Cover-Bild Frau im Dunkeln
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10,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Suhrkamp
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 11.02.2019
  • ISBN: 9783518761144
Elena Ferrante

Frau im Dunkeln

Roman
Anja Nattefort (Übersetzer)

Was bedeutet es, eine Frau und Mutter zu sein – und dabei eigene Wege gehen zu wollen? Mit frappierender Ehrlichkeit ergründet Elena Ferrante die widersprüchlichen Gefühle, die uns an unsere Kinder binden. Und zeigt uns die rätselhafte Schönheit und Brutalität dessen, was unser Leben ist.

Ein heißer Sommer an der süditalienischen Küste, Leda – knapp fünfzig, allein lebend, Mutter zweier erwachsener Töchter – verbringt unbeschwerte Tage am Strand. Sie vertreibt sich die Zeit damit, eine junge Mutter und deren kleines Mädchen zu beobachten, die innig vor sich hin spielen. Doch plötzlich verdüstert sich das Idyll und die sonst so beherrschte Leda lässt sich zu einer unbegreiflichen Tat hinreißen ...

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Veröffentlicht am 02.11.2019

Klar und ungeschönt

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Frau im Dunkeln ist ein Roman der italienischen Erfolgs-Autorin Elena Ferrante, welcher erstmals 2006 unter dem Titel La figlia oscura erschien und vom Suhrkamp-Verlag 2019 ins Deutsche übersetzt und neu ...

Frau im Dunkeln ist ein Roman der italienischen Erfolgs-Autorin Elena Ferrante, welcher erstmals 2006 unter dem Titel La figlia oscura erschien und vom Suhrkamp-Verlag 2019 ins Deutsche übersetzt und neu aufgelegt wurde. Ferrante beschreibt darin das Leben der Endvierzigerin Leda, welche einen Sommerurlaub auf Kalabrien verbringt und dort vor allem mit sich selbst konfrontiert wird.

Leda ist achtundvierzig Jahre alt und arbeitet an einer Universität in Florenz. Als sie ihren Sommerurlaub in einem Häuschen in Kalabrien verbringt, begegnet sie dort einer Großfamilie aus Neapel, welche vor allem durch Lärm und überdimensionale Präsenz auf sich aufmerksam machen. Leda wird durch die Neapolitaner an eigene Familienmitglieder erinnert, was nichts Positives vermuten lässt. Lediglich die junge Mutter Nina und ihre Tochter Elena sind ihr direkt sympathisch. Sie beobachtet Mutter und Kind über mehrere Tage, bis die geliebt Puppe der kleinen Elena verschwindet. Leda beteiligt sich zunächst an der Suche, um die Kleine zu trösten, nimmt die Puppe, als sie diese findet jedoch an sich und behält sie, obwohl Elena sie schmerzlich vermisst.

Leda hat zwei inzwischen erwachsene Töchter, Marta und Bianca, welche beide bei ihrem Vater in Kanada leben. Im Laufe der Geschichte wird immer deutlicher, dass Leda ein sehr zwiegespaltenes Verhältnis zu ihren Kindern hegt. Sie liebt sie, ist ihrer aber in der Vergangenheit dennoch oft überdrüssig gewesen und wird nicht müde, Gründe zu finden, weswegen sie diese zurecht im Kindesalter verlassen und mit ihrem Vater allein gelassen hat. Dadurch wird Ledas Zerrissenheit allzu deutlich. Sie sucht das eigene Glück, innere Zufriedenheit, auch wenn das bedeutet, auf ihre Kinder verzichten zu müssen. Sie will die aufopfernde Mutter sein, verliert sich aber immer wieder in dem Wunsch, sich selbst, unabhängig von anderen, verwirklichen zu wollen.

Die Autorin, deren bürgerlicher Name unbekannt ist, hat das Buch 2006 unter ihrem Pseudonym Elena Ferrante veröffentlicht. Der Grund dafür dürfte nicht schwer zu finden sein. Immerhin stellt ihre Protagonistin, welche in der Ich-Perspektive berichtet, eine klassisch polarisierende Persönlichkeit dar. Eine Mutter, welche ihre Kinder verlässt, wird in den seltensten Fällen bei Mitmenschen als Sympathieträgerin gelten. Ferrante hat sich so vor Anfeindungen geschützt, um denen, welche sie als Autorin und ihren Hauptcharakter als ein und dieselbe Person betrachten, keine Angriffsfläche bieten zu können. Ob dennoch autobiografische Züge für Frau im Dunkeln Anwendung gefunden haben, bleibt offen.

Der Schreibstil ist klug und flüssig geschrieben, die Charaktere ausreichend gezeichnet um sich diese vorstellen zu können. Das Setting harmoniert mit der Handlung und den Figuren, lässt die Stimmung des Buches sogar noch deutlicher werden. Die Geschichte hat mich gut unterhalten und vor allem sehr aufgewühlt.

Veröffentlicht am 11.03.2020

„Ich dachte, dass eine unerklärliche Handlung weitere Handlungen von immer größerer Undurchsichtigkeit nach sich zog…“

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Ich lasse das mit Elena Ferrante sein. Sie schreibt genial, aber ich mag nicht, was sie schreibt. Wie das? Nun, ich hatte eine Kindheitsfreundin. Meine Mutter hatte mich, das immer zuerst ziemlich zurückhaltende ...

Ich lasse das mit Elena Ferrante sein. Sie schreibt genial, aber ich mag nicht, was sie schreibt. Wie das? Nun, ich hatte eine Kindheitsfreundin. Meine Mutter hatte mich, das immer zuerst ziemlich zurückhaltende Kind, mit ihr bekannt gemacht, als wir beide in den Vorschulkindergarten kommen sollten, wir wohnten in derselben Straße, 300 Meter entfernt. Wir haben fast täglich miteinander gespielt. Sie fragte mich, was meine Eltern an Gehalt bekommen – arglos fragte ich daheim. „Geld, Kieselsteine nehmen sie nicht“ lehrte mich meine Oma. In der Schule war ihr immer wichtig, welche Noten ich im Vergleich zu ihr hatte – sie kannte meinen Notendurchschnitt vor mir. Als ihrer schlechter wurde, später, in der Pubertät, wurde ich von ihr als Streberin verhöhnt. Als ich sie einmal abholte, verstörte mich ihre Tante mit ihrer Bewunderung für meine Augenbrauen und Wimpern – dann, mit Blick auf sie: „nun, später malt das eh‘ jeder nach und es macht keinen Unterschied“. Als ich mir Schuhe mit etwas höheren Absätzen ertrotzt hatte, verstörte mich ihr Vater mit dem Ausruf „Pumps!“ – wiederholt, immer wieder, und „wie eine Animierdame“. Ich war vielleicht vierzehn. Als sie sitzenblieb, fand ich Freundinnen, die mir bis heute blieben. Wir vergleichen einander nicht, wir gönnen uns unsere Unterschiede. Wir üben „weißen Neid“ – „manchmal denke ich, ich hätte… und dann sehe ich … Wie schaffst Du das?“

Es gibt solche Frauen wie bei Ferrante, Frauen, die sich im Vergleich mit anderen definieren, dabei die andern heruntermachen, sich schlecht fühlen. Das braucht niemand. Frauen benötigen keine Frauen, die sie von oben bis unten mustern, die sie wahrnehmen als Konkurrentinnen um ihre Männer (solche wären es nicht wert), die Sätze äußern wie „also, ich würde ja nicht …“ oder „bei mir wäre ja ….“.

Ich-Erzählerin Leda, geschieden, Mutter zweier erwachsener Töchter, die beim Vater leben, fährt in den Strandurlaub. Dort trifft sie auf eine Großfamilie aus Neapel, an der sie sich reibt: „Diese Leute regten mich auf. Ich war in ein Umfeld hineingeboren worden, das sich kein Stück davon unterschied, auch meine Onkel, meine Cousins, mein Vater besaßen diese aufdringliche Herzlichkeit. Sie waren förmlich, im Allgemeinen sehr gesellig, jede Frage aus ihrem Mund klang wie ein Befehl, kaum abgeschwächt durch ihre falsche Gutmütigkeit, und bei Bedarf konnten sie auf die vulgärste Weise ausfallend und aggressiv werden. Meine Mutter schämte sich für die pöbelhafte Art meines Vaters und seiner Verwandten, sie wollte anders sein, spielte dabei die kultivierte Dame von Welt. Doch beim kleinsten Streit verrutschte diese Maske, und dahinter trat das gleihe Verhalten, die gleiche Sprache hervor, die alle an den Tag legten, um nichts weniger ausgeprägt.“

Besonders ist Leda fasziniert von der jungen Mutter Nina und ihrer kleinen Tochter. Sie beobachtet, nimmt aber bald auf eine ungute Art teil an den Ereignissen, oft eher durch Unterlassen, denn durch Handeln, fast zwanghaft. Parallel dazu erfährt der Leser schrittweise mehr über Leda, über ihre eigene Beziehung zu ihren Töchtern, über ihre Unzufriedenheit, aber auch über Ninas kleine Fluchten.

Ernsthaft? Leda ist eine unzufriedene, verwöhnte dusselige Ziege. Ich habe jetzt weniger das Problem damit, dass eine Mutter durchaus auch unzufrieden mit ihrer Mutterrolle ist, aber diese Frau weiß eigentlich nicht wirklich, was sie will. Nina „Warum hast du deine Töchter verlassen?“
„Ich liebte sie zu sehr, und ich hatte das Gefühl, meine Liebe zu ihnen hinderte mich daran, ich selbst zu werden.“
„…ich bin aus demselben Grund zurückgekehrt, aus dem ich gegangen war: aus Eigenliebe.“ Aha, ja.

Und so geht das durchgängig. Nina ist hübsch – nein, hässlich. Leda liebt ihre Töchter – aber sorgt sich, weil die eine so wenig liebenswert ist. Der ältere Herr, der sich als Faktotum um die Wohnung kümmert, wird ganz besonders zur Projektionsfläche ihrer Stimmungen. Ernsthaft, das Buch sollte ein Psychologe analysieren.

Der Schreibstil, die Sprache, die Bildhaftigkeit: 5 Sterne.
Inhaltlich? 2 Sterne. Ich bin genervt, aber reichlich. 3 Sterne, wohlwollend, wegen der Sprache und weil es vor der „Saga“ auch ging, ohne ein Thema so extrem breitzuwalzen und figurentechnisch aufzublähen

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