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Arachnophobia

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.02.2019

Ein Satz mit X...

Heartless, Band 1: Der Kuss der Diebin
1

…das war wohl nix.


Herrlich! Es ist doch immer wieder erhebend, wenn man sich so richtig schön über ein literarisches Machwerk aufregen kann. Natürlich wäre es schöner, wenn das Buch so gut ist, dass ...

…das war wohl nix.


Herrlich! Es ist doch immer wieder erhebend, wenn man sich so richtig schön über ein literarisches Machwerk aufregen kann. Natürlich wäre es schöner, wenn das Buch so gut ist, dass man sich einfach daran erfreut, aber, um das Phrasenschwein kräftig zu füttern: Das Leben und Lesen ist eben kein Wunschkonzert. Macht man halt aus der Not eine Tugend und wettert ein wenig.

Dabei hatte ich mich doch so auf das Buch gefreut! Seit einer Weile das erste Buch aus dem Genre, das ganz weit oben auf meiner Wunschliste gelandet ist. Allein schon das Cover gefällt mir richtig gut. Vielleicht ein wenig verkitscht, aber alleine von der Haptik macht der Umschlag richtig was her.

Und auch die Leseprobe konnte mich absolut überzeugen. Zera, die Protagonistin, machte auf mich einen ordentlichen Eindruck: Eine trotz ihrer Vergangenheit recht selbstbewusste junge Frau, die zudem nicht auf den Mund gefallen war. Ich habe mich so sehr auf kurzweilige Wortgefechte mit dem Prinzen gefreut, den sie schließlich umgarnen sollte, um an sein Herz zu gelangen. Einziges Manko zu dem Zeitpunkt: Die Hexennamen sind in meinen Augen einfach unfassbar lächerlich. Nightsinger, Firewalker… wie alt ist die Zielgruppe? 11? Aber okay, die Hexen spielen keine dauerpräsente Rolle, da kann ich notfalls darüber hinwegsehen.

Über den ganzen schlimmen Rest dann allerdings leider nicht…

Das Tempo der Story ging nach der Leseprobe erstmal gemütlich in den Keller. Hier wird Zera bei einer quasi, sagen wir mal „Adoptivtante“ auf ihre Rolle bei Hofe vorbereitet. Also sozusagen den im Wald lebenden Bauerntrampel gesellschaftsfähig machen. An sich eine Konstellation, die Potenzial hat, aber irgendwie hat die Autorin es geschafft, mich damit grandios zu langweilen. Die Seiten zogen sich wie Kaugummi ohne besondere Höhe- oder auch Tiefpunkte. Aber zum Glück wird das am Schluss des Buches ausgeglichen, das „große Finale“ ist nämlich sehr hektisch und wischiwaschi auf die Seiten gerotzt. Ich habe das Auftauchen des großen Antagonisten sogar fast überlesen, so plötzlich kam alles. Okay, zwischen zäher, langer Einführung und Schluss war das Tempo meist in Ordnung, da las sich die Geschichte immerhin recht flott weg.

Punkt zwei, die Charaktere… Zera mutierte leider sehr schnell von erfrischender Schnodderschnauze zum emotionalen Hachseufz-Weibchen. Alles, was es dafür brauchte, war ein Blick in die dunklen Augen des Prinzen. Haaach… Nicht wirklich nachvollziehbare, übereilte Liebesentwicklung, bei der allerdings auch nicht viele Emotionen aufkamen, statt ordentlicher gegenseitiger Frotzelei. Schade. Zudem ging Zera auch übermäßig in ihrem Selbstmitleid auf und wenn irgendwann gefühlt auf jeder Seite geschrieben steht, was für ein Monster sie ist, weil sie jemanden getötet hat und ach, wie sehr sie davon verfolgt wird und ach, was für ein Unmensch sie ist, dann kommt da bei mir keine tragische Hintergrundgeschichte an, sondern nur noch nerviges Mimimi. Aber hey, als Ausgleich schwafelt ihr quasi „inneres Monster“ immer in ihre Gedanken und Gespräche rein und möchte einfach alles meucheln, was ihr in den Weg kommt. Blabla, Nebenwirkung des fehlenden Herzens, Rhabarber Rhabarber. Grad in der zweiten Buchhälfte hat es einfach nur noch unfassbar genervt, wenn ständig eine Stimme aus dem Off „TÖTE IIIIIHHHHN!“ keifte. Ein Kunstgriff der literarischen Freiheit, nur leider kein guter.

Apropos literarische Freiheit – der Stil wies auch so einige Tiefpunkte auf. Mit den schnodderigen, umgangssprachlichen Aussagen und Scherzen von Zera und der anderen Charaktere kam ich grundsätzlich klar. Man könnte bemängeln, dass das nicht zu einer am Königshofe spielenden Geschichte passt, aber es hat für mich das Buch zumindest erträglich zu lesen gemacht. Ein paar Mal konnte ich immerhin schmunzeln, juhu! Und dann wiederum gab es solche Prachtkerle von Satzkonstrukten, nach welchen ich das Buch tatsächlich angewidert zuschlagen und weit von mir entfernt weglegen musste:

“Der Spiegel wispert mir zu, dass ich hübsch bin, auch wenn alles, was ich sehe, die verdrehte, verkrümmte Dunkelheit meines Unherzens ist, das aus jeder Pore blutet.”

Ach du meine Fresse… Gibt es online vielleicht einen Generator für „schwurbeligen Fantasykitsch“? Anders kann ich mir das Zustandekommen dieser wüsten, unpassenden Aneinanderreihung von höchstdramatischen Worten nicht erklären. Sorry, aber spätestens hier war es vorbei und ich konnte das Buch einfach nicht mehr ernstnehmen.

Wenig hilfreich waren auch die Fantasywesen, deren Existenz mir doch ein wenig konstruiert und künstlich vorkam. Von wegen „Oh, ich schreibe Fantasy. Hexen gibt’s schon. Bau ich noch ein paar komische Viecher mit ein…“ Irgendwie passte mir hier alles nicht so recht zusammen, als hätte sich die Autorin ein bisschen übernommen und versucht, zu viel in zu wenig Seiten reinzuquetschen. Das Setting blieb teilweise etwas kulissenhaft, die Charaktere teils doch arg oberflächlich. Wer nicht eindeutig schwarz oder weiß war, wurde allzu offensichtlich in eine graue Schublade gequetscht. Die ganze Charakterentwicklung hatte zu wenig Substanz, ging zu schnell vonstatten. Ich bin immer wieder darüber gestolpert, wie wenig Zeit im Laufe der Story überhaupt vergeht. Gefühlt haben sich die Charaktere untereinander verhalten, als würden sie sich im Laufe mehrere Monate kennengelernt haben.

Also wenn ich für jedes Fluchen und ungläubige Kopfschütteln einen Stern abziehen würde, wären wir weit im Minusbereich gelandet. Warum trotzdem zwei Sterne? Weil es zwischen diesen leider sehr großen, miesen Passagen doch ganz gute Momente gab, in denen Tempo und Humor gut harmonierten. Grad das letzte Drittel las sich tatsächlich fast gut, bis das vom Finale mit dem Ar*** wieder eingerissen wird.

Und außerdem muss ja auch trotzdem ein wenig Luft nach unten bleiben – ich habe schließlich trotz allem noch schlechtere Bücher gelesen. Aber trotzdem gibt es nur ganz knapp einen zweiten Stern.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Fernweh

Blau Türkis Grün
1

Dies ist ein Buch, bei dem ich fast zum reinen Coverkäufer geworden wäre. Glücklicherweise klang auch der Inhalt durchaus passend und interessant, von daher war die Entscheidung absolut vertretbar für ...

Dies ist ein Buch, bei dem ich fast zum reinen Coverkäufer geworden wäre. Glücklicherweise klang auch der Inhalt durchaus passend und interessant, von daher war die Entscheidung absolut vertretbar für mich. Und gleich vorweg: Ja, im Großen und Ganzen hält auch der Inhalt, was Cover und Titel versprechen. Für Menschen mit der ewigen Sehnsucht nach dem Meer, nach dem Geruch des Salzes in der Luft… für diese Menschen ist dieses Buch dahingehend geeignet, dass sich nach der Lektüre vermutlich ein paar neue Pins auf der mentalen „Da muss ich hin!“-Weltkarte befinden.

Aber ich fange lieber von vorne an. Das Buch ist in kurze Kapitel gegliedert, die immer einen auf irgendeine Weise bemerkenswerten Ankerpunkt der Weltumsegelung der Autorin beinhalten. Mal ist es das Land, mal die Menschen, mal Phänomene der Natur… Insgesamt sind die Kapitel angenehm kurz und stets mit mindestens einem, meist mehreren farbenprächtigen Bildern garniert. Die Qualität der Bilder kommt dabei allerdings nicht an die eines professionellen Bildbands heran (was ich im Vorfeld fälschlicherweise gedacht hatte), sondern sind eigentlich eher sehr gute Urlaubsschnappschüsse und Illustrationen der Reise. Aber zusammen mit dem eher lockeren, leichten Schreibstil passt das alles sehr gut zusammen.

Dazwischen eingestreut ist immer mal eine Doppelseite, auf der die Autorin ihre Gedanken zur Reise, zu ihrer Intention oder auch zum Thema Heimweh ein wenig erläutert. Aufgrund der Kürze empfand ich auch diese kleinen Unterbrechungen nicht als störend, sie fügten sich doch recht gut ins Gesamtbild ein.

Die Kapitel selbst schildern wie erwähnt ja nur einige der Stops. Diese sind zwar – bis auf das quasi einleitende Kapitel – in chronologischer Reihenfolge, geben aber natürlich nicht jedes einzelne Detail der Reise wieder. Und das hätte ich persönlich auch nicht gebraucht! Es kamen so schon teilweise recht viele Fachbegriffe aus dem Bereich des Segelns und der Schiffsbestandteile vor, und wer wie ich vielleicht noch den Bug vom Heck auseinanderhalten kann, es danach aber schon aufhört, der hätte sich vielleicht doch noch ein kleines Glossar gewünscht. Zumindest sind das Details, die ich gar nicht ausführlicher brauche, von daher passt das Buch in seiner Gesamtheit einfach sehr gut. Ich denke, es dient in erster Linie dazu, die Sehnsucht nach fernen Inseln, nach dem Meer zu wecken und veranschaulicht, warum die Autorin am Ende jahrelang auf ihre Heimat, Freunde und Familie verzichtete und sich dafür entschied, Urlauber um die Welt zu segeln. Ich hätte jetzt auf jedenfalls wirklich Lust, sie auf einer Etappe zu begleiten – und somit ist doch das Ziel erfüllt, denke ich.

Veröffentlicht am 12.12.2017

Eher mäßige Story gut verpackt

Leere Herzen
1

Nachdem mich „Unterleuten“ begeistern konnte, ich „Nullzeit“ aber eher mittelprächtig fand, war ich dennoch sehr neugierig auf Juli Zehs neuen Roman „Leere Herzen“. Thematisch wieder etwas völlig anderes; ...

Nachdem mich „Unterleuten“ begeistern konnte, ich „Nullzeit“ aber eher mittelprächtig fand, war ich dennoch sehr neugierig auf Juli Zehs neuen Roman „Leere Herzen“. Thematisch wieder etwas völlig anderes; laut Klappentext erwartete mich hier eher eine Art Politthriller-Roman-Mix. An sich nicht ganz mein Genre, aber die Leseprobe machte definitiv Lust auf mehr.

In jener wird man ohne großes Vorgeplänkel in die Szenerie geworfen. Ein Abendessen einer normalen, aber offensichtlich recht erfolgreichen Familie mit ihren Freunden. Der Schauplatz ist Deutschland in einer nicht näher bestimmten, aber mit Sicherheit nicht allzu entfernten Zukunft. Gerade in der anfänglichen Abendveranstaltung fallen so einige interessante bis zynische Spitzen gegenüber der heutigen Politik und Situation. Dieser Teil der Leseprobe reichte aus, um meine Neugierde auf das Buch endgültig zu wecken. Die Szene war auf eine spezielle Weise irgendwie bizarr und schräg und doch wieder völlig selbstverständlich.

Der Schreibstil tat sein Übriges, um den Einstieg in die Geschichte sehr leicht zu machen. Sehr flüssig zu lesen, ohne dabei allzu simpel zu sein und somit genau mein Geschmack und entsprechend meiner Erwartung. Die Protagonisten und auch Nebenfiguren wirkten auf mich durchweg nicht sonderlich sympathisch – vielleicht waren sie absichtlich so angelegt, vielleicht ist das auch nur mein persönlicher Eindruck. Allerdings waren sie dabei keineswegs so nervig bis anstrengend, so dass ich nie das Bedürfnis verspürte, ihretwegen das Buch abbrechen oder zumindest unterbrechen zu wollen.

Dafür, also für das irgendwann schleppende Lesetempo meinerseits, sorgte der allzu schnell abflachende Spannungsbogen. Was zu Beginn sehr interessant begann, als die Geschäfte hinter der „Brücke“ endlich beschrieben wurden, ließ etwa ab der Mitte des Buches die Geschichte Abwechslung vermissen. Hier konnte das ordentliche Tempo vom Beginn leider nicht mehr gehalten werden und eher unspektakuläre Ereignisse zogen sich etwas zu sehr in die Länge – vor allem gemessen an der doch eher geringen Seitenzahl. Hier hätte ich mir einfach insgesamt eine etwas andere Entwicklung gewünscht, etwas mehr Überraschung.

Am Ende konnte die Story leider nach den vielen anfänglichen, interessanten Details nicht ganz halten, was sie versprach. Gute 3 Sterne vergebe ich für den Inhalt, aufgrund des lesenswerten Stils kann ich „Leere Herzen“ aber insgesamt reinen Gewissens 4 Sterne geben.

Veröffentlicht am 21.09.2017

Vom Leben, Lieben und Sterben

Was man von hier aus sehen kann
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„Was man von hier aus sehen kann“ ist für mich eines dieser Bücher, die vom Klappentext her so unspektakulär waren, dass es zuerst gar nicht mein Interesse wecken konnte. Dann liest man diese ganzen begeisterten ...

„Was man von hier aus sehen kann“ ist für mich eines dieser Bücher, die vom Klappentext her so unspektakulär waren, dass es zuerst gar nicht mein Interesse wecken konnte. Dann liest man diese ganzen begeisterten Kommentare und Rezensionen – und schon zieht es im eigenen Bücherregal ein. Und in diesem Fall: Besser spät als nie!

Die Geschichte um die Dorfgemeinschaft, in welcher die Erzählerin Luise ihre Kindheit und Jugend verbringt, wurde für mich schnell zu einem Lesehighlight des Jahres. Grund war hierfür gar nicht mal vordergründig die eigentliche Handlung, sondern vielmehr der wunderschöne Stil der Autorin. Stets mit einem leichten Hauch von Humor begleitet, der selbst in den traurigeren und tragischen Passagen nicht verlorenging und oftmals auf mich schon poetisch wirkte – auch wenn das kitschig klingen mag. Es war für mich einfach durchweg ein Genuss, dieses Buch zu lesen, selbst wenn es gegen Ende zu einer Situation kam, die mich doch in ihrer etwas unpassenden Übernatürlichkeit leicht die Stirn runzeln ließ.

Neben dem Schreibstil waren auch die Figuren eine reine Freude. Jeder Charakter ist auf seine Art speziell und ein Unikat. Bis in die kleinsten Nebenfiguren hat die Autorin hier Persönlichkeiten erschaffen, die alle irgendwie speziell, schräg, aber dennoch fast durchweg liebenswert in ihren Eigenheiten sind. Trotzdem wird die für mich unangenehme, schmale Linie zum Gekünstelten, Plakativen zum Glück nie übertreten. Natürlich sind alle Charaktere nicht unbedingt „normal“, aber genau das bildet mit der Geschichte und dem von feinem Wortwitz angereicherten Schreibstil eine wundervolle Einheit.

Letztendlich war „Was man von hier aus sehen kann“ für mich trotz aller Tragik, der kleinen und größeren Probleme, in seiner Gesamtwirkung durchaus ein Wohlfühlbuch und definitiv ein Lesehighlight 2017. Absolute Leseempfehlung für Genießer.

Veröffentlicht am 21.09.2017

Das Eis schmilzt

Und es schmilzt
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Ich glaube, es ist ein ganz gutes Zeichen, wenn einen ein Buch auch nach dem Auslesen nicht ganz loslässt, man auch Tage danach immer noch über einzelne Szenen nachdenkt, anstatt frisch und fröhlich zur ...

Ich glaube, es ist ein ganz gutes Zeichen, wenn einen ein Buch auch nach dem Auslesen nicht ganz loslässt, man auch Tage danach immer noch über einzelne Szenen nachdenkt, anstatt frisch und fröhlich zur nächsten Lektüre überzugehen. „Und es schmilzt“ der belgischen Newcomerin Lize Spit hatte auf mich genau diesen Effekt.

Der Klappentext verrät erstmal nicht viel vom Inhalt, macht aber neugierig: Eine junge Frau kehrt nach Jahren der Abwesenheit in das Dorf zurück, in dem sie aufgewachsen ist. Was ist vorgefallen, dass sie so lange den Kontakt abgebrochen hat? Und vor allem: Warum – zur Hölle – hat sie einen riesigen Eisklotz im Gepäck?

Die Geschichte, die letztendlich zur Auflösung führt, entwickelt sich recht langsam, aber stetig und ich habe zu Beginn auch ein wenig gebraucht, um die drei verschiedenen Zeitebenen einzuordnen. Die Gegenwart spielt letztendlich nur an einem einzigen Tag, dem Tag der Rückkehr, und ist durch Uhrzeiten gekennzeichnet – hält die Protagonistin Eva aber nicht davon ab, auch hier gelegentlich in Erinnerungen an das Damals abzudriften. Die Vergangenheit spielt sich zum einen im verhängnisvollen Sommer 2002 ab; der Sommer, in dem Evas Kindheit ein Ende fand. Weitere, nicht chronologisch sortierte Schlüsselszenen aus Evas Kindheit und Jugend werden durch die Szenen beschreibende Überschriften gekennzeichnet. Ich glaube, ich muss das Buch auch ein zweites Mal lesen, um alle kleinen Hinweise und Details aus diesen einzelnen Kapiteln zu erfassen und mit der Geschichte in Verbindung zu bringen.

Die Vorabmeinungen zum Buch waren sich recht einig, dass die Geschichte ziemlich heftig sei und ich muss zugeben: Bis gut über die Hälfte konnte ich das noch nicht ganz nachvollziehen. Natürlich, Eva lebt nicht in einer heilen Welt, wie man sich vielleicht das Dorfleben vorstellen mag. Ihr Elternhaus ist, um es vorsichtig auszudrücken, keineswegs ideal. Liebe erfährt sie nicht von ihren Eltern, dafür saugt sie jede seltene Zuneigung, die ihr von anderen Dorfbewohnern entgegengebracht wird, wie ein Schwamm in sich auf – selbst, wenn sie dafür vorher Schmerzen in Kauf nehmen muss.

Zu Beginn las sich das Buch daher ein wenig wie eine Sozialstudie: Alkoholismus, Depressionen… das ganze Paket. Zwischendrin Eva und ihre Freunde Laurens und Pim, lange Jahre unzertrennlich, die selbsternannten Musketiere – zusammengeschweißt wohl vor allem durch aus Mangel an weiteren gleichaltrigen Kindern. Dann der Sommer 2002. Eva und ihre Freunde sind mittlerweile 14 Jahre alt und was doch relativ „normal“, wenn auch sprachlich ungeschönt und direkt, als Entdeckung der eigenen und fremden Sexualität in der beginnenden Pubertät beginnt, steigert sich irgendwann zu einer stetig abwärts führenden Spirale, aus der es am Ende kein gutes Entkommen mehr gibt. Es gibt, vor allem gegen Ende, Szenen, in denen es schwerfällt, locker drüber hinweg zu lesen, aber gleichzeitig kann man auch nicht wegsehen. Es ist fast wie ein Unfall, der in seiner Morbidität doch irgendwie fasziniert.

Am Schluss laufen letztendlich die Fäden von Vergangenheit und Gegenwart zusammen und auch der Eisblock erhält schließlich seine Daseinsberechtigung. Der Weg bis dorthin war bisweilen inhaltlich etwas steinig, aber durch den Schreibstil dennoch ein Genuss. Die vorkommenden vulgären Ausdrücke passten für meinen Geschmack gut in die Situation und vor allem zur jugendlichen Erzählerin. Weiterhin strotzen die Beschreibungen vor Bildern, die einen sogar manchmal schmunzeln lassen, bis einem dann doch das Lachen im Halse stecken bleibt. Der Erzählstil und die gute Beobachtung alltäglicher und besonderer Situationen sorgten dafür, dass ich auch dann gerne wieder zum Buch gegriffen habe, als inhaltlich doch gar nicht so viel passierte.

Für meinen Geschmack wird „Und es schmilzt“ dem darum aufgebauschten Hype definitiv gerecht und ich möchte eine absolute Leseempfehlung aussprechen. Und damit es nicht untergeht, möchte ich noch erwähnen, welch optisches Highlight das Buch ist! Ansprechendes Cover, das nichts von seinem erschreckenden Inhalt preisgibt, dazu die geprägten Buchstaben und – wovon ich sowieso bekennender Fan bin – der farbige Buchschnitt. Es fließt zwar nicht in meine Bewertung mit ein, aber das Buch ist in meinen Augen ein richtiges kleines Schmuckstück.