Cover-Bild Die echtere Wirklichkeit
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28,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Klett-Cotta
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 448
  • Ersterscheinung: 16.08.2025
  • ISBN: 9783608966305
Raphaela Edelbauer

Die echtere Wirklichkeit

Roman | »Raphaela Edelbauer hat einen absurd-witzigen Roman geschrieben.« ttt ARD

100 Beste Bücher des Jahres der ZEIT

Eine philosophische Terrororganisation im Kampf gegen  fake news und alternative Fakten

Die Aktivistengruppe Aletheia kämpft für die absolute Wahrheit, denn Verschwörungstheorien, Fehlinformationen und alternative Wahrheiten sind die größten Probleme unserer Zeit. Durch künstlerische Interventionen will die Gruppe die Öffentlichkeit bekehren. Aber wozu eine Sprengstoffexpertin in der Gruppe haben, wenn man nie Sprengstoff nutzt? Der neue Roman von Raphaela Edelbauer erzählt von den Bedingungen unserer Gegenwart und den Grundlagen unseres Denkens.

Als Byproxy mit zwei Koffern, Laptop und Rollstuhl aus dem betreuten Wohnen für junge Erwachsene entlassen wird, übernachtet sie in offengelassenen Markständen und verbringt die Tage in den Kaffeehäusern Wiens. Dort erregen vier lebhaft über Philosophie streitende Leute ihre Aufmerksamkeit: Sie sind Aletheia. Byproxy überzeugt sie davon, sie in das besetzte Haus mitzunehmen, das den vier Hauptquartier und Kommune ist. In harten Probemonaten, während derer sie tagsüber die Toiletten putzt und sich abends durch den philosophischen Kanon gräbt, erarbeitet sie sich das Vertrauen der Gruppe. Doch während sich Aletheia auf die große Aktion vorbereitet, wachsen die Zweifel an Byproxy. Welche Schuld treibt sie dazu, jede Woche die Mutter eines bei ihrem Unfall umgekommenen Mädchens zu besuchen? Wenn hier jemand dem Anspruch nach absoluter Wahrheit nicht nachkommt, dann ist es Byproxy, dann ist es die Erzählerin selbst.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.09.2025

Wie viele Wahrheiten gibt es?

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Die österreichische Autorin Raphaela Edelbauer ist mit ihrem Roman "Das flüssige Land" auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises gelandet und hat für "DAVE" den Österreichischen Buchpreis gewonnen. Das ...

Die österreichische Autorin Raphaela Edelbauer ist mit ihrem Roman "Das flüssige Land" auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises gelandet und hat für "DAVE" den Österreichischen Buchpreis gewonnen. Das lässt auf eine Autorin schließen, die anspruchsvolle Literatur verfasst. Doch wie sieht es mit Unterhaltungsfaktor, Spannung und Lesbarkeit aus?

Tatsächlich beginnt das neueste Werk der Autorin, "Die echtere Wirklichkeit" sehr anspruchsvoll, denn wir haben es mit einer philosophischen Terrorgruppe zu tun, die erst einmal Jahre lang gemeinsam philosophische Werke liest und diskutiert, bevor es daran gehen könnte, mit konkreten Aktionen zur Tat zu schreiten.

So finden wir gleich am Anfang der Lektüre ein Manifest der Gruppe, das folgendermaßen beginnt:

"Es gibt nur eine Wahrheit und sie ist absolut. Diese Wahrheit ist weder eine soziale Konstruktion noch subjektiv oder bloß eine unter vielen Perspektiven auf die Dinge. Mögen sich im Laufe der Zeiten auch die Sicht auf die Wahrheit oder die Methoden, zu jener zu gelangen, geändert haben, und mag in vielen Fällen die Sinnesbeschränkung der Lebewesen nicht hinreichen, zu ihr zu gelangen, so ist doch hinter den Phänomenen die absolute Wahrheit jenseits allen Meinens vorhanden."

Eine gewisse Affinität zur Philosophie ist dem Lesegenuss bei diesem Buch also durchaus zuträglich. Aber, keine Sorge, so kompliziert, wie oben zitiert, formuliert zwar die philosophische Terrorgruppe, doch nicht die Autorin selbst im Hauptteil des Buches. Die philosophischen Ergüsse der Gruppe werden nur gelegentlich zitiert, ansonsten ist es ein gut lesbares und humorvoll geschriebenes Buch.

Die Charaktere sind sehr schräge Gestalten, die sonst an ihren Ansprüchen ans Leben gescheitert sind. Da gibt es Byproxy, eigentlich Petra, die junge, nach einem Unfall im Rollstuhl sitzende Ich-Erzählerin, die aus ihrer Wohngruppe geschmissen wurde und auf der Suche nach einem Obdach zufällig auf die Gruppe stößt. Diese bestand zuvor aus vier Personen: ein promovierter Philosoph, dem die Festanstellung verwehrt wurde, eine reiche Erbin, die sich von ihrer Familie distanziert hat, ein Vorbestrafter und eine weitere Person. Gemeinsam haben sie eine Wohnung in einem Wiener Abbruchhaus besetzt, lesen und diskutieren philosophische Werke und unterwerfen sich selbst einem strikten Regelwerk, so darf etwa jedes Mitglied der Gruppe nur einmal in der Woche die Wohnung verlassen. Byproxy muss sich die Aufnahme in die Gruppe und deren Vertrauen erst erarbeiten, doch mit Intelligenz, Charme und Gerissenheit schafft sie das, wird eine treibende Kraft der Geschehnisse und so nehmen die Dinge ihren Lauf.

Am Anfang habe ich ein bisschen gebraucht, in die Lektüre hineinzukommen, doch war der Einstieg einmal geschafft und hatte ich mich mit dem philosophischen Rahmen und den schrägen Figuren vertraut gemacht, war es eine höchst vergnügliche und spannende, ungewöhnliche Lektüre. Sowohl das Thema als auch die Art, wie es behandelt wird, sind sehr innovativ - so etwas auf diese Art habe ich noch nicht gelesen. Wie nebenbei regt es außerdem zum Nachdenken über Wirklichkeit, Konstruktivismus, Fake-News, die Verantwortung von Universitäten und Medien und viele weitere Themen an. Man merkt, dass die Autorin sich tiefgehend damit beschäftigt hat. Örtlich ist die Geschichte in Wien und Umgebung angesiedelt, was man am Vokabular und an vielen Ortsbezügen deutlich merkt.

Insgesamt ist es ein Buch, das ich jenen, die sich für anspruchsvolle Lektüre, unkonventionelle Konzepte und schräge Charaktere interessieren, sehr empfehlen kann. Philosophisch vorgebildete oder interessierte Menschen können von diesem Buch ganz besonders profitieren, bei allen anderen kann es Interesse an diesem Thema wecken, oder man liest über die stark philosophisch geprägten Passagen einfach hinweg, auch dann ist es noch eine unterhaltsame und kohärente Erzählung. Ich jedenfalls freue mich darauf, weitere Bücher dieser talentierten und vielseitigen Autorin zu lesen.

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Veröffentlicht am 08.09.2025

Irritierend und realitätsauflösend

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In einer anderen Rezension zu einem Roman von Raphaela Edelbauer hatte ich die Österreicherin, die bereits mehrfach für den Deutschen Buchpreis nominiert war und den Österreichischen Buchpreis gewonnen ...

In einer anderen Rezension zu einem Roman von Raphaela Edelbauer hatte ich die Österreicherin, die bereits mehrfach für den Deutschen Buchpreis nominiert war und den Österreichischen Buchpreis gewonnen hat, als „Literarisches Genie“ bezeichnet.
Dementsprechend gespannt war ich natürlich auf ihren neuen Roman.
Und dementsprechend war ich mental auf eine fordernde Lektüre eingestellt.
Denn die Romane von Edelbauer kann ich quasi nicht im herkömmlichen Sinn lesen und verstehen. Ich durchlebe sie in einem Rausch traumhafter Verwirrung und Desorientierung.
Auch bei „Die echtere Wirklichkeit“ habe ich wieder das Gefühl permanenter intellektueller Überforderung. Ihr neuer Roman ist hochgradig philosophisch, gesellschaftskritisch und stellt die aktuellen Fragen unserer Zeit.

Ihre Protagonistin heißt Byproxy oder bürgerlich Petra, und ist eine junge Frau, die im Rollstuhl sitzt. Natürlich wählt Edelbauer nicht irgendwelche Namen, sondern alles hat Bedeutung. Und manchmal eben auch nicht.
Byproxy hat sich einer philosophischen Aktivismusgruppe angeschlossen, die aus dem Untergrund agiert und eine klare Agenda hat.

„Aletheia - das bedeutet auf Altgriechisch Wahrheit, es ist aber auch der Name einer mythologischen Person, der Göttin der Wirklichkeit, der Tochter des Zeus. Dieser Name ist Programm. Wir sind eine Gruppe, der der Verlust der Wahrheit in der Gesellschaft, der das Zeitalter der post-truth, wie man heute sagt, ein Dorn im Auge ist.“

Der Gegensatz von Wahrheit und Meinung, der in heute immer mehr verschwimmt, ist der zentrale Diskussionspunkt in Edelbauers Roman, und das philosophische und agitative Hauptanliegen von Aletheia.

Allerdings ist sich die Gruppe selbst nicht einig, ob sie ihre Ziele durch Kunstaktionen, Aktivismus oder Terrorismus erreichen will. Aufmerksamkeit oder Disruption?
Bis Byproxy zu der Gruppe stößt und sie auf die dilettantische Lächerlichkeit und Wirkungslosigkeit ihrer bisherigen Aktionen aufmerksam macht.

Die Figur Byproxy gefällt mir ausgesprochen gut. Edelbauer legt sie als Mensch mit Alexithymie an (sorry, aber wenn du Fremdwörter scheust, sind Edelbauers Romane nichts für dich).

„Man nennt einen Menschen, der wahlweise die Gefühlslagen, die in ihm herrschen, nicht benennen kann oder die Identifikation derselben durch eine allgemeine Dunkelheit verunmöglicht sieht, alexithym.“

Durch Byproxys dissoziatives Verhältnis zur sogenannten »normalen emotionalen Reaktion kommt Edelbauers trockener und zynischer Humor bestens zur Geltung.
Neben der politischen und gesellschaftlichen Ebene des Romans gibt es noch eine persönliche Ebene mit der Geschichte von Byproxy (und natürlich hängt alles mit allem zusammen).
In Rückblicken erzählt sie die bis in die Kindheit zurückreichende Beziehungsgeschichte zu Dorothee, die dann bei dem Autounfall, der der Grund für Byproxys Wirbelsäulenverletzung war, gestorben ist.
Diese Liebesgeschichte hat mir sehr gut gefallen und mir die mesmerisierenden
Edelbauer-Vibes gegeben, die bei mir rund um den Aletheia-Erzählstrang nicht aufkommen wollten. Gerade die theoretischen Philosophierereien der Gruppe waren mir doch zu ausufernd und anstrengend.
„DAVE“ und „Das flüssige Land“ waren da in meiner Erinnerung tendenziell weniger langatmig, wenn auch gleichermaßen irritierend und realitätsauflösend.

Definitiv schreibt Edelbauer für eine intellektuell exklusive Leserschaft, ich möchte aber betonen, dass eine vollständige Durchdringung ihrer Texte gar nicht unbedingt notwendig ist und die Romane vielleicht auch gar nicht so konzeptioniert sind. Vielmehr gelingt es Edelbauer durch ihren einzigartigen Stil bei mir unbekannte Denkräume aufzustoßen und mich für einen Moment mental aufs nächste Level zu heben. Ich fühle mich dann kurz frei von Logik, chronologischen Abläufen und Realitäten. Ich fühle mich kurz schwerelos.

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