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Veröffentlicht am 07.08.2023

Ein Thriller mit wenig Spannung und einem außergewöhnlichen Ermittlerpaar

Refugium
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Mitsommerfest bei Olaf Helander, dem reichen Unternehmer, der mit CO2 Zertifikaten handelt und rege Geschäfte mit Chinesen führt. Zwei maskierte Männer, die die Feiernden überfallen und alle erschießen. ...

Mitsommerfest bei Olaf Helander, dem reichen Unternehmer, der mit CO2 Zertifikaten handelt und rege Geschäfte mit Chinesen führt. Zwei maskierte Männer, die die Feiernden überfallen und alle erschießen. Nur die Tochter des Unternehmers kann sich rechtzeitig verstecken und überleben. – So beginnt der Thriller: extrem spannend, temporeich, atemberaubend.

Julia Malmros, die Expolizistin, aktuell eine erfolgreiche Krimiautorin und Kim Ribbing, ein Hacker, der Julia bei der Recherche zu ihrem neuesten Krimi unterstützen sollte, sind zufällig die Zeugen des Massakers. Parallel zu den polizeilichen Ermittlungen versuchen die beiden das Verbrechen aufzuklären. – Das ist der Part des Thrillers, der mich nicht richtig packen konnte. Denn in diesem – übrigens überragenden - Teil des Romans schildert der Autor alle möglichen Probleme, mit denen die beiden Privatermittler in ihrem Leben zu kämpfen haben.

Zu einem gibt es da Kims dramatische Vergangenheit, beginnend mit den bizarren Verhältnissen in seiner reichen Familie, seiner grausamen Kindheit und deren schwerwiegenden Folgen. Auch die Schilderungen über Julias Privatleben und die Schwierigkeiten mit der Veröffentlichung ihres neuesten Romans nehmen viel Platz in der Handlung. Auf dieser Weise lernt man die Protagonisten bestimmt besser kennen, aber die Spannung – „Refugium“ ist doch ein Thriller – leidet sehr darunter. Auch wurden mehrere Vorkommnisse mit viel Humor geschildert, was die Spannung wieder auflockert.

Die polizeilichen Ermittlungen unter der Führung von Julias Exmann Jonny Munther gehen nur schleppend voran und wurden fast am Rande behandelt.
Die Auflösung des Falles kommt zum Schluss, der etwas dramatisch verläuft und für mehr Spannung sorgt.

Ich fand den Roman interessant, aber für einen Thriller nicht besonders spannend. Trotzdem würde ich die Fortsetzung der Reihe mit den sympathischen Protagonisten gerne lesen. Denn Kims Vergangenheit und sein jetziges Vorhaben lassen noch viele Fragen offen. Auch Julia will einiges in ihrem Leben ändern. Beides klingt vielversprechend.

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Veröffentlicht am 31.07.2023

Mit Narben leben lernen

Hotel Silence
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Jónas ist fest entschlossen seinem Leben ein Ende zu setzen. Zu sehr wurde er verletzt, zu tief sind seine seelischen Narben, die nicht heilen wollen.

Nachdem er immer neue Gründe herausfindet um sein ...

Jónas ist fest entschlossen seinem Leben ein Ende zu setzen. Zu sehr wurde er verletzt, zu tief sind seine seelischen Narben, die nicht heilen wollen.

Nachdem er immer neue Gründe herausfindet um sein Vorhaben nicht sofort realisieren zu müssen, verlässt er die Heimat und zieht in ein vom Krieg zerstörtes Land. Dort hofft er auf einen schnellen, unkomplizierten Tod: „Das erscheint mir ideal, ich könnte an einer Straßenecke erschossen werden oder auf eine Landmine treten“ (64)

Die Stadt, in der er ankommt, ist zerbombt; das Hotel Silence, in dem er eincheckt, komplett renovierungsbedürftig. Jónas macht sich an die Arbeit; zum Glück ist er handwerklich begabt und eine Bohrmaschine hat er auch mitgenommen. Die körperliche Arbeit und die Gespräche mit den Überlebenden des Krieges zwingen Jónas zum Umdenken. Besonders die junge Hotelbesitzerin Mai mit ihrem kleinen Sohn Adam trägt dazu bei; ihre eindrucksvollen Schilderungen über die schreckliche Kriegszeit und das Leid ihrer Nächsten berühren sehr:
„Es war keine große Sache, zu sterben. (…) erschossen oder in Stücke gesprengt zu werden, aber wenn sie einen erwischten, dann starb man hundertmal.“ (130)

In der zerstörten Stadt und im Hotel Silence findet Jónas viele anderen Leidtragenden: Menschen mit seelischen Narben, die trotzdem die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht verloren haben.


Jónas Geschichte fängt fast banal an: ein verlassener Ehemann, zutiefst gekränkt, denkt an Selbstmord. Zum Glück bekommt er die Idee: die Heimat zu verlassen. Die Begegnungen mit den Menschen, die viel Schreckliches ertragen haben und mit ihren Verletzungen und Narben weiterleben müssen, helfen Jónas sein Leben neu zu gestalten.

Mit viel Empathie erzählt Audur Ava Ólafsdóttir diese bemerkenswerte Geschichte. Die leisen Töne ihrer Erzählung fesseln. Die Autorin überzeugt mit dem einfachen und gleichzeitig sehr eindrucksvollen Schreibstil. Gekonnt vermittelt sie die Stimmung und die Atmosphäre der Handlung, berührt mit den Schicksalen der lebendig wirkenden Charaktere.

Der Roman „Hotel Silence“ fesselt und stimmt nachdenklich. Eine empfehlenswerte Lektüre!

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Veröffentlicht am 15.07.2023

Lebensechte Geschichte meisterhaft erzählt

Die Dauer der Liebe
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Eine unerwartete, schreckliche Nachricht unterbricht Renatas morgendliche Routine; an ihrer Wohnungstür steht ein Polizist, der sie über den plötzlichen Tod ihres Lebensgefährten Konrad informiert. Renata ...

Eine unerwartete, schreckliche Nachricht unterbricht Renatas morgendliche Routine; an ihrer Wohnungstür steht ein Polizist, der sie über den plötzlichen Tod ihres Lebensgefährten Konrad informiert. Renata und Konrad lebten seit fünfundzwanzig Jahren zusammen, glücklich und immer noch ineinander verliebt.
Von der schockierenden Nachricht erstarrt, will Renata sie nicht wahrhaben: „löscht das Gehörte in ihrem Kopf, vergisst gleichmäßig zu atmen“ (12)
Der Verlustschmerz ist unermesslich, sie denkt dann an ihren eigenen Tod, würde gerne dem geliebten Konrad ins Jenseits folgen.

„Wenn ich vor dir tot sein sollte, werde ich aus Sehnsucht nach dir im Jenseits noch einmal sterben.“ (27)

Nur ihren engsten Freunden, die sie unterstützen, verdankt sie eine langsame Rückkehr ins Leben. Konrads Familie, besonders seine Mutter, hat sie nie respektiert, und als eine „unverheiratete Witwe“ - ohne ein rechtsgültiges Testament - hat sie auch kein Recht auf Konrads Hinterlassenschaft. Konrads Familie ist hier skrupellos, sie räumt alles im wahrsten Sinne des Wortes ab.

Beim Aussortieren von Konrads Sachen entdeckt Renata Hinweise, die womöglich auf ein Geheimnis in seinem Leben deuten würden. Diese Entdeckung und die stetige Unterstützung ihrer Freunde geben ihr die Kraft der Sache nachzugehen und für die Klarheit zu sorgen. Und mit der Zeit, nach und nach, beginnt Renata ihr eigenes Leben neu zu gestalten.

In ihrem ergreifenden Roman erzählt Sabine Gruber über den größten Verlust, den man im Leben erleiden kann. Es ist der Tod eines geliebten Menschen, ein Verlust, den man trotz aller Widersprüche erdulden und akzeptieren muss. Diese Erfahrung macht Renata, die ihren langjährigen, geliebten Lebenspartner plötzlich und völlig unerwartet verliert.
Behutsam und voller Empathie erzählt sie über das schmerzliche Ereignis und Renatas Trauerbewältigung. Es bewegt und rührt oft zum Tränen, wie Renata mit ihrem Verlust umzugehen versucht; es macht zornig und wütend, wie Konrads Familie sie behandelt und beraubt.
Interessant sind Renatas Recherchen nach dunklen Seiten in Konrads Leben, sowie die Versuche ihr Leben neu zu gestalten.

„Die Dauer der Liebe“ ist eine sehr schön erzählte lebensechte Geschichte, die ich gerne gelesen habe.
Wärmstens zu empfehlen!

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Veröffentlicht am 30.06.2023

Ein Krimi der besonderen Art

Tea Time
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Nina und Franzi sind beste Freundinnen, wohnen sogar im selben Haus in Weinheim. Sie verbringen viel Zeit miteinander und reden gerne bei einem Glas Wein über ihre besonderen Marotten. So entstand die ...

Nina und Franzi sind beste Freundinnen, wohnen sogar im selben Haus in Weinheim. Sie verbringen viel Zeit miteinander und reden gerne bei einem Glas Wein über ihre besonderen Marotten. So entstand die Idee mit der Gründung des Klubs der Spinnerinnen, in dem „originelle und lustige kleine Macken sollten als Voraussetzung für die Mitgliedschaft gelten.“ (15)
Vier weiteren Freundinnen erfüllten diese Voraussetzungen und wurden im Klub aufgenommen.
Die unbeschwerte Atmosphäre des zum Teil verrückten Alltags der Klubschwestern wurde bald mit einem unerfreulichen Ereignis betrübt. Nina verlor ihre Handtasche, die vom arbeitslosen Alkoholiker Andreas Haase gefunden wurde. Für die Rückgabe der Tasche stellt er Nina Bedingungen, die sie nicht erfüllen kann. Doch Nina kann sich in jeder Situation auf ihre Freunde verlassen.

Dies ist mein erstes Buch von Ingrid Noll und ich bin von dem Roman begeistert. Sehr ansprechend fand ich den Schreibstil der Autorin. Ich hatte das Gefühl der Apothekerin Nina, die diese Geschichte erzählt, zuzuhören und an den von ihr geschilderten Aktivitäten teilnehmen zu können. Manches klingt zuerst unvorstellbar, fast überspannt, aber mit einer Prise des schwarzen Humors fein gewürzt, wirkt es zum Schluss doch glaubhaft.
Auch wenn der Titel „Tea Time“ so angenehm gemütlich klingt, handelt es sich hier um einen Krimi, denn es gibt hier auch Leichen und potenzielle Täterinnen. Es ist aber ein ungewöhnlicher Kriminalroman, in dem die Untaten (fast) unbeabsichtigt oder unbewusst passieren, die Protagonisten durchaus sympathisch erscheinen und die komischen Situationen oft ein Lachen hervorrufen.
„Tea Time“ würde ich jedem Leser, der eine gute Unterhaltung zu schätzen weiß, wärmstens empfehlen.

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Veröffentlicht am 12.06.2023

Gute Unterhaltung

Flüssiges Gold
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Gute Unterhaltung bietet der Krimi „Flüssiges Gold“ von Paolo Riva. Zu einem gibt es da die unfassbaren Kriminalfälle, deren Opfer die Olivenbauer aus dem sonst so idyllischen Städtchens Montegiardino ...

Gute Unterhaltung bietet der Krimi „Flüssiges Gold“ von Paolo Riva. Zu einem gibt es da die unfassbaren Kriminalfälle, deren Opfer die Olivenbauer aus dem sonst so idyllischen Städtchens Montegiardino sind.

Zum anderen die idyllische Kulisse der Handlung: der kleine malerische Ort Montegiardino in der Toskana, am Flusslauf des Arno gelegen, mit unzähligen Olivenbaumhängen, die Oliven für das beste italienische Öl liefern. Auf dem örtlichen Wochenmarkt steht man die Schlange um dieses Öl zu kaufen, in Fabios Bar an der Piazza trinkt man gemeinsam den besten Kaffee, genießt das gute italienische Essen und tauscht die Neuigkeiten aus.

Umso schockierender sind die Bewohner des kleinen Ortes, als eine der Olivenbäuerinnen an einem regen Markttag in der gemütlichen Bar angeschossen wurde und der Täter unerkannt blieb. Ein klarer Fall für den Commissario Luca, der das Dolce Vita in Montegiardino genießt und bisher nur mit unbedeutenden Delikten am Ort zu tun hatte. Zu Hilfe eilt ihm die Vize-Questora Aurora Mair aus Florenz, deren forsches Auftreten ihr keine Sympathie im Ort bringt.

Sehr sympathisch dagegen ist der Commissario Luca, ein alleinerziehender Vater der zehnjährigen Emma, deren vermutlich turbulente Vergangenheit dem Leser bis zum Schluss verborgen bleibt.

Der Roman lässt sich ob der flüssigen, bildhaften Sprache sehr gut lesen. Für die kontinuierliche Spannung sorgen nicht nur die verbrecherischen Taten, die gerade in Montergiardino passieren. Ein Geheimnis aus der Vergangenheit sorgt unerwartet für die Unruhe im Ort und auch das Privatleben des Commissario gerät nicht nur wegen der brisanten Fälle ins Wanken.
Sehr unterhaltsam! Lesenswert!

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