Cover-Bild Flüchtige Seelen
10,00
inkl. MwSt
  • Verlag: btb
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 256
  • Ersterscheinung: 09.10.2017
  • ISBN: 9783442715763
Madeleine Thien

Flüchtige Seelen

Roman
Almuth Carstens (Übersetzer)

Die Neurologin Janie kam als Mädchen von Kambodscha nach Kanada und hat sich in Montreal ein neues Leben aufgebaut. Als ihr Kollege und Mentor Hiroji plötzlich spurlos verschwindet, bricht diese Welt für sie zusammen, und sie muss sich der eigenen Vergangenheit stellen. Die preisgekrönte Schriftstellerin Madeleine Thien folgt den Erinnerungen, Verletzungen und Träumen ihrer Figuren aus dem Kanada der Gegenwart in den tropischen Dschungel Kambodschas in den siebziger Jahren, als dort die Roten Khmer mit brutalem Terror und der Ermordung von Millionen von Menschen eine neue Gesellschaftsordnung errichten wollten. Mit klarer, sanfter Sprache erzählt sie vom Verlust und von der Wiedergewinnung der Menschlichkeit.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.05.2018

Unglaublich bewegend.

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Janie kam als kleines Mädchen aus Kambodscha nach Kanada.
Sie hat sich in Montréal ein Leben als erfolgreiche Neurologin aufgebaut, hat Mann und Sohn.
Als ihr Mentor und Kollege Hiroji urplötzlich und ...

Janie kam als kleines Mädchen aus Kambodscha nach Kanada.
Sie hat sich in Montréal ein Leben als erfolgreiche Neurologin aufgebaut, hat Mann und Sohn.
Als ihr Mentor und Kollege Hiroji urplötzlich und spurlos verschwindet, macht sich Janie auf die Suche.

Nach ihm und nach ihrer eigenen Vergangenheit - denn beides ist eng miteinander verknüpft.
Beide haben ihre Geschwister während der Zeit der Roten Khmer verloren, beide haben schlimmste Traumata erlebt und können nicht abschließen mit der Vergangenheit, die tiefe Wunden in ihre Seelen gerissen hat.

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Janie befasst sich beruflich mit Menschen, die ihre Erinnerung verlieren. Und kämpft selbst mit ihrer Vergangenheit, ihren Emotionen und vor Allem ihren Erinnerungen. Die Roten Khmer haben sie umgestrickt, die einzelnen Menschen. Haben die Geschichten neu geschrieben, Erinnerungen verändert, ganze Leben neu kreiert.
Janie hatte mal einen anderen Namen, war jemand Anderes. Sie wurde gerettet aus Kambodscha, bekam eine neue Chance bei einer Pflegefamilie. Aber ihr Bruder, der ist verschwunden.
Somit lebt ihre Vergangenheit in ihrer Gegenwart, denn sie kann nicht abschließen, ihre Fragen nicht klären - und ihre Scham darüber, dass sie, anders als vermutlich ihr Bruder, gerettet werden konnte zermürbt sie.

Man folgt Janie auf ihrer emotionalen Reise in ihre Vergangenheit und ihre Erinnerungen, man springt zwischen Kanada und Kambodscha, zwischen dem Heute und dem Vergangenen.
Manchmal ist es schwierig, sofort hineinzufinden in die Gedankengänge, in die Haken, die das Buch kapitelweise schlägt, in die Gedanken, die zwischen verlassenen Kindern, Gewalt und Schuldgefühlen springen.
Aber diese Schwierigkeit braucht das Buch, denn sie spiegelt die emotionale Verfassung der Protagonistin wieder. Das Zerrissene, das Wirre - das macht sie aus, die Menschen, die einen Krieg erleben mussten.

Sprachlich sehr leise aber unglaublich berührend erzählt Madeleine Thien von Schicksalen, die einen so schnell nicht mehr loslassen.
Eigentlich steht Kambodscha hier nur stellvertretend für alle großen Konflikte unserer Welt - und Janie und Hiroji nur Beispiele für so Viele, die traumatisiert und emotional zerstört sind von Kriegen. Das Buch und seine Botschaft ist zeitlos, ein Spiegel für jede Generation, die Gewalt und Zerstörung erleben muss und die Konsequenzen mitnimmt in die Zukunft.

Hier gibt es Krieg ohne plakative Gewalt, es wird nicht filmhaft gemordet, es fließt kein Blut. Poetisch und zwischen den Zeilen erlebt der Leser das Unfassbare, was Janie erlebt haben muss. Leise und emotional leidet man mit, erlebt die Qualen, die teils unglaublich grausamen Situationen, in denen die Protagonisten überleben mussten.

Die Zerrissenheit, die Schuldgefühle, die ungeklärten Fragen nach der eigenen Identität, man kann ihnen nicht entkommen beim Lesen dieses Buches.

Man kann es nicht weglegen, auch wenn es einem manchmal das Herz bricht. Und wenn man fertig ist, dann ist man trotzdem noch da, emotional gefangen von dem, was man dort mit Janie erleben musste.

Veröffentlicht am 13.04.2018

intensiv, tiefgründig und bewegend - - meine absolute Leseempfehlung

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Janie arbeitet als Neurologin in Montreal; als ihr Freund, Mentor und Arbeitskollege Hiroji plötzlich verschwindet, macht sie sich auf die Suche nach ihm und ihrer eigenen Vergangenheit.
Beide haben während ...

Janie arbeitet als Neurologin in Montreal; als ihr Freund, Mentor und Arbeitskollege Hiroji plötzlich verschwindet, macht sie sich auf die Suche nach ihm und ihrer eigenen Vergangenheit.
Beide haben während der Revolution der Roten Khmer ihren Bruder verloren, aus ihren Augen, aber nicht aus ihrem Leben. Immer wieder haben sie in den Gesichtszügen anderer, in Träumen oder Erinnerungen den Bruder erkannt und schmerzlich vermißt.
Herojis Bruder war damals als Arzt mit dem Roten Kreuz in Kambodscha, Janie, die damals Mei hieß und als Kind zu einer Pflegefamilie in die USA verschifft wurde, hat eigene Erinnerungen an diese Zeit.

Madeleine Thien erzählt in ihrem Roman „Flüchtige Seelen“ diese Erinnerungen aus verschiedenen Perspektiven, von unterschiedlichen Leuten, vom Vertreiben aus der Heimatstadt, den Erziehung-, Schulungs- und Arbeitslagern, Befragungen durch das „Amt für Sicherheit“, Hinrichtungen, von Kindersoldaten und der Ohnmacht, selber in dieser Situation etwas zu verändern, davon, wie man mit Hunger verzweifelt versucht, zu überleben - wenn es nicht anders geht, Morde begeht um sich selber zu retten, das langsame Abstumpfen bis zur Aufgabe der eigenen Identität, denn bei den wiederholten Befragungen nach dem Lebenslauf, war es überlebenshilfreich, sich eine neue Identität auszudenken, vorzugsweise als Vollwaise.

Ganz ohne reißerische, blutige Szenen, sondern eher poetisch, immer wieder mit vielen wunderschönen, tiefsinnigen Sätzen beschreibt die Autorin, wie die politische Säuberung unter Pol Pot die Menschen in Kambodscha verändert hat, wie sie damals die Dinge sahen und mit den Folgen umgehen. Sehr interssant fand ich die Frage der Betroffenen, wieviele Leben sie gelebt haben und das Problem, die eigene Identität zu begreifen und ohne Schuldgefühle weiterzuleben, nicht nur wegen eigener Taten, sondern auch wegen des Gefühls, die Familie zurückgelassen zu haben, wenn man gerettet und in Sicherheit war. Die Beschreibungen der Träume und Sichtweisen, dass die Vermissten endlos in uns weiterleben, dass man die Vergangenheit loslassen muß um weiterleben zu können, dass je weiter man flieht, der Heimweg umso länger wird, haben mich sehr beeindruckt, genauso wie die Beschreibungen der Versuche danach Normalität herzustellen, beispielsweise mit zusammengefundenen neuen Familien.

Ganz leise, durch kleine Szenen, häufig auch einfach zwischen den Zeilen, erzählt Madeleine Thien eine zeitlose Geschichte über eine Revolution, die ursprünglich eine bessere Welt für alle im entsprechenden Land bringen sollte, den wütenden Krieg samt Massenvernichtung und seiner Folgen auch für spätere Generationen; ein Thema, das eigentlich immer aktuell ist und sehr zum Nachlesen und -denken auffordert. Das Buch ist so fesselnd geschrieben, dass man es kaum aus der Hand legen möchte - und doch mußte ich es zwischendurch, um mich online über Einzelheiten weitergehend zu informieren.

Für mich war dieses ein ganz besonderes Buch, dem ich, wenn die Möglichkeit bestünde, mehr als fünf Sterne geben würde.

Veröffentlicht am 04.03.2018

War mir zu verwirrend ...

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Mit diesem Buch hatte ich leider einige Probleme, denn ich konnte mich mit dem Schreibstil so gar nicht anfreunden. Er war mir zu sprunghaft, ungeordnet, verworren und stellenweise fast schwer lesbar. ...

Mit diesem Buch hatte ich leider einige Probleme, denn ich konnte mich mit dem Schreibstil so gar nicht anfreunden. Er war mir zu sprunghaft, ungeordnet, verworren und stellenweise fast schwer lesbar. Möglicherweise auch zu poetisch-verklärt, ich kann es gar nicht wirklich beschreiben. Auf jeden Fall kam ich nicht in die Geschichte hinein, die Charaktere blieben mir irgendwie fremd und ihr Schicksal hat mich trotz der beschriebenen Schrecken nicht so richtig berühren können.
Es geht um die Neurologin Janie, die in den Siebzigerjahren aus Kambodscha nach Kanada fliehen konnte. Was sie zuvor in den Kriegswirren, in ihrer Zeit als Flüchtling und Zwangsarbeiterin erlebt hat, das drängt sich alles wieder in ihre Erinnerungen, als sie sich auf die Suche nach ihrem Bekannten Hiroji macht. Dieser ist plötzlich spurlos verschwunden und Janie erfährt, dass er zurück nach Kambodscha gereist ist, um dort seinen verschollenen Bruder zu finden.
Das Elend der Bevölkerung während des Krieges wird durchaus eindrücklich beschrieben, aber durch den Schreibstil wirkte alles etwas unzusammenhängend auf mich. Die Sprünge zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit machten das nicht besser. Bis zuletzt konnte ich nicht alle Personen sofort einordnen, es war wirklich Konzentration gefragt beim Lesen … keine leichte Kost.

Vielleicht habt ihr mit dem Buch mehr Glück als ich. Der Roman wurde sogar mit einem Literaturpreis ausgezeichnet, aber für mich war es einfach nicht das Richtige.