Cover-Bild Langsame Jahre
20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: steinbach sprechende bücher
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Heranwachsen
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 16.07.2019
  • ISBN: 9783958625242
Fernando Aramburu

Langsame Jahre

Frank Stöckle (Sprecher), Willi Zurbrüggen (Übersetzer)

Ein achtjähriger Junge wird mit einem kleinen Koffer in der einen und zwei lebenden Hühnern in der anderen Hand zu Verwandten geschickt. In seinem baskischen Heimatdorf herrscht große Armut, die Eltern können den Jüngsten nicht mehr ernähren. In San Sebastián erwartet ihn eine typisch baskische Familie der sechziger Jahre: Die Tante hat das Sagen, ihr Mann kriegt den Mund nicht auf. Die Cousine und der Cousin suchen auf verschiedene Weisen neue Freiheiten, von denen die Eltern nichts wissen. Nach dem großen Erfolg des Baskenromans Patria wird hier erzählt, wie alles begonnen hat: eine berührende Familiengeschichte aus der Perspektive eines Kindes.

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Lesejury-Facts

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.08.2019

So funktionierte Familie

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Das Hörbuch "Langsame Jahre" von Fernando Aramburu hat eine ganz eigenartige Herangehensweise an die Erzählung der Lebensgeschichte des Jungen Txiki. Der erwachsene Txiki schildert dem Autor sein Leben ...

Das Hörbuch "Langsame Jahre" von Fernando Aramburu hat eine ganz eigenartige Herangehensweise an die Erzählung der Lebensgeschichte des Jungen Txiki. Der erwachsene Txiki schildert dem Autor sein Leben als 8jähriger Junge, unterbricht seinen Refluss von Zeit zu Zeit um regelrechte Regieanweisungen zu geben, wie das geplante Buch zu schreiben sei und an welcher Stelle der Autor seiner Phantasie freien Lauf lassen kann. Beim Schreiben habe er so zu verfahren, dass die Leser auf keinen Fall aus dem Text Rückschlüsse auf die Familienmitglieder schöpfen könnten. Es braucht etwas Konzentration, bis man diese, wie zufällig eingeworfenen Bemerkungen, aus der eigentlichen Handlung herausfiltert.

Über dem ganzen Roman liegt der Geruch von Armut. Aus ärmlichen Verhältnissen kommend, wird Txiki in der Familie seiner Tante (die Schwester seiner Mutter) aufgenommen. Die eigene Mutter kann ihre Kinder, nachdem sie von ihrem Mann verlassen wurde, nicht mehr ernähren. Wer nun erwartet, dass der kleine Junge ausgegrenzt oder als armer Verwandter schlecht behandelt wird, liegt falsch. Es ist eine baskische Familie nach altem Stil. In der Not hält man zusammen und teilt das Wenige, das man hat. Der Mann arbeitete außer Haus, verdiente das Geld, doch zu Hause hatte die Mutter das Sagen. Das klassische Familienbild der damaligen Zeit.

Man schreibt das Jahr 1968. Die Diktatur von General Franco bestimmt das tägliche Leben. Gewalt herrscht im Land und es wird vom Machthaber und seinen Anhägern kein Aufbegehren gegen diese Diktatur gedultet. Die Herangehensweise des Autors an dieses brisante Thema setzt voraus, dass der Leser über die politische Lage des damaligen Spaniens informiert ist. Fernando Aramburu macht es dem Hörer nicht bequem. Man sollte sich schon ein gewisses geschichtliches Grundwissen über die Franco-Diktatur und die ETA im Vorfeld angeeignet haben. Hat man das nicht, bleibt einem als Hörer dieses Romans vieles unverständlich, bzw. die Feinheiten der Schilderungen werden nicht erfasst.

Was die Nachbarn über die eigene Familie denken, ist insbesonder für die Frauen von großer Bedeutung. Diese sind zu Hause und bekommen das Gespött der Nachbarn voll ab. Als die leichtlebige Tochter - Cousine von Txiki - schwanger wird, bricht das große Drama aus. Der Vater des Kindes kann nicht klar benannt werden, also muss ein anderer Ehemann her, damit die Ehre gerettet wird. Ansonsten wäre die zukünftige Oma gezwungen, in Zukunft mit gesenktem Haupt durchs Dorf zu gehen. Welch eine Schmach! Allein die Vorstellung an das Gerede der Nachbarn ist ihr unerträglich und bereitet schlaflose Nächte. Lieber wird die Tochter in eine ungewollte Ehe gezwängt.

So funktionierte Familie.

Txiki teilt sich mit seinem Cousin Julen das Zimmer. Julen, der Halbwüchsige, der sich von den Eltern nichts mehr sagen lassen will. Macht, was er will. Die Verbote, sich politisch zu betätigen schießt er in den Wind. Mit dem Pfarrer gehen er und seine Freundean den Wochenenden in die Berge zum Wandern. Doch während der Wanderungen ist es das Ziel des Pfarrers, seine Schützlinge politisch zu aktivieren, sie dazu aufzurufen, sich der Diktatur zu versagen. Doch als die Jungs auffliegen, verhaftet und gefolter werden, hat der Pfarrer nicht Mut und Kraft genug, seinen Teil der Verantwortung zu übernehmen.

Mir hat dieses Hörbuch sehr gut gefallen. Allerdings habe ich es auch mehrmals gehört um nichts zu verpassen. Der Alltag in San Sebastian des Jahres 1968 unterscheidet sich von dem Heute doch sehr stark. Der Autor wählte eine einfache Sprache. Trotzdem gelang es ihm, ein umfassendes Bild dieses Familienlebens zu zeichnen. Langsam und stetig plätschert der Alltag mit all seinen Höhen und Tiefen dahin.

Da ich am liebsten abends im Bett bei Dunkelheit meine Hörbücher höre, entspannen sich vor meinem inneren Auge die Wege durchs Dorf, das alte Haus, die Küche und das Treppenhaus in den oberen Stock, der Flur zu dem kleinen Zimmer, welches sich Txiki und Julen teilen. Sogar die stinkenden Füße und Socken von Julen waren gegenwärtig.

Wie ich zuvor schon schrieb, mir hat dieses Hörbuch sehr gut gefallen. Andernfalls hätte ich es mir nicht so intensiv erarbeitet und mehrmals gehört.


Veröffentlicht am 20.07.2019

Auch das war Spanien

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Sehr gern hört man dem sehr talentierten Sprecher zu, wie er gekonnt diese berührende und meist traurige Geschichte erzählt.
Es geht um einen kleinen spanischen Jungen, der durch die finanzielle Not seiner ...

Sehr gern hört man dem sehr talentierten Sprecher zu, wie er gekonnt diese berührende und meist traurige Geschichte erzählt.
Es geht um einen kleinen spanischen Jungen, der durch die finanzielle Not seiner Mutter bedingt, vom Land in die Stadt zu seinen etwas besser situierten Verwandten kommt. Es ist für ihn anfangs ein kleiner Kulturschock, doch der pfiffige und gehorsame Junge fügt sich schnell in dern Familienverbund ein und findet seinen Platz in der neuen Familie. Die hat es allerdings auch nicht leicht, denn nicht nur wegen der beiden gerade so erwachsenen Kinder kommt es häufig zu familiären Spannungen.
Das Ganze spielt auch noch in der schweren Zeit des Franco-Regimes, schwere Zeiten für die Bevölkerung.
Der Protagonist erzählt darüber sehr unterhaltsam und spannend als älterer Mann aus dem Gedächtnis.
Der Leser erfährt viel über diese harten Zeiten in Spanien und die allgemeine Lage des einfachen Volkes. Es war ein wichtiger Teil der spanischen Geschichte.

Veröffentlicht am 15.07.2019

Spanien unter Franco

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Fernando Aramburus neuester Roman gefällt mir aus mehreren Gründen ausgezeichnet:

1. Er wählt einen außergewöhnlichen Stil, um die schwarze Epoche Spaniens zu beschreiben: Einerseits die biografischen ...

Fernando Aramburus neuester Roman gefällt mir aus mehreren Gründen ausgezeichnet:

1. Er wählt einen außergewöhnlichen Stil, um die schwarze Epoche Spaniens zu beschreiben: Einerseits die biografischen Erinnerungen eines Mannes, der dem Autor von seiner Kindheit in den 60er und 70er Jahre berichtet; andererseits der Autor, der sich dazu Notizen, sog. Notate, macht, wie er diesen Roman angehen will.
2. Bei Aramburu menschelt es: Da gibt es die energische, erzkatholische Tante, die die Familie auf Trab hält, besonders, wenn ihr der Priester verrät was ihre Tochter beichtet. Außerdem
genau diese Tochter, die viel zu früh schwanger wird, heiraten muss, was sicherlich sehr authentisch in die Zeit der 60er und 70er passt, nicht nur in Spanien.
3. Aramburu fängt trotz der Perspektive eines Kindes die politische Situation Spaniens unter der Franco Diktatur sehr anschaulich ein: Die hungernde Landbevölkerung, junge Männer, die im Untergrund ihr Leben riskieren, die katholische Kirche, die dabei ordentlich mitmischt.

Der Roman zeichnet für mich ein realistisches Gesellschaftsbild, das obwohl tragisch, sich eine humoristische Grundhaltung bewahlt.

Unbedingt hörenswert!