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Veröffentlicht am 01.12.2025

Mama ist tot und Papa ein Mörder

Da, wo ich dich sehen kann
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"Trauer hat die unangenehme Eigenschaft, einen einzukapseln und irgendwie abzuspalten von allen anderen. Es ist ein zutiefst persönliches Gefühl, das eine Art unsichtbareMembran um einen zieht."

Inhalt

Maja ...

"Trauer hat die unangenehme Eigenschaft, einen einzukapseln und irgendwie abzuspalten von allen anderen. Es ist ein zutiefst persönliches Gefühl, das eine Art unsichtbareMembran um einen zieht."

Inhalt

Maja findet ihre leblose Mutter im Wohnzimmer und verständigt den Notarzt. Als die Sanitäter kommen, offenbart sich Ihnen ein Familiendrama - der Vater hat die Mutter stranguliert, die 9-jährige Tochter steht fassungslos daneben und sucht all die Schuld bei sich, denn eigentlich hatte sie Papa viel lieber als Mama und die beiden haben immer so laut gestritten, ganz gewiss wegen ihr. Nun ist Mama tot und Papa ein Mörder. Die kleine Welt des Kindes zerbricht von jetzt auf gleich. Zunächst kommt Maja zu den mütterlichen Großeltern, auch wenn die viele Kilometer weit weg wohnen, nach dem richterlichen Beschluss jedoch zu den Großeltern väterlicherseits. Das Kind fängt an, sich selbst zu verletzen, wegzulaufen und sich in ernste Schwierigkeiten zu bringen. Nur Mamas beste Freundin Liv, die selbst maßlos trauert, schenkt Maja ein bisschen Geborgenheit und erklärt ihr nicht nur das Universum, sondern auch, warum sie keine Schuld an den Entwicklungen trägt und ihre Mama sie ganz gewiss lieb hatte ...

Meinung

Von der Autorin habe ich bereits zahlreiche Bücher gelesen, die ich alle gern mochte, deshalb war ihr neuester Roman förmlich "Pflichtlektüre" für mich. Außerdem ist die Thematik des Femizids eine ganz besondere, die deutlich macht, wie schlimm das Leben mancher Frau unter der Hand eines gewaltätigen Mannes ist. Und dabei kann man die zahlreichen Familiendramen, die fast täglich durch die Medien flimmern, als Außenstehender vielleicht ausblenden, oder die Opfer bemitleiden, warum sie es nicht geschafft haben, sich von den Fesseln der Partnerschaft zu befreien, doch so einfach ist es nicht.

Im vergangenen Jahr hat in meinem Bekanntenkreis ein ähnliches Verbrechen stattgefunden. Opfer und Mörder waren zwar erst Anfang 20, aber die zurückgewiesene Liebe des einen, hat den anderen vorsätzlich zur Tat verleitet - letztlich sind zwei junge Menschen dem Mord bzw. Selbstmord zum Opfer gefallen und keiner der Hinterbliebenen hätte diese Entwicklung kommen sehen, geschweige denn verhindern können - die Ohnmacht der Trauernden ist auch in diesem Roman die grundlegende Komponente.

Gerade die Perspektivenvielfalt verleiht dem Text eine immense Tiefe, jede Zeile ist harter Tobak und ich musste ganz oft die Tränen wegblinzeln . Die psychologische Betreuung der Hinterbliebenen scheint mir enorm wichtig und wird auch hier angesprochen und gelebt, auch wenn man sieht, wie schwer der Zugang zu den Menschen herzustellen ist, die sich immer selbst in der Verantwortung für das große Unglück sehen.

Fazit

Ich vergebe 5 Lesesterne für dieses bemerkenswerte Buch, welches sehr nahbar und ehrlich die Schrecken in scheinbar "ganz normalen" Familien heraufbeschwört. Fraglich bleibt, ob irgendwer hätte die Tat verhindern können, doch letztlich kann man keine Antwort auf diese Frage finden. Es hat mich froh gestimmt, dass trotz der traurigen Grundstimmung und des vorherrschenden Schmerzes so viel Zusammenhalt zwischen den Menschen existiert, dass zumindest in diesem Fall ein Kind einen sicheren Zufluchtsort findet und sich irgendwann mit den unbeschreiblichen Taten angstfrei auseinandersetzen kann. Der Text ist zudem abwechslungsreich gestaltet, beinhaltet Kinderzeichnungen, psychologische Gespräche, Gerichtsurteile und Gutachten - viele Personen wirken mit, wenn es heißt, wieder einen Alltag zu bewerkstelligen, obwohl die Trauer das dominante Gefühl aller zu sein scheint und geliebte Menschen unwiderruflich ihren Status verlieren oder das Leben selbst.

  • Einzelne Kategorien
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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.10.2025

Willst du Beute sein oder zum Jäger werden?

Asa
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" Manchmal wiederholt sich die Geschichte, als wäre die Zeit unzufrieden damit, wie schlecht sie einst behandelt wurde. Als wollte sie eine Erneuerung, als wäre ein Ausgleich möglich. Dem ist aber nicht ...

" Manchmal wiederholt sich die Geschichte, als wäre die Zeit unzufrieden damit, wie schlecht sie einst behandelt wurde. Als wollte sie eine Erneuerung, als wäre ein Ausgleich möglich. Dem ist aber nicht so. Es gibt keinen Ausgleich, so wenig, wie es Gerechtigkeit gibt. Es gibt nur den Versuch, die Zeit und ihre Launen zu verstehen."

Inhalt

Asa Kolbert hat ihren Mann ermordet, sie saß dafür 6 Jahre im Gefängnis, ihr Mann hat Schuld auf sich geladen, so unwiderruflich, dass es Asa ein Bedürfnis war, ihm seiner gerechten Strafe zuzuführen. Und nun ist sie zurück in einem Leben, welches von Anfang an unter dunklen Geheimnissen und tödlichen Psychospielen stand. Sie stammt aus einer Familie, in der das Wissen um die Schwächen der Menschen hoch gehalten wird: nur die Starken können überleben, nur die Jäger haben eine Chance. Asa´s Vorfahren haben ein perfides Spiel etabliert und eine tödliche Gemeinschaft gegründet, aus der Asa um jeden Preis entkommen wollte. Und nun hat sie erstmals in ihrem Leben die Chance, jene zur Strecke zu bringen, die sie einst nur als einfache Beute sahen und denen sie als Teenager nur mühsam und unter Qualen entkommen konnte. Doch Asa wurde ausgebildet, sie kennt die Gesetze des Stärkeren und sinnt auf Rache, die Vernichtung bringt und die Lebensflamme ihrer Peiniger auslöscht ...

Meinung

Die war mein erster Thriller aus der Feder des aus Kroatien stammenden Autors, der bereits mit dem Friedrich-Glauser-Preis geehrt wurde. Die Leseprobe konnte mich fesseln, und hat sofort eine dramatische Stimmung und düstere Gedanken aufkeimen lassen. Und tatsächlich ist es der ungewöhnliche Erzählstil, der diesem Buch die ganz besondere Note verleiht. Hier tritt der ermordete Ehemann als Erzähler auf, seine Stimme förmlich aus dem Jenseits beschreibt für den Leser die breite Palette der grausigen Voraussetzungen, die hier zur vordergründigen Story gehören. Jedoch steht vielmehr die dunkle Familiengeschichte und die historischen Entwicklungen einer Sippe und ihrer Dorfgemeinschaft im Fokus. Das Buch konzentriert sich in weiten Teilen an dem Damals, an den Ursachen und Gegebenheiten, die Asa zu der Person gemacht haben, die sie nun ist - eine ausgebildete, skrupellose Mörderin auf dem persönlichen Rachefeldzug.

Die knapp 700 Seiten schmücken zwar oft auch kleine Handlungsstränge und Nebenschauplätze aus, entwickeln aber einen starken Lesesog und viel Verständnis für die Täterin. Zu viele skrupellose Mörder sind ihr begegnet und waren ihre Ausbilder, zu perfide ihr ganzes Leben, als das es auch nur möglich gewesen wäre, einen harmlosen Verlauf herbeizuwünschen. Der geneigte Leser trifft hier zahlreiche Psychopathen, gestörte Menschen, die ihrerseits dafür sorgen, dass sie nicht alleine bleiben, die morden ohne spezielle Hintergedanken und wenn dann nur aus dem Grund, die vermeintlich Schwächeren zu dezimieren, oder ihre eigenen Rechte durchzusetzen.

Fazit

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für ein wirklich ungemein spezielles Buch, welches nicht den Mainstream bedient und dennoch viel Grauen erzeugt. Wer es liebt, in alte Geschichten einzutauchen, Familiengeheimnisse aufzudecken und das Böse aus nächster Nähe erleben möchte, der findet in diesem Thriller einen würdigen Verbündeten. Seltsam emotionslos und mit ausreichend Distanz taucht man direkt ins Grauen hinein und muss sich immer wieder innerlich schütteln, ob der obskuren Gedankengänge der Täter und ihrer Helfer. Hier geht es weder um Verständnis, noch um Mitleid - alle handelnden Personen glauben an eine bittere Theorie, die es ihnen unmöglich macht, anders zu handeln und keiner traut dem anderen über den Weg, jeder Jäger könnte zur Beute werden und jede Beute zum Jäger, wer sich falsch entscheidet bezahlt mit dem Leben und empfindet dies als absolute Gerechtigkeit ...

Veröffentlicht am 08.07.2025

Rache statt Gerechtigkeit

Der dunkle Sommer
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"Ich dachte, dass mich all das irgendwie heilen würde. Das es die Wut besänftigen würde, die all die Jahre in mir gebrodelt hat. Aber das tat es nicht. Es war nur ein weiterer Schritt in die Dunkelheit."

Inhalt

Tilda ...

"Ich dachte, dass mich all das irgendwie heilen würde. Das es die Wut besänftigen würde, die all die Jahre in mir gebrodelt hat. Aber das tat es nicht. Es war nur ein weiterer Schritt in die Dunkelheit."

Inhalt

Tilda möchte einen klaren Schnitt ziehen, nachdem die Beziehung mit ihrem langjährigen Partner Nathan zu Bruch gegangen ist. Die persönlichen Verfehlungen der Vergangenheit und ein Trauma holen sie zu Hause immer wieder ein und deshalb beschließt sie sich als Architektin ein verlassenes Haus in einer fast gänzlich verlassenen Gegend in Sardinien zu kaufen, für den symbolischen Wert von einem Euro. In dem Geisterdorf wohnt nur noch ein alter Mann mit seiner Haushälterin, beides ominöse Gestalten aber können sie auch gefährlich werden? Tilda zweifelt zwar an den örtlichen Geistergeschichten, die sich um ihr neu erworbenes Heim ranken und sie ignoriert auch das Klagegeheul vor ihrem Fenster, doch als ihr Bruder zu Besuch kommt, häufen sich die merkwürdigen Ereignisse. Zudem erfährt sie von einem ortsansässigen Journalisten eine düstere Geschichte aus der Vergangenheit, bei dem es um Kindesentführung und Mord ging, der letzte Bewohner ihres Dorfes war angeblich einer der Rädelsführer dabei. Und als sie zuerst im Keller der verfallenen Kirche eingeschlossen werden und wenig später ihr kleiner Bruder unauffindbar ist, ahnt Tilda, dass die Geister die sie rief nun zu neuem Leben erwacht sind ...

Meinung

Dieses Buch habe ich mir ganz bewusst gekauft, weil mich bisher alle Bücher der Autorin begeistern konnten, gerade ihre letzten beiden Thriller gehören zu meinen absoluten Favoriten. Sie vermag eingänglich und persönlich zu schreiben und das erfundene Schrecken mit viel Leben und bösen Vermutungen auszustatten. Besonders positiv sind mir hier wieder die vielfältigen Erzählstimmen mit ihren jeweiligen Problemen und Gedankengängen aufgefallen. Dieser Spannungsroman wird dadurch richtig abwechslungsreich, weil jede Person grundlegend zu den Entwicklungen beiträgt und diese aus einem bestimmten Blickwinkel wiedergibt. Nur der Leser scheint immer kurz davor zu stehen, ein Quentchen mehr zu wissen, als der jeweilige Erzähler. Dennoch offenbaren sich die Wahrheiten nur langsam, während die Vermutungen ins Unermessliche wachsen. Darüber hinaus wartet dieser Thriller mit einer auf Wahrheiten basierenden Geschichte auf, die im Nachwort des Buches erläutert wird - dadurch wird es noch viel interessanter und manchmal sogar spektakulär. Auch der Handlungsort, in einem unsagbar warmen Sommer in Italien, zwischen tobenden Waldbränden und trägen Touristenmassen, hinein in die dunklen Gassen der verlassenen Geisterstadt mit dem tödlichen Geheimnis tragen ungemein zum Lesevergnügen bei. Hier entsteht Kopfkino und eine Verfilmung könnte ich mir auf Grund der verschiedenen Handlungsstränge und Erzählperspektiven ganz hervorragend vorstellen.

Fazit

Hier vergebe ich erneut begeisterte 5 Lesesterne für mystisch angehauchte Gänsehautstimmung, die jedoch sehr realitätsnah und basierend auf echten Verbrechen, ein breites Spektrum an Unterhaltungswert bietet. Die Fäden lösen sich alle auf, obwohl man im Vorfeld die wildesten Theorien gehegt hat. Die Lektüre passt auch gut in die Jahreszeit und weckt das Interesse an historischen Kapiteln, auf die niemand stolz sein kann. Die Autorin bleibt weiterhin auf meiner Watch-List und ich freue mich, dass sich schon zwei ältere Bücher von ihr in meinem Besitz befinden und nur noch darauf warten, gelesen zu werden. Klare Leseempfehlung für alle Thriller-Fans!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.06.2025

Anderswo wartet ein anderes Leben

Im Leben nebenan
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Ohne es zu merken, war sie längst dabei zu vergessen. Dachte an das Vorher wie an eine Erzählung aus einer anderen Zeit, hatte sich abgefunden, sogar angefreundet mit der Frau, die ihr im Spiegel zunickte.“

Inhalt

Toni ...


Ohne es zu merken, war sie längst dabei zu vergessen. Dachte an das Vorher wie an eine Erzählung aus einer anderen Zeit, hatte sich abgefunden, sogar angefreundet mit der Frau, die ihr im Spiegel zunickte.“

Inhalt

Toni versucht vergebens schwanger zu werden, nachdem sie mit Jakob endlich einen Partner gefunden hat, den sie liebt und mit dem sie eine Familie gründen möchte. Doch die vielen Versuche, das ständige Scheitern und die eingeleitete Hormonbehandlung setzen ihrer Seele immer mehr zu. Und je länger sie sich mit sich selbst beschäftigt, umso mehr muss sie erkennen, dass der unerfüllte Kinderwunsch nur dazu führt, dass sie ihre persönlichen Wünsche verleugnet und in eine Abwärtsspirale rutscht.

Und als sie eines Tages plötzlich und unverhofft ein eigenes kleines Menschenkind an der Brust liegen hat und ihre Jugendliebe Adam durch die Tür tritt, versucht sie dem rätselhaften Geschehen zu entkommen, denn wie kann sie mit dem Bewusstsein der Gegenwart in einem vollkommen fremden Leben, mit Mann und Kind gelandet sein. Wo ist ihr Partner? Wie kommt sie wieder raus aus diesem Leben „nebenan“? Alle anderen bemerken rein gar nichts und Antonia verzweifelt immer mehr, angesichts der Ausweglosigkeit ihrer Situation.

Doch dann probiert sie dieses „Paralleluniversum“ einfach aus und lässt sich auf den Alltag mit Baby ein, wohlwissend, dass diese Version ihrer Selbst zwar nie bewusst ausgefüllt werden kann, aber sie liegt auch nicht im Bereich des Unmöglichen. Und nach und nach erkennt sie, das beide Versionen ihren eigenen Reiz besitzen, dass eine andere Entscheidung zu anderen Folgen geführt hätte – dennoch sie selbst ist immer noch die gleiche und irgendwann akzeptiert sie sogar die Möglichkeit, dass es vielleicht kein Zurück mehr geben wird …

Meinung

Wieder ein richtig gutes Buch, welches ich mit ganz gemischten Gefühlen gelesen habe. Toni, die Kinderlose und Antonia, die frisch gebackene Mutter erzählen abwechselnd von ihren Eindrücken, Gefühlen und Sorgen, ganz nah, voller Emotionen und sehr ehrlich. Beide erleben Dinge, die sie sich so nicht ausgesucht haben und versuchen doch das beste aus der jeweiligen Situation zu machen. Gerade die Mutterrolle im Besonderen kommt hier richtig gut zur Geltung. Auch die Blicke, die Frauen untereinander tauschen, weil sie entweder Kinder haben und in der gleichen Liga spielen, oder dafür scheel angesehen werden, weil sie keine haben und demzufolge gar nicht mitreden können.

Das Beste an dem Buch ist aber die absolut vorstellbare Fiktion, von zwei Lebensentwürfen, die beide hätten eintreten können, auch wenn es letztlich nur eine davon geworden ist. Diese Frage stellt sich der Leser immer wieder, man wird mit eigenen Entscheidungen konfrontiert und sucht vielleicht nach den Scheidewegen in der eigenen Lebensgeschichte. Und ja, auch wenn es nicht unbedingt die Kinder sind, dann sind es möglicherweise die Berufswege, die Partner, die Wohnorte, die Überzeugungen. Nur die charakterlichen Züge wären ähnlich, alles andere könnte ein schöner oder ein weniger erstrebenswerter Traum sein.

Fazit

Dieser zeitlose, moderne Roman über eine junge Frau in der Zwickmühle bekommt von mir sehr gute 5 Lesesterne. Die Struktur ist einfach gehalten, aber absolut eingängig. Die Gefühlsebene steht an erster Stelle und als Leser kann man direkt in die Welt von Antonia eintauchen. Zwischen dem eigenen Leben und der fiktiven Romanfigur, gibt es nur wenig Abweichungen. Empathie ist hier das Schlagwort, weshalb ich mir gut vorstellen kann, dass es wohl eher ein Buch für Frauen ist, die selbst diese Gedankengänge haben könnten. Auch die Passgenauigkeit für verschiedene Altersklassen ist hervorragend herausgearbeitet. Das junge Ich, der verliebte Teenager, die freiheitsliebende Zwanzigjährige und die etablierte Dreißigjährige – doch auch später funktioniert das Konstrukt sehr gut, weil es um Überzeugungen geht, die man wahllos auf ein und dieselbe Situation übertragen könnte.

Die Aussagekraft des Textes ist universell und beinhaltet viele Möglichkeiten, zieht aber auch ein eindeutiges Fazit: Leb dein Leben, wie es zu dir passt, gib nichts auf die Meinung anderer, wenn du persönlich wachsen möchtest, triff deine eigenen Entscheidungen, bleib dir treu und lerne zu akzeptieren, dass jedes Leben seine Höhen und Tiefen hat, seine Vor- und Nachteile bietet und nur darauf wartet, gelebt zu werden …
Ohne es zu merken, war sie längst dabei zu vergessen. Dachte an das Vorher wie an eine Erzählung aus einer anderen Zeit, hatte sich abgefunden, sogar angefreundet mit der Frau, die ihr im Spiegel zunickte.“

Inhalt

Toni versucht vergebens schwanger zu werden, nachdem sie mit Jakob endlich einen Partner gefunden hat, den sie liebt und mit dem sie eine Familie gründen möchte. Doch die vielen Versuche, das ständige Scheitern und die eingeleitete Hormonbehandlung setzen ihrer Seele immer mehr zu. Und je länger sie sich mit sich selbst beschäftigt, umso mehr muss sie erkennen, dass der unerfüllte Kinderwunsch nur dazu führt, dass sie ihre persönlichen Wünsche verleugnet und in eine Abwärtsspirale rutscht.

Und als sie eines Tages plötzlich und unverhofft ein eigenes kleines Menschenkind an der Brust liegen hat und ihre Jugendliebe Adam durch die Tür tritt, versucht sie dem rätselhaften Geschehen zu entkommen, denn wie kann sie mit dem Bewusstsein der Gegenwart in einem vollkommen fremden Leben, mit Mann und Kind gelandet sein. Wo ist ihr Partner? Wie kommt sie wieder raus aus diesem Leben „nebenan“? Alle anderen bemerken rein gar nichts und Antonia verzweifelt immer mehr, angesichts der Ausweglosigkeit ihrer Situation.

Doch dann probiert sie dieses „Paralleluniversum“ einfach aus und lässt sich auf den Alltag mit Baby ein, wohlwissend, dass diese Version ihrer Selbst zwar nie bewusst ausgefüllt werden kann, aber sie liegt auch nicht im Bereich des Unmöglichen. Und nach und nach erkennt sie, das beide Versionen ihren eigenen Reiz besitzen, dass eine andere Entscheidung zu anderen Folgen geführt hätte – dennoch sie selbst ist immer noch die gleiche und irgendwann akzeptiert sie sogar die Möglichkeit, dass es vielleicht kein Zurück mehr geben wird …

Meinung

Wieder ein richtig gutes Buch, welches ich mit ganz gemischten Gefühlen gelesen habe. Toni, die Kinderlose und Antonia, die frisch gebackene Mutter erzählen abwechselnd von ihren Eindrücken, Gefühlen und Sorgen, ganz nah, voller Emotionen und sehr ehrlich. Beide erleben Dinge, die sie sich so nicht ausgesucht haben und versuchen doch das beste aus der jeweiligen Situation zu machen. Gerade die Mutterrolle im Besonderen kommt hier richtig gut zur Geltung. Auch die Blicke, die Frauen untereinander tauschen, weil sie entweder Kinder haben und in der gleichen Liga spielen, oder dafür scheel angesehen werden, weil sie keine haben und demzufolge gar nicht mitreden können.

Das Beste an dem Buch ist aber die absolut vorstellbare Fiktion, von zwei Lebensentwürfen, die beide hätten eintreten können, auch wenn es letztlich nur eine davon geworden ist. Diese Frage stellt sich der Leser immer wieder, man wird mit eigenen Entscheidungen konfrontiert und sucht vielleicht nach den Scheidewegen in der eigenen Lebensgeschichte. Und ja, auch wenn es nicht unbedingt die Kinder sind, dann sind es möglicherweise die Berufswege, die Partner, die Wohnorte, die Überzeugungen. Nur die charakterlichen Züge wären ähnlich, alles andere könnte ein schöner oder ein weniger erstrebenswerter Traum sein.

Fazit

Dieser zeitlose, moderne Roman über eine junge Frau in der Zwickmühle bekommt von mir sehr gute 5 Lesesterne. Die Struktur ist einfach gehalten, aber absolut eingängig. Die Gefühlsebene steht an erster Stelle und als Leser kann man direkt in die Welt von Antonia eintauchen. Zwischen dem eigenen Leben und der fiktiven Romanfigur, gibt es nur wenig Abweichungen. Empathie ist hier das Schlagwort, weshalb ich mir gut vorstellen kann, dass es wohl eher ein Buch für Frauen ist, die selbst diese Gedankengänge haben könnten. Auch die Passgenauigkeit für verschiedene Altersklassen ist hervorragend herausgearbeitet. Das junge Ich, der verliebte Teenager, die freiheitsliebende Zwanzigjährige und die etablierte Dreißigjährige – doch auch später funktioniert das Konstrukt sehr gut, weil es um Überzeugungen geht, die man wahllos auf ein und dieselbe Situation übertragen könnte.

Die Aussagekraft des Textes ist universell und beinhaltet viele Möglichkeiten, zieht aber auch ein eindeutiges Fazit: Leb dein Leben, wie es zu dir passt, gib nichts auf die Meinung anderer, wenn du persönlich wachsen möchtest, triff deine eigenen Entscheidungen, bleib dir treu und lerne zu akzeptieren, dass jedes Leben seine Höhen und Tiefen hat, seine Vor- und Nachteile bietet und nur darauf wartet, gelebt zu werden …

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Veröffentlicht am 18.05.2025

Damit das Sterben Zukunft blieb

Aschesommer
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„Er hatte Menschen ermordet und sich einsperren lassen, er hatte die Welt durch sein Fenster betrachtet und er hatte beschlossen, dass er künftig über Leben und Tod entscheiden würde. Einfach weil er ihnen ...

„Er hatte Menschen ermordet und sich einsperren lassen, er hatte die Welt durch sein Fenster betrachtet und er hatte beschlossen, dass er künftig über Leben und Tod entscheiden würde. Einfach weil er ihnen überlegen war.“

Inhalt

Der ehemalige Paläontologie Professor Jan-Christian Bode befindet sich seit 8 Jahren in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik und wird dort auf absehbare Zeit nicht herauskommen. Dennoch führt er einen tödlichen Feldzug gegen seine Feinde, gegen Menschen, die dafür gesorgt haben, dass er sich in überhaupt in dieser Situation befindet.

Er ersinnt Mittel und Wege, wie es ihm gelingen könnte, Rache zu üben, ohne sich tatsächlich auf das Niveau eines mordenden Psychos herabzulassen. Und er nutzt sein berufliches Steckenpferd um mit jenen abzurechnen, die ihn scheinbar maßlos unterschätzt haben: Die Erde hat 5 große Massensterben erlebt, jedes Zeitalter hat neue Lebewesen und weiter entwickelte Individuen hervorgebracht, nachdem zunächst alles unterging – in der Kälte, in Giftgaswolken, im Feuer, im Wasser und schließlich bedeckt durch Asche. In Anlehnung an diese erdzeitlichen Vorgänge plant er seine Verbrechen, damit diese eindeutig und unverkennbar seine Handschrift tragen.

Für die Ermittler der Gruppe 4, die sich auf Serientäter spezialisiert haben, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit – und als der vermeintliche Täter zum Mordopfer wird, erkennen die Polizisten, dass sie irgendein entscheidendes Detail übersehen haben, abgesehen davon, dass es Spekulationen gibt, die sogar von einem 6. Massensterben ausgehen …

Meinung

Erst vor Kurzem habe ich den ersten Band dieser Reihe gelesen und war auf Anhieb überzeugt davon, so dass der Nachfolgeband direkt auf der Wunschliste und nun auch auf der Leseliste stand. Die Gruppe 4 ist eine bunte Mischung aus starken Charakteren, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit zur Sorte der genialen Ermittler zählen – sie finden Mittel und Wege den Mördern auf die Spur zu kommen und verfolgen gekonnt ein abwechslungsreiches Katz-und-Maus-Spiel.

Die kurzen Kapitel aus wechselnden Perspektiven binden den Leser schnell in die Abläufe ein und lassen ihn nur immer so weit vorausschauen, wie unbedingt notwendig. Geschickt legt der Autor falsche Fährten, wechselt die Szenen und fügt kurze Hintergrundinformationen ein. Dadurch entsteht ein kurzweiliges, spannendes Handlungsfeld und ein spannender, temporeicher Stil, der zum Rätseln einlädt.

Die persönlichen Hintergründe der ermittelnden Personen werden ebenfalls erörtert, jedoch nur Stück für Stück, so dass man eindeutig spürt, diese Reihe wird weitergehen, denn längst ist nicht alles erzählt. Es ist übrigens kein Problem, die Fälle in unterschiedlicher Reihenfolge zu lesen, die Querverweise kann man dann vielleicht nicht genau zuordnen, das bereitet aber keinen großen Wissensverlust, so dass man durchaus auch später einsteigen kann.

Fazit

Ich vergebe sehr gute 5 Lesesterne für diesen Thriller mit viel Atmosphäre, einer spannenden Hintergrundgeschichte und vielschichtigen Einblicken in die Seele eines Mörders und seiner morbiden Gedankengänge. Trotz der Tatsache, dass der Leser sowohl den Täter als auch die Opfer und das Ermittlerteam gleichermaßen gut nahegebracht bekommt, verliert die Geschichte nicht an Spannung. Ganz entscheidend sind dabei die kurzen Sequenzen, mit den spärlichen Informationen und den düsteren Ahnungen, die mit jeder Seite wachsen. Ich verfolge diese Reihe auf jeden Fall weiter und werde mich vielleicht auch noch an die Kriminalromane des Autors wagen, obwohl ich das Genre Thriller eigentlich bevorzuge.

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