Mein sehr langer Sommer mit Fräulein Nette
Fräulein Nettes Kurzer Sommer ist ein historischer Roman über die Göttinger Studentenszene zu Zeiten Grimms und ihre Verstrickungen mit dem Leben der Dichterin Anette von Droste-Hülshoff. Der Roman versteht ...
Fräulein Nettes Kurzer Sommer ist ein historischer Roman über die Göttinger Studentenszene zu Zeiten Grimms und ihre Verstrickungen mit dem Leben der Dichterin Anette von Droste-Hülshoff. Der Roman versteht sich entsprechend des Klappentextes als Liebesgeschichte, tatsächlich bestimmt diese aber nur auf einem kleinen Teil der über 500 Seiten die Handlung. Das ist schade. Nicht, weil man gerne mehr historische Schnulzgeschichten lesen würde, sondern weil sich alles, was sich abseits der Liebesgeschichte zwischen Anette und Straube abspielt, leider recht zäh liest. Die Handlung verliert sich gerade zu Beginn des Buches über mehrere Kapitel in reichlich irrelevantem Geplänkel rund um eine Gruppe Göttinger Studenten. Da ich selbst Verbindungen zur Uni Göttingen habe, habe ich mich zumindest über die Ortsangaben freuen können. Ansonsten hätte ich das Buch in diesem Abschnitt vermutlich zur Seite gelegt. Auch so habe ich über ein halbes Jahr lang an den ersten 150 Seiten geknabbert. Als danach die Liebesgeschichte aber in Gang kommt, habe ich das Buch streckenweise mit Vergnügen gelesen. Die Erzählweise, die immer wieder zwischen der Sichtweise der Charaktere hin- und herspringt ist spannend und gibt trotzdem Einblick in die turbulenten Gefühle des Fräulein Nette. Da kam dann doch endlich ein wenig Downton-Abbey-Gefühl auf, auch wenn das nun nicht unbedingt war, was ich von dem Buch erwartet hatte.
Ich hatte ursprünglich mit einem Roman gerechnet, der mich Anette von Droste-Hülshoff näher bringt, vielleicht ein Grund, sich mehr mit ihrem Schaffen auseinanderzusetzen oder der Anreiz, eine Bildungslücke zu schließen. Stattdessen kenne ich nun den Stammbaum dieser riesigen Familie auswendig, der dankenswerter- und notwendigerweise vorne mit abgedruckt ist. Ansonsten geht es häufiger als um Nette um die ganzen Männer in diesem Stammbaum und zusätzlich um die Grimms und einen gewissen Straube. Heinreich Heine taucht auch kurz auf, ohne für die Handlung in irgendeiner Weise relevant zu sein. Dass sich diese Männer in der Erzählung immer wieder penetrant in den Vordergrund drängen obwohl man lieber mehr von Fräulein Nette erfahren würde passt wiederum zur Thematik des Buches.
Insgesamt kann ich das Buch an interessierte (!) Leser empfehlen, obwohl es nicht unbedingt puren Lesegenuss bereithält.