Über Verlust, Trauer, Trost und Neuanfang - sensibel und lebensnah erzählt
Als Romy ihren geliebten Großvater Egon verliert, bricht für sie eine Welt zusammen. Bei Egon ist sie aufgewachsen seit sie 10 Jahre alt war und bis heute in ihr Erwachsenenalter hinein hat sie eine sehr ...
Als Romy ihren geliebten Großvater Egon verliert, bricht für sie eine Welt zusammen. Bei Egon ist sie aufgewachsen seit sie 10 Jahre alt war und bis heute in ihr Erwachsenenalter hinein hat sie eine sehr enge, liebevolle Beziehung zu ihm gepflegt. Er war ihr Fels in der Brandung, der nun schmerzlich fehlt. Und wie die Brandung ohne einen Fels stürzt nun auch das Leben scheinbar unkontrolliert über sie hinweg ohne Egon an ihrer Seite.
In dieser Ausnahmesituation findet Romy ein Lebewesen, das noch hilfloser ist, als sie selbst: eine verwirrte, scheinbar kranke Jungtaube. Ohne viel nachzudenken nimmt sie die Taube bei sich auf, denn die Liebe zu Tauben hat Egon ihr schon früh vermittelt. Und so beginnt im Roman ein Prozess für Romy, die Taube und beide zusammen, den Elli Kolb uns in ihrer sanften Sprache und feinen Beobachtungsgabe mitverfolgen lässt.
Mit Romys Leben und Umfeld macht es sich die Autorin nie leicht und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb wirkt alles so nachvollziehbar und realistisch. Der Verlust des Großvaters, eine schwierige Beziehung zur alleinerziehenden Mutter, Rivalität in der Freundschaft, eine neue Bekanntschaft, vielleicht sogar Liebe, und immer wieder die Sorge um die Taube: es sind viele Themen, die in Romys Leben aufeinander treffen und zugleich nie überfrachtet wirken. Sensibel leuchtet Elli Kolb Romys Gefühle, Gedanken und die schwierigen Situationen aus, in die das Leben uns manchmal wirft. Ich habe schon 9 Grad von der Autorin gelesen und bin beeindruckt wie sanft und realitätsnah in beiden Romanen schwere Themen aufgegriffen werden - dies auch nicht nur am Rande, sondern im unmittelbaren Fokus. Romys Leben aus den Fugen, der unbeschreibliche Verlust, die Verlorenheit und das ständige Gefühl im falschen Film gelandet zu sein, habe ich als sehr realistisch dargestellt erlebt.
Ganz bezaubert bin ich von den vielen Details über Tauben und dem liebevollen Blick auf diese im Roman. Definitiv werde ich Tauben von nun an mit anderen Augen sehen!
Sprachlich entwickelt sich der Roman für mich sehr stark, etwa ab der Hälfte hatte ich das Gefühl, die Autorin ist ganz angekommen in Romys Welt und findet immer die richtigen Worte, egal ob in Romys Reflexionen oder den Dialogen.
Für mich ist der neue Roman von Elli Kolb noch einmal reifer als 9 Grad, auch wenn ich diesen schon sehr mochte. Inhaltlich und sprachlich überzeugt die Autorin mit einem sensiblen Blick für schwierige Lebenslagen und fängt diese in einer feinen, lebensnahen Sprache ein! Ganz klare Empfehlung!