Anna Seghers-Preis 2025 | Erben | Erbschaften | Schulden erben | Tod der Mutter | Kaufsucht | Fernsehshopping | Familientraumata | Messie-Syndrom
Platz 6 Sachbuch-Bestenliste November von "Die Literarische Welt", Radiosender WDR 5, "Neue Zürcher Zeitung" sowie Ö1
Der Versuch einer Tochter, am Erbe der Mutter nicht zu ersticken
Als Marlen Hobrack sich daranmacht, den Nachlass ihrer Mutter zu bewältigen, winkt ihr kein Einfamilienhäuschen, keine hübsche Altbauwohnung. Sondern ein Berg von Schulden und Dingen, die am Lebensende einer Arbeiterin bleiben: Steppdecken, Vitaminpräparate, Putzmittel, Fotos. Wie in Chiffren hat sich ihre Mutter in sie eingeschrieben.
Analytisch und radikal ehrlich legt Marlen Hobrack die Tiefenschichten ihrer Mutter frei – auch in sich selbst – und stellt gesellschaftliche Fragen, die uns alle betreffen: Was verraten die Dinge, die Menschen horten, über das, was sie im Leben wirklich brauchen? Bewältigen Frauen ihre Traumata durch Konsumsucht? Wie schreibt sich das Trauma unserer Eltern durch ein Erbe in uns fort?
Dieses Buch ist ein doppelter Verrat. Ein Verrat an der Ikone der Mutter und an den Ikonen der Konsumgüter, die uns ein Leben lang begleiten – um uns nach unserem Tod auf gemeinste Weise bloßzustellen.
„Es ist ein unverschämter Text, da die Scham uns hier nur von der Erkenntnis an uns selbst abhalten würde. Unverschämt ist dieser Text, nicht, weil er schamlos agiert, sondern die eigene Scham darstellt, mutig einen Raum einnehmen lässt. Eine Verbeugung vor diesem Buch.“
Martin Piekar,
Lyriker und Robert-Gernhardt-Preisträger 2024
Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen
Ab der ersten Seite fand ich die gehobene und kultivierte Sprache sehr angenehm und ansprechend. Trotz eigener Betroffenheit ist es der Autorin sehr gut gelungen, die Situation intelligent und neutral ...
Ab der ersten Seite fand ich die gehobene und kultivierte Sprache sehr angenehm und ansprechend. Trotz eigener Betroffenheit ist es der Autorin sehr gut gelungen, die Situation intelligent und neutral zu analysieren sowie eine überzeugende Struktur für das Buch zu finden. Jedes Kapitel behandelt ein anderes Thema und liest sich wie ein Essay mit den dazugehörigen Fußnoten, Verweisen und Rechercheergebnissen. Das Hintergrundwissen stammt aus verschiedenen Disziplinen, so z. B. aus dem psychologischem, medizinischen und soziologischen Bereich. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass hier ein Trauerfall oder Erbe mit unerwartet negativer Überraschung sehr nachvollziehbar beschrieben wird. Für mich war es bewegend und total auf den Punkt. Auch die geschilderten Emotionen und Erfahrungen sind sehr authentisch. Als eine Art Trauma-Bewältigung darüber zu schreiben fand ich absolut glaubwürdig, ebenso wie die damit verbundenen geschilderten, widerstreitenden Emotionen und man kann der Autorin zu diesem Mut, zu ihrer Stärke und zu diesem Buch gratulieren.
"Ich weiß sehr wohl, dass dieses Buch meine Mutter über die Maße verletzt und gekränkt hätte. Ich weiß, dass viele sagen werden, man solle die Tote ruhen lassen. Doch das ist der Punkt: Die Tote kann ...
"Ich weiß sehr wohl, dass dieses Buch meine Mutter über die Maße verletzt und gekränkt hätte. Ich weiß, dass viele sagen werden, man solle die Tote ruhen lassen. Doch das ist der Punkt: Die Tote kann nicht ruhen, solange ihr Rätsel ungelöst bleibt."
Die Autorin Marlen Hobrack begann mit der Arbeit an ihrem Buch „Erbgut“ direkt nach dem Tod ihrer Mutter, als der Schock darüber noch frisch war. Sicherlich ist dieses Buch ein Stück Trauerarbeit, heilsam und wichtig zugleich. Das Buch ist gleichzeitig auch eine Art Aufarbeitung einer Mutter-Tochter-Beziehung, einerseits sehr persönlich, andererseits kann es auch durchaus hilfreich und heilsam für alle sein, die ein schwieriges bzw. zwiegespaltenes Verhältnis zur eigenen Mutter haben.
"Man kann seine Mutter nicht heilen. Man sollte es gar nicht erst versuchen."
Als Marlen Hobracks Mutter stirbt, hinterlässt sie eine Wohnung, die vollgestopft ist mit vielen Dingen: Massen an Steppdecken, Vitaminpillen, Tupperdosen, Putzmittel, Keramikfiguren und anderem, alles im Übermaß.
Doch sie hinterlässt auch jede Menge Erinnerungen, gute wie schlechte, Kindheitstraumate und auch Gedanken an die eigene Vergangenheit, denn die Mutter hatte es selbst nicht leicht, war das ungeliebte Kind ihrer eigenen Mutter, was diese ihr auch immer gezeigt hatte.
Marlen Hobrack muss die Wohnung ihrer Mutter ausmisten, die Dinge loswerden, die Gefühle und Gedanken verarbeiten. Das ist Scherstarbeit, physisch, aber vor allem emotional. Vor allem die Frage, wieviel „Erbgut“ sie von der Mutter in sich hat, beschäftigt sie stark.
„Das Erbgut ist diese Angst: Wie viel meiner Mutter steckt in mir? Werde ich sein, wie meine Mutter gewesen ist?“
"Dann die bedrückende Erkenntnis: dass ich an meiner Mutter am meisten ablehne, was ich selbst tue. Dass ich mich in ihr erkenne, aber nicht wiedererkennen will. Deswegen das Aussortieren, das zur Gewohnheit gewordene ausmisten, das sich wie ein Befreiungsschlag anfühlt."
"Jeder Akt des Aufräumens bestätigt, dass ich nicht bin wie meine Mutter. Jedes Aufräumen ist der Beweis, dass ich ich bin."
Das Buch ist sehr ehrlich, offen und authentisch geschrieben. Viele Gedanken und Gefühle kann man sehr gut nachempfinden und man kommt nicht umhin, über sein eigenes Leben und Verhältnis zur Mutter nachzudenken.
"Kein Mensch sollte Massen von irgendetwas besitzen. Massen von Dingen, Massen von Geld. Kein Mensch sollte seine Verluste und Traumata mit dem massenhaften Konsum von Gegenständen ver¬arbeiten können. Das Problem ist so alt wie die Konsumgesellschaft.“
"Erbgut. Schreibt sich die Arbeit dem Körper ein? Wird er geformt, über Generationen hinweg, wird er optimiert für ein Leben, das aus Arbeit besteht? Körper lassen sich formen, bis zu einem gewissen Grad."
"Am Ende steht keine tiefere Erkenntnis, sondern die Ordnung. Sie ist wiederhergestellt, das rechte Maß gefunden. Doch die traurige Erkenntnis muss lauten: nachträglich lässt sich das Leben meiner Mutter nicht ordnen. Der Prozess des Ordnens kann nur für diejenige, die ihn ausgeführt hat, katharisch sein."
Ein Buch, das stark zum Nachdenken anregt über die Fragen, wer wir sind, wie wir sind und warum; empfehlenswert für alle Töchter (und Mütter).
Marlen Hobrach, die Autorin, muss sich nach dem Tot ihrer Mutter, mit deren Nachlass beschäftigen. Doch dieser besteht nicht aus Geld oder Immobilien, auch nicht aus Schätzen. Nein, es geht um Dinge, welche ...
Marlen Hobrach, die Autorin, muss sich nach dem Tot ihrer Mutter, mit deren Nachlass beschäftigen. Doch dieser besteht nicht aus Geld oder Immobilien, auch nicht aus Schätzen. Nein, es geht um Dinge, welche ihre Mutter angesammelt hat: Nahrungsergänzungsmittel, Putzkram, Decken, Fotos. Und einen Haufen Schulden.
Die Autorin hat einen Bericht über die Entdeckung der Geschichten ihrer Mutter verfasst, der überraschend und schonungslos ehrlich ist und mit einigen Tabus bricht. Es geht um die tiefgründigsten Gedanken und Geheimnisse ihrer Mutter, um gesellschaftliche Fragen, ums Leben. Ihre Mutter hat Dinge gehortet, aber was steckte dahinter? Hat sie den nutzlosen Besitz gebraucht, um etwas zu kompensieren? Sind Menschen so? Verstricken sie sich heillos in Besitz, um ihre Probleme irgendwie akzeptieren zu können?
Mir gefällt die ungeschönte und ehrliche Art der Autorin sehr. Sie analysiert die Geschichten ihrer Mutter und übt gleichzeitig Kritik an unserer Gesellschaft aus. Brauchen wir Konsum, um uns besser zu fühlen? Stellen wir uns unseren Problemen nicht, sondern häufen lieber Besitz an? Eine sehr präzise und interessante Frage, die mich sehr zum Nachdenken gebracht hat.
Ein kluges Buch, welches Impulse schenkt, die wirklich gut tun. Man überdenkt das eigene Handeln, Verhalten, sein Verhältnis zur Mutter sogar und kann sich selbst die eine oder andere Frage beantworten.
Scharfsinnig, direkt, sehr ehrlich und motivierend. Aber auch bereichernd und authentisch.