Cover-Bild Das Chalet der Erinnerungen
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9,99
inkl. MwSt
  • Verlag: FISCHER Taschenbuch
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Sachbücher / Geschichte
  • Seitenzahl: 224
  • Ersterscheinung: 26.06.2014
  • ISBN: 9783596196296
Tony Judt

Das Chalet der Erinnerungen

Matthias Fienbork (Übersetzer)

Ein Chalet in der Schweiz, wo er früher die Winterferien verbrachte, gehört zu den wichtigsten Kindheitserinnerungen von Tony Judt. Als ihn eine Krankheit ans Bett fesselte, wurde ihm dieses Chalet in schlaflosen Nächten zur inneren Heimat: von hier aus unternahm er im Kopf Reisen an die Schauplätze seines Lebens, die er in Prosastücke, in seine Autobiographie verwandelte.
Tony Judt hat mit diesem Buch ein Zeugnis von hoher Intellektualität hinterlassen, das bereits jetzt ein Klassiker der Erinnerungsliteratur ist. Es ist das Vermächtnis eines einzigartigen Intellektuellen, der wie kaum ein anderer unsere Geschichte beobachtete und reflektierte.


"Erfahrene Vielfalt prägt die Erinnerungen dieses großen Historikers."
Wolf Lepenies, Die Welt

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.01.2022

Das Gedächtnis ist ein Holzhaus

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Als ein „Historiker der Nachkriegszeit“ legt Tony Judt (1948-2010) in diesem letzten kleinen Werk fünfundzwanzig episodenhafte und fragmentarische Erinnerungssplitter („Feuilletons“, 19) vor, die er in ...

Als ein „Historiker der Nachkriegszeit“ legt Tony Judt (1948-2010) in diesem letzten kleinen Werk fünfundzwanzig episodenhafte und fragmentarische Erinnerungssplitter („Feuilletons“, 19) vor, die er in seinem letzten Lebensjahr der tödlichen Motoneuron-Krankheit (21) A.L.S. in nächtlichen Exerzitien abgerungen hat. Als Gedächtnis- und Speicherort diente Judt ein Holzhaus in „einem unspektakulären Wintersportort im Wallis“ (9), das er im Alter von etwa 10 Jahren im Urlaub mit den Eltern kennen lernte und das er nun beim Einüben ins eigene Sterben als mnemotechnisches Mantra und Depot wieder entdeckte, indem er „Segmente meiner Vergangenheit wie Lego-Steine zusammenfügte.“ (13) Judts Kindheitsjahre (38) stehen unter dem Diktat der Austerity in der Nachkriegszeit. Die Eltern „wohnten direkt über dem Friseurladen, in dem (sie) arbeiteten, während die meisten meiner Freunde in ärmlichen Verhältnissen oder Behelfsquartieren wohnten.“ (34,60) Die Mutter wächst nahe den Docklands „in einem typischen Cockney-Umfeld“ auf und verbarg ihr Jüdischsein „peinlichst“. (42) Die Eltern des Vaters sind aus Polen bzw. aus einem „litauischen Schtetl“ zugewandert. (43) Dem Vater reicht der Sohn das Werkzeug, wenn jener als Autonarr an seinem Citroen herum schraubt (50); mit 17 schafft sich der Sohn einen 2CV an. (54) Die Babyboomer „wuchsen wie selbstverständlich mit Autos und autovernarrten Vätern auf“ (55), wobei die kulturelle Hinterlassenschaft jener Boomgeneration „aber viel dünner (war) als das, was wir übernommen hatten.“ (146) Putney am Flussufer der Themse ist dann 1952-58 sozialtopographisch ein respektabler Rahmen für die bevorstehende Akademikerkarriere (57ff), auch wenn die Mews neben Werkstätten noch immer zwei Gäule für den lokalen Transport beherbergen. Der örtliche Sainsbury ist noch ein kleiner Laden „mit nur einem Schaufenster“. (60) Ab 1958 leben die Judts dann in Kingston Hill, neun Jahre lang, „bis meine Eltern kein Geld mehr hatten.“ (62) 1966 ist Tony dann schon in Cambridge (63, 105ff, 137ff), nach einer „freudlosen“ Schulzeit 1959-65 in „eine(r) viktorianische(n) Anstalt in Battersea, zwischen den beiden Bahnlinien gelegen, die von Clapham Junction nach Süden verlaufen.“ (89) Der fliegende Wechsel ans King´s kam 1966, als die Tradition, an solchen -aus dem Spätmittelalter stammenden- Einrichtungen ein kontemplatives, mönchisches Leben (zu führen)“, bereits zur Fiktion geronnen war, die „postautoritäre Zeit“ aber erst 1972 Mädchen am College zuließ. (109f) Judt jobbt von 1966-70, als Supermärkte „praktisch (noch) unbekannt“ waren, als Kurierfahrer und liefert in Südlondon „Teppiche, Haushaltsartikel und Wäsche aus.“ (132) Ein Jahr als Auslandsstudent in der Rue d´Ulm 1970 konfrontiert ihn mit dem elitären Anspruch, dem „gepaukten Faktenwissen“ und dem Verbalradikalismus der Pariser ENS- und ENA-Studenten sowie deren Parolen: „les murs ont la parole“ oder „ faisons table rase du passé“ (118, wir räumen mit der Vergangenheit auf). Am King´s lebt Judt unter Meritokraten (137ff) und mit akademischen Lehrern, „die sich nicht um Ruhm (und materiellen Reichtum) scherten und denen jedes Zweckdenken fremd war.“ (141) Wissenschaft an der Cam stand für „Esprit, Neugier und vor allem Offenheit“, sodass Judt dort promoviert und sechs Jahre dem Lehrkörper angehört, bevor er 1978 nach Berkeley weiter zieht. (142, 159ff) 1987 (bis zu seinem Tod) lebt und lehrt er in New York. (191ff) „Mit Abstand das Beste an Amerika sind seine Hochschulen.“ (164)
Michael Karl

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