Verstand und ein Mann, der seine Gewohnheiten liebt. Am wohlsten fühlt er sich in seiner Wohnung im Inner Temple - dem Londoner Bezirk der Anwälte und Richter - und mit seinen zahllosen Büchern.
Doch als er eines Morgens im Jahre 1901 die barfüßige Leiche des Lordoberrichters auf der Türschwelle seiner Kanzlei vorfindet, ist erst einmal Schluß mit dem geruhsamen Leben in den eingefahrenen Gleisen. Denn da im Temple-Bezirk die Polizei keine Befugnisse hat, wird Sir Gabriel dazu verdonnert, diesen Mord aufzuklären, wobei ihm ein Polizist, Constable Wright zur Seite gestellt wird. Man geht höheren Ortes davon aus, dass jemand von außerhalb diesen Mord begangen haben muss, denn von den im Temple ein- und ausgehenden Juristen, könne es ja niemand gewesen sein! In einem 2. Handlungsstrang geht es um einen Urheberrechtsstreit, darum, wer ein überaus erfolgreiches, erbaulich-moralisches Kinderbuch über eine Kirchenmaus verfasst hat.
Die Autorin - selbst eine Kronanwältin - schreibt sehr kenntnisreich und mit feinem britischen Humor über die Gepflogenheiten der juristischen Community. Ich bin schon im Temple gewesen, aber erst durch diesen unterhaltsamen historischen Krimi hat sich der Bezirk für mich mit Leben gefüllt. Ich fand die Geschichte sehr spannend, allerdings nicht im Sinne von Action, sondern eher in der Tradition von Ermittlern wie Hercule Poirot, Campion, Miss Marple, Lord Peter Wimsey etc.. Sir Gabriel muss gezwungenermaßen seinen Elfenbeinturm verlassen und entdeckt dadurch ganz und gar ungewohnte Eigenschaften und Fähigkeiten an sich selbst wie z.B. Empathie und Mitgefühl und auch Neugier und ein gewisses ermittlerisches Kribbeln. Ein typischer Cosy, sehr atmosphärisch, mit vielen Insider-Einblicken, gut gezeichneten Charakteren, Humor und Ironie, und einem sympathischen Ermittler samt Side-Kick. Für mich ein großes Lesevergnügen, dass ich uneingeschränkt empfehlen kann, speziell allen Liebhabern des traditionellen britischen Krimis. Ich hoffe sehr, dass ich Sir Gabriel noch öfter treffen werde!

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Veröffentlicht am 15.03.2025

Wieder ein "Berlin Noir" mit Sogwirkung

Skin City
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Wie immer bei den Berlin Noirs von Johann Groschupf (2 davon hatte ich schon gelesen), hat mich der Schreibstil sofort in seinen Bann gezogen und mitgerissen. Normale Thriller sind das nicht, die würde ...

Wie immer bei den Berlin Noirs von Johann Groschupf (2 davon hatte ich schon gelesen), hat mich der Schreibstil sofort in seinen Bann gezogen und mitgerissen. Normale Thriller sind das nicht, die würde ich auch gar nicht lesen wollen. Die Sprache ist hart und schnörkellos, die Figuren sind vielschichtig und interessant. Der Autor führt uns in die unterschiedlichsten Milieus, wir lernen die 3 Hauptfiguren, ihr Umfeld und ihre Geschichten kennen und die Verbindung zwischen diesen Handlungssträngen, die sich erst allmählich erschließt. Koba ist ein junger Georgier mit geschickten Händen, der mit 2 Kollegen zusammen für eine organisierte Einbrecherbande Einfamilienhäuser und Villen am Stadtrand ausräumt; Jacques „Jacke“ Lippold, gerade aus dem Knast gekommen, ist eher ein „Edelbetrüger“, der sich an die Berliner Kunstszene heranwanzt; Romina Winter, Kriminalbeamtin aus einer Roma-Familie, die sich hochgekämpft hat, aber doch sehr geprägt ist von ihrer Herkunft. Bei ihrer Figur hat der Autor für meinen Geschmack allerdings etwas zu sehr in die Klischee-Kiste gegriffen!
Die Handlung entwickelt sich rasant und spannend, aber folgt dabei nicht den Handlungsmustern eines üblichen Thrillers, Groschupf schreibt sehr viel literarischer, bleibt dabei jedoch immer „unputdownable“. Viel Berliner Lokalkolorit, viel Atmosphäre, unerwartete Wendungen und ein Schluss, der haarscharf am Kitsch vorbeischrammt. Trotz kleinerer Kritikpunkte (Klischeehaftigkeit von Rominas Figur) hat mich dieser ungewöhnliche Krimi wieder vollkommen begeistert und ich empfehle ihn allen, die einen intelligenten Krimi mit Tiefgang zu schätzen wissen.

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Veröffentlicht am 09.03.2025

Herrlich - Englischer Krimi-Klassiker ganz nach meinem Geschmack!

Campion. Tödliches Erbe
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Ich hatte früher schon mal einige Bücher von Margery Allingham aus der legendären schwarz-gelben Diogenes Krimi-Reihe gelesen, und erinnere mich, dass sie mir gut gefallen haben. Aus der Albert Campion ...

Ich hatte früher schon mal einige Bücher von Margery Allingham aus der legendären schwarz-gelben Diogenes Krimi-Reihe gelesen, und erinnere mich, dass sie mir gut gefallen haben. Aus der Albert Campion Serie war aber glaube ich noch keiner dabei.
Dieser unauffällige junge Mann, der, wenn er es darauf anlegt, sehr einfältig aussehen kann, wird demzufolge häufig unterschätzt (ähnlich wie in den 70er Jahren Colombo), ist aber ein Spitzendetektiv.
Es geschieht zwar auch ein Mord, aber hauptsächlich geht es darum, den Diebstahl eines goldenen Kelches zu verhindern, den die adlige Familie Gyrth seit ewigen Zeiten im Auftrag der Krone aufbewahrt. Die Geschichte spielt in den 30er Jahren und ist gewürzt mit Ironie, schwarzem Humor, interessanten, teils recht pittoresken Gestalten, und einem spannenden Plot. Es geht etwas langsamer zu, als in modernen Krimis, der Ermittler gebraucht nur sein Hirn und keinen technischen Schnickschnack, verfügt aber tatsächlich über ein enormes Netzwerk an Kontakten, von (Klein-)Kriminellen über Zigeuner bis hin zum Hochadel.
So schnell habe ich lange kein Buch mehr durchgelesen, die Autorin gehört nicht grundlos zu den britischen Queens of Crime des sogenannten Goldenen Zeitalters (zusammen mit Agatha Christie, Dorothy Sayer und Ngaio Marsh): der Roman ist spannend und amüsant, und ich kann ihn - zumindest an Liebhaber klassischer englischer Krimis - uneingeschränkt weiterempfehlen. Ich freue mich auf weitere Neuauflagen!

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Veröffentlicht am 07.03.2025

Atmosphärischer Theaterkrimi

Tod auf der Unterbühne
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Dieser Cosy-Krimi aus dem Theatermilieu, hat mich sehr gut unterhalten, ist spannend und informativ. Man merkt ihm an, dass die Autorin sich in diesem Milieu gut auskennt, die Charaktere sind gut gezeichnet, ...

Dieser Cosy-Krimi aus dem Theatermilieu, hat mich sehr gut unterhalten, ist spannend und informativ. Man merkt ihm an, dass die Autorin sich in diesem Milieu gut auskennt, die Charaktere sind gut gezeichnet, der Schreibstil ist flüssig und gut lesbar. Die Personen sind mir ans Herz gewachsen und die Auflösung hat mich überrascht. Auch die theateraffine Kommissarin Antonia und ihr Sidekick, Dorfpolizist Ferdinand Berger sind ein gutes und sympathisches Ermittlerduo. Der renommierte Regisseur des Sommertheaters, der zwar künstlerisch viel drauf hat, im zwischenmenschlichen Umgang aber ein richtiger Tyrann und ein Ekelpaket ist, kommt bei der Generalprobe von "Ein Sommernachtstraum reloaded" auf der Unterbühne zu Tode. War es ein Unfall oder hat jemand nachgeholfen? Verdächtige gibt es im Ensemble en Masse, und die junge Kommissarin verbeißt sich in diesen Fall. Ein richtig netter Krimi, der für Hard-boiled Fans sicherlich zu spannungsarm ist, für mich jedoch genau das richtige Maß an Spannug lieferte und einen interessanten und humorvollen Einblick in die Theaterwelt.

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Veröffentlicht am 02.03.2025

Gut gegen trübes Winterwetter

In einem Zug
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Nach seinem sehr berührenden und deutlich ernsteren, gesellschaftskritischen Roman „Die spürst du nicht“ hier nun wieder ein „typischer“ Glattauer, der mich vom Schreibstil her sehr an „Gut gegen Nordwind“ ...

Nach seinem sehr berührenden und deutlich ernsteren, gesellschaftskritischen Roman „Die spürst du nicht“ hier nun wieder ein „typischer“ Glattauer, der mich vom Schreibstil her sehr an „Gut gegen Nordwind“ erinnert hat.
Schon der Titel ist herrlich doppeldeutig, denn nicht nur sitzen die beiden Protagonisten zusammen in einem Zugabteil auf der Strecke von Wien nach München , sondern es passiert auch etwas „in einem Zug“ (im Sinne von: ein Glas in einem Zug austrinken, eine Arbeit in einem Zug – ohne Unterbrechung - beenden), das ich jedoch hier nicht spoilern möchte.
Der Erzähler ist ein Liebesromanautor eher späten, mittleren Alters, der seit vielen Jahren nichts mehr veröffentlicht hat. Er befindet sich auf dem Weg zu einer Krisensitzung bei seinem Verlag in München. Ihm schräg gegenüber sitzt eine Frau frühen mittleren Alters, die ihn – wie von ihm befürchtet – in ein Gespräch verwickelt, ihn aber (leider? Oder gottseidank?) nicht kennt, bzw. nicht als berühmten Schriftsteller erkennt. Die Frau ist Psychologin, dezidierte Gegnerin von Langzeitbeziehungen, und fragt ihn, nachdem er sich als erfolgreicher Autor und seit langem glücklich verheirateter Mann geoutet hat, über seine Beziehung zu seiner Ehefrau aus.
Bis auf eine kurze Unterbrechung durch einen zugestiegenen Italiener, bleiben die beiden allein in ihrem Abteil. Das Gespräch wird immer intimer, manchmal möchte der Autor es abbrechen, lässt sich aber, von mehreren Minifläschchen Rotwein beflügelt, doch weiter darauf ein.
Berichtet wird das alles aus der Perspektive des Autors und unwillkürlich fragt man sich, ob und wie weit er wohl ein alter Ego von Daniel Glattauer ist? Nicht nur berichtet er den Gesprächsverlauf, sondern vor allem auch alles, was ihm selbst während dieser Zugfahrt, während dieses Gespräches so durch den Kopf geht.
Die Dialoge sind raffiniert, witzig und durchaus tiefsinnig, seine Gedanken voller Selbstironie. Am Ende gibt es dann noch eine sehr gelungene, unvorhersehbare Wendung.
Ich fand diesen kurzen Roman wieder brillant, sehr unterhaltsam, warmherzig und auch spannend, obwohl nur wenig passiert. Was mir an Glattauers Romanen besonders gefällt sind seine Raffinesse, seine Wortgewandtheit, sein Humor, und mit welcher Treffsicherheit er den Zeitgeist widerspiegelt. Und da bin ich bei diesem Roman wieder voll auf meine Kosten gekommen!

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