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Veröffentlicht am 21.08.2018

Mühsam dahinplätschernde Geschichte

Kampfsterne
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Helikoptereltern, Tigermütter, grausige Einfamilienhaus-Idyllen, Männer in den Varianten Waschlappen oder Prügel-Macho: es geht hoch her in Alexa von Hennig-Langes neuem Roman. Der flapsig-treffsicher-witzige ...

Helikoptereltern, Tigermütter, grausige Einfamilienhaus-Idyllen, Männer in den Varianten Waschlappen oder Prügel-Macho: es geht hoch her in Alexa von Hennig-Langes neuem Roman. Der flapsig-treffsicher-witzige Tonfall täuscht nicht darüber hinweg, dass diese Siedlung ein Inferno darstellt!
Doch mit fortschreitender Lektüre tritt ein gewisser Übersättigungseffekt ein: es sind halt immer die gleichen Schläge, die die Autorin austeilt. Um dem angestrebten Flair der Achtziger Jahre Genüge zu tun, dienen die weiblichen Protagonistinnen als Sprachrohr feministischer Parolen. Aber mehr als ein mildes Lächeln vermögen diese Passagen beim Leser nicht hervorzurufen. Weitgehend erschöpft sich die Atmosphäre der Epoche auf die Erwähnung solcher Kinkerlitzchen wie Hotpants oder weißen Ikea-Möbeln. Schade, die Thematik hätte eine substantiellere geistige Durchdringung verdient als diese mühsam dahinplätschernde Geschichte!

Veröffentlicht am 31.07.2018

Kaleidoskop

Der Sprengmeister
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So klar und eindeutig der Titel des Romans formuliert ist, als so verwirrend offenbart sich das gesamte Bildnis des Individuums, das sich hinter der bloßen Berufsbezeichnung verbirgt. Aus mehreren Perspektiven ...

So klar und eindeutig der Titel des Romans formuliert ist, als so verwirrend offenbart sich das gesamte Bildnis des Individuums, das sich hinter der bloßen Berufsbezeichnung verbirgt. Aus mehreren Perspektiven wird der Mann betrachtet, unterschiedliche Aspekte seiner Existenz kommen zum Tragen. Das einschneidende Ereignis, das Oskars Dasein für immer und unwiderruflich verändert, bilden den Erzählauftakt. Sein Leben, ja der Mann selbst wird in einer missglückten Sprengung zerrissen. In einer Art Kaleidoskop ordnen sich die Bruchstücke neu. Trennung von der Verlobten, Erringen einer neuen Beziehung, Bewusstwerdung der eigenen Position innerhalb der Gesellschaft, das Ausprägen einer dezidiert politischen Lebenseinstellung: das alles wird erst möglich durch Oskars übermächtigen Lebenswillen, der ihn seine schweren Verletzungen überhaupt erst überstehen lässt.

Veröffentlicht am 23.07.2018

Lektüre mit Distanz

Wenn wir wieder leben
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Der Einstieg in den Roman ist durchaus vielversprechend, war es doch eine Zeit in Deutschland, die wir heut nur noch durch den Nebel der Erinnerung heraufbeschwören können. Ja, ja, die Sechziger, als Studenten ...

Der Einstieg in den Roman ist durchaus vielversprechend, war es doch eine Zeit in Deutschland, die wir heut nur noch durch den Nebel der Erinnerung heraufbeschwören können. Ja, ja, die Sechziger, als Studenten sich siezten und der erste Hauch des Aufruhrs durch die Republik wehte. Arbeiterkinder an der Uni waren Exoten, und die Medien sprachen von ‚Heimatvertriebenen und Flüchtlingen‘ - gemeint waren die Zuwanderer aus dem Osten des untergegangenen Nazi-Reichs.
Aber je weiter die Lektüre voranschreitet, desto mehr Distanz baut der Leser insbesondere gegenüber den Protagonisten auf: es sind weitgehend Pappkameraden, die für etwas stehen, was die Autorin sie behaupten lässt, die aber keinesfalls ein Eigenleben entwickeln.
Geht es dann rückwärts mit der historischen Perspektive, entwickelt sich Charlotte Roths Roman zu einem Volkshochschulkurs: vielerlei Kenntnisse über Danzig während der Nazizeit werden ausgebreitet, ohne dass die erzählte Geschichte der Menschen und der historische Hintergrund wirklich zu einer unauflöslichen Einheit verschmelzen.
Schade - denn die deutsch-polnische Vergangenheit ist doch bestimmt noch eine terra incognita für die meisten von uns!