Cover-Bild Nordwasser
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: mareverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Abenteuerroman: historisch
  • Genre: Krimis & Thriller / Historische Kriminalromane
  • Seitenzahl: 304
  • Ersterscheinung: 13.02.2018
  • ISBN: 9783866482678
Ian McGuire

Nordwasser

Joachim Körber (Übersetzer)

Henry Drax kennt kein Gewissen. Er ist Harpunierer auf der Volunteer, einem Walfangschiff, das von England Kurs auf die arktischen Gewässer der Baffinbucht nimmt. Ebenfalls an Bord ist Patrick Sumner, ein Arzt von zweifelhaftem Ruf, der glaubt, schon alles gesehen zu haben – nicht ahnend, dass seine größte Prüfung noch bevorsteht, nachdem er Drax einer ungeheuerlichen Tat überführt hat. Während sich der Konflikt zwischen den beiden Männern zuspitzt, wird auch der eigentliche Sinn der verhängnisvollen Expedition zunehmend klar . . .
Die erschütternde Schönheit und Einsamkeit des Nordpolarmeers bilden die Kulisse für Ian McGuires dramatischen Roman um Gut und Böse, eine in ihrer philosophischen und psychologischen Dimension zeitlose Geschichte über die tiefsten Abgründe des menschlichen Herzens.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.01.2019

Die Wale sind das Geringste in diesem Spiel

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Hull, Frühjahr 1859. Die „Volunteer“, ein altes Walfangschiff aus Yorkshire, rüstet zu einer Expedition Richtung Grönland, auch wenn die beste Zeit des Walfangs wegen Überfischung vorüber ist und Petroleum ...


Hull, Frühjahr 1859. Die „Volunteer“, ein altes Walfangschiff aus Yorkshire, rüstet zu einer Expedition Richtung Grönland, auch wenn die beste Zeit des Walfangs wegen Überfischung vorüber ist und Petroleum das Walöl ablöst. Anstatt eine Mannschaft zu bilden und angesichts des gefährlichen Unternehmens an einem Strang zu ziehen, verfolgen viele der knapp 40 Männer an Bord ganz eigene Ziele. Für Kapitän Arthur Brownlee, bekannt für seine Glücklosigkeit und Tollkühnheit, soll es die letzte Fahrt werden, denn dem skrupellosen Schiffseigner Jacob Baxter geht es nicht um Wale, sondern um einen möglichst vorteilhaften Ausstieg aus dem Geschäft. Der 27-jährige Schiffsarzt Patrick Sumner, irischer Arzt und vor kurzem wegen Entfernung von der Truppe in Indien unehrenhaft aus Armee entlassen, möchte sich für einige Zeit „auflösen“ und sich dann neu erfinden. Er hat Demütigung, Verrat und Schande erlebt und hofft nun auf eine „ruhige, vielleicht sogar langweilige Zeit“ an Bord. Seine Lektüre ist die „Ilias“, sein Laster die Opiumsucht. Henry Drax dagegen, begabter Harpunier, aber Teufel in Menschengestalt, gesteuert einzig von seinen Impulsen und völlig ohne Moral, der bereits im ersten Kapitel vor Beginn der Reise zwei Menschen kaltblütig ermordet, will der Langeweile an Land entkommen.

Die Fahrt scheint zunächst vom Glück begünstigt, denn die Robbenjagd ist erfolgreich, man erlegt eine Eisbärin und fängt ihr Junges. Als kurz darauf auch der erste Wal zur Strecke gebracht und zerlegt ist, breitet sich sogar Siegestaumel aus. Doch dann wird immer offensichtlicher, dass die Expedition verflucht zu sein scheint. Eine Vergewaltigung und ein Mord sind nur der Auftakt zu einer Kette von Ereignissen, die in einen brutalen Überlebenskampf münden.

"Nordwasser" des 1964 geborenen, in Hull aufgewachsenen Literaturwissenschaftlers und Autors Ian McGuire ist sicher einer der brutalsten und kompromisslosesten Romane, die ich je gelesen habe. Doch sind die Grausamkeiten, sei es bei der Jagd oder im zwischenmenschlichen Bereich, nie um ihrer selbst oder der Spannung willen beschrieben, sondern dienen dazu, McGuires eigentliches Thema zu illustrieren: die Entlarvung des Monsters Mensch. Die schier unerträglichen Schilderungen von Brutalität, Gestank, Gemetzel, Menschenverachtung, Skrupellosigkeit und Blut kontrastieren in atemberaubender Weise mit der Natur des Nordens, mit dem Nordmeer-Himmel und den ebenso erhabenen wie bedrohlichen Eislandschaften.

Im Präsens, in derber Sprache und bis auf wenige kurze Rückblicke streng chronologisch erzählt, lässt sich der Roman flüssig und trotz technischer Details über die Jagd leicht lesen. Der Spannungsbogen ist enorm, so dass ich dieses Buch, das viel mehr als ein historischer Abenteuer- und Kriminalroman ist, nicht aus der Hand legen konnte. Lediglich eine Landkarte hätte ich mir gewünscht.

Wieder einmal hat es sich bei "Nordwasser" gezeigt, dass Bücher des von mir so geschätzten mareverlags auch dann die richtige Lektüre sind, wenn mich das Thema, wie hier der Walfang, nicht sofort anspricht. Ähnlich erging es mir vor knapp zwei Jahren mit der Robinsonade "Herz auf Eis" von Isabelle Autissier, die zum Lieblingsbuch wurde. Schade nur, dass "Nordwasser" den Man Booker Prize nicht bekommen hat, für den es 2016 nominiert war.

Veröffentlicht am 24.06.2018

Die moralische Einsamkeit im ewigen Eis

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„Der Bär schnaubt, sein heißer Atem streicht über Sumners Gesicht und Lippen. Einen Moment lang spürt Sumner Angst, und im Kielwasser, als die Angst nachlässt und ihre Kraft verliert, einen unerwarteten ...

„Der Bär schnaubt, sein heißer Atem streicht über Sumners Gesicht und Lippen. Einen Moment lang spürt Sumner Angst, und im Kielwasser, als die Angst nachlässt und ihre Kraft verliert, einen unerwarteten Anflug von Einsamkeit und Bedürftigkeit.“


Inhalt


Der Walfang vor Grönland hat schon bessere Zeiten erlebt, dennoch begibt sich die Volunteer auf eine gefährliche Expedition ins ewige Eis, um Wale, Robben und Eisbären zu jagen, deren Rohstoffe sie in der britischen Heimat zu Geld machen können. Die Mannschaft diesmal ist nicht zimperlich, die Männer an Bord alle erfahren und bar jeglicher Illusion. Nur der Arzt Patrick Sumner, passt nicht so recht ins Bild. Unehrenhaft würde er aus der Armee entlassen und heuert nun an, um überhaupt wieder eine Beschäftigung zu haben. Doch in der kargen Eiswelt angekommen, wird ihm schnell klar, dass seine Vorstellungen über mögliche Zwischenfälle und menschliche Entbehrungen, viel zu gering angesetzt waren. Denn nicht nur das grausame, kräftezehrende Töten der Beute, gehört zum rauen Alltag, sondern auch Hungergefühl, die frostige Luft, die unwirtliche Lebensweise und damit einhergehende Erkrankungen. Aber was sich als wesentlich fataler herausstellt, ist die Tatsache, dass sich ein Mörder an Bord des Schiffes befindet. Ein Mann, fähig zu absonderlicher Gewalt und Heimtücke, gewissenlos und brutal. Und Sumner ist nicht nur der Außenseiter, sondern auch der einzige Gerechtigkeitsfanatiker an Bord. Die Frage ist nur, wer ihm dort oben unterstützen könnte, insbesondere, nachdem die Mannschaft in Seenot geraten ist, und nur noch das Sterben oder Überleben die Gedanken der Männer beherrscht …


Meinung


Dieser Roman aus der Feder des britischen Autors Ian McGuire, wurde 2016 für den Man Booker Prize nominiert und konnte mich von der ersten bis zur letzten Seite nicht nur fesseln und schockieren, sondern ebenso gut unterhalten und mehr und mehr begeistern. Eigentlich bietet er nicht nur einen ausgereiften Plot, mit ausreichend dramatischen Elementen, die allein durch die Kraft der Naturgewalt erzeugt werden, sondern vor allem ein ausgereiftes psychologisches, teilweise sogar philosophisches Betrachten der menschlichen Verhaltensweisen jenseits der Zivilisation. Mit unerschütterlichem Willen, dem Ablegen der Menschlichkeit, dem Vermissen jedweden Mitgefühls sieht sich hier der Leser konfrontiert. Die Männer verhandeln nicht mehr, sie zögern nicht, sie lügen, töten und lassen alles hinter sich. Denn wer sollen schon ihre Rächer sein, wenn sie befürchten, niemals wieder in die Heimat zurückzukehren?


Zwei Dinge machen diesen historisch inspirierten Pageturner zu etwas ganz Besonderen. Zum einen ist es die plastisch beschriebene Kulisse im lebensverachtenden Packeis jenseits menschenfreundlicher Bedingungen, zum anderen die klassische Einteilung, die sich gezielt mit dem Protagonisten und dem Antagonisten beschäftigt und ihnen ganz typische Charaktereigenschaften gibt. Nichts weiter als der ewige Kampf zwischen Gut und Böse steht hier im Zentrum der Erzählung und mit ihm die vielschichtigen Möglichkeiten, wer hier welche Untaten zu verantworten hat, oder seiner Schuld möglicherweise für immer entkommen kann.


Selten hat mich dieses Thema so gepackt wie in diesem Buch, welches sich stellenweise regelrecht zum Thriller mausert und dann doch wieder in die gedanklichen Spuren einer erfundenen Handlung wechselt. Dennoch empfand ich jeden Gedankengang als schlüssig und nachvollziehbar und während des Lesens hat mich oft die Frage beschäftigt, ob es nicht einfacher wäre, sich einfach hinzulegen und mit der Kälte zu verschmelzen oder ob der Kampf bis zum letzten Atemzug tatsächlich die Starken von den Schwachen trennt.


Fazit


Ich vergebe begeisterte 5 Lesesterne und habe hier ein echtes Lesehighlight gefunden, welches ich wärmstens weiterempfehlen möchte. Der Roman mag brutal, grausam und sehr maskulin wirken, doch vor allem einprägsam und mit einer überraschend andersartigen Erzählung. Ein spannender Mix aus Fiktion, Historie und Psychologie. Düstere Geheimnisse, menschliche Verfehlungen, und das Glück der Tüchtigen erscheint ebenso diskussionswürdig wie bösartige Menschen, korrupte Zeitgenossen und hungrige Bären. Möge der Stärkere gewinnen!

Veröffentlicht am 25.10.2021

Wie ein Sog

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Der Arzt Patrick Sumner heuert auf der Volunteer an, einem Walfänger, der von Hull aus in nördliche Gewässer sticht. Das raue Schiffsleben und die grausame Arbeit an und über Bord prägen den Alltag, bis ...

Der Arzt Patrick Sumner heuert auf der Volunteer an, einem Walfänger, der von Hull aus in nördliche Gewässer sticht. Das raue Schiffsleben und die grausame Arbeit an und über Bord prägen den Alltag, bis sich die Crew zu weit nach Norden wagt.

Als Serie verfilmt, beschaffte ich mir "Nordwasser" doch noch, um den Roman zuerst zu lesen, der mir nach der Veröffentlichung zwar aufgefallen war, mich aber nicht so sehr reizte, dass ich ihn auch lesen wollte. Da der Schreibstil eher sachlich-neutral gehalten ist, was ich nicht so gerne lese, kam ich zu Beginn auch eher schleppend in die Geschichte und hatte sie schon als mittelmäßig eingestuft, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. War für mich aber ok, ich wollte ja eigentlich nur die Serie gucken.

Doch ohne es richtig zu merken, war ich plötzlich drin in der Story, die mich wie ein Sog immer weiter mit sich riss und ich überhaupt nicht mehr aufhören konnte zu lesen. Hatte ich anfangs noch das Gefühl, der Autor hake eine Liste ab mit Dingen, die passieren müssen (Dann taten sie das, dann fuhr das Schiff weiter da lang, dann trafen sie auf eine Robbenkolonie ...), bekam die Geschichte immer mehr Substanz und das nicht erst, nachdem sich kurz vor der Mitte des Buches eine Art "Kriminalhandlung" entspinnt.

Die Grausamkeiten, die der Beruf der Walfänger mit sich bringt, wird nicht ausgelassen, und die, die unter den Schiffsleuten unter Deck passieren, auch nicht. Da der Schreibstil die ganze Zeit über sehr sachlich bleibt, kam das aber nicht nahe genug an mich ran, worüber ich sehr dankbar war. Ich las eher mit einem gewissen Interesse als mich zu ekeln oder (zu viel) Mitleid zu haben, gleichzeitig hat der Autor es trotzdem geschafft, dass ich mich gefreut habe, wenn das ein oder andere Tier aus dem Dunstkreis der Harpunierer fliehen konnte.

Fazit: Ein sachlich-unromantischer Schreibstil, der es trotzdem schafft, einen mitzureißen, großartig ausgearbeitete Figuren mit kaum nennenswerten Sympathiewerten, mit denen man trotzdem mitgeht, und eine Geschichte, die wie ein Sog wirkt erhalten von mir 4,5****

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