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Veröffentlicht am 22.02.2020

Aus dem Alltag ganz gewöhnlicher Menschen

Die langen Abende
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In diesem Roman taucht Olive Kitteridge auf, die schon in früheren Büchern (die man aber nicht zwingend zuvor gelesen haben muss) der Autorin („Mit Blick aufs Meer“) eine wichtige Romanfigur war. Olive ...

In diesem Roman taucht Olive Kitteridge auf, die schon in früheren Büchern (die man aber nicht zwingend zuvor gelesen haben muss) der Autorin („Mit Blick aufs Meer“) eine wichtige Romanfigur war. Olive wohnt in der amerikanischen Kleinstadt Crosby in Maine und ist pensionierte Mathelehrerin. In Crosby ist nicht viel los. Es spielen sich dort aber wahre Lebensdramen ab, die die Autorin uns recht beschaulich erzählt. Wir erhalten kurze Einblicke in das Leben anderer Bewohner, die in Interaktion zu Olive treten, die so zum durchlaufenden roten Faden wird. Das Faszinierende an der Geschichte ist gerade die Person von Olive. Sie ist sehr merkwürdig, spricht wie es ihr gerade in den Sinn kommt, kann oft verletzend und brutal ehrlich sein. Aber sie hat auch ein goldenes Herz. Es werden vielfältige Themen angesprochen wie Altwerden, Alkoholismus, Untreue, Einsamkeit und Isolation. Vieles ist sehr traurig und in melancholischem Tonfall geschrieben. Doch schwebt über allem Hoffnung, weil es Olive wachsen und sich positiv entwickeln lässt. Ganz gewöhnliche Vorkommnisse, die den Alltag gewöhnlicher Menschen ausmachen, gestaltet die Autorin durch ihre besondere Erzählweise interessant. Am meisten haben mir die Passagen gefallen, in denen es um Olive selbst geht. Auf einige hätte vielleicht auch verzichtet werden können.
Wer Familiengeschichten mag, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen.

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Veröffentlicht am 21.02.2020

Spannend mit unerwarteten Wendungen

Das Gerücht
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Weder Krimi noch Thriller, aber ein äußerst spannender Roman.

Die Geschichte ist angesiedelt in einer kleinen englischen Küstenstadt. Dort, wo auch ihre Mutter lebt, hat sich vor kurzem die allein erziehende ...

Weder Krimi noch Thriller, aber ein äußerst spannender Roman.

Die Geschichte ist angesiedelt in einer kleinen englischen Küstenstadt. Dort, wo auch ihre Mutter lebt, hat sich vor kurzem die allein erziehende Joanna mit ihrem kleinen Sohn niedergelassen. Um Anschluss in der kleinstädtischen Gemeinschaft zu finden, beteiligt sie sich an dem allgemeinen Tratsch ohne Rücksicht, ob was dran ist. Joanna hat von einem Gerücht gehört, wonach eine Kindermörderin mit einer neuen Identität in dem Ort leben soll. Ohne an die Folgen zu denken, befeuert sie das Gehörte mit Fakten, die ihr befreundeter Journalist ihr mitgeteilt hat. Das Gerücht beginnt sich zu verselbständigen und rasch stehen einige Frauen aus dem Ort in dem Verdacht, die Mörderin von einst zu sein. Für Joanna kommt es aber noch schlimmer, da sie sich selbst und ihren Sohn bald Drohungen aus den sozialen Medien ausgesetzt sieht. Am Ende klären sich die Umstände um das Tötungsdelikt von vor über 50 Jahren und die seinerzeitige Täterin völlig unvermutet auf. Bis dahin ist viel Gelegenheit, selbst Vermutungen zu entwickeln, die dann irgendwann wieder zu revidieren sind. Auf jeden Fall bleibt es spannend bis zum Schluss. Die Autorin stellt in gelungener Weise dar, welche Kraft Gerüchte haben können und welchen Schaden sie anrichten können, besonders im kleinstädtischen Bereich. Nur ihr Grundansatz ist vielleicht etwas wirklichkeitsfern – ein zehnjähriges Mädchen, das unter dem Verdacht eines Tötungsdelikts steht, ist schlichtweg strafunmündig und ihre Tat dürfte wohl nicht über Jahrzehnte hinweg in der Bevölkerung präsent sein.

Ein beachtlicher Debütroman.

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Veröffentlicht am 11.02.2020

Folgen eines traumatischen Kindheitserlebnisses

Das Vermächtnis unsrer Väter
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Das Thema ist leider immer mal wieder aktuell – ein Familienangehöriger tötet zu Hause Angehörige und anschließend sich selbst. Doch welche Folgen hat es, wenn ein Kind als einziges überlebt und mit diesem ...

Das Thema ist leider immer mal wieder aktuell – ein Familienangehöriger tötet zu Hause Angehörige und anschließend sich selbst. Doch welche Folgen hat es, wenn ein Kind als einziges überlebt und mit diesem Trauma sein Leben fortführen muss, sich sogar mitschuldig fühlt? Diesen Fragen geht die Autorin am Beispiel von Tommy nach, dessen Familie vom eigenen Vater ausgelöscht wurde, als er acht Jahre alt war. Zwanzig Jahre später kehrt er an den Ort des Geschehens auf einer winzigen schottischen Insel zurück, wo ihm die Bewohner und sein Onkel aus unterschiedlichen Gründen reserviert gegenübertreten.
Allein die atmosphärische Darstellung von Tommys bedrückender Vergangenheit vor dem passend gewählten Hintergrund einer rauen schottischen Insel ist der Autorin gut gelungen. Der Leser wird angeleitet, sich mit verschiedenen möglichen Erklärungen des früheren Verbrechens auseinanderzusetzen – war es eine spontane Tat; liegt die kriminelle Veranlagung in der Familie begründet, weil auch schon Tommys Großvater gewalttätig gegenüber Frau und Kindern war; wieviel Mitschuld tragen die Personen aus dem Umfeld, hätten sie Vorzeichen erkennen und die Tat verhindern können? Die Romanfiguren sind allesamt psychologisch interessant. Der Protagonist Tommy ist gut dargestellt. Es wird gelungen herausgearbeitet, dass ein solch traumatisches Kindheitserlebnis einen Menschen ein Leben lang verfolgt und belastet.
Für Leser von psychologischen Spannungsromanen.

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Veröffentlicht am 03.02.2020

Gemeinsame Trauerbewältigung von Mensch und Tier

Der Freund
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Worum es in dem Buch geht, ist rasch erzählt, denn eine eigentliche Handlung gibt es nicht. Nach dem Selbstmord ihres langjährigen besten Freundes, Schriftsteller und Literaturdozent wie sie, erfüllt die ...

Worum es in dem Buch geht, ist rasch erzählt, denn eine eigentliche Handlung gibt es nicht. Nach dem Selbstmord ihres langjährigen besten Freundes, Schriftsteller und Literaturdozent wie sie, erfüllt die namenlos bleibende Ich-Erzählerin seinen letzten Wunsch und nimmt eher unwillig dessen riesige, altersschwache dänische Dogge in ihrer winzigen New Yorker Wohnung auf, in der Hundehaltung gar nicht erlaubt ist. Allmählich wird aus der Zweckgemeinschaft eine schöne Mensch-Tier-Freundschaft, die beiden ihre Trauer um den lieben Verstorbenen zu bewältigen hilft.
Das Buch ist ein wahres Goldstück für Literaturfreunde, denn die Erzählerin sinniert sehr viel über berühmte Weltliteraten und den Beruf des Schriftstellers, außerdem über das Verhältnis zwischen Mensch und Tier sowie den Selbstmord. Das alles dominiert sogar, während die Begebenheiten mit dem Hund aus dem Alltagsleben im Hintergrund bleiben, zuweilen durchaus mit humorvollen Tönen (hier denke ich etwa an die List, mit der die Erzählerin der Kündigung ihrer Wohnung entgeht). Ein besonderer Clou ist dann ziemlich am Ende eingebaut, der einen daran zweifeln lässt, ob das bisher Gelesene, immerhin gerichtet in direkter Ansprache des verstorbenen Mentors, tatsächlich die Monate im Leben der Erzählerin nach dem Tod ihres Freundes wiedergibt oder reine dichterische Fiktion ist.
Wer besondere Bücher mag und literaturaffin ist, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

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Veröffentlicht am 30.01.2020

Aufden Spuren der Familiengeschichte

Geteilt durch zwei
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Für Mutter-Tochter-Schwester-Geschichten scheint die Autorin ein Faible zu haben. Nach „Schwestern bleiben wir immer“ und „Töchter wie wir“ nun das vorliegende Buch, in dem die Protagonistin durch Zufall ...

Für Mutter-Tochter-Schwester-Geschichten scheint die Autorin ein Faible zu haben. Nach „Schwestern bleiben wir immer“ und „Töchter wie wir“ nun das vorliegende Buch, in dem die Protagonistin durch Zufall erfährt, eine Zwillingsschwester zu haben, von der sie als Kleinkind durch Adoption getrennt wurde. Anlass für sie beide, ihre Herkunft zu erforschen. Das Ergebnis stellt die Grundfesten ihres Lebens in Frage.
Die Geschichte um die Schwestern und ihre Vergangenheit ist sehr berührend und es ist sehr spannend, nach und nach zum Kern der Wahrheit vorzudringen, zumal die Personen in ihrem persönlichen Umfeld lange Zeit mauern. Abwechslung beim Lesen bringt, dass verschiedene involvierte Personen zur Sprache kommen. Die beiden Protagonistinnen und ihr Leid sind gut herausgearbeitet, wenngleich sie nicht unbedingt Sympathieträger sind.
Wer Familiengeschichten mag, ist mit diesem Buch gut bedient.

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