Cover-Bild Die Manns - Geschichte einer Familie
29,95
inkl. MwSt
  • Verlag: Der Hörverlag
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Sachbücher / Geschichte
  • Ersterscheinung: 15.02.2016
  • ISBN: 9783844522969
Tilmann Lahme

Die Manns - Geschichte einer Familie

Christian Baumann (Sprecher)

"Eine große deutsche Familiensaga." Volker WeidermannThomas Manns literarisches Werk hat einen überragenden Stellenwert in der Welt – und es beherrscht die Familie. Seine Frau Katia hält ihm den Rücken frei und die Kinder vom Hals. Ihre scharfe Zunge ist gefürchtet. Der schöne Sohn Klaus will als Schriftsteller so berühmt sein wie der Vater. Erika, die älteste Tochter, liebt so leidenschaftlich, wie sie hasst. Der scheue Golo sucht sein Glück fern der Familie. Michael will ein großer Musiker werden und kämpft gegen seinen Jähzorn und die hohen Ansprüche der Familie. Der Liebling des Vaters, Elisabeth, redet mit Tieren und rettet die Welt. Und alle lästern über Monika. Die Geschwister experimentieren in der Liebe und mit Drogen, verschleudern das Geld der Eltern – und werden zu ernsthaften Gegnern Hitlers. Wohin das Schicksal sie auch trägt: Die Manns halten zusammen. Und sie verraten einander.(Laufzeit: 16h 6)

Lesejury-Facts

  • Dieses Buch befindet sich bei Sadie in einem Regal.
  • Sadie hat dieses Buch gelesen.

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.05.2019

Was für ein großartiges Lesevergnügen!

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Das hat richtig Spaß gemacht. Und dabei habe ich mich am Anfang von Buch und Autor etwas in die Irre führen lassen... aber der Reihe nach.

Bevor ich mit dem Lesen anfing, wusste ich nur absolute "Basics" ...

Das hat richtig Spaß gemacht. Und dabei habe ich mich am Anfang von Buch und Autor etwas in die Irre führen lassen... aber der Reihe nach.

Bevor ich mit dem Lesen anfing, wusste ich nur absolute "Basics" über die Familie Mann. Natürlich war mir der Name Thomas Mann als bedeutender Literat ein Begriff, gelesen habe ich allerdings (noch) nichts von ihm (Buddenbrocks steht ja schon seit Ewigkeiten auf der Liste, bisher habe ich nur eine Verfilmung geschafft, Asche auf mein Haupt). Und ja, er hatte viele Kinder und eines davon, Golo, hat mal ne Biografie über Wallenstein geschrieben (die bei meinen Eltern im Bücherregal stand und ich den Namen Golo als Kind sehr ungewöhnlich fand). Sehr rudimentäres Wissen also. Neugierig auf das Buch hat mich der Klappentext gemacht - wer liest nicht gerne über "schräge" Familien, vor allem, wenn sie prominent sind und ihr Dasein selbst so fleißig dokumentiert haben? Also, her damit. Vorher einmal kurz in den Anhang geschaut, wer wer ist - ah ja, Thomas und seine Frau Katia und die sechs Kinder. Kurz Namen (plus Spitznamen!) "gelernt" (und im Laufe des Lesens noch zwei, drei mal nachgeschlagen, dann saß das).

Ja, und dann ging es los. Zwei Dinge fielen mir am Anfang als, nun ja, ungewöhnlich auf, und ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte: Zum einen der recht neutrale Ton des Autors, zum anderen die Kinder, die (vor allem die älteren) nur - pardon my French - feiern, vögeln, sich zudröhnen und die Eltern anschnorren - amüsant zu Beginn, aber geht das jetzt 400+ Seiten so und will ich das?!?

Beide Bedenken haben sich sehr, sehr schnell zerstreut.

Lahmes Schreibstil hat sich, nach kurzer Eingewöhnung, als unheimlich willkommene Wohltat erwiesen. Die Briefe der Manns/ihre Sprache sind/ist so blumig, gewaltig und wortgewandt, dass der neutrale Erzähler ein notwendiges und sehr gut "auffangendes" Gegengewicht dazu bildet. Auch sprechen die zitierten Schriftstücke alle wunderbar für sich, sie selbst sind ihr eigener Kommentar, sodass es kaum weitere Anmerkungen dazu bedarf - und wenn Lahme doch mal kommentierend eingreift, dann sitzt das aber auch zu 100%. Eben weil diese Technik nicht übermäßig strapaziert wird. Und, weil Lahme als sowohl kompetenter und leidenschaftlicher, gleichzeitig aber auch fair-neutraler Kommentator und Erzähler absolut überzeugt: Man merkt ihm seine Faszination mit dieser Familie an, er "lebt" die Manns - und ist gleichzeitig keiner, der sie auf ein Podest hebt, sondern übt auch Kritik und überführt sie ihrer Lügen. Sehr schön differenziert. Sein Text, der die "Rahmenhandlung" des Buches liefert, also die zeitlichen, räumlichen und inhaltichen Zusammenhänge zwischen den Korrespondenzen herstellt, ist einfach nur richtig gut und toll lesbar. Die Briefe werden übrigens immer nur auszugsweise im Fließtext zitiert, auch das ist gut gewählt, liest sich sehr flüssig.

Das zweite Bedenken, die "Einseitigkeit" der Kinder, hat sich auch schnell zerstreut, denn das war noch lange nicht alles. Aber, zunächst mal, wow, was für eine Familie.

Denkt mal an die Kardashians, die Osbornes oder andere Formate, in denen eine mehr oder weniger prominente Familie ihr Leben vor der Öffentlichkeit ausbreitet, voll mit Liebe, Sex, Hass, Verrat und was noch sonst. Findet ihr doof? Ist noch eh alles nur nach Drehbuch? So sind Familien nicht, prominente schon gar nicht, und vom Sofa ruft die Omma: "Früher hätte es sowas sowieso nicht gegeben?" Äh, doch. Und noch besser. Und in echt. Vorhang auf für die Manns.

Ihr müsst euch das so vorstellen: Vater ist eigentlich heimlich schwul, Mutter (die das weiß, aber egal) schottet Papa von ziemlich allem ab, weil Genies halt Ruhe brauchen, womit Papa, Genie hin oder her, zum ziemlich weltfremden Eremiten wird, der zwar große Texte schreibt, sich aber im Alltag - so sagt man doch - nicht mal alleine die Schuhe zubinden kann. Die Kinder wachsen zunächst in behütetem Wohlstand auf, wohlwissend, dass der Papa (auch genannt der "Zauberer") DAS Genie ist (bloß nicht stören!). Sie machen das, wie oben beschrieben, und noch mehr. Es gibt jede Menge "gay storylines", bis hin zu der jungen Frau, die eigentlich in Erika Mann verliebt ist, die zwar lesbisch ist, aber an dieser Dame kein Interesse hat, daraufhin verlobt sich die Dame mit Klaus Mann, der zwar schwul ist, aber so ne Alibiverlobte ist ja vielleicht nicht verkehrt. Besser als in der daily soap, oder? Und noch dazu echt! Dazu kommen jede Menge psychische Probleme, vor allem bei den Kindern, zweitweise sind mehrere Kinder gleichzeitig in Behandlung. Und alle wollen irgendwie irgendwas in ihrem Leben erreichen, etwas eigenes, sich selbst profilieren - und da ist das Scheitern eigentlich schon vorprogrammiert, denn der Zauberer schwebt über allem und jedem und ist sein Genie ist sowieso nicht erreichbar.

Außer vielleicht für die jüngste, Elisabeth, denn sie ist des Zauberers Lieblingskind. Woher ich das weiß? Nun, sowohl Thomas als auch Katia Mann haben ganz eindeutige Lieblingskinder - und ebenso Kinder, die sie am wenigsten mögen. Und sie lassen das auch alle Beteiligten wissen, inklusive Lästereien der Eltern (v.a. Katia) mit anderen Kindern über ihre ungeliebten Geschwister. Gruselig? In der Tat.

Huch, jetzt bin ich aber schön abgeschweift. Also nein, im Buch dgeht es nicht nur um das lasterhafte Leben der Kinder. Die sind nämlich nicht nur "Sex, Drugs & Rock 'n Roll Literature"-mäßig unterwegs, sondern auch als Abenteurer. Und das meine ich total ernst. Mit Beginn der NS-Zeit und den daraus politischen Bewusstseinsentwicklungen wandelt sich das Buch vom Familienbericht mit Exzessen zum spannenden Abenteuerroman. Es ist einfach unglaublich, was die Kinder alles während der NS-Zeit unternommen haben, um auf ihre Art gegen die Nazis zu kämpfen. Vor allem Erika Mann, die viel als Kriegsreporterin unterwegs war, oder auch die Söhne mit ihren Erlebnissen bei der Armee. Und erst Monika und das tragische Schiffsunglück - das sind Plots, die für sich allein schon genug Grundlage für einen spannenden Roman, wenigstens aber eine atemberaubende Kurzgeschichte liefern würde. Bei den Manns gibt es zig solcher "Anekdoten" zu berichten. Geschichtsunterricht gibt es nebenbei.

Ach, ich könnte noch so viel erzählen. Aber lest doch am besten einfach selbst. Das Buch ist spannend, unterhaltsam und richtig gut geschrieben - eine absolute Empfehlung.