Cover-Bild Der weiße Abgrund
13,99
inkl. MwSt
  • Verlag: btb
  • Themenbereich: Belletristik - Biografischer Roman
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Ersterscheinung: 13.07.2020
  • ISBN: 9783641265038
Henning Boëtius

Der weiße Abgrund

Ein Heinrich-Heine-Roman
Paris, um 1850. Durch eine unheilbare Krankheit ans Bett gefesselt, versucht Heinrich Heine seinem bevorstehenden Tod ein letztes Werk abzutrotzen: seine Memoiren, die sein Opus magnum werden sollen. An den illustren Diners der Pariser Bohème kann er schon lange nicht mehr teilnehmen. Stattdessen empfängt er gelegentliche Besuche deutscher Exilanten oder französischer Künstlerfreunde. Dann sucht überraschend Elise Krinitz seine Bekanntschaft: eine junge Frau, die Heine bewundert und zugleich hofft, in ihm einen Mentor für ihre eigenen literarischen Ambitionen zu finden. Mit ihr, die er zärtlich-ironisch „Mouche“ nennt, hat er bald darauf eine zwar platonische, aber nicht minder leidenschaftliche „Affäre“. Seine Memoiren aber werden, nachdem Heine am 17. Februar 1856 stirbt, für alle Zeit verschollen bleiben. Eingebettet in ein faszinierendes Panorama des Paris seiner Zeit, zeichnet Boëtius‘ Roman das einzigartige Porträt der letzten Lebensjahre des großen deutschen Dichters Heine.

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Veröffentlicht am 26.07.2020

Ein literaturhistorisch interessanter Roman über Heines Sterben im Pariser Exil

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REZENSION – Nicht nur literaturhistorisch interessierte Leser dürfte der im Juli im btb-Verlag erschienene Roman „Der weiße Abgrund“ von Henning Boëtius (81) begeistern, sondern alle Freunde der klassischen ...

REZENSION – Nicht nur literaturhistorisch interessierte Leser dürfte der im Juli im btb-Verlag erschienene Roman „Der weiße Abgrund“ von Henning Boëtius (81) begeistern, sondern alle Freunde der klassischen Literatur deutscher Sprache. Sprachlich grandios und überaus lebendig, auch für fachlich Unkundige leicht zu lesen, beschreibt der für die Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts ausgewiesene Fachmann die letzten Jahre und Wochen des Dichters Heinrich Heine (1797-1856) auf dem Sterbebett in seiner kleinen Pariser Wohnung, bescheiden möbliert mit Möbeln vom Flohmarkt. Fast glaubt man als Leser, auf Heines Bettkante zu sitzen und ihm beim Hinscheiden in den „weißen Abgrund“ zu beobachten.
Der sterbenskranke Mittfünfziger ist längst kein Revolutionär mehr, weshalb er vor 20 Jahren nach Anfeindungen wegen seiner jüdischen Herkunft und seiner politischen Ansichten mit nachfolgendem Publikationsverbot ins Pariser Exil auswich. „Körperliches Leiden macht reaktionär“, vermutet Boëtius und fährt fort: „In den letzten Monaten seines Lebens, befreit von vielen ablenkenden Zwängen irdischen Daseins ... schreibt Heine seine besten Texte.“
Schon seit den 1830er Jahren leidend, seit 1848 in seiner „Matratzengruft“ dahinsiechend, während draußen die Industrialisierung voranschreitet und Paris sich auf die Weltausstellung vorbereitet, kann Heine schon lange nicht mehr an gesellschaftlichen Treffen in den Salons der Pariser Bohème teilnehmen. „Kein Wunder, dass sich Heine angesichts dieser Entwicklung wie ein Fossil vorkommt, dessen Reimereien nur noch ein schwaches Echo sind, zurückgeworfen vom Waldrand der Vergangenheit.“ Stattdessen empfängt der immer noch von vielen bewunderte, von manchen beneidete und von einigen auch ausgenutzte Dichter alte Freunde und neue Bekannte am Krankenbett. „Er hat viel Besuch in diesen Tagen. So etwas wie ein Leichenzug, der hinter einem Sarg herläuft. Dabei ist er noch gar nicht tot, aber er scheint für viele so etwas wie ein interessanter lebender Leichnam zu sein. …. Er ist ein sterbender König, mit seinem winzigen Dreizimmer-Versailles, seinem kleinen Hofstaat, seinen Schranzen, seinen Günstlingen, seiner Mätresse.“
Heine fürchtet sich nicht vor dem Tod, zumal der „weiße Abgrund“ für den Schwerkranken eher Erlösung ist. „Er findet ihn nur ärgerlich, zu banal, zu phantasielos, ein Philister des Nichts.“ Trost gibt ihm seine letzte große, wenn auch platonische Liebe Elise Krinitz, die als Heines Bewunderin hofft, ihn als Mentor für eigene literarische Ambitionen zu gewinnen. Ist sie es wirklich, die auf Druck ihres Freundes, des Schriftstellers Alfred Meißner, des Dichters Sterben durch mit Blei vergifteten Wein beschleunigt? Heines Leibarzt David Gruby erstattet jedenfalls nach dessen Tod bei der Polizei Anzeige: Heine sei sich zwar sicher gewesen, an Syphilis erkrankt zu sein. Doch extremes Erbrechen, die Koliken, wochenlang anhaltende Verstopfung, die Lähmung der Gliedmaßen, „all das passt eher zu einer Bleivergiftung“, zumal Heines Schaffenskraft bis zum Ende niemals nachließ.
Boëtius schildert, wie Heine sein Schicksal mit beißender Ironie und Sarkasmus erträgt. Dem Sterben und Tod des Dichters hält der Autor Heines Spott über das Leben und seine Künstlerkollegen entgegen, wodurch dem Autor ein sehr "lebendiger" Roman gelungen ist. Wunderbar beschrieben ist vor allem der Abend im Salon seines Arztes, bei dem wir unter den illustren, doch Karikaturen ihrer selbst ähnelnden Gästen auch Gustave Flaubert antreffen, der an einer Enzyklopädie der menschlichen Dummheit arbeitet. Henning Boëtius' schmales, nur 190-seitiges Buch „Der weiße Abgrund“ ist dagegen ein erfreulich intelligenter Roman, von einem Kenner der Szene verfasst. Boëtius schafft es, mit seiner kurzen Romanbiografie auch solchen Lesern einen der bedeutendsten deutschen Dichter näher zu bringen, die sich mit Heinrich Heine noch nie zuvor befasst haben. Wer durch dieses Buch von Heines Sterben erfahren hat, wird sich anschließend gern über Heines Leben informieren wollen.

Veröffentlicht am 12.02.2021

Hat es in sich!

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Allgemeines:

Henning Boëtius hat Romane, Essays, Lyrik und Sachbücher verfasst. Er wuchs auf der Insel Föhr auf und lebt heute in Berlin. Einem breiteren Publikum wurde er durch seine Kriminalromane um ...

Allgemeines:

Henning Boëtius hat Romane, Essays, Lyrik und Sachbücher verfasst. Er wuchs auf der Insel Föhr auf und lebt heute in Berlin. Einem breiteren Publikum wurde er durch seine Kriminalromane um den niederländischen Kommissar Piet Hieronymus bekannt. Der weiße Abgrund, eine Mischung aus Fakten und Fiktion, ist als Hardcover im Juli 2020 bei btb erschienen und umfasst 190 Seiten.

Inhalt:

„Paris, um 1850. Durch eine unheilbare Krankheit ans Bett gefesselt, versucht Heinrich Heine seinem bevorstehenden Tod ein letztes Werk abzutrotzen: seine Memoiren, die sein Opus Magnum werden sollen. An den illustren Diners der Pariser Bohème kann er schon lange nicht mehr teilnehmen. Stattdessen empfängt er gelegentliche Besuche deutscher Exilanten oder französischer Künstlerfreunde. Dann sucht überraschend Elise Krinitz seine Bekanntschaft: eine junge Frau, die Heine bewundert und zugleich hofft, in ihm einen Mentor für ihre eigenen literarischen Ambitionen zu finden. Mit ihr, die er zärtlich-ironisch „Mouche“ nennt, hat er bald darauf eine zwar platonische, aber nicht minder leidenschaftliche „Affäre“. Seine Memoiren aber werden, nachdem Heine am 17. Februar 1856 stirbt, für alle Zeit verschollen bleiben. Eingebettet in ein faszinierendes Panorama des Paris seiner Zeit, zeichnet Boëtius‘ Roman das einzigartige Porträt der letzten Lebensjahre des großen deutschen Dichters Heine.“ (Quelle: Verlagsgruppe Penguin Random House)

Meine Meinung:

Henning Boëtius ist ein Schriftsteller, der sehr vielseitig ist. Er hat Krimis geschrieben und auch viele historische Romane. Der Heinrich Heine Roman Der weiße Abgrund ist ein kleines feines Buch, das man behutsam behandeln möchte. Das Cover ist wunderschön gestaltet. Man fühlt sich sofort in die Zeit Heines hineinversetzt. Das ist dem Verlag wunderbar gelungen.

Der schmale Roman ist in viele Unterkapitel unterteilt. Im ersten Kapitel „Das blaue Wrack I sitzt der Ich-Erzähler am Ufer des Meeres und lässt sich treiben von seinen Gedanken. Er sitzt auf einem alten Bootswrack und wartet auf einen Freund, mit dem er Gedichte lesen möchte, Gedichte aus einem alten Buch, das er in Händen hält. Anschließend verflüchtigt sich dieses Buch, indem alle Seiten durch die Gegend wirbeln. Auch Heinrich Heine liebte Zeit seines Lebens das Meer, war auf Helgoland und auf Norderney. Daher denke ich, dass Boëtius ganz bewusst diesen Einstieg in das Buch gewählt hat. Danach geht es mit einem Szenenwechsel nach Paris weiter, wohin Heine emigriert ist. Ich selber bin kein großer Kenner Heinrich Heines, daher kann ich nicht beurteilen, was an diesem Roman auf realen Hintergründen beruht und was reine Fiktion ist. Eines aber weiß ich, dass die Sprache von Boëtius wunderbar ist. Kein Wort zu viel, Bilder, die einem eindrücklich fast schon unter die Haut gehen. Gerade im ersten Kapitel fühlt man sich ans Meer versetzt und lässt sich den Wind um die Nase wehen.

Boëtius beschreibt in seinem Roman die letzten Lebensjahre des Dichters Heinrich Heine, der in Paris im Exil lebte. Es ist schon schwierig für einen Leser, der sich kulturell für diese Zeit bisher noch nicht so vertiefend interessiert hat, die Personen, die auftreten, zeitlich richtig einzuordnen. Liszt und Chopin sind einem durchaus bekannt, aber viele anderen Personen eher nur am Rande. Man kann dieses Buch aber auch lesen, ohne über historisches Wissen in großem Ausmaß. Denn das Buch an sich ist ein wahrer Lesegenuss. Heinrich Heine scheint ein richtiger Schürzenjäger gewesen zu sein. Als er seine Frau Mathilde, die eigentlich Augustiner heißt, kennenlernt, ist ihm bewusst dass sie ungebildet, kulturell uninteressiert und somit ein Mensch ist, der eigentlich gar nicht zu ihm passt. Dennoch heiratet er sie und bleibt bis zu seinem Tode mit ihr zusammen. Das Buch ist eine Aneinanderreihung von Kapiteln aus Heines letzten Lebensjahren. Von seiner Krankheit gezeichnet ist der soziale Abstieg deutlich erkennbar. Heine lebt in sehr einfachen Verhältnissen. Heinrich Heine selber ist dem Leser als Reiseschriftsteller, Feuilletonist, Lyriker – einfach als großartiger deutscher Dichter bekannt. Wer kennt nicht das Wintermärchen oder die Loreley…

Fazit:

Dieses schmale Buch hat es in sich. Wenn man Lust hat, auch einmal Fakten zu recherchieren, kann man es besonders gut lesen und ein bisschen interessieren muss man sich auch für den großen Heinrich Heine.