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Veröffentlicht am 23.08.2021

"Wir" sind ein "Wir", aber was heißt "Wir"?

Wir
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Da ich immer nach tollen Buchempfehlungen für den (Religions-) Unterricht suche, hat mich das Buch "WIR" von Eva Stollreiter direkt angesprochen, da es viele Impulse und neue Perspektiven für Gesprächsanlässe ...

Da ich immer nach tollen Buchempfehlungen für den (Religions-) Unterricht suche, hat mich das Buch "WIR" von Eva Stollreiter direkt angesprochen, da es viele Impulse und neue Perspektiven für Gesprächsanlässe zu Themen wie "Liebe", "Familie", "Freundschaft" und "Gemeinschaft" bietet.


Der Untertitel "Kinder philosophieren über unser Miteinander" weist dabei auf den besonderen Zugang dieses Werkes hin, denn in diesem Buch kommen ausschließlich Kinder zu Wort, deren Gedanken durch die Autorin authentisch wiedergegeben und durch die sehr ansprechenden, zeitlosen Zeichnungen der Illustratorin, Kathrin Stangl, treffend visualisiert worden sind.


Die einzelnen Themenbereiche zeichnen sich dadurch aus, dass zunächst eine begriffliche Annäherung erfolgt und darauf aufbauend sehr unterschiedliche, zum Teil auch kontroverse Gedanken zu den einzelnen Themen geäußert werden, die wiederum die Leser:innen zum Mit- und Weiterdenken motivieren. Auch zeigte sich bei der Lektüre, dass je nach Tagesform und Kontext, ein anderer Zugang zu den verschiedenen Themenbereichen möglich war.


Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass der rote, verbindende Faden zu den einzelnen Abschnitten durchgängig sehr deutlich erkennbar war, da das "WIR" in den jeweiligen Sinnzusammenhängen immer wieder neu ausgedeutet wurde.


Darüber hinaus empfand ich es als sehr hilfreich, dass zum Ende jedes Abschnitts eine sehr verdichtete Zusammenfassung der wichtigsten Gedanken durch die Autorin erfolgte. So konnte man selbst noch einmal prüfen, ob man als Leser:in die Gedankengänge entsprechend verstanden hatte oder ob es ggf. noch Klärungsbedarf gab.


Im Hinblick auf einen möglichen Einsatz im (Religions-) Unterricht lässt sich feststellen, dass viele Zitate und Illustrationen sehr geeignet sind, um mit den Schüler:innen in verschiedenen Altersstufen und zu unterschiedlichen Themen ins Gespräch zu kommen. Sei es in Bezug auf die gegenwärtige Situation und welche Auswirkungen diese auf unsere Gemeinschaft hat (vgl. S. 83) oder auf die Frage, wer "Wir" eigentlich sind (vgl. z.B. S. 18) - dieses Buch ist eine Schatzkiste an Impulsen, die sowohl einzeln als auch in Gemeinschaft zu einer intensiven Auseinandersetzung einladen.


Insofern habe ich die Lektüre dieses Buches als sehr bereichernd empfunden und kann es nur weiterempfehlen.

Fazit: Ein besonderes Buch, das viele Gesprächsanlässe bietet und somit auch für den Einsatz im Unterricht sehr zu empfehlen ist.

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Veröffentlicht am 20.08.2021

Liebe ist ein Feuer...

Der Brand
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Aber ob es Dein Herz wärmen oder Dein Haus abfackeln wird, weiß man nie“ (Joan Crawford).

Das gilt auch für die Beziehung von Ruth und Peter, die sich nach fast dreißigjähriger Partnerschaft deutlich ...

Aber ob es Dein Herz wärmen oder Dein Haus abfackeln wird, weiß man nie“ (Joan Crawford).

Das gilt auch für die Beziehung von Ruth und Peter, die sich nach fast dreißigjähriger Partnerschaft deutlich voneinander entfremdet haben und mithilfe des langfristig geplanten Urlaubs in den Bergen neue Klarheit über ihre Gefühle erhoffen. Doch wie so oft kommt leider alles anders als gedacht und ein Brand im Ferienhaus zwingt sie dazu, ihre Pläne zu ändern. Wie günstig, dass die jahrelange Freundin der Familie um Hilfe bittet und beide so gezwungen sind, die gemeinsame Urlaubszeit in einem alten Bauernhaus in der Uckermark zu verbringen.

Anders als zunächst vermutet, ist dies der Anfang einer tiefgreifenden Familiengeschichte, deren Ausgangspunkt zwar die Beziehungsprobleme zwischen Rahel und Peter bilden, deren Ursprünge jedoch viel verwurzelter und weitreichender sind. Ergründet wird dies aus der Erzählperspektive von Rahel, die in ihrem Alltag eine sehr erfolgreiche Therapeutin zu sein scheint, was ihr jedoch bezogen auf ihre eigenen Probleme nicht gelingen mag, weil ihre Gefühle und Gedanken häufig die fehlende professionelle Distanz vermissen lassen. Allerdings ist es auch nicht einfach die Befindlichkeiten ihres Mannes zu ergründen, der als alternder Germanistikprofessor nicht nur deren Beziehung, sondern auch seinen Platz im Leben grundsätzlich anzuzweifeln scheint.

„Lese ich gute Bücher, wirkt das Gute in mich hinein, und aus mir heraus“ (Krien, 2021, S. 258). Getreu diesem Motto ist Peter häufig in seine Bücher vertieft und man erfährt erst nach und nach, in welcher tiefen Krise er sich derzeit befindet.

Doch dies ist nicht der einzige Brandherd, dem sich Rahel und Peter zu stellen haben. Unverhofft erhalten sie Besuch von ihrer Tochter, die besonders Rahel durch ihr egozentrisches Verhalten in tiefe Zweifel stürzt und wodurch sie gedanklich ihre eigene Familiengeschichte und ihre Entscheidungen in der Vergangenheit kritisch reflektiert.

Hervorzuheben ist hierbei das feine Gespür der Autorin für sehr dichte, symbolhafte Sprache, die einerseits zum Nach- und Weiterdenken anregt, andererseits aber auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Darstellung der unterschiedlichen Figuren und deren Handlungen herausfordert. Unerwartet werden so auch Themen wie die Kindheit in der DDR, der Einfluss von Erziehung und der Umgang mit Fehlern und der Wahrheit angesprochen, die während der Lektüre ebenso zum weiteren Reflektieren einladen wie der Titel und das Cover, zu denen zwischen den Zeilen nach und nach sehr unterschiedliche Deutungsansätze angeboten werden.

Obwohl zum Ende sehr verdichtet einige Unklarheiten gelöst werden, ist trotzdem ausreichend Interpretationsspielraum gegeben, sodass dieses Buch noch lange im Gedächtnis bleibt und zu vermuten ist, dass auch beim wiederholten Lesen immer neue Facetten deutlich werden.

Insgesamt empfinde ich den BRAND von Daniela Krien als tiefgründigen, meisterhaft erzählten Roman mit jeder Menge Zündstoff für emotionale Brandherde, wodurch ein distanzierter, kritischer Blick auf zwischenmenschliche (Paar-) Beziehungen ermöglicht wird.

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Veröffentlicht am 19.08.2021

Sie ist ein aufstrebendes Talent, doch das wird ihr bald zum Verhängnis…

Cryptos
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In einer Welt, die wegen zahlreicher Umweltzerstörungen kaum noch bewohnbar ist, sind es die virtuellen Welten, die Abwechslung und ein gewisses Maß an Normalität ermöglichen. Um die immer weiter schwindenden ...

In einer Welt, die wegen zahlreicher Umweltzerstörungen kaum noch bewohnbar ist, sind es die virtuellen Welten, die Abwechslung und ein gewisses Maß an Normalität ermöglichen. Um die immer weiter schwindenden Ressourcen zu sparen, lebt ein Großteil der Bevölkerung die meiste Zeit des Tages in diesen avatar-basierten, virtuellen Welten, die nach eigenen Vorlieben weitestgehend frei ausgewählt werden können. Insofern wird den Schöpfern dieser Welten, den Designer:innen der Firma „Mastermind“, besondere Bedeutung beigemessen, da nur mithilfe ihrer Ideen ein verschmelzen mit der neuen Realität gelingt.
Die junge Designerin Jana Pasco gilt hier als aufstrebendes Talent, da ihre Welten „Kerrybrook“, „Macandor“ und „Cretaceous“ sich aufgrund ihrer Authentizität großer Beliebtheit erfreuen.
„Ich fand mich eigentlich immer durchschnittlich im Vergleich mit anderen dort. Aber mich holten sie raus. In deinen Welten bleiben die Testpersonen am längsten und möchten immer gerne zurückkehren hieß es. Deine Ideen sind einfallsreich, aber nicht um jeden Preis, sie sind benutzerfreundlich und haben einen hohen Wohlfühlfaktor“ (Poznanski, 2021, S. 28)
So ermöglicht beispielsweise die Welt „Kerrybrook“ ein harmonisches Leben wie auf einer grünen, irischen Insel mit heimeligen Dörfern und sinnstiftenden Aktivitäten. Wer es etwas spannungsgeladener mag, verbringt seine Zeit stattdessen in Janas mittelalterlich anmutenden Fantasie-Welt „Macandor“ oder versucht, in der Dinosaurierwelt „Cretaceous“ zu überleben. Janas tägliche Aufgabe ist es, die Welten zu beobachten und entsprechende Highlights einzubauen, damit es den Bewohnern, die die Welten im besten Fall nur zum Schlafen und für ihren täglichen, vorgeschriebenen Realitätsstopp verlassen, nicht langweilig wird.
Da Jana es gewohnt ist, dass dieses Konzept aufgeht, ist sie umso überraschter, als ihr Kollege und Freund Matisse sie auf ungewöhnliche Ausfälle hinweist:
„Ich nicke, mein Blick hängt am linken der drei Monitore, dem mit der Statistik. Sechs Ausfälle mittlerweile, keine Erklärung. Ich rufe die Servicedaten für Kerrybrook auf, doch die erscheinen nicht, stattdessen erhalte ich eine Meldung. Fünf mickrige Worte. Es ist ein Fehler aufgetreten“ (ebd., S. 8).
Um nicht negativ in der Firma aufzufallen, entschließt sich Jana selbst nach Kerrybrook zu reisen, wodurch ihr jedoch das Ausmaß der Systemfehler und einer möglichen Manipulation ihrer Welten deutlich wird. Zurück an ihrem Arbeitsplatz erfährt sie durch ihre Teamleitung, dass die Ausfälle in der virtuellen Welt mit tatsächlichen Todesfolgen in der realen Welt verbunden sind. Es wird ihr nahegelegt, Urlaub zu nehmen und die Ermittlungen den Fachleuten zu überlassen.
Unterstützt durch Matisse gelingt es Jana jedoch, selbst weitere Nachforschungen anzustellen. Schnell muss Jana merken, dass Sterben KEINE Illusion mehr ist. Durch einen Hinweis von Matisse erfährt sie, dass Sterben keine Option mehr ist, um in die Realität zurückzukehren, da sie mit einer „Tod-bei-Exit“-Funktion belegt wurde. Somit bleibt Jana nur der Transfer zwischen den Welten, in denen sie sich zunehmend beobachtet und verfolgt fühlt, und auch das Umgehen totbringender Situationen scheint von Welt zu Welt immer schwieriger zu werden… Kann Jana das Rätsel lösen, dass ihr letztendlich den Ausstieg sowie die Antwort auf alle Fragen ermöglicht?
In ihrem dystopischen Roman „Cryptos“ nimmt die Autorin Ursula Poznanski ihre Leserinnen und Leser auf eine spannende Reise durch virtuelle Welten mit, in denen es so viele unerwartete Wendungen gibt, dass man das Buch gar nicht zur Seite legen kann. Darüber hinaus entwickelt sie eine gleichermaßen bedrückende, wie auch realistische Sicht auf die Zukunft, in der der Kampf um die wenigen Ressourcen ohne Rücksicht auf Verluste geführt wird. In diesem Zusammenhang werden viele wichtige Fragen aufgeworfen, die ein intensives Weiterdenken herausfordern, z.B. Wie abhängig darf ich mich von neuen Technologien machen, wenn diese vermeintlich für mein Wohlbefinden förderlich sind? Welchen Wert hat das Leben des Einzelnen in Bezug auf das Überleben der gesamten Spezies?
Insofern bietet dieser Roman auch im schulischen Kontext viel Potential, da u.a. Themen wie Klimawandel, neue Technologien, Medienethik und soziale Teilhabe, fächerverbindend miteinander verknüpft werden können. Dies wird darüber hinaus auch durch die zahlreichen intertextuellen Bezüge zu verschiedenen Werken der Weltliteratur begünstigt, sodass es auch auf der Metaebene viel Lehrreiches zu entdecken gibt.
Insgesamt ein mitreißendes und herausforderndes Leseerlebnis, das lange im Gedächtnis bleibt.

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Veröffentlicht am 13.08.2021

Eine Warnung zu Beginn...

CO2 - Welt ohne Morgen
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"Dies ist ein Roman. Sämtliche Personen und Geschehnisse sind erdacht und entspringen ausschließlich der Fantasie des Autors. Das gilt allerdings nicht für den Klimawandel, der real ist." (Roth, 2021, ...

"Dies ist ein Roman. Sämtliche Personen und Geschehnisse sind erdacht und entspringen ausschließlich der Fantasie des Autors. Das gilt allerdings nicht für den Klimawandel, der real ist." (Roth, 2021, S.5)

Hätte mich nicht bereits der Klappentext und das Cover begeistert - spätestens beim ersten Blättern durch dieses Buch hätte ich mich dafür entschieden, die Buchhandlung definitiv nicht ohne dieses Buch verlassen zu können. Denn obwohl ich - eher zart besaitet und bei Thrillern sehr wählerisch - mir die Auswahl an Krimis und Thrillern nicht leicht mache (zu blutrünstig und gruselig darf es nicht sein), bin ich bei Themen rund um den Klimawandel derzeit so empfänglich, dass ich meine eigenen Auswahlkriterien schon mal überspringe...

Also ein Blick in dieses Buch... und schon gleich die Überlegung, ob ich hier tatsächlich richtig bin. "Ihr hattet es in der Hand, ob Hannah leben oder sterben wird. Jetzt ist die Zeit abgelaufen." (Roth, 2021, S.9). Ahhh! Für mich ganz klar der Moment, in dem ich entscheiden muss: Ist dies WIRKLICH ein Buch für mich ("Natürlich! Es ist spannend. Es geht um den Klimawandel. Das Cover und der Klappentext gefallen Dir!") oder nicht ("Hier werden nicht nur Kinder entführt, sondern es scheint, kein gutes Ende zu nehmen!"). Und dann meldet sich das neugierige "Jein", das flüstert: "Glaubst Du wirklich, dass es kein Happy End gibt, wenn eine der Protagonistinnen bereits zu Beginn stirbt?" Naja... Und in diesem Moment war für mich die Entscheidung für "CO2 - Welt ohne Morgen" von Tom Roth klar und - gemessen an meiner Bewertung - habe ich diese Entscheidung nicht bereut...

Der Thriller von Tom Roth wurde für mich zu einem wirklichen Pageturner, sodass ich dieses Buch nicht weglegen konnte. Nach der anfänglichen Skepsis und einer kurzen Irritation, ob die Rahmengeschichte, viele Jahrzehnte später, und ich wirkliche Freund:innen werden könnten, war ich schon ziemlich bald so sehr mit der Handlung und den sympathischen Charakteren verwoben (was nicht nur daran liegt, dass mein Bruder ebenfalls Marc heißt ;)), sodass mich dieses Buch nicht mehr losgelassen hat.

Während des Lesens gab es immer wieder Aspekte, die mich sehr zum Nachdenken - und auch recherchieren angeregt haben: Was sind CO2-Zertifikate? Welche Ergebnisse hatten die letzten Klimakonferenzen? Wer ist eigentlich Tom Roth - und warum habe ich bisher nichts von ihm gelesen?? Und so habe ich versucht, Informationen über das Buch hinaus herauszufinden, was für mich ein wirklich gelungenes Prädikat für diesen Thriller ist.

Interessanterweise forschte der, heute als Rechtsanwalt und Notar tätige Autor, Tom Roth, tatsächlich zum Klimawandel und CO2-Zertifikaten, sodass ich durchgängig das Gefühl hatte, dass in diesem Thriller u.a. auch real bedeutsame Daten vermittelt wurden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, warum ich dieses Buch so positiv bewerten kann, ist, dass die deutsche Perspektive so angemessen und meiner Meinung nach weitestgehend authentisch geschildert wird. Bei der Kanzlerin hat man als Leser:in sehr schnell ein Bild vor Augen, das von bestimmten Klischees und Vorannahmen geprägt ist, und diesbezüglich wenig enttäuscht wird und trotzdem überrascht.

Auch wenn bestimmte Wendungen evtl. etwas vorhersehbar sind, gibt es meiner Meinung nach trotzdem auch viele Überraschungen, wodurch die Lektüre durchgängig spannend und herausfordernd ist.

Insgesamt ein "Pageturner", der - gerade zum Ende des Buches - viele Fragen aufwirft, die der/die aufmerksame Leser:in für sich selber zu klären hat.

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