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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.05.2020

Nichts für Zartbesaitete

Das wirkliche Leben
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„Wunderschön und gleichzeitig furchterregend hässlich“ – mit solch einer gegensätzlichen Beschreibung des Buchs warten bekannte Kritiker in ihren Bewertungen auf Buchrücken und -innenseiten auf. Doch ist ...

„Wunderschön und gleichzeitig furchterregend hässlich“ – mit solch einer gegensätzlichen Beschreibung des Buchs warten bekannte Kritiker in ihren Bewertungen auf Buchrücken und -innenseiten auf. Doch ist das überhaupt möglich angesichts der Thematik um einen sadistischen, gewalttätigen Familienvater? Meine Antwort lautet ja.
Für die namenlos bleibende Ich-Erzählerin und ihren kleinen Bruder gehört Gewalt zum häuslichen Alltag. Ihr Vater ist ein brutaler Sadist, der außer fernsehen und Whisky den Rausch der Jagd liebt. Auf seine Kosten kommt er meistens zu Hause zu Lasten seiner Ehefrau, die als unscheinbare Amöbe beschrieben wird und schon lange resigniert hat. Das Mädchen setzt alles daran, damit wenigstens der Bruder sein Lächeln zurückgewinnt, das er durch ein traumatisches Erlebnis außerhalb der Familie verloren hat.
Das Buch ist nichts für Zartbesaitete. Viele Passagen sind roh und unheimlich, seien es die Gewaltszenen zum Nachteil von Mensch und Tier oder die Beschreibungen der ausgestopften Jagdtrophäen im sog. Kadaverzimmer des Vaters. Doch genau so geht es ja leider viel zu oft im wirklichen Leben zu. Und das zu beschreiben ist der Autorin bestens gelungen. Genauso lobenswert ist, wie sie am Beispiel der jungen Erzählerin einen Hoffnung und Vorbild gebenden Ausweg aus der häuslichen Gewaltspirale aufzeigt. Das Mädchen will sich nämlich nicht in die Rolle der duldsamen Frau fügen und eignet sich wissbegierig naturwissenschaftliche Bildung an, was ihr erlauben soll, die häusliche Misere eines Tages zu verlassen.

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Veröffentlicht am 02.05.2020

Historisch interessante Familiengeschichte

Margos Töchter
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In dieser Fortsetzung des Romans „Ab heute heiße ich Margo“ aus dem Jahr 2016, die sich durchaus selbständig lesen lässt, geht es um die Nachfahren der früheren Protagonistinnen Margo und Helene, insbesondere ...

In dieser Fortsetzung des Romans „Ab heute heiße ich Margo“ aus dem Jahr 2016, die sich durchaus selbständig lesen lässt, geht es um die Nachfahren der früheren Protagonistinnen Margo und Helene, insbesondere die Töchter- und Enkelingeneration. Hier gibt es eine überraschende und interessante Verknüpfung, der Margos Enkelin durch Nachforschungen auf die Spur kommt. Eingebettet in diese Familiengeschichte sind bedeutende gesellschaftspolitische Ereignisse seit den 1970er Jahren wie RAF-Terrorismus, Blumenkinder, Studentenbewegung, atomare Gefahren, Wiedervereinigung. Wirklich betroffen macht zu lesen, welches Ausmaß der Einfluss der Stasi auf das Leben der Bürger in West- und Ostdeutschland hatte. Das Buch zeichnet sich durch viel geschichtliches und politisches Hintergrundwissen aus. Immer ist die Geschichte klar durchstrukturiert, so dass der rote Faden nicht verloren geht. Dies erfolgt durch Aufgliederung in drei Teile, in denen jeweils eine andere Romanfigur im Vordergrund steht.

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Veröffentlicht am 23.04.2020

Ungewöhnliche Dreiecksliebesgeschichte

Léon und Louise
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Der Enkelsohn des Protagonisten Léon erzählt anlässlich der Trauerfeier seines Großvaters dessen ungewöhnliche Liebesgeschichte mit der weiteren Protagonistin Louise. Beide lernen sich als junge Leute ...

Der Enkelsohn des Protagonisten Léon erzählt anlässlich der Trauerfeier seines Großvaters dessen ungewöhnliche Liebesgeschichte mit der weiteren Protagonistin Louise. Beide lernen sich als junge Leute während des Ersten Weltkriegs in einem kleinen französischen Dorf kennen und lieben. Nach einem Flugzeugangriff halten sie den jeweils anderen für tot. Erst zehn Jahre später treffen sie sich zufällig in Paris wieder. Léon ist inzwischen verheiratet und mehrfacher Familienvater. Sie versprechen sich aus dem Weg zu gehen, Louise bleibt aber immer in Léons Kopf. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kommt es zu regelmäßigen Treffen, von denen Léons Frau weiß und die von dieser geduldet werden. Erst nach dem Tod der Ehefrau viele Jahre später kommen sie endgültig zusammen.
Es ist eine sehr ungewöhnliche, überhaupt nicht kitschige Liebesgeschichte, in der die beiden Weltkriege eine besondere Rolle spielen, vor allem die Betroffenheit Frankreichs. Die beiden Liebenden sind sehr unterschiedliche Charaktere und recht besonders. Auch die betrogene Ehefrau nimmt eine ungewöhnliche Position ein, ist sie doch zufrieden mit ihrem Leben und der Zweckgemeinschaft mit Léon. Sehr gefällig sind die einfache Sprache und die zumeist alltäglichen Ereignisse, von denen der Autor erzählt. Etwas wird der an sich durchweg positive Eindruck des Buches durch gelegentliche Längen geschmälert.

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Veröffentlicht am 21.04.2020

Eine warmherzige Vater-Sohn-Geschichte

Pandatage
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Vater Danny und Sohn Will trauern um die ein Jahr zuvor tödlich verunfallte Mutter. Statt dass das Unglück sie zusammenschweißt, sind sie einander fremd und kann Danny nicht zu Will vordringen. Letzterer ...


Vater Danny und Sohn Will trauern um die ein Jahr zuvor tödlich verunfallte Mutter. Statt dass das Unglück sie zusammenschweißt, sind sie einander fremd und kann Danny nicht zu Will vordringen. Letzterer spricht kein Wort mehr. Danny wird arbeitslos, sein gewalttätiger Vermieter treibt unbarmherzig die Mietschulden ein. In seiner Not verdingt sich Danny mehr schlecht als recht in der Verkleidung eines tanzenden Pandabären als Straßenkünstler. Als solcher hilft er seinem Sohn unerkannt aus der Patsche und Will beginnt mit dem Bären vertrauensvoll zu reden, bis er seinem Vater auf die Schliche kommt und sich verraten fühlt.
Der tragische Hintergrund der Geschichte bleibt eigentlich völlig außen vor. Denn es kommt zu so vielen komischen Situationen, dass es wirklich Spaß macht, das Buch zu lesen. Die Dialoge zwischen den verschiedenen fast durchgängig sympathischen Romanfiguren, mit denen es das Leben nicht immer gut gemeint hat, sind oft witzig. Neben der Trauerbewältigung greift der Autor weitere schwierige Themen auf wie die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in England oder das Mobbing unter Schulkindern.
Ein gelungener Debütroman.

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Veröffentlicht am 19.04.2020

Ein schlimmer Verdacht gegenüber einer Patchworkfamilie

Wir holen alles nach
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Die Konstellation, in der sich die Protagonisten-Familie dieses Romans befindet, ist heutzutage so typisch und viele Leser(innen) werden sich in ihr wiederfinden, was ihn so lesenswert macht.
Mutter Sina ...

Die Konstellation, in der sich die Protagonisten-Familie dieses Romans befindet, ist heutzutage so typisch und viele Leser(innen) werden sich in ihr wiederfinden, was ihn so lesenswert macht.
Mutter Sina ist seit ihrer Scheidung allein erziehend und bewältigt den alltäglichen Spagat mit ihrem achtjährigen Sohn Elvis. Dann scheint endlich alles etwas einfacher zu werden, weil sie in Torsten einen sie unterstützenden Partner findet. Bald aber findet Nachhilfelehrerin Ellen Anzeichen bei Elvis, der sie Schlimmes vermuten lassen und es wird eine Lawine in Gang gesetzt, der den Bestand der kleinen Familie bedroht …
Die Geschichte ist in schönem Schreibstil gehalten. Auffällig ist, dass die Autorin oftmals nur Andeutungen über Personen und Geschehnisse macht, die entweder erst später näher ausgeführt werden oder gänzlich der Vorstellungskraft des Lesers vorbehalten bleiben. Die Romanfiguren werden gelungen charakterisiert und es werden zahlreiche aktuelle gesellschaftliche Probleme eingearbeitet, mit denen sie konfrontiert sind – etwa die Alltagsprobleme allein Erziehender, Altersarmut der Bezieher kleiner Renten, Mietpreisexplosion, schulischer Druck auf Grundschulkinder. Die konkreten Ereignisse im Leben der im Fokus stehenden Familie stimmen nachdenklich und veranlassen zu Überlegungen dahin, ob Ellens aktives Verhalten richtig war oder ob sie sich als Außenstehende nicht besser hätte zurückhalten sollen. Schön sind die Schilderungen zur Freundschaft zwischen Kind und älterer Dame sowie zwischen Kind und Hund.
Das Buch erhält von mir eine Leseempfehlung.

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