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Veröffentlicht am 29.06.2020

Wenn Romanfiguren zu Freunden und Beratern werden...

Das Antiquariat der Träume
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Ich schreibe selten etwas über Cover, aber hier muss ich es einfach machen: das Cover von „Das Antiquariat der Träume“ von Lars Simon hat mich sofort angesprochen und ich finde es bezaubernd und wundervoll, ...

Ich schreibe selten etwas über Cover, aber hier muss ich es einfach machen: das Cover von „Das Antiquariat der Träume“ von Lars Simon hat mich sofort angesprochen und ich finde es bezaubernd und wundervoll, es passt hervorragend zum Titel und zum Buch!
Johan hat einen schweren Schicksalsschlag erlitten: seine große Liebe Lina, die er nur kurz kannte, ist bei einem Schiffsunglück ertrunken. Er bricht mit seinem bisherigen Leben in Stockholm und zieht aufs Land und betreibt dort ein Antiquariat und ein Literaturcafé (bei der Beschreibung der Torten lief mir das Wasser im Mund zusammen – ich wäre am liebsten sofort nach Hedekas gereist, mich ins Café gesetzt und eine Schillertorte gegessen…), er verdient nicht viel, aber er hat sein Auskommen.
Ihn lässt aber der Gedanke an Lina nicht mehr los, besonders als er herausfindet, dass der von ihr angegebene Name nicht stimmt! Aber er sucht weiter… Beraten wird er dabei von seinen „Freunden“, Romanfiguren aus Büchern, die Johan schätzt oder mal geschätzt hat: so unterstützt ihn z.B. Sherlock Holmes mit seinem detektivischen Wissen, allerdings mit der ihm eigenen Arroganz: „Mit solchen Methoden sollten Sie sie bei Scotland Yard bewerben, einem Sammelbecken für Kriminologen mit beschränkter Kompetenz.“ (S. 47) oder der Franziskanermönch William von Baskerville (aus „Der Name der Rose“) hinterfragt seine Suche: „Aber ich frage mich, wenn Ihr sie doch längst tot und in der Obhut des Herrn wisst (…), sagt mir, warum sucht Ihr sie dann noch immer?“ (S.27) Aber seine Freunde sind sich uneins, ob Johan weiterhin nach Lina suchen soll…Sie führen auch direkte Streitgespräche – an einer meiner Lieblingsstellen war ein weißes Kaninchen maßgeblich beteiligt!
Die Dialoge sowohl mit den „Freunden“ als auch die mit „realen“ Personen haben mir gut gefallen, sie zeichneten sich durch Wortwitz, Ironie und Selbstironie aus. Die Charaktere der Romanfiguren waren gut herausgearbeitet, deshalb hat es meinen Lesefluss nicht gestoppt, wenn ich ihre „heimatlichen Bücher“ nicht kannte – ja, eigentlich mehr noch: sie haben mich neugierig gemacht, dass ich sie jetzt vielleicht mal in ihrer „Originalbesetzung“ lesen möchte!
Aber auch die „realen“ Figuren waren authentisch und bildhaft beschrieben – allen voran Agnes, Johans Hilfe im Literaturcafé und die Schöpferin der wunderbaren Torten, aber auch ihren Bruder, den Pastor, konnte ich mir lebhaft vorstellen. Auch eine gewisse Situationskomik kommt nicht zu kurz, z.B. bei dem „Gespräch“ mit Harry Haller (aus „Der Steppenwolf“) und der sehr realen Annika im Supermarkt…
Die Geschichte ist in mehreren Zeitebenen geschrieben, aber die Kapitel sind mit Ort und Datumsangabe versehen, so dass wir Leser*innen immer informiert sind, wo und wann wir uns gerade befinden.
Wie Johans Suche nach Lina ausgeht? Das werde ich hier bestimmt nicht verraten: das Ende ist vollkommen überraschend und doch stimmig – aber mich hat es leider ein klitzekleines Bisschen enttäuscht, aber das ist vermutlich Geschmacksache…
„Das Antiquariat der Träume“ ist ein schönes Märchen für literaturbegeisterte Erwachsene, die sicher große Freude an dem Buch haben und von mir gibt es eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 17.06.2020

Kann es ein Leben nach Auschwitz geben?

Der Schrecken verliert sich vor Ort
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„Der Schrecken verliert sich vor Ort“ von Monika Held gehört auf jeden Fall zu meinen Lese-Highlights 2020 und hat ausgesprochen gute Chancen, in meine persönliche ewige „beste-Bücher-Liste“ aufgenommen ...

„Der Schrecken verliert sich vor Ort“ von Monika Held gehört auf jeden Fall zu meinen Lese-Highlights 2020 und hat ausgesprochen gute Chancen, in meine persönliche ewige „beste-Bücher-Liste“ aufgenommen zu werden!
Nein, es ist absolut kein „leichtes Buch“ und ich glaube, ich habe es auch nur geschafft, weil ich es in einer privaten Leserunde mit vier anderen Menschen gelesen habe, so konnten wir uns gut austauschen und unsere Gefühle offen aussprechen, so unter dem Motto „geteiltes Leid ist halbes Leid“.
Ja, denn bei einigen der Schilderungen von Heiner über seine Auschwitz-Zeit müssen wir heftig mitleiden – ich dachte, ich würde jetzt bald alle Gräuel-Taten, die die Nationalsozialisten in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern begangen haben, kennen – aber weit gefehlt: der grausamen menschlichen Phantasie sind in den KZs anscheinend keine Grenzen gesetzt worden!
Heiner, ein junger Kommunist aus Wien, wird im September 1942 nach Auschwitz deportiert, aus seinem Transport von 1860 Menschen haben nur vier überlebt... Hinzu kommt, dass Heiner sein eigenes Todesurteil in der Tasche trägt: auf seinem Schutzhaftbefehl steht R.U., dass dies Kürzel „Rückkehr unerwünscht“ bedeutet, erfährt Heiner erst später,,, Aber Heiner überlebt Auschwitz, weil er Zeuge sein wollte, dieses Ziel ganz fest vor Augen rettet gewissermaßen sein Leben. Er wird auch in einem wichtigen Auschwitz-Prozess als Zeuge geladen, aber nach dem Urteil bleibt eine Leere: „Er hatte das Lager überlebt – wo war der Sinn? Die Täter waren verurteilt, saßen ihre Strafen ab ohne Reue, ohne Einsicht, ohne Schock über das, was sie getan hatten.“ (S.83)
Bei diesem Prozess lernt er die die junge Deutsche Lena kennen. Lena und Heiner verlieben sich, heiraten. Aber im gemeinsamen Leben zeigen sich immer wieder Stolperfallen, Worte, Gerüche, Erinnerungen. Lena drückt es so aus: „Er besteht aus einem Leitmotiv mit endlosen Varianten. (…) Er sieht einen Backsteinschornstein und sagt: Schau, Lena, Birkenau (…) Weißt Du, wie oft das Wort Rampe im Alltag vorkommt? Die Post hat eine Rampe, die Bahn hat eine Rampe, jedes Warenhaus hat eine Rampe und Heiner denkt nur an die eine. Du kaufst dir einen schönen Mantel und was sagt er: Schau, Lena, der Markenname ist Selection. Nichts ist ohne doppelten Boden und an jeder Ecke warten Erinnerungen.“ (S.93)
Aber Lena und Heiner arbeiten an ihrer Liebe und schaffen es, sie sich zu erhalten, wir erleben die Silberhochzeit mit. Wichtiger noch, sie schaffen es - zumindest ansatzweise - Ruhe für den stark traumatisierten Heiner zu finden (wobei ich – ehrlich gesagt – den Eindruck hatte, dass Lena den schwierigeren Teil hatte... Aber: darf ich das überhaupt denken?). Das Buch ist auch eine wunderschöne Liebesgeschichte, ohne auch nur andeutungsweise jemals kitschig zu werden. Es ist das Ringen zweier Menschen mit vollkommen unterschiedlichen Erinnerungen für ein gemeinsames Leben.
Ein weiterer Aspekt hat mich in dem Buch auch beschäftigt: anhand einer Reise nach Polen in den frühen 80-er Jahren lässt die Autorin die damalige Situation bildhaft aufleben: der Streik von über 700.000 Menschen, Solidarnosc, Kriegsrecht, Karol Wojtyla besucht als Papst Johannes Paul II seine Heimat, der Widerstand, die Aufbruchsstimmung – durch die Augen von Lena und Heiner sind wir dabei – der Mut der Polen hat mich beeindruckt!
Dieses Buch hat eine Vielzahl von Emotionen bei mir ausgelöst: Angst, Erschrecken, Trauer, Wut, Mitleid, Rührung, Verständnis und Unverständnis– ich habe geweint, aber an einigen Stellen auch geschmunzelt. Mit wenigen Worten konnte Frau Held so vieles ausdrücken!
Wie eingangs gesagt: für mich persönlich ein ganz wichtiges Buch, ein „Buch gegen das Vergessen“, ein Buch, dass ich ganz dringend weiterempfehlen muss!

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Veröffentlicht am 16.06.2020

Mehr als ein Regional-Krimi...

Gnadensee
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Eine gute Freundin hatte mir die Krimis von Ingrid Zellner sehr empfohlen, ihr hatte besonders der indischstämmige Kriminalkommissar Surendra Sinha gefallen... Wenn ich eine Reihe starte, bemühe ich mich ...

Eine gute Freundin hatte mir die Krimis von Ingrid Zellner sehr empfohlen, ihr hatte besonders der indischstämmige Kriminalkommissar Surendra Sinha gefallen... Wenn ich eine Reihe starte, bemühe ich mich immer, mit dem ersten Band zu beginnen, so dass man gut die Entwicklung der Hauptprotagonisten beobachten kann. Hier hatte ich jedoch nicht beachtet, dass „Gnadensee“ noch nicht zur „Surendra-Sinha-Reihe“ gehört – aber zum Glück (!) hat er schon zwei kleine „Auftritte“, er hat sich also schon mal vorgestellt...
Wie Kommissar Sinha richtig feststellt, ist es eine sehr ungewohnte Situation, „dass wir drei verschiedene Fälle reinbekommen, ist zwar nichts Neues; aber, dass jemand in allen drei Fällen auf einmal verwickelt und trotzdem eindeutig unverdächtig ist, passiert eher selten.“ (S. 139 E-book)
Und genau das passiert Lona: sie ist in allen drei Fällen involviert, kein Wunder, dass sie glaubt, sie ziehe zur Zeit das Unglück an! Aber nein, ich werde jetzt nicht ins Detail gehen und diese Fälle aufzählen...
Lona Mende ist eine sympathische junge Frau, die gemeinsam mit ihrem Freund ihren 24. Geburtstag feiern möchte, zum verabredeten Zeitpunkt kommt er jedoch nicht... Lona lebt auf der Insel Reichenau im Bodensee (gegoogelt: Welterbe-Insel, durch einen Damm mit dem Festland verbunden) im Landkreis Konstanz. Eine Freundin von ihr lebt in Meersburg, so dass der Bodensee in seiner ganzen landschaftlichen Schönheit immer präsent ist. In dieser Umgebung finden auch die Verbrechen statt – also ist sehr viel Lokalkolorit vorhanden, ich habe die Beschreibungen genossen!
Aber Lona fliegt für eine „Auszeit“ nach Island. Auch hier besticht die Autorin mit wunderbaren Landschaftsbeschreibungen, die neue Sehnsuchtsorte entdecken lassen und sofort zum Kofferpacken einladen!
Und dann gibt es noch einen kleinen Exkurs in die hinduistische Mythologie: Herr Sinha (wir sind noch per Sie!) berichtet Lona bei einem zufälligen Treffen vom Hindugott Ganesha, wie er zu seinem Elefantenkopf gekommen ist und warum eine Ratte sein Reittier geworden ist...
Aber zurück zum Krimi: er ist spannend, fesselnd, aufregend, mitreißend – ich habe mit Lona mitgelitten... Wobei ich an einer Stelle mal wieder den Kopf geschüttelt habe: warum müssen Frauen abends unbedingt allein in unbewohnten Gegenden spazieren gehen? Aber das ist zugegebener weise nur ein kleiner Einwand... Auch rätselt man länger über den geheimnisvollen Satz: „Die Sonne schmeckt am besten rückwärts.“ (S. 73, E-book), dessen Lösung aber nach einigen Irrungen und Wirrungen klar wird!
Der Spannungsbogen wird stets hochgehalten (gewissermaßen auf mehreren Ebenen), das Ende zwar überraschend, aber nachvollziehbar, es blieben keine Fragen offen – deshalb von mir eine klare Leseempfehlung (und ich werde als nächstes Buch von Ingrid Zellner natürlich die „Adlerschanze“ lesen!)

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Veröffentlicht am 11.06.2020

Soll in Deutschland ein Terroranschlag stattfinden?

Tödliche Energie
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„‘Die Freundin eines Personenschützers jagt ihren untreuen Geliebten auf ein Gerüst und der Arme stürzt in den Tod...“ (S.178) Das ist die offizielle Version für die Presse, denn Nachrichtendienste hassen ...

‘Die Freundin eines Personenschützers jagt ihren untreuen Geliebten auf ein Gerüst und der Arme stürzt in den Tod...“ (S.178) Das ist die offizielle Version für die Presse, denn Nachrichtendienste hassen ja bekannterweise öffentliches Aufsehen wie „der Teufel das Weihwasser“!, Diesmal findet das Ende eines spannenden und aufregenden Falles von Karen C. Mulladon (US Amerikanischer Nachrichtendienst) und ihrem deutschen Kollegen Martin Weilmann in der Öffentlichkeit statt: auf den Türmen des Heidelberger Schlosses – vor den Augen eines ausländischen Staatsgastes, dem Heidelberger Bürgermeister und diversen Honoratioren! Da muss doch so eine kleine Falschinformation erlaubt sein?
Denn natürlich ist alles vollkommen anders...
Da dies schon mein 5. Buch dieser Reihe ist (das 4. in der Chronologie) erscheinen mir Karen und Martin und ihre Kollegen schon fast wie alte Freunde... Aber ich kann jedem versichern: ich habe die Bücher auch nicht in Reihenfolge gelesen, man kann jederzeit einsteigen, die Fälle sind in sich abgeschlossen.
In diesem Band geht u.a. um den organisatorisch perfekt vorbereiteten Raub von technisch aufbereiteten Energiespeichern in Erfurt, aber fast gleichzeitig wird Flüssigsprengstoff aus einer Deponie in Tschechien gestohlen - auch hier werden keine verwertbaren Spuren hinterlassen. Beides bleibt vorerst verschwunden und es ist unklar, ob und inwieweit diese beiden Taten zusammenhängen, so dass der amerikanische Nachrichtendienst „kalte Füße“ bekommt und Karen zur Klärung nach Europa schickt. Sie freut sich über diesen Auftrag, hat sie doch dadurch die Möglichkeit, ihren Kollegen Martin zu treffen! Beide erkennen erst langsam die Zusammenhänge und meistern einige wirklich sehr brenzliche Situationen bis es zum erwähnten Show-down auf den Zinnen des Heidelberger Schlosses kommt.
Ich habe mich wieder einmal um Karen gesorgt, mit ihr gezittert, mitgefiebert und natürlich gehofft, dass sie die geplanten Anschläge verhindern kann!
Der Schreibstil des Autors ist wie gewohnt flüssig und sehr angenehm zu lesen, der Spannungsbogen wird stets hochgehalten. Die Kombination zwischen Wissenschaft und nachrichtendienstlichen Tätigkeiten erscheint m.E. perfekt (wobei ich mich – ehrlich gesagt – in der Welt von Nachrichtendiensten nicht besonders gut auskenne!) und sehr einleuchtend.
Mir gefallen die Wissenschaftsthriller von Erich H. Franke sehr, er schafft es tatsächlich, einem technisch ziemlich minderbegabten (und deshalb eigentlich uninteressierten) Menschen wie mir wissenschaftliche Zusammenhänge so gut zu erklären, dass ich sie verstehe und dann auch tatsächlich spannend finde! Und was auch ganz wichtig ist: ich bin am Ende mit der gefundenen Lösung hochzufrieden: sie ist logisch und nachvollziehbar, alle losen Enden sind fein säuberlich verknüpft!
Dieses Buch hat mir anregende, spannende und interessante Lesemomente geschenkt, so dass ich es mit wirklich gutem Gewissen weiterempfehlen kann

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Veröffentlicht am 28.05.2020

Keineswegs im Garten Eden!

Jenseits von Eden
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„Jenseits von Eden“ war mein erstes Buch von John Steinbeck, eigentlich eher aus einem gewissen Pflichtgefühl heraus, ein Buch dieses amerikanischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers kennenlernen zu ...

„Jenseits von Eden“ war mein erstes Buch von John Steinbeck, eigentlich eher aus einem gewissen Pflichtgefühl heraus, ein Buch dieses amerikanischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers kennenlernen zu müssen. Auch den Film-Klassiker mit James Dean (der übrigens nur das letzte Viertel des Buches behandelt) habe ich noch nicht gesehen.
Aber welch eine Entdeckung! Wortgewaltig, philosophisch, bewegend, abstoßend, liebenswert, witzig, berührend, nachdenklich führt uns Mr. Steinbeck durch ca. 70 Jahre (ca. 1870 – 1918) in das Salinas-Tal in der Nähe von Monterey/Kalifornien.
Eben dieses Salinas-Tal einschl. Flora und Fauna wird im 1. Kapitel mit so wunderbaren Worten beschrieben, dass ich darüber erst sehr spät gemerkt habe, dass der Lebensmittelpunkt der Familie Trask in den ersten Jahren gar nicht das Salinas-Tal war, sondern in Connecticut lag. Aber Samuel Hamilton hatte sich gemeinsam mit seiner Frau Liza ca. 1870 aus dem Norden Irlands kommend in diesem Tal angesiedelt. Später lässt Adam Trask sich mit seiner schwangeren Frau Cathy ebenfalls dort nieder. Adam plant, für seine Frau einen „Garten Eden“ zu schaffen. Das Ehepaar bekommt Zwillinge: Caleb, genannt Cal und Aaron, genannt Aron. Nun kreuzen sich die Wege der Familien häufiger und die Geschichte nimmt an Tempo und Dramatik zu.
Auf eine Inhaltsangabe des Familienepos über 728 Seiten verzichte ich hier und verweise auf die etlichen guten Zusammenfassungen dieses Werkes.
Mit Samuel Hamilton, einer meiner Lieblingsfiguren, hat Steinbeck die Geschichte seines Großvaters mütterlicherseits in den Roman eingeflochten, auch seine Mutter Olive (geb. Hamilton) und eigene Kindheitserinnerungen des Autors finden sich. Diese Teile sind in der Ich-Form geschrieben, die anderen Teile aus der Perspektive der jeweiligen Hauptperson geschildert.
Meine andere Lieblingsfigur war der Chinese Lee, eigentlich ein Angestellter von Adam Trask, aber uneigentlich Berater, Freund, Beichtvater, Finanzminister des Familienvermögens und last but not least maßgebliche Erziehungs- und Vertrauensperson von Cal und Aron, kurz: derjenige, der das Leben im Haushalt Trask organisierte und zusammenhielt (mehrmals im Buch spricht er davon, die Familie zu verlassen und seinen eigenen Buchladen in San Francisco zu eröffnen – jedes Mal stöhnte ich innerlich auf...).
Die biblische Geschichte von Kain und Abel (der „Brudermord“) steht wiederholt im Mittelpunkt der Geschichte. In einem dieser Zusammenhänge erklärt Lee Adam und Samuel seine Interpretation des hebräischen Wortes „timschal“ (Du kannst, Du magst): „seiner Auslegung nach ist der Mensch durch Kains Brudermord nicht zur Sünde verdammt, sondern hat die Wahlfreiheit, gut oder schlecht zu handeln.“ (Wikipedia, Jenseits von Eden, Inhalt, 3. Teil) Durch diese Wahlfreiheit erscheinen einige Ereignisse des Buches in einem neuen / anderen Licht. Über diesen Gedankengang musste / muss ich lange nachdenken…
Ich war immer wieder aufs Neue von diesem Buch fasziniert, da störte es mich meist nur kurz, dass Steinbeck manchmal zu „ausufernder Geschwätzigkeit“ neigt, wie ihm einige seiner Kritiker vorgeworfen haben, die von ihnen gewünschte Straffung hätte vermutlich nicht geschadet. Aber die Beeinträchtigung war erträglich, denn zwischendurch musste ich auch immer mal Schmunzeln: bei aller Dramatik hat Steinbeck es geschafft, skurrile Anekdoten und witzige Dialoge einzubauen.
Für mich war „Jenseits von Eden“ eine sehr große und sehr positive literarische Überraschung und deshalb kann ich es bedingungslos weiterempfehlen!

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