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Veröffentlicht am 06.07.2020

Der soziale Abstieg eines Paares

Die Glücklichen
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Anhand des Ehepaares Isabell und Georg wird aufgezeigt, dass die in einem angesagten Viertel Hamburgs wohnenden Leute nicht unbedingt erfolgreich und finanziell abgesichert leben, eben glücklicher als ...

Anhand des Ehepaares Isabell und Georg wird aufgezeigt, dass die in einem angesagten Viertel Hamburgs wohnenden Leute nicht unbedingt erfolgreich und finanziell abgesichert leben, eben glücklicher als die anderen. Sie hat es bis zur Cellistin in einem Musical-Theater geschafft, er bis zum Zeitungsredakteur. Kleinkind Matti perfektioniert ihr Glück. Ihr Leben gerät in eine Krise, als sie aufgrund von Auftrittsängsten nicht mehr Cello spielen kann und ihr Engagement verliert und seine Zeitung verkauft und er entlassen wird. Sie geraten in Existenzängste. Statt näher zusammenzurücken, reagieren sie völlig unterschiedlich und reden nicht miteinander, wodurch die Familie zu zerbrechen droht. Sehr trefflich wird dargestellt, was die speziellen Probleme der Generation der 40jährigen sind, die einen hohen Anspruch an sich selbst stellen, der in einer Krisensituation nicht bedient werden kann. Sehr schön sind die Perspektivwechsel der beiden Protagonisten, die dem Leser all das Wissen vermitteln, das Isabell und Georg eigentlich gemeinsam erörtern sollten. Am Ende weckt dann ein besonderes Vorkommnis innerhalb der Familie die beiden aus ihrer Lethargie und zeigt ihnen einen künftigen Weg auf.

Ein sehr empfehlenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 04.07.2020

Ein philosophierender Protagonist

Genau richtig
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Der Geschichte ist anzumerken, dass ihr Verfasser Philosophie studiert hat und lange Philosophielehrer war. Denn der Protagonist Albert denkt über große Fragen nach. Er hat gerade erfahren, unheilbar erkrankt ...

Der Geschichte ist anzumerken, dass ihr Verfasser Philosophie studiert hat und lange Philosophielehrer war. Denn der Protagonist Albert denkt über große Fragen nach. Er hat gerade erfahren, unheilbar erkrankt zu sein und schon bald zum Pflegefall zu werden. Um seinem Leben ein Ende zu setzen, begibt er sich in die einsam gelegene Hütte der Familie an einem Waldsee, wo er noch einmal über sein Leben nachdenkt und sich ausführlich mit der Frage befasst, ob die Erde der einzige bewohnte Planet im Weltraum ist und ob der Mensch allein ist.
Das kurze Buch ist schnell gelesen. Spannend bleibt, ob Albert seinen Suizidplan in die Wirklichkeit umsetzt. Das Ende hat eine Überraschung parat.

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Veröffentlicht am 01.07.2020

Eine beeindruckende Protagonistin mit einem tragischen Familienschicksal

Die Marschallin
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Wer etwas bewandert ist in der Ideologie des Kommunismus, vor allem seiner Ausgestaltung in Italien und dem ehemaligen Jugoslawien in der Zeitspanne zwischen Ende des Ersten Weltkriegs und Ende der 1940er ...

Wer etwas bewandert ist in der Ideologie des Kommunismus, vor allem seiner Ausgestaltung in Italien und dem ehemaligen Jugoslawien in der Zeitspanne zwischen Ende des Ersten Weltkriegs und Ende der 1940er Jahre, sowie dem Faschismus unter Mussolini, dem fällt es sicherlich leichter, diesen anspruchsvollen, biografischen Roman zu lesen. Alle anderen – wie auch ich – sollten während der Lektüre des besseren Verständnisses wegen den ein oder anderen Namen oder Ereignis „googeln“. Für alle Leser erschließt sich aber sehr schnell, das die slowenische Protagonistin Zora Del Buono (die Großmutter der Autorin) eine ganz besondere, zutiefst beeindruckende Person ist – mit ihrem süditalienischen Ehemann, einem renommierten Radiologen, ein feudales, großbürgerliches Leben in Italien führend und dennoch völlig dem Kommunismus verhaftet, mit Marschall Tito als großem Vorbild. Bezeichnend ist für Zora, dass sie eigensinnig ist und in ihrer verzweigten Familie das Regime führt und über Ehemann, Söhne, Brüder, Schwiegertöchter „herrscht“, weshalb sie die Marschallin genannt wird. Die manchmal anekdotenähnlichen familiären Ereignisse habe ich am liebsten gelesen, ebenso wie den erst auf S. 317 beginnenden zweiten Hauptteil, in dem Zora in der Gegenwart im Jahr 1980 in ihren Achtzigern verarmt und körperlich angeschlagen in einem jugoslawischen Altenheim lebt und ihr Schicksal sowie das ihrer Familie resümiert. Der erste Hauptteil umfasst die Jahre 1919 bis 1948 und spielt jeweils mit einigen Jahren Abstand an wechselnden Orten in Italien und Jugoslawien, aus der Perspektive unterschiedlicher Personen dargestellt. Hier geht es eigentlich immer um kleinere Szenen, die gerade so viel offen legen, dass sich die großen Zusammenhänge dennoch erschließen.
Ein wirklich lesenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 28.06.2020

Düstere Familiengeschichte

Vaters Wort und Mutters Liebe
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Meine Vorbehalte Romanen nordischer Autoren gegenüber haben sich wieder einmal bestätigt. Zu düster wirkt diese Familiengeschichte auf mich, was ich nach dem Klappentext nicht erwartet hatte. Das fängt ...

Meine Vorbehalte Romanen nordischer Autoren gegenüber haben sich wieder einmal bestätigt. Zu düster wirkt diese Familiengeschichte auf mich, was ich nach dem Klappentext nicht erwartet hatte. Das fängt schon mit der Gegend an, in der die Geschichte im Wesentlichen angesiedelt ist – dem von Wald beherrschten Tornedal im Norden Finnlands. Die vierzehn (!) wichtigsten Romanfiguren setzen dann meinen Eindruck fort. Sie alle gehören zur Großfamilie Toimi und nach und nach lernen wir sie alle kennen. Jeder von ihnen ist auf eine Weise gestört. Da kommen dann schon einmal Dinge zur Sprache, die man in einem Unterhaltungsroman gar nicht so gerne lesen will. Merkwürdigerweise erkenne ich die Eigenschaften von Vater und Mutter, mit denen sie im Klappentext bedacht werden, an beiden nicht wieder – der Vater soll herrisch sein, was sich allenfalls in Andeutungen nachvollziehen lässt; bis auf einen von ihm verfassten längeren Brief tritt er ohnehin nicht selbst in Erscheinung; die Mutter soll sanftmütig sein und ihre Kinder lieben, allerdings macht sie große Abstufungen zwischen den einzelnen Kindern. Immerhin lassen sich alle Personen gut auseinanderhalten, ein beigefügtes Lesezeichen mit prägnanten Personenbeschreibungen tut hier noch ein Übriges. Sehr unrealistisch sehe ich den zeitlichen Ablauf der Geschichte. Sie beginnt – abgesehen von einigen Rückblenden auf die Herkunft der Eltern - kurz vor Weihnachten 1981 und dauert bis etwa Juli 1982. In diesem nur wenige Monate umfassenden Zeitraum überstürzen sich die Ereignisse: Die stets diesbezüglich abgeneigt gewesene Mutter entschließt sich zur Scheidung, die auch stante pedes vollzogen wird, kauft und bezieht ein neues Haus, lernt einen neuen Mann fürs Leben kennen, lässt sich der älteste Sohn den Hof vom Vater verschreiben und baut auf dem Grundstück ein neues Haus und ja, kommt einer aus der Familie ums Leben. Mehr zum letzten Aspekt will ich nicht verraten, allein nur so viel, dass er allein mich dazu gebracht hat, das sehr ausschweifende Buch bis zum Ende zu lesen, weil ich wissen wollte, was passiert ist. Ob es sich dabei wirklich um Mord handelt, wie es bereits im ersten Satz des Prologs heißt, wird jeder am Ende selbst zu beurteilen haben. Ein letzter Kritikpunkt betrifft die Sprache. Warum werden in einem schwedisch/finnischen Roman immer wieder flapsige englischsprachige Ausdrücke eingearbeitet, z.B. up to no good, keep on swimming, access denied)?

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Veröffentlicht am 22.06.2020

Liebe in mehreren Facetten

Lempi, das heißt Liebe
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Dieser Roman ist ein Liebesroman einer ganz besonderen Art.
Im Mittelpunkt steht die Finnin Lempi, deren Name übersetzt Liebe bedeutet. Von Anfang an wissen wir, dass sie nicht mehr am Leben ist. Drei ...

Dieser Roman ist ein Liebesroman einer ganz besonderen Art.
Im Mittelpunkt steht die Finnin Lempi, deren Name übersetzt Liebe bedeutet. Von Anfang an wissen wir, dass sie nicht mehr am Leben ist. Drei Personen aus ihrem Umfeld erzählen in direkt an sie gerichteter Ansprache von ihrer Beziehung zu ihr.
Im ersten Teil kommt der Bauer Viljami zu Wort. Für ihn war die gebildete und aus einer Kaufmannsfamilie abstammende Lempi die Liebe seines Lebens und er hat sie sehr überstürzt geheiratet und zu sich auf den Hof geholt. Nur wenige gemeinsame Monate waren ihnen vergönnt, bis er als Soldat im Zweiten Weltkrieg einberufen wird. Ihm wird dann zugetragen, dass Lempi mit einem Deutschen fortgegangen sein und verstorben sein soll. Nach seiner Rückkehr auf den Hof ist er voll der Trauer und des Unverständnisses.
Es schließt sich die Sicht der Magd Elli an, die voller Missgunst gegenüber der von ihr für unpraktisch veranlagt und versnobbt gehaltenen Lempi ist und die selbst gerne die Rolle der Bäurin an Viljamis Seite hätte. Sie streut Gerüchte und hat mit Lempis Verschwinden zu tun.
Als letztes erzählt Lempis Zwillingsschwester Sisko über ihre innige Beziehung zueinander und ebenso über ihr eigenes schweres Los. Sie geht mit einem deutschen Wehrmachtsoffizier nach Deutschland, wird dort aber sitzen gelassen. Zurück in ihrer Heimat Finnland gilt sie lange Jahre als Landesverräterin und Hure und wird diskriminiert. Sie richtet ihr Leben so aus, wie sie meint, es Lempi schuldig zu sein.
Alle drei Perspektiven fügen sich zu einem Ganzen, wenngleich viele Fragen nicht abschließend beantwortet werden und manches vage bleibt. Sprachlich ist in jedem Teil ein anderer Stil vorzufinden, passend zum jeweiligen Erzähler. Viljamis Teil ist sehr gefühlvoll geschrieben, Ellis schlicht und wütend, Siskos eher sachlich. Für mich selbst war die Geschichte geschichtlich sehr lehrreich, weil mir die Rolle Finnlands und sein Verhältnis zu Deutschland im Zweiten Weltkrieg bislang nicht so bewusst waren.


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