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Veröffentlicht am 28.06.2024

gehen oder bleiben?

Lass uns doch noch etwas bleiben
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Lionel Shriver hat ein originelles Buch geschrieben über das Thema selbstbestimmtes Sterben. Das geht sie in diversen Variationen durch.

Mir gefällt der Originaltitel „Should We Stay Or Should We Go“ ...

Lionel Shriver hat ein originelles Buch geschrieben über das Thema selbstbestimmtes Sterben. Das geht sie in diversen Variationen durch.

Mir gefällt der Originaltitel „Should We Stay Or Should We Go“ besser als der deutsche.

Das englische Ehepaar Kay und Cyril Wilkinson beschließen, sich nach ihrem 80 Lebensjahr zu töten, um Krankheit oder Demenz zu entgehen. Ein Pakt, der in mittleren Jahren geschlossen, noch unverbindlich klingt, wird schließlich konkret.
Aber bei Kay schleichen sich Zweifel ein.
Lionel Shriver weicht dann von einem konventionellen Erzählen ab. Es wird ein Buch mit vielen Verästelungen. In den folgenden Kapiteln spielt sie mögliche Situationen durch. Kay zieht es nicht durch, während Cyril stirbt, dann auch andersrum und die Autorin spinnt aus, wie es mit ihnen weitergeht. Schließlich wird es mit diesen Alternativwelten immer abgedrehter, weicht vom realistischen ab, aber überwiegend ist es stimmig und überzeugend. Es bleibt gut lesbar.
Und vielleicht der stärkste Aspekt: bei all dem zeigt Lionel Shriver auch die Nähe des Paars. Und die Zeit spielt eine Rolle. Es ist die Zeit des Brexit und die der Pandemie. Dadurch entsteht nebenbei auch eine gesellschaftliche Analyse.

Lionel Shriver hat wieder bewiesen, was für eine geschickte Autorin sie ist.

Veröffentlicht am 23.06.2024

Der Forscher und das Zugkind

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
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Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland. Bei einem Buch mit so einem Titel verwundert es nicht, dass ständig bemerkenswerte Bilderfluten auf den Leser warten. Es gibt zwar den weiten Blick ...

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland. Bei einem Buch mit so einem Titel verwundert es nicht, dass ständig bemerkenswerte Bilderfluten auf den Leser warten. Es gibt zwar den weiten Blick auf die Umgebung, die der Zug 1899 durchquert, aber durch die räumliche Begrenzung des Zuges hat es auch etwas kammerspielartiges.
Es gibt verschiedenen wichtige Protagonisten, die aber teilweise auch zusammengeführt werden.
Da ist die geheimnisvolle Maria Petrowna, das Zugkind Zhang Weiwei, die im Zug geboren ist und dort dauerhaft lebt und es gibt den Forscher John Grey.
Weiwei ist der Zugführung eigentlich loyal, aber diese ist distanziert und daher ist sie bereit einer jungen Frau, Elena, zu helfen, die als blinder Passagier an Bord ist. Doch Elena ist anders als man denkt.
Es gibt den phantastischen Ansatz im Buch, der es mitbestimmt, zum Beispiel durch die Wesen des Ödlands und einige Phänomene.
Die verschiedenen Figuren geben dem Text unterschiedliche Stimmungen.
Dann eint sie aber auch gemeinsames.
Das halte ich von der Autorin Sarah Brooks für außerordentlich wirkungsvoll gemacht. Sie hat den gesamten Roman geschickt gestaltet.
Es ist auch ein Buch, in das ich wahrscheinlich mehrfach wieder hineinlesen werde.

Veröffentlicht am 18.06.2024

Asahis Beobachtungen

Das Loch
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Das Buch ist in der typischen Tradition moderner japanischer Romane mit klarer Sprache geschrieben. Aber da der Roman nicht zufällig den wichtigsten Literaturpreis Japans gewann, steckt noch mehr drin.
Es ...



Das Buch ist in der typischen Tradition moderner japanischer Romane mit klarer Sprache geschrieben. Aber da der Roman nicht zufällig den wichtigsten Literaturpreis Japans gewann, steckt noch mehr drin.
Es beginnt mit einer alltäglichen Situation. Ein Paar zieht aus beruflichen Gründen um. Die Perspektive ist die der Frau. Asahi ist eine eher zurückhaltende Frau. Ihre Gedanken durchziehen das Buch. Sprachlich gefällt mir das sehr gut.

Sie kündigt ihren ungeliebten Job, um nicht pendeln zu müssen. Ihren Arbeitsalltag lernt man aber auch noch kennen. Sicher kein Zufall, denn das Aufopfern für die Arbeit im Büro ist auch ein häufiges relevantes Thema in japanischen Romanen.
Sie ziehen in ein Haus neben ihren Schwiegereltern und sie fügt sich in ein Hausfrauendasein.
Ein wenig erinnert mich der Plot an Die Frauen von Stepford, den bekannten Roman von Ira Levin.
Ähnlich wie da, spürt man, dass Geheimnisse lauern. Das Verhalten der Leute in der Umgebung ist ungewöhnlich.
Obwohl der Roman seitenmäßig kurz ist, lässt sich die Autorin Hiroko Oyamada Zeit, Asahis Beobachtungen genau zu schildern. Überrascht hat mich das abrupte Ende.

Hiroko Oyamada ist eine Entdeckung und ich hoffe auf weitere deutsche Übersetzungen.

Veröffentlicht am 09.06.2024

Fünf Frauen

Die Perserinnen
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Die Perserinnen ist ein Roman über eine Familie aus Persien, die aufgrund der Revolution in die USA ausgewandert waren. 5 Frauen dieser Familie stehen im Blickpunkt.
Die Schwestern Sima und Shirin, ihre ...

Die Perserinnen ist ein Roman über eine Familie aus Persien, die aufgrund der Revolution in die USA ausgewandert waren. 5 Frauen dieser Familie stehen im Blickpunkt.
Die Schwestern Sima und Shirin, ihre Mutter Elizabeth, schließlich deren Enkelinnen Niaz und Bita
Die Erzählperspektive wechselt zwischen ihnen hin und her. Hinzu kommen Rückblenden. Daher muss man beim Lesen ziemlich aufpassen. Es ist kein ganz einfaches Buch, doch durch diese Erzählmethode lernt man die Protagonistinnen neben ihrer Individualität auch in einer Gesamtheit kennen.
Mit Shirin hat man die extrovertierteste Figur im Buch. Was sie so rauslässt, ist von Wut und Sarkasmus durchtränkt. Das ist für den sensiblen Leser nicht immer ganz einfach auszuhalten. Doch ein gewisser harscher Ton zieht sich durch das Buch.Daher denke ich, die Autorin Sanam Mahloudji will diese Direktheit.
In der Summe ist es ein beeindruckendes Buch!

Veröffentlicht am 23.05.2024

Bewegender Roman über vertriebene Kinder

Der Wind kennt meinen Namen
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Isabel Allendes Roman Violeta mochte ich schon sehr und ihr neues Buch Der Wind kennt meinen Namen erscheint mir komplex und ambitioniert, so dass er Violeta nicht nachsteht.

Der Roman hat ein relevantes ...

Isabel Allendes Roman Violeta mochte ich schon sehr und ihr neues Buch Der Wind kennt meinen Namen erscheint mir komplex und ambitioniert, so dass er Violeta nicht nachsteht.

Der Roman hat ein relevantes Thema und zeigt Menschen, insbesondere Kinder, die gezwungen sind zu fliehen. Es gibt 3 Handlungsstränge, zeitlich versetzt. Das zeigt, das Flucht universell ist und schon lange gibt.
Der jüdische Jungen Samuel Adler musst wegen Pogromen aus Wien weg.
Da die Handlung bis in die Gegenwart geht, zeigt sich, dass es für die betroffenen schwerer denn je wird.
Das wird erzählt durch das 8jährige Mädchen Anita Diaz, die sehbehindert ist und mit ihrer Mutter aus San Salvador kam, aber getrennt werden. Das ist Trumps unmenschlicher Politik geschildert. Sie ist ein kluges Mädchen, doch auf Hilfe angewiesen und da gibt es Selena Doran, die zusammen mit dem Anwalt Frank sich für sie einsetzt.
Es liest sich flüssig, abwechslungsreich und emotional.
Dadurch wird es schwer, sich dem Buch zu entziehen. Ich wünsche dem Buch viele Leser!