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Veröffentlicht am 11.04.2019

Spieglein

Winterkind
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Sehnsüchtig wartet Blanka von Rapp darauf, dass ihre kleine Tochter Johanna, ihr Mann und das Kindermädchen Sophie zurückkehren. Seit langem schon kann Blanka das Haus nicht mehr verlassen und so konnte ...

Sehnsüchtig wartet Blanka von Rapp darauf, dass ihre kleine Tochter Johanna, ihr Mann und das Kindermädchen Sophie zurückkehren. Seit langem schon kann Blanka das Haus nicht mehr verlassen und so konnte sie nicht einmal der Bestattung ihrer Mutter beiwohnen. Es ist kalt, es ist Winter. Endlich kommen sie und sie bringen das einzige Erbe, einen Spiegel. Obwohl Blanka erfreut ist, dass ihre Familie endlich um sie vereint ist, herrscht doch eine gedrückte Stimmung. Und bald schon muss ihr Mann wieder fort. Der Zahltag für die Arbeiter der Glashütte naht und noch steht das Geld nicht parat.

Ein Winterroman, den man lieber in der helleren Jahreszeit liest. Zu düster ist die Stimmung, die verbreitet wird. Es steht nicht gut um die Familie von Rapp, sowohl was das zwischenmenschliche angeht als auch, was die finanzielle Seite anbetrifft. Der von Rapp war einmal ihr Traummann, für ihn ist sie andere Wege gegangen. Doch was ist geblieben, nach den Ehejahren. Nur ihr liebstes und einziges Kind. Als Johanna nach der Fahrt durch die Winterluft schwer erkrankt, ist ihre Mutter untröstlich. Gemeinsam mit Sophie versucht sie alles, um dem Kind zu helfen. Nicht immer allerdings ist gut gemeint auch gut gemacht. So bringt Blanka ihre Tochter in noch größere Gefahr.

Erinnert an das Märchen vom Schneewittchen wird man bei der Lektüre dieses Buches. Doch die Vorstellung von einem happily ever after sollte man beim Lesen dieses Romans nochmal überdenken. Man muss damit rechnen, aus seinen romantischen Vorstellungen gerissen zu werden. Nach dem Happy End geht das Leben erst los. Und nicht immer schwebt man auf rosa Wolken. Blanka jedenfalls ist in ihrer Vergangenheit gefangen und sie kann sich nur mit ihrer Fowlerschen Lösung aufrecht halten. Doch Blanka kämpft gegen die Dunkelheit in ihrem Inneren und für ihre Tochter. Und damit nährt sich auch der Glaube, dass es wieder aufwärts geht, wenn ein Tal durchwandert ist.

Ein spannender, düsterer Roman, der in einer alten Zeit spielt, in welcher schon der Umbruch in die Moderne zu spüren ist.

Veröffentlicht am 07.04.2019

Nach Süden

Rückwärtswalzer
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Man müsste Lorenz als Loser bezeichnen. Sein Vater hat ihn dermaßen verwöhnt, dass er so fest daran glaubt, er ist toll, dass er nicht merkt, wie andere über ihn denken. Ein wenig aufgerüttelt wird er ...

Man müsste Lorenz als Loser bezeichnen. Sein Vater hat ihn dermaßen verwöhnt, dass er so fest daran glaubt, er ist toll, dass er nicht merkt, wie andere über ihn denken. Ein wenig aufgerüttelt wird er als seine Freundin ihn verlässt. Immer noch meint Lorenz allerdings, er müsse nichts ändern. Lieber fragt er seine angeheirateten Onkel nach Geld. Glücklicherweise halten diese das Geld, welches sie haben oder nicht, zusammen. Lorenz vermietet seine Wohnung und zieht zu seinen Tanten. Ihre Welt ist skurril und doch auch heimelig. Doch dann wacht Onkel Willi eines morgens einfach nicht mehr auf. Und sein Wunsch war es, in seiner Heimat Montenegro beerdigt zu werden.

Da Tante Hedi immer gedacht hat, ihr Wille werde sie überleben, wo er doch jünger war, hat sie das Beerdigungsgeld ihrer gemeinsamen Tochter gegeben. Wie sollen sie nun ihr heiligstes Versprechen einhalten. Im kleinen Panda machen sie sich zu fünft auf den Weg, Lorenz am Steuer, Onkel Willi auf dem Beifahrersitz und Tante Hedi, Tante Mirl und Tante Wetti hinten. Ein letzter Wunsch, der einfach erfüllt werden muss. Wie eine bewegte Totenwache könnte diese Fahrt über Autobahnen, Straßen und Wege gesehen werden. Da kommen Erinnerungen auf, an die Kindheit der Prischingers, die einmal fünf waren und dann nur noch vier. Wie die Schwestern zu Tanten wurden und schließlich alle in Wien gelandet sind. Wie sie nur ohne Willi klarkommen sollen. Willi, der immer beweglich war und für jeden ein gutes Wort hatte. Und wie sie ihr Versprechen halten, ahnend, dass er noch nicht ganz fort ist, dass er nur am Ziel wirklich seine Ruhe findet.

Vielleicht hat man Ähnliches, naja, anders schon, aber doch ähnlich, selbst einmal mitgemacht. Ein Versprechen über den Tod hinaus gehalten. Und so kann man verstehen, wie wichtig es ist, dass Willi an seinen Sehnsuchtsort kommt, wo auch er ein Versprechen einzuhalten hat. Doch nicht nur dann wird man sie mögen, die chaotische und doch lebensechte Familie Prischinger. Mit ihren Toten lernt man auch sie kennen und ihre Geschichte. Leicht hatten sie es nicht, doch sie hatten sich. Und sie halten zusammen, für Willi und auch für Lorenz, der auf diesem außergewöhnlichen Roadtrip eine ganze Menge über sein Leben und das Leben überhaupt lernt.
Die Prischingers wird man gerne in Erinnerung behalten und auch ihre Toten und auch die eigenen Toten. Und wenn man die Autorin während einer Lesung kennenlernen durfte, wird ihre Stimme durch die Lektüre hallen, die dem Roman eine besondere Lebendigkeit verleiht.

Veröffentlicht am 06.04.2019

(K)ein Engel

Der Mann, der nicht mitspielt. Hollywood 1921: Hardy Engels erster Fall
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Nach Krieg und Revolution ist Hardy Engel aus dem Polizeidienst ausgeschieden und nach Los Angeles ausgewandert. Im Jahr 1921 ist die Filmbranche auf einem Höhepunkt. Gerne möchte Hardy als Schauspieler ...

Nach Krieg und Revolution ist Hardy Engel aus dem Polizeidienst ausgeschieden und nach Los Angeles ausgewandert. Im Jahr 1921 ist die Filmbranche auf einem Höhepunkt. Gerne möchte Hardy als Schauspieler sein Geld verdienen, wie so viele andere auch. Außer zu ein paar Nebenrollen, haben seine Ambitionen noch zu nichts geführt. Eher muss Hardy auf seine Fähigkeiten als Polizist zurückgreifen und er verdingt sich als Privatdetektiv. Die Anzahl seiner Fälle ist dabei eher gering. Als die aufregende Pepper Murphy ihn mit der Suche nach der angehenden Schauspielerin Virginia Rappe beauftragt, zögert Hardy nicht. Und wie es manchmal so ist, erhält er gleich einen Auftrag für einen Botengang, durch den er ein Auto zur Verfügung gestellt bekommt.

Die goldenen 20er, Filme, Stars und Starlets. Drogen fast eine Normalität, ein Absturz manchmal unausweichlich. Gefangen genommen von der irisierenden Pepper, die nicht alles preisgibt, begibt sich Hardy Engel an die Auftragserfüllung. Wo mag Virginia Rappe sein? Heißt es nicht, sie sei die neueste Flamme des Komikers Fatty Arbuckle? Dieser wird auf einer seiner ausschweifenden Partys in San Francisco vermutet. Und so ist der Aufenthaltsort von Virginia Rappe relativ schnell ermittelt und wohlmöglich schnelles Geld verdient. Allerdings ist doch einiges anders als zunächst vermutet und Hardy wird in diesem einiges abverlangt.

In Hardy Engels erstem Fall, von dem er Jahre später berichtet, lernt man einiges aus der leicht- und schnelllebigen Filmbranche des frühen 20. Jahrhunderts. Ein Film unter drei Stunden ist eher kurz, der Tonfilm noch weitestgehend unbekannt. Fast jeder versuchte sich als Schauspieler oder lebte seinen Traum auf andere Art. Vor diesem Hintergrund gerät Hardy Engel in einen brisanten Fall, in dem die Wahrheit oft im Verborgenen bleibt. Gewisse Dinge sollen einfach unter den Teppich gekehrt werden, keiner will es so genau wissen, am liebsten soll ein Sündenbock her, dem alles untergeschoben werden kann. Doch Hardy Engel spielt dieses Spiel nicht mit, er will wissen, was tatsächlich geschah. Zwar werden einige Passagen recht ausführlich geschildert, aber dennoch bleibt man beim Hören des von Uve Teschner versiert vorgetragenen Hörbuchs immer am Ball. Eine Traumwelt ist die Filmbranche der damaligen Zeit nicht, da wirkt dieser gut recherchierte und wohl auf wahren Begebenheiten beruhende Kriminalroman zwar ernüchternd aber auch sehr fesselnd.

Veröffentlicht am 02.04.2019

Der Schatz

Korsische Gezeiten
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Bereits vor Jahren wurden vor Korsikas Küste Münzen gefunden. Ein Fund, der einige Leute reich gemacht hat und anderen einen Skandal gebracht hat. Und nun sollen Taucher das zugehörige Schiffswrack gefunden ...

Bereits vor Jahren wurden vor Korsikas Küste Münzen gefunden. Ein Fund, der einige Leute reich gemacht hat und anderen einen Skandal gebracht hat. Und nun sollen Taucher das zugehörige Schiffswrack gefunden haben. Natürlich haben staatliche Stellen großes Interesse an der Bergung des Wracks und seines möglichen Inhalts, aber auch Ganoven strecken ihre Fühler aus. Der Schriftsteller Eric Marchant erfährt durch seine Freundin Laurine von der Sache. Als hervorragende Apnoetaucherin soll sie das gesunkene Schiff untersuchen, das beinahe komplett verschüttet ist. Laurine und Eric ahnen nicht wie gefährlich ein Tauchgang werden kann.

In diesem zweiten Kriminalroman um den Wahl-Korsen Eric Marchant spielen die korsische Landschaft, das Tauchrevier und auch die korsische Mentalität eine große Rolle. Eric jedoch wird sehr dierekt an seine Vergangenheit erinnert, denn völlig unerwartet steht seine Ex-Freundin Monique vor ihm. Diese war mit der Trennung nie einverstanden und sucht nun eine Gelegenheit, die Beziehung wieder aufleben zu lassen. Zwar ist Eric im ersten Moment verunsichert, doch schnell kehrt seine Überzeugung zurück, dass Laurine die wichtigste Frau in seinem Leben ist. Schwierigkeiten sind bei dieser Ausgangslage jedoch vorprogrammiert. Und auch Laurines Ex-Mann mischt im Geschehen mit. Dieser kämpft um seine Position in der ehrenwerten Familie seines Vaters.

Ob sich aus der Schatzsuche ein richtiger Kriminalfall entwickelt, ist für die Lektüre dieses unterhaltsamen Romans eher nebensächlich. Zwar endet der Roman diesbezüglich mit einem heftigen Cliffhanger, doch soweit es den Schatz anbelangt, ist dieser Band abgeschlossen. Mit Interesse liest man, wer ein mehr oder weniger berechtigtes Interesse an dem Schiffswrack und seinem Inhalt hat, lässt sich erklären, wie die Bergung vonstatten gehen soll und stellt sich gleichzeitig die geheimnisvolle Stille der Unterwasserlandschaft vor, die Laurine während ihrer Tauchgänge erkundet. Man nimmt Anteil an der Entwicklung von Laurines und Erics Freundschaft und hofft, dass es ihnen gelingen wird, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Gleichzeitig erfreut man sich, wenn auch aus zweiter Hand, am Inselleben. Beschreibungen, die einfach die Lust auf einen Urlaub wecken. Irgendwie ist es ein Krimi ohne wirklichen Krimi, aber dennoch ein ausgesprochen lesbarer und spannender Korsika-Roman mit einer Szenerie, die hoffentlich noch nicht zu Ende erzählt ist.

Veröffentlicht am 29.03.2019

Odessa

Schatten der Toten
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Es ist noch nicht vorbei. Zwar ist die Banksache für Larcan gänzlich schief gegangen, das stachelt ihn umso mehr an, sich zu rehabilitieren. Inzwischen hat Dombrowski einen Herzinfarkt und Judith Kepler ...

Es ist noch nicht vorbei. Zwar ist die Banksache für Larcan gänzlich schief gegangen, das stachelt ihn umso mehr an, sich zu rehabilitieren. Inzwischen hat Dombrowski einen Herzinfarkt und Judith Kepler muss sich einer Aufgabe stellen, vor der sie immer zurückgeschreckt ist. Eva Kellermann stirbt und verrät ihrer Tochter Isa ihr letztes Geheimnis. Isa Kellermann ist schockiert. Noch mehr als je zuvor will sie Larcan zur Strecke bringen. Dafür ersinnt sie einen Plan. Judith, die die kleine Tabea nicht vergessen hat, möchte sich um das Mädchen kümmern, weiß aber nicht recht, wie sie sich der Pflegemutter gegenüber verhalten soll. Von ihrer Neugier gesteuert, trifft sie eher zufällig auf Tabeas Vater.

Noch immer gibt es Geheimnisse in Judiths Leben. Nach der Sache Sassnitz wurde Judith in ein Kinderheim gebracht, wo viel getan wurde, um ihr nach ihren Eltern auch noch die Erinnerung an diese zu nehmen. Als Erwachsene fühlt sich Judith immer noch nicht vollständig. Und nun legt Isa Kellermann nach dem Tod ihrer Mutter ein so eigenartiges Verhalten an den Tag, dass Judith einfach herausfinden muss, was Isas Motivation ist. Genauso wie Isa will auch Judith eine Aussprache mit Larcan, der ihr lange totgeglaubter Vater ist.

Im dritten Band der Reihe um Judith Kepler kommt es zu einem spannenden Finale. Da besonders die beiden letzten Bände aufeinander aufbauen, empfiehlt es sich die Reihe in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Mit Freude verfolgt man, wie sich Judith in ihrer Persönlichkeit entwickelt und doch sie selber bleibt. Zunächst wird ihr die Aufgabe, die sie mit der Vertretung Dombrowskis übernommen hat recht schwer, doch bald verblasst dies neben den anderen Ereignissen, die ihre Spürnase Witterung aufnehmen lassen. Dabei kommen sie und Isa sich in die Quere und können sich doch nicht ausweichen. Wie sie schließlich beide in Odessa landen, ist in diesem packenden Krimi nachzulesen. Da geht es um Geheimdienstoperationen, Familiengeheimnisse und eine hartnäckige Judith Kepler, die sich einfach nicht abschütteln lässt. Als Tatortreinigerin ist sie einiges gewöhnt, doch hier wird ihre Resilienz auf eine echte Probe gestellt. Judith aber wächst mit ihren Aufgaben. Ihre Charakterschilderung erhält ebenso neue Facetten wie die ihres Vaters. Am Ende gewinnt Judiths Leben eine hoffungsfrohe neue Richtung, es bleibt aber genau das leichte Kribbeln, dass durchaus wünschen lässt, es gäbe noch mehr zu erzählen.