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Veröffentlicht am 31.10.2021

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Unter dem Schnee
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Die Schneekatastrophe zum Jahresende 1978 in Norddeutschland nahm die Autorin für ihren Roman "Unter dem Schnee"zum Anlass und hat darin ein Familiengeheimnis verpackt.
Als Österreicherin ist Schnee ja ...

Die Schneekatastrophe zum Jahresende 1978 in Norddeutschland nahm die Autorin für ihren Roman "Unter dem Schnee"zum Anlass und hat darin ein Familiengeheimnis verpackt.
Als Österreicherin ist Schnee ja etwas, das mich jeden Winter begleitet - mal mehr, mal weniger. Leider wohne ich nicht in den richtig schneereichen Gebieten im Westen, aber ich kann mich noch erinnern, dass wir als ich noch ein Kind war, sehr viel Schnee hatten und einmal sogar richtig eingeschneit waren. Lange ist es her....
Der Klimawandel hat leider schon sehr viel dazu getan, dass die Gletscher schmelzen und wir im Alpemvorland nur mehr wenig Schnee bekommen.

Von der Schneekatastrophe 1978/79 hatte ich zuvor noch nicht gehört. Für Norddeutschland war diese Masse an Schnee außergewöhnlich. Zusätzlich lagen die Temperaturen zwischen -10° und -20°C, die sich durch den starken Wind sicher noch kälter anfühlten.
Genau zu diesem Zeitpunkt soll die Trauerfeier von Luise von Schwan stattfinden. Sie führte die Baumschule und ist Besitzerin des Gutes, das seit vielen Jahren in der Hand der Familie von Schwan ist.
Während die Familienmitglieder und die Dorfbewohner Abschied nehmen, wird kurze Zeit später die Beerdigung abgebrochen. Der gewaltige Schneesturm treibt die Trauergäste zurück in ihre Häuser. Bevor das Familienanwesen von der Außenwelt abgeschnitten wird, bringt der Pfarrer eine junge Frau auf das Gut, die niemand zu kennen scheint. Die unbekannte Französin behauptet Luises Tochter zu sein. Carl und Johann, die Neffen der verstorbenen Luise von Schwan und Erben der Baumschule, sind selbstverständlich außer sich. Während der stille Johann eher neugierig ist und hören will, welche Erklärung die unbekannte Frau hat, rastet der cholerische Carl aus. Der schwelende Konflikt, die Kälte, die durch die Ritzen des Wintergartens kriecht, sowie der Schnee, der lautlos fällt und sich eine Stille über das Land legt, hat mich sehr schnell gefangen genommen.

Neben der Geschichte in den letzten Tages des Jahres 1978 gibt es Rückblicke in die Vergangenheit der verstorbenen Luise von Schwan, ihrer Schwester Klementine und deren Söhne Carl und Johann, die im Zweiten Weltkrieg aus Pommern geflüchtet sind. Dabei hat die Autorin die Themen Zwangsarbeit, Fluchttraumata und das lange Schweigen über die NS-Vergangenheit, die in den 1970igern noch immer nicht aufgearbeitet war (und teilweise auch heute noch nicht ist), behandelt. Einige Erzählungen davon sind mir sehr ans Herz gegangen, aber auch die Dramatik des Dauerschneefalls und die daraus resultierenden Konsequenzen sorgen für noch mehr Dramatik.

Noch ein Wort zum Cover....die Broschur glänzt wunderschön und bringt damit gleich einen Hauch Eis und Schnee mit. Ich finde es wunderschön!

Schreibstil:
Es ist mein erstes Buch der Autorin. Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, denn er ist atmospärisch, feinfühlig und lebendig. Die Geschichte wird aus verschiedenen Sichtweisen der einzelnen Familienmitglieder erzählt. Um am Anfang nicht den Überblick zu verlieren, befindet sich am Ende des Buches ein Stammbaum.
Während des Lesens hatte ich die Figuren vor Augen und konnte mir jeden von ihnen sehr gut vorstellen. Die Köchin des Gutes, Ida, ist mir dabei besonders ans Herz gewachsen. Auch die Atmosphäre im Gutshaus, abgeschnitten von der Außenwelt, war großartig aufgebaut. Ich mag diese "locked-in" Geschichten einfach, bei denen sich oftmals Tragödien abspielen. So auch hier, denn mit dem unbekannten Gast kommen Dinge ans Licht, die verschwiegen wurden und nun offenbart werden, die Folgen nach sich ziehen ....

Fazit:
Ein sehr atmosphärischer Roman, der während der Schneekatastrophe in Norddeutschland 1978 spielt. Dazu gibt es Familiengeheimnisse und Rückblenden in die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Eine Verbindung, die mir sehr gut gefallen hat und mir eiskalte, aber schöne Lesestunden beschert hat. Ich empfehle den Roman gerne weiter.

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Veröffentlicht am 30.10.2021

Das Los der Kindersoldaten

Die verlorene Generation
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Nach der "Verdammten Generation und der "Verratenen Generation" widmet sich Autor Christian Hardinghaus nun der verlorenen Generation - den Kindersoldaten. Der Historiker fesselt mit seinen Berichten und ...

Nach der "Verdammten Generation und der "Verratenen Generation" widmet sich Autor Christian Hardinghaus nun der verlorenen Generation - den Kindersoldaten. Der Historiker fesselt mit seinen Berichten und Analysen und bringt Geschichte wirklich jedem Leser näher. Chrisian Hardinghaus hat mit dieser Reihe die letzten Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges zum Interview gebeten. Für ihn ist es wichtig, diese Zeitzeugnisse für die kommenden Generationen festzuhalten und #gegendasvergessen anzukämpfen.

1945 hat Hitler mit der Einberufung von noch minderjährigen Kindern und alten Männern bis 60 Jahre das letzte Aufgebot ausgefasst und noch mehr Leid über viele Familien gebracht. Auch mein Großvater wurde als 58jähriger noch in den Volkssturm geschickt und kam nie mehr wieder.

Bevor sich der Autor wieder jeden einzelnen Schicksal widmet, berichtet er von der HJ und dem Jungmädchenbund, die sehr prägsam für die Kinder waren. Mit sportlicher Veranstaltungen und Wettkämpfen werden sie körperlich bereits zu Soldaten getrimmt. Die Kriegspropaganda griff vorzüglich. Man erkennt sehr gut, wie wohl überlegt das NS Regime ihre Arbeit geleistet hat.

Wie auch schon im letzten Buch kommen die Zeitzeugen größtenteils aus dem Norden Deutschlands und aus verschiedenen Schichten. Zwei davon sind allerdings durch den Krieg auch für einige Zeit in Österreich gelandet.
Jeder der dreizehn Zeitzeugen hat eine erschütternde Geschichte zu erzählen. Manche Erzählungen machten mich sprachlos. Fotos aus Kriegstagen oder von der Familie runden diese erschreckenden Berichte ab und bringen dem Leser die ehemaligen Kindersoldaten näher. Das Elternhaus spielt in diesem Alter noch eine große Rolle.
Die furchtbaren Ereignisse haben die meisten von ihnen schweigen lassen. Erst viel später stellen sich einige ihrer verlorenen Kindheit. Die seelischen Wunden sind bis heute nicht verheilt. Alle von ihnen geben zu, mit Feuereifer in den Krieg gezogen zu sein. Meistens wurden sie zuerst Flakhelfer, wo sie anfangs noch von den Lehrern den versäumten Schulstoff unterrichtet bekamen, später waren sie nur mehr Kanonenfutter. Einige von ihnen haben sich auch freiwillig gemeldet, um das Vaterland oder die Familie zu schützen.

Am Ende des Interviews stellt der Autor jeden der dreizehn Überlebenden die Frage, ob sie von der Vernichtung der Juden gewusst haben. Übereinstimmend haben alle freimütig erzählt, dass sie mitbekommen haben, dass Juden unerwünscht waren und umgesiedelt wurden oder verreisten. Von den Vernichtungslagern und den schrecklcihen Morden haben sie allerdings erst nach dem Krieg erfahren.

Fazit:
Mit seinem dritten Buch, "Die verlorene Generation", das über die Kindersoldaten berichtet, vollendet Christian Hardinghaus seine Reihe um die letzten Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges. Erschütternd und authentisch sind die Berichte der noch wenigen Überlebenden aus dieser Zeit. Wir dürfen nicht vergessen, was damals passiert ist und müssen gegen jeglichen Rassismus vorgehen.
Auch diesmal kann ich wieder nur eine klare Leseempfehlung abgeben und rate wirklich jeden, sich diese Lektüre über die letzten Zeitzeugen zu Gemüte zu führen.

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Veröffentlicht am 27.10.2021

Eine gefährliche Liebe

Die Übersetzerin
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Am Wochenende habe ich mir das Interview der Autorin Jenny Lecoat mit dem Bastei Lübbe Verlag im Rahmen der Frankfurter Buchmesse online angehört. Eine sehr sympathische Autorin, die selbst auf Jersey ...

Am Wochenende habe ich mir das Interview der Autorin Jenny Lecoat mit dem Bastei Lübbe Verlag im Rahmen der Frankfurter Buchmesse online angehört. Eine sehr sympathische Autorin, die selbst auf Jersey geboren wurde. Sie hat uns im Interview einige Hintergründe zur Geschichte verraten, die sie in Buchform gefasst hat. Jenny Lecoat erwähnt dabei auch, dass selbst in Großbritannien heute nur wenige Menschen wissen, dass die Kanalinseln – eine kleine britische Inselgruppe, die nur etwa 20 Kilometer vor der französischen Küste liegt – im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Soldaten besetzt waren.
Als Jenny Lecoat das erste Mal über das Schicksal von Hedy erfuhr, wollte sei unbedingt ihre Geschichte erzählen. Der Roman beruht also auf wahren Begebenheiten.

Als die Jüdin Hedy aus ihrer Heimat Österreich 1940 fliehen kann, landet sie auf Jersey, der größten der Kanalinseln. Doch im Laufe des Krieges werden die strategisch günstig gelegenen Kanalinseln zwischen Großbritannien und Frankreich besetzt.
Gemeinsam mit Anton, der mir ihr geflüchtet ist, versuchen sie zu überleben. Als Anton die etwas naive und unbedarfte Dorothea kennenlernt, tut sich Hedy mit ihr schwer. Doch dann macht ihr diese einen wahnwitzigen Vorschlag: Die deutschen Besatzer suchen Übersetzerinnen. Nach langer Überlegung meldet sich Hedy, obwohl sie sich als Jüdin damit in die Höhle des Löwen begibt. Der deutsche Wehrmachtssoldat, der ihr den Job vermittelt, verheimlicht ihre Herkunft. So beginnt Hedy bei den Feinden ihren Job und versucht im Kleinen gegen die Besatzer zu rebellieren. Doch dann verliebt sie sich in den deutschen Offizier Kurt und er sich in sie....

Der Roman braucht etwas bis er in Schwung kommt, aber danach wird es richtig spannend, denn Hedy fliegt natürlich auf und ist auf der Flucht. Kurt und Dorothea helfen ihr so gut sie können - immer unter großer eigener Lebensgefahr. Doch auch die Lebensmittelknappheit wird zum Problem, denn mit den deutschen Soldaten kommt der Hunger auf die Insel. Der Krieg spült immer mehr davon auf die Inseln, wo es sowieo nur einen begrenzten Vorrat gibt. Als auch noch die Nahrungsmittelversorgung per Schiff zusammenbricht, beginnen die Soldaten den Großteil der Lebensmittel von den Einheimischen zu konfiszieren, die daraufhin ums Überleben kämpfen.

Jenny Lecoat hat dieses traurige Kapitel ihrer Heimat sehr anschaulich beschrieben. Die Wut und die Not der Insulaner wird eindringlich dargestellt, jedoch nur am Rande gestreift. Im Mittelpunkt stehen eindeutig nur wenige Figuren, wie Hedy, Kurt und Dorothea. Die innere Zerissenheit von Hedy wird sehr authentisch wiedergegeben. Ich konnte mit ihr mitfühlen und ihren Zweifel gegenüber ihrer Liebe und Handlungen, aber auch ihre Angst fühlen.
Dorothea entwickelt sich vom dummen, naiven Mädchen zu einer Frau, die in großer Not zupacken kann und hinter Hedy steht. So richtig warm geworden bin ich trotzdem nicht mir ihr.
Mit Kurt zeigt die Autorin auf, dass nicht alle feindlichen Soldaten Nazis und Hitlers Schergen sind. Er ist ein sehr sympathischer Mann, der nicht hinter der Rassenidelogie steht und tiefe Gefühle für Hedy hat. Doch was macht ihre Liebe aus? Warum er sich in Hedy verliebt hat, wird mir etwas zu oberflächlich behandelt. Trotzdem steht die Liebesgeschichte zwischen den beiden im Roman im Vordergrund.

Der Schreibstil ist angenehm und lässt sich gut lesen. Jenny Lecoat hat sich mit viel Engagement dieser Geschichte angenommen, die von ihrer Heimat erzählt.
Würden nicht reale Begebenheiten das Grundgerüst für diesen Roman bilden, würden einige Begebenheiten etwas unrealistisch erscheinen. Man sieht hier wieder, dass das Leben die wahren Geschichten schreibt.


Fazit:
Ein Roman nach einer wahren Begebenheit, der die kleinen Kanalinseln zum Hauptschauplatz des Zweiten Weltkrieges macht. Interessante Lektüre, bei der mir allerdings die Liebesgeschichte zu sehr im Vordergrund stand. Trotzallem hat mir der Roman gut gefallen, der in der zweiten Hälfte sehr spannend wird und über eine Gegend erzählt, die bisher kaum in der Literatur gestreift wurde. Auf jeden Fall lesenswert!

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Veröffentlicht am 24.10.2021

Neue Identitäten

Das Buch der verschollenen Namen
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Der neue Roman von Kristin Harmel wird mit Kristin Hannahs "Die Nachtigall" verglichen, was meine Neugier geweckt hat. "Die Nachtigall" war für mich ein ganz besonderes Highlight und gehört zu meinen Lieblingsbüchern.
"Das ...

Der neue Roman von Kristin Harmel wird mit Kristin Hannahs "Die Nachtigall" verglichen, was meine Neugier geweckt hat. "Die Nachtigall" war für mich ein ganz besonderes Highlight und gehört zu meinen Lieblingsbüchern.
"Das Buch der verschollenen Namen" reicht jedoch nicht daran heran. Die Gemeinsamkeiten beschränken sich auf Frankreich und die Résistance, aber nicht mehr.

Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen, wobei jedoch die Gegenwart nur einen kleinen Teil einnimmt. Größtenteils befinden wir uns in der Vergangenheit im Jahre 1942. Die Deutschen haben Paris und den nord-westlichen Teil von Frankreich eingenommen, während der Süden unter das Vichy Regime gestellt wurde. Die Judenverfolgung wird jedoch von den Franzosen genauso unterstützt und in der französischen Hauptstadt schreiten die Deportationen fleißig voran.
Die Jüdin Eva Traube wird von einem Kommilitonen gewarnt, dass eine große Verhaftungswelle ansteht. Trotzdem spielt nur ein glücklicher Zufall mit, dass sie und ihre Mutter der SS nicht in die Hände fallen. Evas Vater wird allerdings verhaftet und deportiert. Er hat seiner Tochter jedoch genau mitgeteilt, an wen sie sich wenden soll, falls er verhaftet wird. Den beiden Frauen gelingt die Flucht in den noch unbesetzten Süden. Im kleinen Dorf Aurignon finden sie Unterstützung durch den Dorfpfarrer. Evas gefälschte Dokumente fallen auf und mit ihren künstlerischen Fähigkeiten schließt sie sich einer Gruppe von Menschen an, die jüdischen Kindern mit gefälschten Pässen zur Flucht verhelfen. Für Eva ist es jedoch wichtig, deren wahre Identität für die Zeit nach dem Krieg festzuhalten. Gemeinsam mit Rémy, einem jungen Widerstandskämpfer, fertigt sie verschlüsselte Aufzeichnungen in einem Buch der Kirchenbibliothek an. Doch eines Tages wird die Widerstandszelle verraten....

Der Roman beginnt mit der bereits über 80jährigen Eva, die auf einen Zeitungsbericht aufmerksam wird, in dem der Besitzer des "Buches der verschollenen Namen" gesucht wird. Es ist jenes Buch, das Eva und Rémy mit den Namen der jüdischen Kinder, denen sie zur Flucht verholfen haben, gefüttert wurde. Eva macht sich, trotz des Widerstandes ihres Sohnes, auf nach Deutschland, um ihr Buch "abzuholen".

Der Plot um die Fälschungen ist spannend und sehr interessant. Die Untergrundbewegung und der Zusammenhalt dieser einzelnen Menschen gegen die Besatzer ist bewundernswert. Das Netzwerk ist großartig aufgebaut und funktionierte fast lückenlos. Die Spannung ist vorallem im zweiten Teil des Romans hoch und lässt einem das Buch kaum aus der Hand legen.

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm und liest sich leicht. Die Charaktere ihrer Protagonisten hat Kristin Harmel sehr lebendig eingefangen. Man fiebert mit Eva und Rémy mit. Gleichzeitig habe ich mich über Evas Mutter geärgert, die sie nicht unterstützt, sondern ihr in allen Belangen die Schuld an der Deportation des Vaters gibt. Sie sieht weder die reale Gefahr, noch den Ernst der Lage und macht Eva fortwährend nur Vorwürfe. Oftmals habe ich mich über diese sture Frau geägert, die Eva noch mehr Kummer bereitet, als sie sowieso schon hat.

Was mir allerdings nicht gefallen hat, ist das Ende. Es ist zu glatt und wirkt mit einer etwas rührseligen Geschichte ein bisschen unglaubwürdig. Zusätzlich wirkt es einfach zu überstürzt. Vermisst habe ich auch nähere Details zu Evas Flucht in die Schweiz und weitere Anhaltspunkte zu ihrem Leben in der Gegenwart. Hier gibt es nur ein paar Andeutungen, die nicht aufgelöst werden. Generell fand ich die kurzen Abschnitte aus der Gegenwart etwas lieblos und unzureichend. Dafür kann der Teil in der Vergangenheit wirklich fesseln. Was mir allerdings auch negativ aufgefallen ist, ist der Name der Hauptprotagonistin im Klappentext: Eva Abrams. Im Buch selbst heißt Eva jedoch Eva Traube. Hat der Verlag etwa vergessen diese Änderung noch nachzubessern?

Der Roman ist inspiriert von einer wahren Geschichte. Leider ist jedoch nicht bekannt, wie viel davon Wahrheit und Fiktion ist.

Cover:


Fazit:
Ein sehr berührende Geschichte, die mich im Vergangenheitsstrang überzeugen konnte, auch wenn ich gerne noch ein paar weitere Details dazu gehabt hätte. Der eher lieblose Gegenwartsstrang hat mir nicht wirklich gefallen und wertet leider das Buch etwas ab. Trotz dieser kleinen Schwächen ist es eine sehr interessnate Geschichte, die einen weiteren Einblick in die Arbeit der Résistance bringt. Ich habe das Buch gerne gelesen, auch wenn es nicht mit der Nachtigall zu vergleichen ist.

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Veröffentlicht am 23.10.2021

Zu detailliert, aber sehr atmosphärisch

Des Kummers Nacht
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Berlin 1855. Die beiden Freunde Wilhelm von der Heyden und Johann Schmidt haben ihr Studium in Jura und Medizin erfolgreich abgeschlossen. Wilhelm, der von einem Gutshof im Osten nach Berlin gezogen ist, ...

Berlin 1855. Die beiden Freunde Wilhelm von der Heyden und Johann Schmidt haben ihr Studium in Jura und Medizin erfolgreich abgeschlossen. Wilhelm, der von einem Gutshof im Osten nach Berlin gezogen ist, hat sich mittlerweile in der Hauptstadt eingerichtet. Eines Tages gibt es im Nachbarhaus gegenüber eine Explosion. Dabei wird eine junge Frau aus dem Fenster geschleudert und hängt leblos am Gartenzaun. Wilhelm vermutet noch weitere Bewohner im Haus und eilt zu Hilfe. Dabei fallen ihm in der Wohnung der Toten einige Ungereimtheiten auf. Sein Verhalten macht ihn aber zuerst verdächtig, doch der Chef der Berliner Kriminalpolizei fällt Wilhelm's Kombinationsaufgabe auf und bietet ihm eine Stelle als Polizeihelfer an. Die preußische Ermittlungsbehörde sucht dringend talentierte junge Männer für den Polizeidienst. Für diesen Fall nimmt Wilhelm an, obwohl "gewöhnliche" Ermittlungsarbeit seinem Stand eigentlich nicht angemessen ist. Ihm zur Seite wird der erfahrene Kommissar Vorweg gestellt, der ihm so einige Einblicke in die Polizeiarbeit gewährt.

Der historische Roman mit Krimianteil (so würde ich ihn lieber nennen) führt uns in die Anfänge der preußischen Polizeiarbeit. Diese steckt noch in den Kinderschuhen und so ist es nicht verwunderlich, dass Wilhelm nach seinem Jurastudium mit offenen Händen aufgenommen wird bzw. als Kollege erwünscht ist. Seine Fähigkeit ein fotografisches Gedächtnis zu haben, wäre für die Polizei natürlich von großem Vorteil. Dadurch, dass die Tote eine österreichische Gräfin ist, befürchten die Ermittler eine politische Tat. Doch ist es das wirklich?
Der Fall ist komplex und die Polizei tappt lange Zeit im Dunkeln. Die Ermittlungen sind sehr preußisch. Man versucht über Beziehungen und Salonbesuche in der gehobenen Gesellschaft besser hinzuhören und eventuell wichtige Dinge aufzuschnappen, die den Ermittlungen zugute kommen könnten. Dadurch beginnt der Spannungsaufbau etwas langsam und braucht seine Zeit....

Für mich hatte deshalb die erste Hälfte leider einige Längen. Zu detailverliebt schreibt der Autor über alle möglichen Themen, die sehr ausgereizt werden. Man merkt dabei aber auch seine penible Recherche.
Immer wieder versucht man das Tatmotiv zu erkunden. Ist die Tat nun politisch motiviert? Ein Liebesdrama oder hätte der Anschlag jemand anders gegolten?

Die Sprache ist der Zeit angepasst. Der Autor fängt die Atmosphäre und das Lebensgefühl der damaligen Zeit perfekt ein. Man fühlt sich mitten im Geschehen und in der Zeit gefangen.

Beim Lesen bekommen wir detaillierte Einblicke in die gehobene Gesellschaft und in die Innenpolitik der damaligen Zeit. Dabei treffen wir auch auf Otto von Bismarck, der 1855 noch am Anfang seiner Karriere steht. Am Ende des Buches findet man einen Anhang des Autors, in dem er über Fakt und Fiktion spricht, über Preußen und Berlin im Jahre 1855, sowie über historische Persönlichkeiten und fiktive Personen aufklärt. Am Cover innen (vorne und hinten) befindet sich eine sogenannte Standes Liste.
Der Titel ist aus einer Textzeile eines Gedichtes von David Kalisch (ein Vierzeiler steht am Beginn des Buches) und betrifft die Stadt Berlin.

Etwas schade finde ich, dass ein sehr persönliches Detail von Wilhelm noch nicht aufgeklärt wurde. Ich hoffe, dass es einen weiteren Teil geben wird und dieser wichtige Umstand aufgeklärt wird. Ich werde den nächsten Teil trotzdem noch lesen, denn ich will wissen, was in Wilhelms Vergangheit passiert ist.

Fazit:
Ein historischer Roman mit Krimianteil und einem sehr sympathischen Ermittler, der eher zufällig zur Polizeiarbeit gekommen ist. Sehr detailliert erzählt und perfekt recherchiert, jedoch mit einigen Längen, die vorallem zu Beginn etwas ermüden....vorallem bei der Seitenanzahl.

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