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Veröffentlicht am 12.12.2022

Zuhause angekommen…

Die dunklen Sommer
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Die Luft ist absolut spannungsgeladen. Die Eltern streiten sich heftig. Aus dem geplanten längeren Aufenthalt in Großmutters wunderschönem Zuhause wird wohl nichts werden. Saskias kleiner Bruder Will hängt ...

Die Luft ist absolut spannungsgeladen. Die Eltern streiten sich heftig. Aus dem geplanten längeren Aufenthalt in Großmutters wunderschönem Zuhause wird wohl nichts werden. Saskias kleiner Bruder Will hängt an seiner großen Schwester wie eine Klette, fordert eine spannende Geschichte sobald sie im Auto sind und Saskia hofft, dass er schlafen wird, bevor er sie einfordern kann. Dan spielt er auch noch mit seinem Plüschhasen herum, bis dieser unerreichbar jenseits der Terrassenbrüstung landet. Saskia naht zur Rettung… Der Tag geht dramatisch weiter. William wird an diesem Tag seine Geschichte nicht mehr erzählt bekommen und Saskia büßt ihr Zuhause, ihr gesamtes bisheriges Leben und Umfeld ein. Auch neue Umstände bei ihrem Freund Xavier und seiner Familie bringen nicht die Unbeschwertheit der Vergangenheit zurück. Erst als auch dieses Zuhause am Abgrund steht, macht sich der exzentrische Vater Philip mit Xavier und Saskia auf und findet „Zuhause“ eine Kommune, abgeschieden und „dingfrei“. Allmählich fühlt sich Saskia angekommen, bei Abraham, bei Issy, bei Sarah, bei Marta, und kann sich nicht vorstellen, dieses Zuhause jemals gegen ein anderes mehr einzutauschen. Das es offensichtlich anders gekommen ist, erfährt der Leser von Beginn an und in (teilweise wirklich) kleinen Stückchen. Etliche Jahre später steht plötzlich ihre gesamte Freundes-Clique aus „Zuhause“ vor der Tür um sie aus ihrem Schneckenhaus zu locken. Anonyme Briefe legen nahe, dass nicht nur ein Verbrechen begangen wurde, sondern das ein Geist der Vergangenheit wieder auferstanden ist und weiß, was damals geschah.
Düster und unglaublich spannend zieht Miranda Beverly-Whittemore den Leser auch mit ihrem neuen Roman in ihren Bann. Für mich ist sie die Meisterin der dunklen Geheimnisse. Ein bisschen Thriller ein bisschen Drama – die gelungene Mischung macht es für mich aus. Ich fand den Aufbau der Geschichte mit der konsequenten Abwechslung der Kapitel in Gegenwart und Vergangenheit einfach gut gemacht. Nicht neu, natürlich nicht, aber gerade die Tatsache, dass die Gegenwart erst kleine Abschnitte, oft nur wenige Sätze umfasst und dann im Laufe der Geschehnisse einen größeren Raum einnimmt, ist wunderbar metaphorisch für Saskias Leben und die Veränderung, die darin vor sich geht. Von ihrem ereignislosen Eremitinnen-Dasein, in dem es nun wirklich nicht viel Abwechslung geben wird hin zu den neuerlichen Verwicklungen rund um Zuhause und die alte Clique, die zurück katapultiert wird in ein Kapitel ihres Lebens, dass umfangreich ist, das bedeutend ist, das man vergessen möchte – aber nicht kann.
Die dunklen Sommer hat mich begeistert, die Autorin tut es immer auf ein Neues. Ich empfehle daher nicht nur dieses Buch, sondern dem der Bittersweet und June nicht kennt, auch ihre anderen Werke.

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Veröffentlicht am 04.10.2022

Düster, depressiv, deprimierend

Bullauge
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Kay Oleander und Silvia Glaser. Zwei Protagonisten, zwei versehrte Menschen in München. Gibt es eine Verbindung zwischen diesen beiden, dem Polizisten und der ehemaligen Apothekerin? Ist Silvia Glaser ...

Kay Oleander und Silvia Glaser. Zwei Protagonisten, zwei versehrte Menschen in München. Gibt es eine Verbindung zwischen diesen beiden, dem Polizisten und der ehemaligen Apothekerin? Ist Silvia Glaser eventuell sogar die Auslöserin von Oleanders schwerwiegender Verletzung am Rande einer Demo? Kay Oleander ist sich nicht sicher, einiges spricht dafür, anderes dagegen. Die beiden geraten in Kontakt, umschleichen einander, fassen Vertrauen, finden Gefallen und gegenseitigen Halt in ihrer derzeitigen merkwürdig taumelnden Lebensweise. Silvia Glaser gesteht Oleander einen schrecklichen Verdacht, der sich aus ihrem neuen Umfeld ergeben hat und große Auswirkungen haben könnte. Oleander beginnt zu recherchieren und stößt tatsächlich auf die Möglichkeit eines geplanten Anschlags.
Alles ist bei den beiden Protagonisten anders, nach ihren Unfällen, und schnell wird klar, Ani geht es hier nicht um einen Kriminalfall, um eine Ermittlung, nicht mal um die Skizzierung einer extremistischen Gruppierung und schon gar nicht die Darstellung der körperlichen Auswirkungen, die ursächliche physische Versehrtheit von Oleander und Glaser. Es entspinnt sich eine hochinteressante psychologische Betrachtung über Menschen, die den Halt verloren haben im Innen und Außen und nun versuchen ihn wieder zu finden.
Damit ist „Bullauge“ ein typischer Ani. Keine leichte Kost, aber perfekt komponiert, sprachlich ein Hochgenuss und wie immer ein Blick in das tiefste Innere des Menschen. Was bedeutet „Versehrtheit“, was ist da beschädigt worden? Eine Hüfte, ein Auge oder vielleicht doch eher kein greifbares Körperteil und Organ, sondern mehr so das Gefühl, die Sicht auf sich selbst und andere, Wahrnehmung nicht-physisch definiert, dass was das englische „mind“ in diesem Fall viel besser und konkreter beschreibt. Und für den Leser im Grunde genommen mal wieder die Erkenntnis, dass doch eigentlich niemand so ganz unbeschädigt ist. Ob es der Verlust eines Partners ist, durch Tod oder Scheidung, die Belastung eines Berufslebens, Einsamkeit, Orientierungslosigkeit, Angst – alles kann dazu führen, dass der Halt verloren geht, an falschen Stellen gesucht wird, Enttäuschungen und Täuschungen stattfinden.
Fazit: Friedrich Ani ist kein Autor von entspannter Wohlfühl-Lektüre. Aber von hoch spannenden psychologischen Betrachtungen, die immer auch ein bisschen zur Selbstreflexion anregen. Das alles in einem ganz eigenen Stil und sprachlich einfach nur zum Genießen – ich finde es einfach großartig. Und wieder: nur weil Polizisten drin vorkommen, ist es kein Krimi. Wer den erwartet ist vielleicht enttäuscht, aber man bekommt viel mehr, wenn man sich darauf einlässt!

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Veröffentlicht am 05.09.2022

Carter at his best

Blutige Stufen (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 12)
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Wenn die UV-Einheit des Morddezernates des LAPD an einen Tatort gerufen wird, dann ist klar, dass es nicht um bloßen Mord geht, sondern um menschliche Abgründe, unmenschliche Taten. Ultra violent ist keine ...

Wenn die UV-Einheit des Morddezernates des LAPD an einen Tatort gerufen wird, dann ist klar, dass es nicht um bloßen Mord geht, sondern um menschliche Abgründe, unmenschliche Taten. Ultra violent ist keine willkürlich gewählte Bezeichnung für die Einheit um Ermittler Robert Hunter und seinen Partner Carlos Garcia. Die Tatorte einer Mordserie und das Vorgehen des Täters stoßen allerdings neue Türen in puncto Brutalität, Akkuratesse und Perfidität auf. Grausamst zugerichtete Menschen, exakt platzierte Botschaften fast lyrischen Inhaltes bis hin zum Auffinden der Tatorte und letztendlich als fulminanten Höhepunkt das Eintreffen einer letzten Botschaft, die nicht ein Detail der Taten für die Angehörigen der Fantasie überlässt, hinterlassen auch bei den hartgesottensten Ermittlern tiefe Spuren. Hunter und Garcia machen sich auf die fieberhafte Suche nach einem möglichen Zusammenhang zwischen den Opfern, den Zufallstaten können dies nicht sein, nicht bei der Akribie und Pedanterie des Täters: Angst, Schmerz und Tod der Opfer plant er exakt so, wie er es haben will – da ist sich Hunter sicher und macht sich unerbittlich auf Spurensuche zwischen traumatisierenden Tatorten und traumatisierten Angehörigen.
Die Thriller von Chris Carter sind absolut nichts für Zartbesaitete, dessen muss man sich im Vorfeld schon bewusst sein. Da macht auch der zwölfte Band der Reihe um Ermittler Robert Hunter keine Ausnahme, aber was die Extreme dieses Genres angeht, geht es einfach nicht besser!
Es ist zwar bei einigen Bänden wirklich nun schon Jahre her, aber aus der Erinnerung heraus, würde ich sagen, für mich ist dies vielleicht sogar der stärkste Band der Reihe. Nicht der stärkste was die alt bekannten Protagonisten Hunter und Garcia angeht, da gab es einige, die in dieser Hinsicht „mehr“ bedeuteten, den Leser mehr an die beiden band, aber Carters Stil, sein Spannungsbogen, der wirklich wirklich grausame Fall, erreichen hier für mich den absoluten Höhepunkt – ich hoffe es ist ein Plateau und kein Gipfel, bei dem es auf der anderen Seite wieder herunter geht, aber ich freue mich jetzt gerade schon unsagbar auf den nächsten Band und hoffe, dass es dieses Mal nicht zwei Jahre dauert, es sei denn, genau dies macht die Qualität aus, dann darf der Autor sich gerne wieder viel Zeit lassen.
Fazit: ein harter und brutaler Thriller, super spannender Plot, das beste was ich aus diesem Genre seit langem gelesen habe. Wer das mag, ist grundsätzlich bei Chris Carter goldrichtig und somit auch bei diesem super starken 12. Band der Robert-Hunter-Reihe.

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Was dauert denn da so lange…?

Rille: Wann ist bald?
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Rille, der kleine Gorilla hat einen spannenden Fund beim Mango-Sammeln gemacht. Ein Ei! Und keine Mama und kein Papa weit und breit! Rille schnappt sich das Ei kurzerhand und nimmt es mit nach Hause. Auch ...

Rille, der kleine Gorilla hat einen spannenden Fund beim Mango-Sammeln gemacht. Ein Ei! Und keine Mama und kein Papa weit und breit! Rille schnappt sich das Ei kurzerhand und nimmt es mit nach Hause. Auch seine Freunde sind ganz aufgeregt, wann schlüpft denn nun etwas aus dem Ei? Und was? Und was muss man denn eigentlich tun, damit es dem Ei gut geht und alles vielleicht ein bisschen schneller geht? Alle haben einen Tipp für Rille und gemeinsam kümmern sie sich, und warten, und warten, und warten… bis es dann endlich soweit ist.
Rille und seine Freunde können dabei aber noch ein bisschen Hilfe gebrauchen. Beim ungeduldigen Warten und sich-kümmern und überlegen, wer denn da wohl schlüpfen wird. Die kleinen Leser werden aktiv in diese Geschichte mit einbezogen und machen einfach mit, bei allem was die Figuren im Buch so anstellen. Das ist zum einen sehr charmant, aber eben auch sehr abwechslungsreich und bestimmt auch lustig und spannend für alle Beteiligten! Ganz nebenbei beschäftigt sich das Buch mit einem ganz schwierigen Kinder-Thema: diese vermaledeiten erwachsenen Zeitangaben, wie bald, gleich, nicht mehr lange und die Langeweile und Geduld, die damit einher gehen. Neben dem Thema an sich, bietet das Buch über einen QR-Code aktiv Hilfe beim Zeitvertreib: Malvorlagen, Spiele etc. sorgen für Abwechslung, wenn mal wieder auf irgendetwas gewartet werden muss.
Die ganzseitigen Illustrationen und die kurzen Texte sind inhaltlich und gestalterisch in meinen Augen altersangemessen und sehr abwechslungsreich gestaltet. Insgesamt ein kunterbuntes und humorvolles Buch, das man gerne vorlesen und betrachten wird. Sehr gelungen!

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Veröffentlicht am 31.05.2022

Positiv überrascht – keine leichte Sommer-Lektüre

Ein unendlich kurzer Sommer
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Lale ist auf der Flucht – wovor bleibt lange unklar, und Christophe auf der Suche – wonach wird sehr schnell klar. Beide stehen an Scheidewegen im Leben und treffen sich auf einem Campingplatz in der Provinz. ...

Lale ist auf der Flucht – wovor bleibt lange unklar, und Christophe auf der Suche – wonach wird sehr schnell klar. Beide stehen an Scheidewegen im Leben und treffen sich auf einem Campingplatz in der Provinz. Gustav ist der Eigentümer und ein etwas kauziger, verschlossener Eigenbrötler, hinter dem aber viel mehr steckt, als nur der Platzwart. Nebenan wohnt Flo, der Kaninchen züchtet und gerade versucht sich abzunabeln von mütterlicher Fürsorge und seinen Weg trotz einer körperlichen Beeinträchtigung alleine zu meistern. Als dann noch James eintrifft und Spiritualität und Marihuana mitbringt, ein frühzeitliches Grab einer Hexe auf dem Campingplatz Archäologen und Hippies anlockt, ist ein Szenario komplett, dass einen kurzweiligen skurrilen Roman versprechen könnte. Könnte – zum Glück beschränkt sich die Autorin aber darauf nicht und so entsteht ein Roman voller Tragik und Trauer, natürlich auch mit Liebe und positiven Emotionen, aber eben deutlich mehr als ein sommerlicher Liebesroman in einem speziellen Setting. „Ein unendlich kurzer Sommer“ begleitet diese Menschen ein Stück auf ihrem Weg miteinander und zu sich selbst. Und das ist kein bisschen esoterisch gemeint und gemacht, sondern sehr lebensnah.
Mein einziger winziger Kritikpunkt, ich habe mich des Öfteren gefragt, wann denn so genau „Sommer“ ist, in diesem Roman, in den Augen der Autorin, auf diesem Campingplatz? Alles spielt nämlich ausdrücklich vor den Sommerferien des noch zur Schule gehenden Flo. Aber gehen wir mal von einem sehr sehr warmen Frühjahr aus, in dem auch das Seewasser schon annehmbare Temperaturen hat. Aber im Grunde ist das wirklich das Einzige, was ich anzumerken hätte, einfach weil ich es ein wenig unlogisch fand.
Fazit: ich war wirklich absolut positiv überrascht, dass ich nicht das bekommen habe, was ich eigentlich erwartet habe, nämlich einen locker-flockigen Sommer-Liebes-bisschen Verwicklungen-happy Roman, sondern etwas viel Tiefgründigeres. Mit Menschen auf der Flucht, vor sich selbst, ihren Gefühlen, ihrer eigenen Sterblichkeit und auf der Suche, nach ihrem Weg, ihrer Zukunft, ihrer Eigenständigkeit. Und all das geht natürlich weit über einen Sommer hinaus, der nur ein mini Ausschnitt ist, aber für die Protagonisten eben dieser eine Moment, wo ihre Lebenslinien sich treffen und alles einmal durchgeschüttelt und neu sortiert wird. Dieser Sommer ist deshalb viel häufiger melancholisch und traurig, als sonnig und glücklich, aber er stellt vielleicht die Weichen für ein verändertes und glücklicheres Leben in allen folgenden Jahreszeiten.

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