Cover-Bild Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Suhrkamp
  • Themenbereich: Belletristik - SciFi: Nahe Zukunft
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 270
  • Ersterscheinung: 12.08.2019
  • ISBN: 9783518428832
Emma Braslavsky

Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten

Roman

Berlin, in einer nahen Zukunft. Die Stadt pulsiert dank der Hubot-Industrie: Robotik-Unternehmen stellen künstliche Partner*innen her, die von realen Menschen nicht zu unterscheiden sind; jede Art von Beziehungswunsch ist erfüllbar, uneingeschränktes privates Glück und die vollständige Abschaffung der Einsamkeit sind kurz davor, Wirklichkeit zu werden. Doch die Zahl der Selbsttötungen hat sich verzehnfacht. Denn die neuen Wesen beherrschen zwar die hohe Kunst der simulierten Liebe, können aber keine Verantwortung für jene übernehmen, mit denen sie zusammenleben. Immer mehr Menschen gehen an sozialer Entfremdung zugrunde. Deshalb kommt Roberta auf den Markt. Sie soll die Angehörigen der Suizidant*innen ausfindig machen, um dem Sozialamt die Bestattungskosten zu ersparen. Versagt sie, wird sie in Einzelteile zerlegt und an die Haushaltsrobotik verscherbelt. Und nicht jeder ist am Erfolg ihrer Ermittlungen interessiert.

Emma Braslavsky blickt einer Stadt ins Nachtherz und führt uns auf die dunkle Seite einer aufgekratzten Metropole. Ihr Roman ist Großstadtmärchen und Kriminalgeschichte und erzählt witzig und rasant von der Radikalisierung des Individuums, von der schmalen Grenze zwischen natürlichem und künstlichem Leben und von der Allmacht der Algorithmen.

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Veröffentlicht am 04.01.2020

Der Cyborg, der Mensch und die Bürokratie

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Haben Roboter oder „Recheneinheiten“ Seelen? Können sie träumen? Haben sie Gefühle? Emma Braslavski stellt in ihrem Roman diese bekannten Fragen neu, denn die Antworten darauf sind freilich selbst Fragen: ...

Haben Roboter oder „Recheneinheiten“ Seelen? Können sie träumen? Haben sie Gefühle? Emma Braslavski stellt in ihrem Roman diese bekannten Fragen neu, denn die Antworten darauf sind freilich selbst Fragen: Haben den Menschen Seelen, Träume, Gefühle?

Roberta kommt auf alle diese Probleme, denn sie ist eine neuartige Recheneinheit der Berliner Polizei. Andere ihresgleichen („Hubots“) ersetzen in der Mitte des 21. Jahrhunderts den Menschen den Wunschpartner, sind geprägt auf Individuen, die es leid sind, den passenden Menschen zu suchen, und sich stattdessen einen Roboter kreieren lassen, der allen Wünschen entspricht. Roberta aber ist anders: Sie soll die hoffnungslos überforderte Polizei bei den Ermittlungen unterstützen, weshalb sie selbstlernende Programme besitzt, ein unscheinbares Äußeres und keine Prägung auf einen Menschen. Eingesetzt wird sie im am heftigsten beanspruchten Dezernat, das nämlich für die grassierenden Suizide in Berlin zuständig ist. Jeden Tag bringen sich zig Menschen in der Hauptstadt um – eigenartig, wo doch keiner mehr allein zu sein scheint?

Robertas erster Fall ist Lennards Selbstmord. Den soll sie aufklären, damit das Land Berlin nicht auf den Bestattungskosten sitzen bleibt. So viele Selbstmörder reißen nämlich ein großes Loch in die Stadtkasse. Roberta verfolgt nun drei Strategien: Erstens will sie besser werden und die Menschen verstehen. Erschreckend, was sie da alles lernt. Zweitens will sie Lennards Selbstmord aufklären und seine Persönlichkeit und Motive erfahren. Noch erschreckender, wie tief sie in Lennards Person eintaucht – klar, dass hier die Seelensuche und die Frage, was einen Menschen ausmacht, verhandelt wird. Drittens schließlich will Roberta den fall so kostengünstig abschließen, dass das Land Berlin keine Aufwände mit der Beerdigung hat.

Alle drei Teile gehen einem im Laufe des Romans erheblich auf die Nerven. Insbesondere der Wettlauf der immer zombiehafter wirkenden Roberta mit den Geistern der Bürokratie enerviert erheblich. In Wahrheit ließe sich die Handlung des zweiten Romanteils nämlich auf den Behördenparcours reduzieren. Das war schon in „Asterix erobert Rom“, als das gallische Doppel-As den Passierschein 38 bei einer „Formalität verwaltungstechnischer Art“ beschaffen sollte, ab der dritten Bürotür nicht mehr so lustig. Robertas Kampf mit den Vorschriften ermüdet, zumal mich der Gedanke beschlich, dass hier nicht Wirklichkeit überhöht, sondern womöglich nur wirklichkeitsnah abgebildet wird … Ganz klar ist jedoch – und das hätte dem Superrechenhirn Robertas klar sein müssen –, dass ihre gesamte Taktik vor allem Transaktionskosten produziert, also unter dem Strich teurer wird als eine fachgerechte schnelle Verklappung von Lennards Leiche auf Staatskosten. Die Handlungsmotivation der zweiten Hälfte ist dürftig und freudlos.

In dieser zweiten Hälfte schrumpft auch Robertas Vorgesetzte Cleo zur Randfigur und reiht sich anscheinend willenlos in Madame Robertas Gruselkabinett der Nebenfiguren ein. Warum? Am Anfang war sei so taff, am Ende ist sie Erfüllungsgehilfin der Androidin.

Robertas Metamorphose auf der Suche nach sich selbst ist plausibel, bisweilen erschreckend, aber auf Dauer anstrengend. Die Autorin changiert ständig zwischen anthropologischen Menschenbeobachtungen, die satirisch den Spiegel zücken, um ihn uns Menschen vorzuhalten, und Robertas groteskem und unsanktioniertem Verhalten, das auch innerhalb des von Braslavski geschaffenen Romanregelsystems nicht funktioniert. Roberta mutiert immer mehr zu einem trashigen Zombie mit Lippenstift, dessen Aktionismus nervt und dessen analytischen Festlegungen fragwürdig sind.

In der ersten Romanhälfte hingegen stellen sich Roberta, Cleo und Lennard den Eingangsfragen zum Menschsein. Das ist oft scharfsinnig und gibt Denkanstöße. Die Antworten dieses Romans sind nicht neu, aber es macht Spaß zu lesen, in welches satirische Umfeld die Autorin sie verlegt und wie daraus eine Berlin-Groteske entsteht, die man durchaus auch als Kritik am seelenlosen urbanen Hauptstadt-Mainstream lesen kann. Ab der Mitte des Buches wird aus Robertas Sicht erzählt, was den Brechungsgrad der Geschichte erhöhen soll, aber meistens entweder zu seicht oder zu trashig wirkt.

Besonders sind die kursiv gesetzten Texte aus Lennards Feder, dessen künstlerisches Selbst verletzlich und fantasievoll daliegt wie ein natürliches Opfer einer gesellschaftlichen Ansicht, dass kommerzieller Erfolg als einziges Kriterium für ein erfolgreiches Leben genügt. Lennard ist kein Loser, er ist nur in dieser Gesellschaft ein Verlierer. Ob sie in diesen Roman passen, sei dahingestellt. Sie sind ja auch durch die Kursivierung aus dem Roman herausgehoben. Ob sie zum Verständnis beitragen?

Der Roman ist aus einer Festivalidee und einem Drehbuch entstanden – und das ist womöglich auch der Grund, weshalb die eigentlich geniale Idee nicht über die ganze Distanz trägt, trotz der vielen kleinen und genialen Einfälle der Autorin: Eine gute Idee für ein dialogisches Hörspiel ist nicht zwingend auch eine gute Idee für einen ganzen Roman.

Dennoch: „Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten“ ist ungewöhnlich, gut geschrieben, witzig und ein Berlin-Roman der besonderen Art.

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Veröffentlicht am 10.11.2023

Selten schlecht

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Wäre es nicht eine Schullektüre für unseren Sohn gewesen, hätte ich das Buch sicher nach drei Kapiteln abgebrochen.

Die Grundidee - das Leben mit KI-Robots und deren Auswirkungen auf die Psyche des Menschen ...

Wäre es nicht eine Schullektüre für unseren Sohn gewesen, hätte ich das Buch sicher nach drei Kapiteln abgebrochen.

Die Grundidee - das Leben mit KI-Robots und deren Auswirkungen auf die Psyche des Menschen ist ganz nett, aber die Umsetzung ist grauenhaft. Das Buch handelt gefühlt nur über die bürokratischen Probleme von Beerdigungen in einem fiktiven Berlin in naher Zukunft - das fand ich einfach nur ermüdend und langweilig!

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