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Veröffentlicht am 10.06.2019

Markerschütterndes Thema, das leider unzufriedenstellend in Romanform gegossen wurde.

Die Aussprache
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Nichtstun, bleiben und kämpfen oder gehen – das sind die Optionen, die die acht Frauen in Miriam Toews’ Roman “Die Aussprache” für sich und all die anderen Frauen in ihrer Gemeinschaft sehen. Denn in ihrer ...

Nichtstun, bleiben und kämpfen oder gehen – das sind die Optionen, die die acht Frauen in Miriam Toews’ Roman “Die Aussprache” für sich und all die anderen Frauen in ihrer Gemeinschaft sehen. Denn in ihrer Mennonitenkolonie in Bolivien gab es in jüngster Zeit immer wieder Vorfälle, die die Frauen und ihre Kinder nicht auf sich beruhen lassen wollen und dürfen: Blutverschmiert und schmerzerfüllt wachten die weiblichen Mitglieder der Gemeinde auf, selbst die kleinsten Mädchen. Der Grund dafür blieb zunächst im Verborgenen, denn die Frauen konnten sich an nichts erinnern. Bis sich eines Tages herausstellt, dass einige Männer der Kolonie die Frauen nachts mit Betäubungsmittel außer Gefecht setzten und sie immer und immer wieder, über mehrere Jahre hinweg aufs Schlimmste missbrauchten. Zwischen 2005 und 2009 gab es über dreihundert Opfer innerhalb der Kolonie, das jüngste war drei Jahre alt. Die Männer der Gemeinschaft wollten die Opfer allerdings glauben machen, dass Dämonen die Frauen für ihre Sünden heimsuchten oder gar ihre Fantasie mit ihnen durchginge. Schon während ich diese Zeilen schreibe, überzieht mich eine Gänsehaut, denn – man mag es sich überhaupt nicht vorstellen – diese Ereignisse fanden tatsächlich statt. Miriam Toews gibt diesen unfassbaren Vorfällen nun einen literarischen Rahmen und setzt die Frauen der Kolonie in ihrem Roman in eine Scheune, wo sie nach der fürchterlichen Offenbarung beraten, was sie nun tun sollen. Die Männer der Kolonie sind in der Stadt und stehen unter polizeilicher Verwahrung, sollen aber von einigen übrig gebliebenen Mitgliedern der Gemeinschaft gerade “freigekauft” werden – zumindest für die Dauer bis zur Anklage. Den Frauen bleiben also nur zwei Tage, bis ihre Peiniger wieder zurück im Dorf sind, um sich zu entscheiden, wie sie handeln sollen.

"Miep selbst versteht nicht, warum sie an bestimmten Stellen ihres kleinen Körpers Schmerzen hat oder dass sie eine Geschlechtskrankheit hat."

Bleiben, kämpfen oder gehen – die Optionen der Frauen der Mennonitenkolonie sind wahrhaftig nicht zahlreich. Die Männer lassen ihnen sogar nur eine Wahl aus zwei Möglichkeiten: den Männern verzeihen und bleiben oder den Männern nicht verzeihen und die Kolonie verlassen, wobei den Männern und wohlgemerkt auch ihnen das Leben nach dem Tod im Himmel versagt wird. Diese Option wird von einigen Frauen deshalb nicht akzeptiert, auch die Männer wünschen sich natürlich trotz ihrer Taten ihren Platz im Himmel. Wie absurd das ist, diskutieren die Frauen in der Scheune aufs Genaueste. Die lebhafte Diskussion der acht Frauen und die Entscheidungsfindung zieht sich durch das ganze Buch, wird an vielen Stellen allerdings durch Anekdoten sowie biblische Gleichnisse und Geschichten aufgebrochen. Dass die Frauen eigentlich keine Rechte innerhalb der Kolonie haben und lediglich “Gebärmaschinen” und Arbeitskräfte sind, wird schnell klar; viele der Frauen haben mehr als zehn Kinder. Keine der Frauen kann lesen und schreiben und auch Schulbildung wird ihnen untersagt. Einem Außenstehenden mag die Entscheidung möglicherweise leicht fallen, denn um nichts in der Welt würde man doch freiwillig an einem solchen Ort bleiben – doch die Frauen kennen nichts anderes und haben Angst, außerhalb der Gemeinde nicht zurechtzukommen mit der Welt, dem Fortschritt und der Gesellschaft. Und das macht den Grundgedanken von “Die Aussprache” so interessant: Tiefgläubige Frauen, die in einer mennonitischen Gemeinde aufgewachsen sind und ihr Leben lang nichts anderes gesehen haben als vielleicht das angrenzende Mennoniten-Dorf, müssen sich entscheiden zwischen den andauernden Gewalttaten an ihnen und ihren Kindern und der Ungewissheit, ob sie “draußen” in der Welt überhaupt einen Weg zum Überleben finden würden oder mit ihrem Nachwuchs Hunger leiden müssten.

Weiterlesen unter: https://killmonotony.de/buecher/rezension/miriam-toews-die-aussprache

Veröffentlicht am 10.06.2019

Spannender Abschluss der Reihe um Bücherjagden, Codes und Chiffren!

Mr Griswolds Bücherjagd
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“Mr Griswold Bücherjagd. Die Gefängnisinsel” ist der dritte und vielleicht auch letzte Band der wahnsinnig spaßigen Reihe um Emily und James, den Code- und Chiffrenfans in San Fransisco. Während es bei ...

“Mr Griswold Bücherjagd. Die Gefängnisinsel” ist der dritte und vielleicht auch letzte Band der wahnsinnig spaßigen Reihe um Emily und James, den Code- und Chiffrenfans in San Fransisco. Während es bei den ersten beiden Büchern der Reihe um reine Wörterpuzzle ging, findet die Handlung hier in einem Escape Room der Extraklasse statt, nämlich direkt auf der Gefängnisinsel Alcatraz! Mr Griswold hat wahrlich das spannendste Setting für sein letztes großes Rätsel-Abenteuer ausgewählt. Bevor unsere Rätselfreunde Emily und James jedoch an “Unlock the Rock” teilnehmen dürfen, müssen sie trotz ihrer Bekanntheit bei der Bücherjagd wie jeder andere Puzzlefreund auch ein personalisiertes Rätsel lösen. Während James dies ohne Probleme gelingt, hat Emily so ihre Schwierigkeiten mit ihrem Rätsel. Sie macht sich einen ungeheuren Druck und die plötzlich bei beiden eintrudelnden Drohbriefe machen es nicht gerade leichter…

»Keine Sorge. Andere Mütter haben auch schöne Bücher.«

Endlich ein neuer Griswold! – Das war so ungefähr meine Reaktion bei Erscheinen dieses Buches. Band 1 und 2 habe ich als alter Puzzle- und Code-Fan regelrecht verschlungen und es war klar wie Kloßbrühe, dass ich auch den dritten (und wohl auch abschließenden) Band der spannenden Reihe lesen werde. Die Protagonisten Emily und James sind uns nun also gut bekannt und wir konnten uns bereits umfangreich mit der Welt der Beiden auseinandersetzen. Doch diesmal nimmt die Autorin uns zwar wieder mit nach San Fransisco, allerdings auf die berühmte Gefängnisinsel Alcatraz. Ein neues Gebiet! Und auch hier gibt es zahlreiche Rätsel zu lösen. Bei den Vorgängern konnte man immer sehr gut miträtseln und selbst versuchen, die Codes zu knacken; das ist in “Die Gefängnisinsel” leider etwas schwieriger, da es sich hier um einen Escape Room handelt und der Leser sehr auf die Beschreibungen des Umfelds angewiesen ist. Klar passen Codes und Escape Rooms sehr gut zusammen, allerdings finde ich einen Escape Room in einem Roman etwas schwierig, da man als Leser ja nicht entscheiden kann, sich den Raum etwas genauer anzuschauen, um eventuelle Rätsel zu entdecken. Dahingehend finde ich die Umsetzung bei den expliziten Escape Room Büchern etwas gelungener. Die Rätsel, die man als Leser aber mitlösen darf und kann, sind gewohnt knackig, und bei einigen musste ich direkt weiterlesen, weil ich einfach nicht den zündenden Gedankensprung hatte, der mir die Lösung beschert hätte.

Weiterlesen auf: https://killmonotony.de/buecher/rezension/mr-griswolds-buecherjagd-das-grosse-finale-auf-der-gefaengnisinsel

Veröffentlicht am 20.05.2019

Emotionale Anekdoten für Tierliebhaber – oder die, die es noch werden wollen.

Einfach Mensch sein
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Bereits vor einiger Zeit sorgte Sy Montgomery mit ihrem Buch “Rendezvous mit einem Oktopus” für Aufsehen. Nun erschien ihr nächstes Werk, ein Memoir, im Diogenes Verlag. In “Einfach Mensch sein” blickt ...

Bereits vor einiger Zeit sorgte Sy Montgomery mit ihrem Buch “Rendezvous mit einem Oktopus” für Aufsehen. Nun erschien ihr nächstes Werk, ein Memoir, im Diogenes Verlag. In “Einfach Mensch sein” blickt Sy Montgomery auf ihr Leben zurück, das bunter nicht hätte sein können: Als Tierforscherin ist sie ständig auf Expeditionen unterwegs und hat so das Privileg, viele verschiedene Tierarten ganz genau und aus nächster Nähe kennenzulernen. Ihre Faszination zu unseren tierischen Zeitgenossen hat sie dabei bereits in ihrer Kindheit entdeckt, als der Hund ihrer Familie, Molly, ihr Vorbild ist und sie sich so sehr wünscht, wie sie zu sein. Der Wunsch, Eins mit den Tieren (unabhängig der Spezies) zu sein, treibt Sy Montgomery ihr Leben lang vorwärts und bringt sie dorthin, wo sie jetzt ist. In “Einfach Mensch sein” erzählt sie, welche Tiere sie in ihrem Leben am meisten berührt haben, mit welchen sie eine große Freundschaft verbunden hat und was wir als Menschen von der Tierwelt lernen können. Die Autorin hat dabei keine Angst oder Vorurteile gegenüber den verschiedenen Spezies (Stichwort: Spinnen), sondern begegnet ihnen immer auf Augenhöhe.

“Einfach Mensch sein” ist in 13, von wunderschönen Illustrationen begleiteten Kapiteln aufgeteilt, die jeweils eine schöne Anekdote zu dem jeweiligen Tier enthalten. Sy Montgomery geht dabei chronologisch vor und beginnt bei der oben bereits erwähnten Terrierhündin Molly, die ihr Ein und Alles ist. Die Autorin verbindet stets ein ganz besonderes Band mit den vorgestellten Tieren, das nicht nur als Bewunderung, sondern auf gegenseitiger Freundschaft zu beruhen scheint. Sie spricht beispielsweise davon, wie ihre verstorbene Collie-Hündin Tess ihr im Traum erscheint und sie so zu ihrer “Nachfolgerin” führt – sie hat einfach eine innige Beziehung zu “ihren” tierischen Freunden.

Und dann passierte etwas Magisches. Während ich sie so auf der Hand hielt, spürte ich eine Verbindung zu dieser Kreatur. Plötzlich war es nicht mehr eine wirklich große Spinne, sondern ein kleines Tier. […] Mich durchflutete eine Woge der Zärtlichkeit, während ich zusah, wie sie sachte, langsam und bedächtig über meine Haut wanderte.

Es gibt in diesen 13 Kapiteln einige, bei denen ich aus dem Staunen nicht herauskam, aber auch andere, bei denen ich vor Sy Montgomery meinen Hut ziehe. Zum Beispiel die Goliath-Vogelspinne Clarabelle. Während viele Menschen sich sicherlich vor lauter Angst und Ekel vor diesen Geschöpfen verschließen (ich bin da keine Ausnahme), fühlt sich Sy Montgomery auch mit diesem Tier sofort innig verbunden und hat Angst, dass Clarabelle sich verletzen oder zu Sturz kommen könnte, solange sie auf ihr herumkrabbelt. Diese tiefe Zärtlichkeit befällt die Autorin bei jedem Tier und das war als Leser wirklich wunderschön zu beobachten.

Mehr lesen: https://killmonotony.de/buecher/rezension/sy-montgomery-einfach-mensch-sein

Veröffentlicht am 24.04.2019

Hinter dem kryptischen Titel verbirgt sich ein charmanter, vor Witz sprühender Korea-Krimi mit liebevoll ausgearbeiteten Charakteren – ein Muss für Krimi-Fans!

Dein Schatten ist ein Montag
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Wer mich kennt, weiß, dass ich eigentlich keine Krimis lese. Dieses ewige Gesuche nach dem Whodunit, die ganzen Red Herrings und die Befragung von Verdächtigen finde ich äußerst ermüdend. Aber wenn ein ...

Wer mich kennt, weiß, dass ich eigentlich keine Krimis lese. Dieses ewige Gesuche nach dem Whodunit, die ganzen Red Herrings und die Befragung von Verdächtigen finde ich äußerst ermüdend. Aber wenn ein koreanischer Krimi im cass Verlag erscheint, ist das natürlich etwas anderes. Da lehne ich nicht kategorisch ab, sondern lese mich in Klappentext und Leseprobe ein und gebe dem Text eine Chance. Und die sollte das Buch mit dem kryptischen Titel „Dein Schatten ist ein Montag“ von Jung-hyuk Kim dann auch bekommen. Denn auch, wenn der Klappentext nach einem klassischen Krimi klingt, hat mich die sympathische und humorvolle Leseprobe dann doch abgeholt. Die Charaktere erschienen auf den ersten Blick quirky und abwechslungsreich, sodass ich doch noch ein wenig mehr lesen wollte. Gesagt, getan. Und obwohl mich die krimi-typische Handlung (ein Todesfall – oder doch ein Mord? Wer hätte dem Toten etwas tun wollen?) an einigen Stellen abgeschreckt hat, animierten mich die Charaktere immer wieder, das Buch nochmal in die Hand zu nehmen und weiterzulesen. Denn nicht nur ist Privatdetektiv Dongchi Gu ein wahnsinnig (unfreiwillig) komischer Zeitgenosse, seine Mitspieler in Form von Chan’il Park, Gihyon Baek oder Soyun Jong sind nicht weniger schrullig und liebenswert. Wer jetzt bei den Namen schon nicht mehr mitkommt, den kann ich beruhigen, denn die Klappbroschur des Buchs erlaubt es, dass vorn im Buch ein Personenverzeichnis ist, das bei Bedarf ausgeklappt werden kann und so stets zur Verfügung steht. Ohne es wäre auch ich ziemlich aufgeschmissen gewesen.

Aber nun ein paar Worte zum Inhalt! Wie der Klappentext bereits erwähnt, geht es um einen besonders kniffligen Fall Dongchi Gus. Denn als er das Tablet eines seiner Klienten ausfinden und den Inhalt vernichten soll, ist es nicht mehr da, sondern befindet sich mittlerweile in den Fingern von jemandem, der mit den Daten nichts Gutes plant… Gu muss sich beeilen, um das Netz aus Kriminellen und anderen merkwürdigen Gestalten rechtzeitig zu entwirren, bevor der fragliche Inhalt veröffentlicht wird.

»Irgendwie hinterlässt doch jeder Spuren, und diese Spuren spiegeln gewissermaßen das Wesen dieses Menschen. Ich möchte nicht als mieser, schmutziger Mensch in Erinnerung bleiben.«

Für einen Krimi-Muffel wie mich klingt das nun erst mal nicht allzu verlockend. Doch je tiefer man in die Geschichte eintaucht und sich mit den Charakteren, vor allem mit Gu, anfreundet, desto weniger möchte man nach der Lektüre eigentlich loslassen. Zu gern hätte ich noch mehr von Dongchi Gu und seiner Gegenspielerin Soyun Jong und den kleinen Streitigkeiten vom Eisenwarenhändler Baek und Cha, dem Leiter der Kampfkunstschule, gelesen. Ein Großteil der Handlung spielt sich im Crocodile Building ab, ein Gebäude, das seinen eigenen (unangenehmen) Geruch hat, der zu Beginn des Buchs ausführlich beschrieben wird. Jung-hyuk Kim legt bei seinem Krimi Wert auf Kleinigkeiten, Dialoge und natürlich seine Charaktere. Die kann ich gar nicht genug loben! Die Dialoge in „Dein Schatten ist ein Montag“ sind aber auch nicht zu verachten, denn sie sprühen vor Witz und Charme.

Weiterlesen: https://killmonotony.de/rezension/krimi-time-mit-dein-schatten-ist-ein-montag

Veröffentlicht am 10.03.2019

Schwacher Abschluss für eine bisher sehr starke Trilogie – Vanderbekes neuer Roman kann leider nicht überzeugen.

Alle, die vor uns da waren
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Birgit Vanderbekes „Wer dann noch lachen kann“ habe ich 2017 richtiggehend verschlungen, unwissend, dass es sich um den zweiten Band einer Trilogie handelt. Band eins wurde kurzerhand nachgekauft – und ...

Birgit Vanderbekes „Wer dann noch lachen kann“ habe ich 2017 richtiggehend verschlungen, unwissend, dass es sich um den zweiten Band einer Trilogie handelt. Band eins wurde kurzerhand nachgekauft – und stand ungelesen im Regal. Bis dann der Erscheinungstermin von Teil drei, „Alle, die vor uns da waren“, bekanntgegeben wurde. Und so las ich im Februar die beiden vorangehenden Bücher von Vanderbekes autobiographisch angehauchten Romanen, also „Ich freue mich, dass ich geboren bin“ (1) und „Wer dann noch lachen kann“ (2) – letzteren zum zweiten Mal. Und erneut begeisterte mich Birgit Vanderbeke mit ihrer speziellen Erzählsprache und der emotionalen Geschichte. Band drei konnte kommen! Und obwohl mich der Klappentext dann doch nicht so ansprechen konnte, wollte ich doch diese Trilogie beenden, deren erste zwei Bücher mich so begeistert haben. Doch leider entpuppte sich „Alle, die vor uns da waren“ als Enttäuschung, die nach zwei großartigen Büchern einen faden Nachgeschmack hinterließ.

"Eine Sache ist nicht beendet und aus der Welt, bloß weil niemand darüber spricht. Bloß weil die Leute sich selbst Amnestie und Absolution erteilen, bis sie vor Selbstgerechtigkeit kaum mehr laufen können. Es sind immer die, die nach uns kommen, die dafür bezahlen müssen."

Es geht um unsere aus den zwei vorangehenden Bänden bereits bekannte Protagonistin, die bekanntermaßen keine angenehme Kindheit hatte. Und obwohl sie dies stets als „kleines Pech“ abtut, verfolgen sie die Geschehnisse von damals bis in ihr Erwachsenenalter. Wir treffen Karline und ihren Mann Gianni, die einen Sohn haben, der auch bereits eine eigene Familie gegründet hat. Das Ehepaar macht sich auf den Weg nach Irland zum Urlaub, in das Haus der Familie Böll. Dass sich das Dörfchen auf der Insel mitten im Nirgendwo befindet und die beiden komplett abgeschnitten von der Außenwelt sein würden, trifft Karline und Gianni unerwartet. Dennoch versuchen sie, das beste aus der Situation zu machen, indem sie über die Vergangenheit sinnieren, im Böll-Haus herumstöbern und die Ortschaft erkunden. Karline beschäftigt sich mit den Geschichten ihrer Großmutter und der Zeit, bevor sie und ihre Familie vom Auffanglagern im Osten ins „Schlaraffenland“, den Westen umgezogen sind. Hier lockte der Konsum, Lebensmittelknappheit war kein Problem mehr und man konnte sich alles leisten, was man will. Doch so schön es auch gewesen sein mag, litt Karline unter ihrem Vater, der sie häufig windelweich prügelte, da sie ungeschickt war und Dinge öfters mal zu Bruch gingen. So weit die Prämisse.

Dieser Teil des Buchs hat mir sehr gut gefallen, doch mit den Geschichten aus dem Lager und denen der noch weiter zurückliegenden Vergangenheit konnte ich mich nicht so richtig anfreunden. Viel lieber hätte ich noch mehr aus Karlines Leben gehört. Die Szenen in Irland haben sich ein wenig im Kreis gedreht, da Gianni und sie nur begrenzte Möglichkeiten vor Ort hatten. Die Überlegungen Karlines, was die Nachwelt angeht, der Zukunft, in der ihr Sohn und seine Kinder leben müssen, fand ich hingegen sehr spannend. Sie beschäftigt sich mit Gedanken zur Umweltverschmutzung und Nachhaltigkeit, die ihrer Meinung nach viel zu spät die breite Masse erreicht haben:

"Inzwischen wissen wir, dass es mit dieser Zukunft vorbei ist und alle Kinder von dieser vergewaltigten und geschundenen Erde von Glück sagen können, wenn sie sie überleben."

Fazit: Mit dem abschließenden Band ihrer Roman-Trilogie legt Birgit Vanderbeke auch zugleich den schwächsten Roman vor. Auch, wenn mir die bekannte Erzählsprache wieder sehr gefallen hat, haben mich die Geschichten der Vergangenheit von Karlines Großmutter wenig berührt. Die Handlung auf der Insel drehte sich im Kreis und lediglich ein Teil des großen Ganzen konnte mich wirklich begeistern. Leider war ich nach der Lektüre sehr enttäuscht; die gesamte Reihe hat dank des letzten Buchs einen faden Nachgeschmack gewonnen.