Liebevoll geschriebenes, praxisorientiertes Buch zur Geburtsvorbereitung
Dein GeburtscoachEs gibt mittlerweile so einige Bücher zum Thema Vorbereitung auf eine gute Geburt am Markt. Viele davon sind von Hebammen oder Doulas geschrieben, und die allermeisten von Frauen. So finde ich es erfrischend ...
Es gibt mittlerweile so einige Bücher zum Thema Vorbereitung auf eine gute Geburt am Markt. Viele davon sind von Hebammen oder Doulas geschrieben, und die allermeisten von Frauen. So finde ich es erfrischend und interessant, einmal ein Buch von einem Mann zu diesem Thema zu lesen, der als leitender Oberarzt und Geburtshelfer jahrzehntelange Erfahrung in diesem Bereich gesammelt hat und nun neben vielen anderen Tätigkeiten Geburtscoachings anbietet.
Äußerst sympathisch finde ich die liebevolle, farbenfrohe und persönliche Gestaltung des Buches. Als Leserin werde ich mit "Du" angesprochen und das Buch ist auf eine Art und Weise verfasst, die ich als sehr persönlich und nahbar empfinde, was ich sehr schätze. Es gibt viele Fallgeschichten und persönliche Reflexionsfragen, das macht das Buch sehr praxisorientiert und anschaulich. Durch diesen persönlichen Zugang fühle ich mich als Leserin wertgeschätzt und begleitet auf meiner Reise der Beschäftigung mit dem Thema Geburt. Bei mir ist es eine Rückschau, denn ich persönlich bin gerade nicht schwanger, sondern beurteile das Buch aus der Perspektive als Mama eines kleinen Kindes, die viele im Buch beschriebene Erfahrungen schon hinter sich hat.
Gleich am Anfang wird das Buch mit folgendem Zitat einer Mutter an ihre Tochter eingeführt: "Wenn der Sturm sich gelegt hat, bist du Mutter, und wenn du deine starken Wurzeln anschaust, siehst du die Kraft, die du hast und die dich besser als je zuvor durchs Leben trägt."
Was für eine schöne, positive und lebensbejahende Perspektive! Ein Blick auf die Ressourcen und die Resilienz, die in einer Geburt liegen können... auch wenn sie schwer war. Mit einigen Jahren Abstand kann ich diesem Spruch durchaus zustimmen.
Sturm... Wurzeln... Kraft... um viele dieser Themen geht es dann auch im Buch.
Eingeteilt in angenehm kurze, übersichtliche und leicht lesbare Kapitel geht es um Themen wie Geburtsvorbereitung, Familiengeschichte, Mindset, Ressourcen, den Ablauf der Geburt an sich und damit verbundene Herausforderungen (Angst, Schmerz, Anspannung und Erschöpfung, das Gefühl, nicht mehr zu können), aber auch Wege, mögliche Hindernisse im Vorfeld aus dem Weg zu räumen oder damit umzugehen.
Dabei gibt es viele praktische Fragen, die zum Nachdenken oder auch mit eigenen Familienmitgliedern ins Gespräch kommen anregen, beispielsweise zur eigenen Familiengeschichte: "Wie bist du selbst zur Welt gekommen?... Gibt es in deiner Familie Mythen, Traditionen oder Aufträge in Sachen "Geburt"?... Wie gehst du mit Beziehung und Bindung um?" (S. 34)
Dieser ganzheitliche und systemische Zugang zum Thema Geburt gefällt mir sehr. Es ist auch selbstermächtigend, sich damit zu beschäftigen, welche anderen Themen alle damit zusammenhängen könnten und mir bewusst zu machen, dass ich auf so einiges davon Einfluss nehmen kann, indem ich mich genauer damit beschäftige. Schmunzeln musste ich auch über so manche positive Reframings, z.B. Pause-Durchatmen-Auftanken für PDA .
Insgesamt ist es ein äußerst positives, hoffnungsvolles und Mut machendes Buch, das auf eine positive Geburt einstimmen und einige verbreitete Mythen zum Thema Geburt kritisch hinterfragen kann (z.B. zum Thema Schmerz: laut Angaben des Autors gibt jede 6. Gebärende an, zwar Druck unter der Geburt zu verspüren, aber keinen Schmerz).
Am Ende noch ein paar wenige Einschränkungen: insgesamt ist es ein Buch, in dem sehr stark die natürliche Geburt empfohlen wird und ein Kaiserschnitt nur als Ausnahmelösung. Dies ist wahrscheinlich medizinisch fundiert und berechtigt. Es könnte aber sein, dass dadurch Schwangere, die - aus welchen Gründen auch immer - fix mit einem Kaiserschnitt rechnen, sich nicht ganz so gut davon abgeholt fühlen könnten. Und die Bedingungen in der Geburtshilfe finde ich etwas zu positiv dargestellt: da ist von einer freien Wahl des Geburtsortes die Rede, von der Möglichkeit, während der Geburt auf Wunsch die Hebamme zu wechseln und so einiges mehr... ich und wohl so einige weitere Frauen, von denen ich gehört und gelesen habe, haben da leider deutlich schlechtere Bedingungen im öffentlichen Gesundheitssystem erfahren.
Es ist auch insgesamt ein Buch, das zwar erwähnt, dass es Gewalt und insgesamt oft große Missstände in der Geburtshilfe gibt und ganz kurz darauf eingeht, insgesamt liegt hier aber kein Schwerpunkt dieses Buches (muss es auch nicht, dazu gibt es andere).
Ich verstehe auch, dass der Autor dieses Thema nicht zu sehr ausbreiten möchte, denn, wie er schreibt und damit ja auch durchaus Recht hat (S. 31): "Wer in Risiken denkt, schafft und provoziert sie - wer an die Chancen glaubt, vergrößert sie." So ein Buch ist das hier: ein positives, hoffnungsvolles, das dabei unterstützen will, an Chancen zu glauben. Die erwähnten Einschränkungen sollen also den Wert des Buches nicht mindern.
Ich empfehle es also nicht als einziges Buch, um sich mit dem Thema Geburtsvorbereitung zu beschäftigen (dafür ist es mir fast ein bisschen zu unrealistisch positiv in der Darstellung der Geburtsbedingungen in öffentlichen Krankenhäusern - einiges, was der Autor beschreibt, stellt dar, wie es im Idealfall sein sollte, aber nicht, wie es oft tatsächlich ist), aber als eines von mehreren kann es wertvolle Dienste leisten, um eine möglichst positive und angstfreie Haltung zur Geburt zu entwickeln - dafür ist es ein sehr wertvolles Buch!
Es wird jedenfalls einen fixen Platz in meinem Bücherregal bekommen, für alle Eventualitäten in der Zukunft, die das Leben in Bezug auf dieses Thema noch für mich bereitstellen wird, und zur Weiterempfehlung an andere für eine positive Einstimmung zum Thema Geburt.