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Veröffentlicht am 21.03.2019

Heimat ist nicht Herkunft

Ein fesches Dirndl
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Der erste Eindruck betreffend Titel und Cover, wobei beide beim Beenden des Buches trotzallem hervorragend passen, ist etwas trügerisch. Hier handelt es sich um keinen Heimatroman oder um eine fröhliche ...

Der erste Eindruck betreffend Titel und Cover, wobei beide beim Beenden des Buches trotzallem hervorragend passen, ist etwas trügerisch. Hier handelt es sich um keinen Heimatroman oder um eine fröhliche Geschichte, sondern um die Themen Migration, Ausgrenzung, Verletzung, aber auch um Hoffnung, Geduld und Heimkommen. Es ist eine Geschichte der langen Suche nach Heimat und des Ankommens, denn Heimat ist nicht gleich Herkunft.

Dies ist bereits mein zweiter Roman der Autorin. In "Ein fesches Dirndl" erzählt sie uns eine fiktive, aber sehr persönliche Geschichte. Der Lebensweg unserer Hauptprotagonistin Bea Burger ähnelt nämlich ihrem eigen sehr. Als Bürgerin der ehemaligen Tschechoslowakei heiratet die Slowakin 1975, noch zur Zeit des Eiserenen Vorhangs, einen Österreicher. Angekommen im "goldenen Westen" fühlt sich Bea, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist, hilflos. Während ihr Mann Armin tagsüber studiert, ist Bea sich selbst überlassen. Im Selbststudium bringt sie sich nach und nach die wichtigsten deutschen Worte bei, bis sie von einem Deutschkurs erfährt. Bea ist ehrgeizig und erkennt vom Anfang an, dass die Sprache ihr wichtigstes Instrument ist. Sie ist der Schlüssel zu Integration. Innerhalb kurzer Zeit lernt sie Deutsch und stößt dennoch immer wieder viel zu schnell an Grenzen. Das Studium, das sie einst in der Slowakei abgeschlossen hat, wird in Österreich nicht anerkannt. Umso größer ist der Ehrgeiz nicht mehr als Ausländerin angesehen und nicht immer wieder "Woher kommen Sie?"gefragt zu werden. Auch die slowakische Verwandschaft hat völlig falsche Vorstellungen und wartet auf Pakete mit Geschenken aus Österreich. Doch Zdenka und Armin leben selbst in Armut. Erst nach der Geburt des zweiten Kindes ziehen sie von Wien aufs Land und bauen das Haus von Armins Großeltern um. Hier wartet auf Bea die nächste Hürde. Sie versteht den gesprochenen Dialekt nicht und will nicht nochmals mit dem Erlernen der "deutschen" Sprache beginnen...

Die Autorin zeigt sehr ehrlich und mit viel Einfühlungsvermögen die Zerissenheit ihrer Hauptprotagonnistin. Heimweh und Unsicherheit bestimmen den anfänglichen Alltag. Bea war zwar nie ein Flüchtling, sondern hat eingeheiratet, fühlte sich aber weiterhin als Fremde und zweitklassig. Als spätere Deutschlehrerin für Migranten erfährt sie von einigen sehr ergreifenden Schicksalen. Als Leser bekommt man durch einige dieser Erzählungen einen anderen Blick auf die Situation vieler fremder Menschen in unserem Land. Die Berichte machen nachdenklich und als gebürtige Österreicherin macht man sich so seine eigenen Gedanken.

Zdenka Becker hat ein sehr aktuelles Thema aufgegriffen und dabei ein Stück ihres eigenen persönlichen Lebens an die Öffenltichkeit getragen. Die Geschichte berührt und lädt zum Nachdenken ein. Man beginnt seine eigenen Gedanken zu reflektieren und oft vorschnelle Meinungen zu überdenken. Einmal angefangen zu lesen, konnte ich schwer wieder aufhören. Sehr gefallen hat mir der Schluss, der mit einer Metapher zum Titel endet.

Schreibstil:
Zdenka Becker schreibt flüssig, kurzweilig und mit einer Prise Selbstironie, aber auch emotional und berührend. Der Roman wird aus der Sicht von Bea in der Ich-Perspektive erzählt. Slowakische Sätze und Wörter sind oftmals eingefügt und vervollständigen die Authentizität.
Das Buch ist in sechs Teile aufgeteilt, die jeweils eine neue Etappe in Beas Leben aufzeigen.

Fazit:
Ein wunderbarer und intensiver Roman, der aufzeigt wie schwer es ist, in einem fremden Land Fuß zu fassen und wie lange es dauert bis es zu einer Heimat wird. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 19.03.2019

Geschwisterrivalitäten

Der Verrat
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Nach dem ersten Roman "Die Vergessenen" von Ellen Sandberg, die unter Pseudonym schreibt und hinter der eine bekannte deutsche Krimiautorin steckt, war ich schon mega gespannt auf ihr neuestes Werk. "Die ...

Nach dem ersten Roman "Die Vergessenen" von Ellen Sandberg, die unter Pseudonym schreibt und hinter der eine bekannte deutsche Krimiautorin steckt, war ich schon mega gespannt auf ihr neuestes Werk. "Die Vergessenen" fand ich nämlich wirklich sehr gut und hat von mir 5 Sterne erhalten.
Mit "Der Verrat" kann sie leider nicht daran anschließen - das kann ich schon verraten. Ihr neuer Roman ist ein Familiendrama um drei sehr unterschiedliche Schwestern; Ariane, genannt Nane, Birgit und Pia.
Es beginnt mit der vorzeitigen Entlassung von Nane, die nach zwanzig Jahren das Gefängnis verlassen darf. Schwester Birgit verhilft ihr zu einem Job im älterlichen Antiquitätengeschäft, sowie zu einer kleiner Wohnung im ersten Stock des ehemaligen Elternhauses. Nane quälen jedoch weiterhin Fragen, was genau in dieser Sommernacht 1998 auf dem Weingut Graven passiert ist. Sie hat Erinnerungslücken an diese Nacht und möchte unbedingt mit Thomas sprechen, dem Vater des verunglückten Henning, der damals mit seinem Auto in die Tiefe stürzte. Doch Thomas liegt nach einem Herzinfarkt im Krankenhaus und ihre Schwester Pia, die in die Winzerfamilie eingeheiratet hat, versucht alles nur erdenklich Mögliche Nane vom Weingut fernzuhalten.

Mit Rückblenden in die Jahre 1997/98 erfährt der Leser in kleinen Häppchen, was vor zwanzig Jahren wirklich geschah. Wir lernen Nane und Pia besser kennen, sowie Thomas von Manthey und seine Familie auf dem berühmten Weingut. Die Figuren sind zahlreich, jedoch kann man sie immer gut zuordnen und hat alle im Blick.
Die drei Schwestern nehmen unterschiedlich große Parts in der Geschichte ein. Birgit ist harmoniesüchtig und bleibt sehr blass. Das Hauptaugenmerk liegt bei Pia und Nane, die in ihrem gegenseitigen Hass ganz schön weit gehen. Mit Nane habe ich oft mitgefühlt, jedoch ist sie trotz ihrem langen Gefängnisaufenthalt zu impulsiv und unüberlegt. Die makellose Pia war für Nane schon immer unerreichbar - Hassobjekt und Vorbild in einer Person. Diese ist Restaurateurin und hat ein sehr angenehmes Leben auf dem Weingut. Sie ist jedoch kühl und zu kopfgesteuert. Schon seit früher Kindheit hat sie gelernt keine Gefühle zuzulassen.

Geschwisterrivalität, Neid, Eifersucht, Hass, Schuld und Verrat - wie der Titel schon voraussagt - sind die Grundthemen zu diesem Spannungsroman. Ich fühlte mich gut unterhalten, hatte jedoch eine baldige Ahnung wohin sich diese Geschichte hinentwickeln wird. Trotzdem gab es noch einige überraschende Wendungen. Spannung ist vorhanden, jedoch schleichen sich ab und zu einige Längen in die Geschichte. Einige Lösungen fand ich nicht ganz stimmig. Mit einer etwas erotisch angehauchten Komponente konnte ich so gar nichts anfangen. Auch der "Fluch der Frauen" in der Familie kam mir zu aufgesetzt und gewollt vor. Insgesamt hat mir die Geschichte zwar gut gefallen, jedoch kommt sie bei weitem nicht an "Die Vergessenen" heran und wird mir wahrscheinlich nur ansatzweise im Gedächntis bleiben...

Schreibstil:
Die Autorin schreibt sehr flüssig und bildhaft. Ihre Charaktere sind lebendig, bleiben aber hier etwas eindimensional. Die menschlichen Abgründe hinter der Fassade werden hingegen großartig wiedergegeben. Das idyllische Weingut und die Landschaften werden bildgewaltig dargestellt. Hundert Seiten weniger hätten dem Roman allerdings gut getan...

Fazit:
Der neue Spannungsroman von Ellen Sandberg erzählt über menschliche Abgründe und einem Familiendrama, das mich zwar gut unterhalten hat, aber doch so einige Schwächen bietet.

Veröffentlicht am 16.03.2019

Helden einer dunklen Zeit

Die Spionin der Charité
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Passend zur momentanen laufenden 2. Staffel der Charité im TV hat Autor und Historiker Christian Hardinghaus seinen Roman geschrieben, der jedoch nicht ident mit der Serie ist.
Es ist mein zweites Buch ...

Passend zur momentanen laufenden 2. Staffel der Charité im TV hat Autor und Historiker Christian Hardinghaus seinen Roman geschrieben, der jedoch nicht ident mit der Serie ist.
Es ist mein zweites Buch des Schriftstellers. Mit "Die Spionin der Charité" hat er einen spannenden Roman erschaffen, der eine Mischung aus Wahrheit und Fiktion ist. Einige Figuren in Hardinghaus Buch erhalten vom Autor einen erfundenen Namen, während andere - wie Sauerbruch, de Crinis oder Kolbe mit ihren Klarnamen genannt werden. Am Ende des Buches werden die Pseudonyme aufgedeckt. Für mich wäre diese Änderung nicht wirklich notwendig gewesen...

1974. Zu Beginn lernen wir die ältere Lily Kolbe kennen, einstmals Professor Sauerbruchs Chefsekretärin. Sie entschließt sich ein Interview zu geben und endlich das Geheimnis des Donnerstagsclubs, eine Widerstandsgruppe während des Zweiten Weltkrieges, zu lüften. Lily möchte die Geschichte ihres Mannes, Fritz Kolbe, einem amerikanischen Journalisten erzählen. Er gehört zu denjenigen, die immer wieder ihr Leben riskiert haben und trotzdem eher unbekannt blieben oder totgeschwiegen wurden. Fritz Kolbe war Diplomat beim Auswärtigen Amt und hat für die USA spioniert. Immer wieder hat er seinen Leben aufs Spiel gesetzt und hat in der Schweiz den Amerikanern geheime Papiere übergeben....Papiere, die auch über Konzentrationslager berichteten, die jedoch sowohl von den Amerikanern, als auch den Briten ignoriert wurden. Es macht einen dabei fassungslos, dass die Allierten schon viel früher eingreifen und somit hunderttausende Menschenleben hätten retten können. Auch Fritz Kolbe wurde nie die Beachtung für seine Einsätze zuteil - im Gegenteil! Dies möchte Lily nun ändern....

Dazu reisen wir zurück ins Jahr 1943. Lily, die Kolbes Frau Maria nachempfunden wurde, erhält den Auftrag Fritz Kolbe zu bespitzeln und herauszufinden, ob er als Mitglied für den geheimen Donnerstagclub angeworben werden kann. Dieser Widerstandsgruppe, die sich in der Charité unter Professor Ferdinand Sauerbruch formiert hat, gehört auch Lily an. Die Beiden verlieben sich und arbeiten fortan gemeinsam in der Widerstandsgruppe unter Professor Sauerbruch in der Charité.

Der Leser erhält einen realistischen Einblick in den Krankenhausalltag der Charité in den letzten beiden Kriegsjahren. Die Bombenangriffe, die die Ärzte dazu zwingt im Bunker zu operieren oder die laufende Bedrohung durch Bespitzelung und diverse Besuche hochrangiger SS-Männer. Je mehr sich der Krieg dem Ende naht, umso gefährlicher wird es für die Widerstandskämpfer und auch für die Ärzte in der Klinik. Sauerbruch wird immer wieder unter Druck gesetzt, vorallem nach dem missglückten Attentat an Hitler am 20. Juli 1944. Graf Stauffenberg, ein Freund von Sauerbruchs Sohn, ging schließlich beim Professor und seiner Frau im Haus ein und aus...Inwiefern Sauerbruch in die Pläne des Attentats eingeweiht war, lässt der Autor offen und der Fantasie des Lesers...
Das Ende des Romans hält noch eine Überraschung bereit!

Schreibstil:
Der Schreibstil des Autors ist eher nüchtern, aber fesselnd - kommt er doch eher aus dem Sachbuchbereich. Trotzdem sind seine Charaktere sehr lebendig und bilhaft gezeichnet. Die persönlichen Schicksale der historischen Figuren berühren und vorallem die beklemmende Atmosphäre und die allgegenwärtige Gefahr während des Krieges wird wunderbar eingefangen. Man bangt mit den Charakteren und hofft, dass die Gestapo nicht hinter ihre Pläne und Verschwörungen kommt.

Fazit:
Eine bewegende Geschichte, die uns einen weiterer Blick in diese dunkle Zeit während des Zweiten Weltkrieges werfen lässt. Besonders für diejenigen, die auch "Die Charité" im TV verfolgen eine große Empfehlung! Spannend, informativ und eindrucksvoll.

Veröffentlicht am 13.03.2019

Spannender zweiter Teil rund um Matilda Darke

Gieriger Zorn
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Mit dem zweiten Band rund um DCI Matilda Darke hat mich Michael Wood wieder ins englische South Yorkshire entführt. Auch diesmal beginnt der Prolog äußerst rasant und brutal. Auf einem abgelegenen Feldweg ...

Mit dem zweiten Band rund um DCI Matilda Darke hat mich Michael Wood wieder ins englische South Yorkshire entführt. Auch diesmal beginnt der Prolog äußerst rasant und brutal. Auf einem abgelegenen Feldweg wird ein Pärchen brutal überfallen und gefoltert. Der Mann wird anschließend erschossen, die Frau mit einem Bauchschuss sterbend zurückgelassen. Matilda steht vor einer neuen schweren Prüfung, denn nicht nur der Mordfall, sondern auch ein diskriminierender Artikel in der Zeitung erinnert an ihr Versagen bei einer Kindesentführung, die sich demnächst jährt. Von ihrer Vorgesetzten erfährt Matilda auch noch, dass ihr Team aufgelöst werden soll. Erfolge müssen her! Doch den Bewohnern der Stadt machen Einbrüche und vermehrte Überfälle mehr Kummer und Sorgen und auch die Presse scheintgegenüber dem Ermittlerteam immer einen Schritt voraus zu sein. Immer mehr Abgründe tun sich auf. Was hat der Tod eines alten Mannes, der als Selbstmord getarnt ist, mit dem Überfall auf das Pärchen zu tun? Und wer verfolgt Matilda?

DCI Matilda ist mir mittlerweile ans Herz gewachsen. Sie ist kein einfacher Charakter. Dem Alkohol hat sie endlich abgeschworen, aber sie leidet noch immer sehr unter dem Tod ihres Mannes und dem missglückten Entführungsfall vor einem Jahr. Die gehässigen Artikel in der Zeitung tragen nicht gerade zur Beruhígung bei, ebenso wenig wie die voraussichtliche Auflösung ihres Ermittlungsteam. Dieses hat jede Menge Rückschläge und Verluste zu verkraften. TRotzdem ist sie ein wahnsinnig starke Frau, die nicht so schnell aufgibt und sich in ihrem neuen Fall verbeißt.

Einzig Matildas Drama war mir im bereits zweiten Band etwas zu sehr präsent, da es meiner Meinung bereits im ersten buchfüllend war. Es wird Zeit, dass sie wenigstens die misslungene Kindesentführung ad acta legt. Der Autor greift öfters auf Begebenheiten aus dem ersten Fall zurück, was manche Mitleser etwas gestört hat.

Es wird sehr schnell Spannung aufgebaut und der Autor lenkt den Leser oftmals auf falsche Fährten. Fleißig habe ich mitgerätselt und musste doch wieder meine Vermutungen verwerfen. Rasante Szenen und gut platzierte Cliffhanger lassen einem das Buch schwer aus der Hand legen. Das Ende ist schlüssig und gut durchdacht.

Schreibstil:
Michael Wood schreibt rasant und intensiv. Geschickt wird Spannung mit gut platzierten Cliffhangern aufgebaut. Der Autor überrascht mit unerwarteten Wendungen und falschen Fährten. Die Charaktere sind facettenreich und absolut gelungen, der Krimi vielschichtig.


Fazit:
Ein spannender Krimi mit überraschenden Wendungen und einem sympathischen Ermittlerteam. Man kann diesen zweiten Band zwar auch ohne Vorkenntnise zu Band 1 lesen, aber ich empfehle immer wieder die Reihenfolge einzuhalten. Mir hat dieser Nachfolgeband noch besser gefallen, als das Krimidebüt und freue mich schon auf einen weiteren Fall rund um DCI Matilda Darke.

Veröffentlicht am 12.03.2019

Wichtiger Roman

Das Verschwinden des Josef Mengele
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Dieses Buch behandelt das Leben des "Todesengels" von Ausschwitz, Josef Mengele, nach seiner Flucht 1948 über die "Rattenlinie" nach Südamerika. Mit einem neuen Namen und der Gewissheit in Argentinien ...

Dieses Buch behandelt das Leben des "Todesengels" von Ausschwitz, Josef Mengele, nach seiner Flucht 1948 über die "Rattenlinie" nach Südamerika. Mit einem neuen Namen und der Gewissheit in Argentinien unter Diktator Péron ein neues Leben beginnen zu können, nahm er nach seiner Ankunft in Buenos Aires 1949 die Verbindung zum wohlorganisierten Netzwerk aus Unterstützern auf. Der Kontakt zu seiner reichen Günzburger Familie, die einen Landmaschinenhandel betrieb und sogar über Mengele nach Südamerika lieferte, blieb immer bestehen. Kindheitsfreund Hans Sedlmeier und ein weitverzweigtes Netz von Nazi-Seilschaften in Südamerika, sowie in Deutschland, ließen ihn in Argentinien ein angenehmes Leben führen. Erst nach dem Sturz Pérons, den Aktivitäten des deutschen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer sowie der Verurteilung und Hinrichtung Eichmanns beginnt sein gut geführtes Leben zu bröckeln. Im Laufe der Jahre wechselt Mengele öfters seinen Namen und den Wohnort. Nach einer langen Zeit in Argentinien lebt er anschließend in Paraguay und später in, wo er erst 1979 beim Baden im Meer ertrinkt. Seine Verbrechen blieben ungesühnt.

Für mich war es unvorstellbar, dass es der Justiz nicht gelang Mengele aufzuspüren bzw. wie lange es dauerte bis überhaupt nach den geflohenen Naziverbrechern gesucht wurde.
Wie das Nachkriegsdeutschland, aber auch der Rest der Welt, das Thema lange Zeit ausschließt und nicht aufarbeitet, lässt mich verständnislos den Kopf schütteln. Erst in den späten 1970er Jahren beginnt man die Verbrechen aufzuarbeiten und startet mit der Suche, die vorallem von Israel und dem Mossad, angeführt wurde. Diese Suche wikt zu Beginn noch sehr unstrukturiert und mangelhaft und führt im Laufe der Jahre dazu, dass viele Naziverbrecher nicht aufgespürt wurden.

Der Roman oder die Biografie liest sich sehr emotionslos und kühl. Das Buch lässt sich generell schlecht einordnen, denn als Roman ist es zu dokumentarisch angelegt. Es gibt kaum Dialoge, es ist sehr sachlich gehalten und an einigen Stellen zeitraffend. Die dreißig Jahre, die Mengele nach dem Verlassen Europas in Südamerika lebt, werden rasch abgehandelt.
Der Autor zeigt Mengele als aufbrausenden und lamentierenden Mann, der oft im Selbstmitleid versinkt und keinerlei Reue oder Einsicht zeigt. Er versteht nicht, warum ein Mann von seinem Ruf, sowie seiner Hingabe für Führer und Vaterland, immer seine Flucht vor Augen haben muss und nicht anerkannt wird. Mengele ist oft ein ängstlicher einsamer Mann, jedoch bevor man als Leser "Mitleid" mit ihm haben könnte, springt der Autor zurück in die Vergangenheit und erzählt über die Gräueltaten des damaligen Arztes. Selbst als untergetauchter Mann, der auf das Wohl seiner Freunde angewiesen ist, Familien, die ihm unbekannter Weise beherbergen, führt er sich zeitweise wie ein Despot auf. Immer wieder versucht er die Menschen in seinem Umkreis zu manipulieren und seine Überlegenheit auszuspielen.

Die Recherchearbeit des Autors ist bemerkenswert. Die Geschichte selbst ist nicht wirklich spannend geschrieben, sondern wirkt kühl und eher wie ein Sachbuch.

"Immer nach zwei oder drei Generationen, wenn das Gedächtnis verkümmert und die letzten Zeugen der vorherigen Massaker sterben, erlöscht die Vernunft, und die Menschen säen wieder das Böse. (S. 214)"

Diesen Satz möchte ich am Ende so stehen lassen, denn ich denke, dass er nicht weit hergeholt ist und leider ein sehr ungutes Gefühl im Magen verursacht.

Cover:

von links nach rechts:
Am ersten Cover im französischen Original sieht man ein Foto des Autors, danach folgt die italienische Ausgabe, die französische, die niederländische und die spanische.

Fazit:
Das Buch ist schwer einzuordenen. Es ist sachlich, und eher dokumentarisch mit kaum Dialogen. Auf jeden Fall ist es ein sehr wichtiges Buch, das aufzeigt, wie rücksichtslos und unbelehrbar Mengele und seine Nazifreunde waren. Lektüren wie diese sollten uns immer wieder aufzeigen, wie grausam der Mensch sein kann und dass diese Gräueltaten auch in Zukunft passieren können. #gegendasvergessen