"Das Geschenk des Meeres" von Julia R. Kelly ist ein wunderschön gestaltetes Buch, das schon auf den ersten Blick Lust aufs Lesen macht. Atmosphärisch beginnt es mit einem Zitat des irischen Dichters William ...
"Das Geschenk des Meeres" von Julia R. Kelly ist ein wunderschön gestaltetes Buch, das schon auf den ersten Blick Lust aufs Lesen macht. Atmosphärisch beginnt es mit einem Zitat des irischen Dichters William Butler Yeats und dann mit der Perspektive von Joseph, der ein feinsinniger Beobachter des Wetters und seiner Umgebung ist und in dem schweren Wetter mit einem halbtoten und nassen Jungen, den er am Strand gefunden hat, Richtung Dorf eilt.
Danach lernen wir die Lehrerin Dorothy kennen, die ins Dorf zugezogen ist und hier anfangs keinen leichten Stand hatte, sich lange fremd und anders gefühlt hatte... die eine tiefe Verbindung zu Joseph spürt und die vor vielen Jahren ihren Sohn verloren hat... einen Jungen, der dem nun angespülten Jungen sehr gleicht, auch wenn viele Jahre zwischen ihnen liegen.
Aus den Perspektiven dieser beiden und weiterer Dorfbewohner nähert sich die Autorin dem Geschehen an. Es ist ein hartes Leben, das hier beschrieben wird, geprägt von den Witterungen, von Gewalt und Trauma. Auch gibt es Ausgrenzung und Gerede in dem Dorf, aber genauso zarte Verbindungen zwischen den Menschen und die Hoffnung auf eine gute Zukunft.
Insgesamt ist es ein spannend geschriebenes Buch, das mir gut gefallen hat, auch wenn manche der Figuren für mich ein bisschen blass und einseitig geblieben sind.
Nun ist die englischsprachige Biografie "The Optimist" des Chat-GPT-Gründers Sam Altman, erstellt von der Journalistin Keach Hagey, auch auf Deutsch erschienen. Dazu hat die Autorin hunderte Interviews ...
Nun ist die englischsprachige Biografie "The Optimist" des Chat-GPT-Gründers Sam Altman, erstellt von der Journalistin Keach Hagey, auch auf Deutsch erschienen. Dazu hat die Autorin hunderte Interviews mit Menschen aus dem Umfeld von Sam Altman, seinen Verwandten, Bekannten, Freunden, Mentoren und Weggefährten geführt, und auch Gespräche mit ihm selbst. War er zuerst kritisch gegenüber dem Projekt eingestellt und hat es als zu früh angesehen, schon in einer Biographie porträtiert zu werden, so hat er sich nach ihren Aussagen dann doch dafür geöffnet.
Entstanden ist ein sehr umfangreiches und detailliertes Werk, das nicht nur Sam Altmans Leben seit seiner Geburt, sondern auch viele Lebensläufe der Menschen, die ihn umgeben, genau beschreibt. Wir erfahren viele Details beispielsweise aus dem Leben seiner jüdischen Eltern und Großeltern, die, mit Wurzeln in Europa, fast alle in den USA Unternehmen aufgebaut oder beeindruckende Fachkarrieren, etwa als Ärzte, hingelegt haben. Damit wird klar, in was für einem fördernden und leistungsorientierten Umfeld Sam Altman groß geworden ist, in dem er schon früh von seinen Eltern ermutigt wurde, daran zu glauben, alles erreichen zu können.
Das Buch ist ein sehr interessantes Werk für alle, die sich wirklich für die Person Sam Altman interessieren und nicht nur für die Technologie hinter Chat GPT. Es steht nämlich, wie es für eine Biografie auch passend ist, ganz klar sein ganzes Leben im Vordergrund und nicht nur die Verbindung mit einer bahnbrechenden neuen Technologie. Ich empfehle, sich wirklich Zeit und Geduld zum Lesen zu nehmen, die braucht es nämlich für dieses umfangreiche Werk.
Insgesamt ist das Buch zwar durchaus sehr interessant geschrieben, mir persönlich waren es aber stellenweise fast zu viele Details, die mich nicht alle so sehr interessiert waren, und manchmal hätte ich mir einen klareren Fokus und eine eindeutigere Richtung des Buches gewünscht statt dieser Datenfülle. In Summe ist es aber dennoch auf jeden Fall eine erhellende und interessante Lektüre, aus der ich viel Neues gelernt habe und die ich allen an diesem beeindruckenden Menschen Interessierten empfehlen kann.
Es ist Anfang der 1990er Jahre und Arkadia Fink, genannt Moll, ist 13 Jahre alt und liebt die Musik. Sie lebt allein mit ihrem Vater, der grundsätzlich liebevoll ist, darum kämpft, wirtschaftlich über ...
Es ist Anfang der 1990er Jahre und Arkadia Fink, genannt Moll, ist 13 Jahre alt und liebt die Musik. Sie lebt allein mit ihrem Vater, der grundsätzlich liebevoll ist, darum kämpft, wirtschaftlich über die Runden zu kommen und dem aber auch manchmal „die Hand ausrutscht“.
Die Mutter ist ein Freigeist, unkonventionell und begabt passt sie nicht so wirklich in ein kleines bayrisches Dorf. Sie hat ihrer Tochter die Liebe zur Musik vermittelt, mit ihr schräge Abenteuer erlebt und sie in ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Individualität bestärkt. Beethoven sei eine Frau gewesen, ist die Mutter überzeugt, und mit ihr die Tochter, für die Beethoven damit ein großes Rollenvorbild ist, denn auch Moll ist fest entschlossen, als Lichtgestalt in die Musikgeschichte einzugehen.
Leider ist die Mutter vor etwa einem Jahr „kurz weggegangen“, wie Moll sich immer wieder erinnert und auf ihre Rückkehr hofft. Immerhin schickt sie der Tochter in unregelmäßigen Abständen per Post einzelne Sätze einer selbst komponierten Symphonie zu. Dann gibt es auch noch Bernhardina im Altersheim, eine gute Freundin von Arkadia, mit der das Mädchen regelmäßig telefoniert und sie besucht.
Vor diesem Hintergrund werden an den bayrischen Schulen Talente für einen renommierten Knabenchor gesucht, dazu kommt eine Frau an die Schulen und lässt die Kinder vorsingen. Sie bemerkt Molls Talent, doch leider… es ist ein Knabenchor und dort werden keine Mädchen aufgenommen, so heißt es. Doch dabei wird die selbstbewusste und entschlossene Arkadia es nicht bewenden lassen. In dem humorvoll und berührend erzählten Buch erleben wir mit, wie sie darum kämpft, sich einen Platz in diesem Chor zu erobern, allen Widerständen zum Trotz.
Passend zum Thema ist das Buch in fünf Sätze einer Symphonie eingeteilt, die sich in Ausdruck und Tempo unterscheiden: von schnell, aber nicht zu schnell, über sehr lebendig bis zu langsam, dann wieder schneller und schließlich so, wie einem gerade ist.
Beeindruckt hat mich an diesem Buch ganz besonders das Selbstbewusstsein der gewitzten Arkadia, die von dem Autor sehr treffend und glaubwürdig porträtiert wird, sodass ich mich von Anfang an mit ihr zutiefst verbunden gefühlt und mit ihr mitgefiebert habe. Das aus der Ich-Perspektive geschriebene Buch hat sich für mich angefühlt, als wäre es tatsächlich die eigene Erzählung eines ganz besonderen, begabten und eigensinnigen Mädchens am Anfang der Pubertät. Hier ein zwei Zitate aus dem Buch zur Illustration:
„Ich war eine Sängerin des Knabenchors. Der Knabenchor wusste das nur noch nicht.“ (S. 42)
„Auf der Busfahrt zum Kurkonzert sprach niemand. Für manche Knaben aus dem Landkreis war es der erste Auftritt. Sie waren nervös. Ich nicht.“ (S. 176)
Insgesamt ist es ein humorvolles und unterhaltsames, dabei zugleich tiefgründiges Buch über die Liebe zur Musik und das unerschütterliche Festhalten an eigenen Zielen, den Umgang mit scheinbar unüberwindbaren Hindernissen, das Anders-Sein und die Suche nach Anerkennung und Zugehörigkeit sowie das Verfolgen der eigenen Träume. Dabei kommen die Lesenden der Ich-Erzählerin sehr nahe, erleben ihren Kampf im Außen genauso wie im Innen mit und können sich tief berühren lassen. Es ist auch ein Buch, das sich für Gleichberechtigung einsetzt und tief für das Thema Diskriminierung sensibilisiert. Ein Kompliment an den männlichen Autor, sich so gut in ein jugendliches Mädchen hineinversetzen zu können und sich diesem wichtigen Thema angenommen zu haben.
Ich kann dieses Buch einer breiten Leserschaft, angefangen von Jugendlichen bis zu Erwachsenen jeglichen Alters, nur wärmstens empfehlen! Für mich wird es ganz bestimmt nicht das letzte Buch dieses talentierten Autors bleiben.
Jet, Ende 20 und bisher im Leben nicht sonderlich erfolgreiche Tochter aus reicher Familie, die immer noch bei den Eltern wohnt, wurde ermordet. Aber noch stirbt sie nicht... erst in etwa einer Woche, ...
Jet, Ende 20 und bisher im Leben nicht sonderlich erfolgreiche Tochter aus reicher Familie, die immer noch bei den Eltern wohnt, wurde ermordet. Aber noch stirbt sie nicht... erst in etwa einer Woche, so sagen es die Ärzte voraus. Sie hat erst einmal überlebt, doch die Attacke auf sie hat irreparable Schäden in ihrem Gehirn hinterlassen, die sie voraussichtlich innerhalb weniger Tage umbringen werden.
Was würden wir tun, wenn wir nur noch so kurz zu leben hätten? Jet ihre Entscheidung schon getroffen: nichts ist wichtiger für sie, als ihren eigenen Mord aufzuklären. Dabei steht ihr ihr treuer Kindheitsfreund Billy, der in sie verliebt ist, zur Seite. Gemeinsam ermitteln die beiden, während die Polizei eher wegschaut und sich damit zufrieden zu geben scheint, schnell einen Verdächtigen gefunden zu haben: Jets Ex-Freund.
Je tiefer die beiden graben, desto mehr dunkle Geheimnisse aus dem Umfeld der Familie kommen ans Licht, und kaum etwas ist so, wie es scheint. Und dann gibt es ja noch eine zweite Tote, lange in der Vergangenheit: Jets Schwester Emily, die als Teenager im Familienpool ertrunken ist. Nun verliert die vom Unglück verfolgte Familie schon die zweite Tochter... aber wird es wenigstens gelingen, den Mörder zu finden?
"Not quite dead yet" ist ein sehr gelungener und spannender Thriller mit vielen Twists und Turns. Tatsächlich gibt es im Umfeld der Familie viele Personen, die durchaus nachvollziehbare Motive für den Mord haben könnten und mir war lange nicht klar, wer der tatsächliche Mörder sein könnte. Das hat das Lesen sehr unterhaltsam und interessant für mich gemacht. Das einzige, was etwas zähflüssiger für mich zu lesen war, war der Einstieg, vor dem Mord - vielleicht lag das aber daran, dass ich mich in das Buch erst einlesen und damit vertraut werden musste, und das waren nur die ersten paar Seiten. Danach hat mich die Geschichte gefesselt, sie ist lebendig erzählt und ich habe mit den Charakteren mitgefiebert und beste Thriller-Unterhaltung genossen. Eine Leseempfehlung für alle, die Thriller, Spannung und gute Unterhaltung schätzen!
Beim ersten Hineinlesen in das neue Buch von Doris Knecht war ich sofort fasziniert von dem Thema Vergänglichkeit und Älter-Werden als Frau und davon, was für passende Bilder, die ich zum Teil aus meiner ...
Beim ersten Hineinlesen in das neue Buch von Doris Knecht war ich sofort fasziniert von dem Thema Vergänglichkeit und Älter-Werden als Frau und davon, was für passende Bilder, die ich zum Teil aus meiner eigenen Lebenserfahrung kenne, die Autorin dafür findet. Der nicht mehr reparierbare Zahn als sichtbares Zeichen dessen, was nicht mehr umkehrbar ist im eigenen Leben. Oder der Moment, als der Ich-Erzählerin klar wurde, dass sie in diesem Leben wohl nicht mehr in einer Rockband spielen würde. All diese Momente der Erkenntnis und Reife, wenn einem bewusst wird, was man sich im Leben bisher aufgebaut hat, aber auch, welche Türen sich unwiederbringlich geschlossen haben - das ist eine Stimmung, die speziell im ersten Teil des Buches für mich sehr gut eingefangen wurde.
Die Ich-Erzählerin ist in der Mitte ihres Lebens angekommen. Die Kinder sind erwachsen, die Beziehung mit deren Vater hat nicht auf Dauer gehalten, nun ist sie schon seit zehn Jahren alleine und eigentlich ganz zufrieden damit. Sie verbringt ihr Leben zwischen einer Wiener Stadtwohnung und einem Haus am Land, ehemals das gemeinsame Wochenendhaus mit Mann und Kindern. Nun ist es für sie, gemeinsam mit ihrem Hund, ein Ort der Stille und Erholung geworden.
Als eine ihrer vier Schwestern - übrigens zwei Paare von Zwillingen - sie bittet, auf die unbestimmte Zeit einer nicht näher definierbaren Fortbildung in der Stadtwohnung der Ich-Erzählerin unterkommen zu dürfen, willigt diese ein; sie hat ja noch das Haus am Land und war in der Familiendynamik noch nie gut darin, eine Bitte abzulehnen. Ihre Schwester wird deutlich länger in der Wohnung bleiben als ursprünglich erwartet, und als die Ich-Erzählerin mal dort vorbeikommt, öffnet ihr ein unbekannter Mann und schlägt ihr die eigene Wohnungstür vor der Nase wieder zu. Also bleibt sie erst einmal - abgesehen von den häufigen Zahnarztterminen, die sich durch das ganze Buch ziehen - mit ihrem Hund in ihrem Haus am Land, wo sie zufällig Friedrich wiedertrifft. Friedrich, mit dem sie vor 25 Jahren als junge Frau eine kurze Affäre hatte, und der nun ebenfalls erwachsene Kinder hat und von seiner Frau getrennt lebt. Wird nun zwischen den beiden etwas beginnen?
Die Beantwortung dieser Frage ist einer der Handlungsstränge dieses Buches, aber aus meiner Sicht gar nicht der hauptsächliche (auch wenn es am Klappentext so wirkt). Über weite Teile des Buches, insbesondere in der Mitte und gegen Ende, folgen wir einfach den Reflexionen und Erkenntnissen der Autorin über die Mitte des Lebens und die Vergänglichkeit des menschlichen Körpers. Waren die Zahnarztbesuche dafür am Anfang für mich noch eine interessante Metapher, so nützt sich dieses Bild für mich durch die Wiederholung im Buch zunehmend ab. Vielleicht ist es aber auch so, dass ich, als eine der vielen Menschen, die nicht gerne zum Zahnarzt gehen, nicht gerne so viel und so oft darüber lesen wollen? Vielleicht auch eine Erinnerung an meine eigene Vergänglichkeit, wer weiß?
Insgesamt ist es ein solides und interessant geschriebenes, schnell und leicht zu lesendes Buch mit so vielen nachdenklich machenden Metaphern über das Leben und seine Flüchtigkeit und mit einigem Humor. Zwischendrin gibt es aber auch Längen, bei denen ich mir mehr Handlung gewünscht hätte. Aber auch durchaus interessante Reflexionen darüber, wie sich die gesellschaftlichen Normen und der Zeitgeist seit der Jugend der Ich-Erzählerin geändert haben, was sich speziell in einem veränderten Verständnis dessen, was in der Annäherung zwischen Männern und Frauen okay ist (sichtbar geworden durch die MeToo-Bewegung), zeigt. Es ist jedenfalls ein stilles und ruhiges Buch, in dem nicht sehr viel passiert... auch eher wenig Charakterentwicklung der Ich-Erzählerin, die mir bis zum Ende gegenüber ihrer Herkunftsfamilie und gesellschaftlichen Konventionen etwas zu angepasst scheint. Als angenehme Sommerlektüre zwischendurch kann ich das Buch aber durchaus einer breiten Leserinnenschaft empfehlen.