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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.01.2017

Nichts kann Percy stoppen

Sweetgirl
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Percy ist 16 und sollte eigentlich ein unbeschwertes Teenagerleben führen, aber schon seit Jahren sorgt sie für ihre schwer drogen- und alkoholabhängige Mutter. Sie hat die Schule abgebrochen und arbeitet ...

Percy ist 16 und sollte eigentlich ein unbeschwertes Teenagerleben führen, aber schon seit Jahren sorgt sie für ihre schwer drogen- und alkoholabhängige Mutter. Sie hat die Schule abgebrochen und arbeitet um sich durchzubringen. Als sie erfährt, dass ihre Mutter, die schon wieder seit Tagen abgetaucht ist, sich bei Shelton, einem Drogendealer und Kriminellen aufhält, will sie sie zurückholen. In Sheltons Haus findet sie allerdings nicht ihre Mutter, sondern zwischen einem verwesenden Hund und einer jungen im Drogenrausch weggetretenen Frau ein Baby. Am offenen Fenster, halb eingeschneit, der nasse Strampelanzug schon am kleinen Körper festgefroren.
Ohne lange nachzudenken, nimmt sie das Baby und schleicht sich aus dem Haus. Durch den Schneesturm will sie zu Portis fliehen, einem der wenigen Menschen, denen sie vertraut. Doch Shelton und seine Kumpane sind ihr schon auf den Fersen.
Ein Mädchen, das sich mit dem Mut der Verzweiflung durch den eisigen Winter Michigans kämpft. Verfolgt von Kriminellen, die vor nichts zurückschrecken. Das ist sehr eindringlich erzählt und die Heldin des Buches, denn Percy ist wirklich heldenhaft, weil sie ihr eigenen Ängste hintan stellt, ist mir gleich ans Herz gewachsen. Ich habe mit ihr gezittert, dass es ihr gelingt, das Baby rechtzeitig ins Krankenhaus zu bringen. Ihre Verzweiflung ist greifbar und auch ihre Hoffnungslosigkeit, als sie erkennt, dass sie ganz auf sich gestellt ist, weil die Verfolger nicht mal vor Mord zurückschrecken.
Das Buch ist ein Blick auf den Bodensatz der amerikanischen Gesellschaft, Drogensucht und Hoffnungslosigkeit bestimmen das Leben der Protagonisten der Geschichte. Der Autor versucht seinen Figuren gerecht zu werden und vermeidet Schwarz-Weiß-Malerei in der Darstellung der Charaktere .Manchmal wunderte ich mich allerdings, wie Shelton nach exzessiven Drogen- und Alkoholgenuss überhaupt noch handlungsfähig war und noch einen logischen Gedanken fassen konnte.
Mir hat das Buch gut gefallen, ich könnte es mir auch gut für etwas ältere Jugendliche vorstellen, die mit Percy eine eindrucksvolle Hauptfigur finden.

Veröffentlicht am 10.01.2017

Neapolitanische Freundinnen

Die Geschichte eines neuen Namens
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Auch im zweiten Teil der neapolitanischen Familiensaga sind die Freundinnen Elena und Lila die Hauptpersonen.


Lila, 16 Jahre alt, heiratet Stefano Carracci aus einer vermögenden Familie. Die Ehe ist ...

Auch im zweiten Teil der neapolitanischen Familiensaga sind die Freundinnen Elena und Lila die Hauptpersonen.


Lila, 16 Jahre alt, heiratet Stefano Carracci aus einer vermögenden Familie. Die Ehe ist nicht sonderlich glücklich, bereits am Hochzeitstag verliert Lila ihre Illusionen. Ihr Ehemann versteht sich als Herr im Haus und scheut nicht vor Gewalt zurück, seinen Anspruch durchzusetzen und der eigensinnigen Lila ihre Flausen auszutreiben. Elena dagegen hat Schwierigkeiten ihren schulischen Ehrgeiz wieder zu wecken und weiß nicht recht, wohin sie die Zukunft führen soll. Das Band der Freundschaft bleibt aber erhalten, auch wenn es Missverständnisse und Abkühlung gibt.


Ich habe den ersten Band gern gelesen und war neugierig, wie es weitergeht. Ferrante bleibt sich treu, sie erzählt sehr detailverliebt und ausufernd, wie es zu dieser Familiensaga passt. Das Neapel der 60iger Jahre, vor allem das Viertel der kleinen Handwerker und Arbeiter wird lebendig. Elena und Lila stehen für die zwei Wege, die jungen Frauen in der patriarchalischen, machohaft geprägten Gesellschaft in Süditalien möglich war: entweder möglichst vorteilhaft zu Heiraten oder wie Elena durch Bildung den eigenen Weg zu gehen, auch mit der Gefahr eine Außenseiterrolle einzunehmen.

Ich konnte mich nur schwer in die Gefühlswelt der beiden Frauen hineinversetzen, zwar sind mir ihre Träume, Wünsche und Enttäuschungen und Verletzungen verständlich, aber als Personen sind sie mir nicht sehr nahe gekommen.
Die Geschichte drehte sich für mich zu sehr im Kreis, auch wenn Lila und Elena auf ihre Weise ihren Weg erfolgreich zu Ende gehen, bleibt doch vieles unausgesprochen. Die von Elena in Rückblenden erzählte Geschichte – nachdem sie als junge Frau die Notizbücher Lilas gelesen hat – hat mir nie erschlossen, warum die Bindung über die Jahre so eng geblieben ist. Denn das Verhältnis der beiden jungen Frauen ist nie frei von Konflikten gewesen, manchmal meinte ich fast so etwas wie Abneigung und Eifersucht zu spüren.


Die Faszination, die der erste Band durchaus auf mich hatte, hat sich bei hier in der Fortsetzung nicht mehr so ganz eingestellt.


Ausgesprochen nützlich ist das ausführliche Personenregister mit Kurzbeschreibungen, sonst wäre ich in der verschlungenen Geschichte sicher verloren gewesen, denn nicht mehr alle Figuren waren mir noch so präsent.

Veröffentlicht am 04.01.2017

Amüsant

Die Toten von der Falkneralm
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Wie bei allen Schauspielern gehören auch bei Miroslav Nemec Lesungen zum Broterwerb. Ein Engagement zu einem „Mörderischen Wochenende“ führt ihn auf die Falkneralm, ein neues Hotel in den Bergen bei Berchtesgaden. ...

Wie bei allen Schauspielern gehören auch bei Miroslav Nemec Lesungen zum Broterwerb. Ein Engagement zu einem „Mörderischen Wochenende“ führt ihn auf die Falkneralm, ein neues Hotel in den Bergen bei Berchtesgaden. Der Titel der Veranstaltung wird anscheinend wörtlich genommen, denn schon kurz nach der Ankunft des Schauspielers wird ein Teilnehmer tot im Pool aufgefunden, augenscheinlich ein Unfall.
Neben Nemec, den fast alle mit seiner Rolle des Kommissar Batic im Tatort gleichsetzen, ist noch ein pensionierter „echter Kommissar“ im Hotel anwesend. Ein böser Sturm, der alle Leitungen unterbricht, trägt noch zur bedrohlichen Stimmung bei. Es bleibt nicht bei einem Unfall und Nemec alias Batic fühlt sich persönlich herausgefordert.
Der kurze Krimi spielt mit der Spannung die sich aus Nemecs Paraderolle ergeben, da wohl alle, vielleicht sogar er selbst, eine Erwartungshaltung an den „Kommissar“ haben. Immer wieder spielt Nemec, der Ich-Erzähler, selbstironisch mit dieser Konstellation.
Herausgekommen ist ein witziger Krimi mit vielen Anspielungen auf den Schauspielbetrieb, die Eitelkeiten am Filmset und dem Schauspieler Nemec, alias Batic, als Erzähler und Darsteller zugleich.

Veröffentlicht am 01.01.2017

Ein Bild und seine Folgen

Rendezvous im Café de Flore
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Zwei Frauen und eine ganz besondere Stadt: das sind die Hauptfiguren in diesem warmherzigen und unterhaltsamen Roman.
Marléne reist mit ihrem Mann nach Paris. Ein romantischer Urlaub in soll die schal ...

Zwei Frauen und eine ganz besondere Stadt: das sind die Hauptfiguren in diesem warmherzigen und unterhaltsamen Roman.
Marléne reist mit ihrem Mann nach Paris. Ein romantischer Urlaub in soll die schal gewordene Ehe wieder neu beleben. Marléne hat an der Sorbonne studiert und das waren die aufregendsten Jahre ihres Lebens. Aber Jean-Louis‘ Interessen decken sich nicht mit den ihren, so geht sie allein ins Museum und entdeckt dort ein Frauenportrait, das ihr bis aufs Haar gleicht. Auch Etienne, Kunsthändler und Auktionator ist über die Ähnlichkeit verblüfft und spricht Marléne an.
Natürlich möchte sie wissen, wer diese Frau ist, ob es sich gar um eine Ahnin handelt und ihre Spurensuche wird zu einem Abenteuer, das Jean-Louis nicht teilen kann und möchte.
Vianne, die Portraitierte kam ebenfalls aus dem Süden nach Paris um sich ihrer Leidenschaft der Botanik zu widmen, sie verliebt sich in den englischen Maler David und wird Teil der quirligen, aufregenden Boheme im Paris der dreißiger Jahre.
Anrührend und unterhaltsam ist dieser Roman, der mich sofort in Bann gezogen hat. Die Spurensuche in der Vergangenheit und das Künstlerleben auf dem Montmartre sind kenntnisreich beschrieben. Marlénes Suche ist auch eine Rückbesinnung auf ihre eigenen Sehnsüchte. Die Verknüpfung der beiden Zeitebenen hat mir gut gefallen, wobei ich die Figur der Vianne noch stärker fand. Marléne blieb mir als moderne Frau zu unentschieden. Die Geschichte hat aber sehr viel Charme und Esprit, ist geradezu mit französischer Leichtigkeit geschrieben, genau das Richtige für einige sehr anregende Lesestunden

Veröffentlicht am 29.12.2016

Was damals wirklich geschah

Kneipengrab
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Ninas ganzes Leben wird von zwei furchtbaren Ereignissen aus ihrer Jugend überschattet. Ihr geliebter älterer Bruder Alex wird ermordet und ihre beste Freundin Silvia fällt kurz danach dem „Lolitamörder“ ...

Ninas ganzes Leben wird von zwei furchtbaren Ereignissen aus ihrer Jugend überschattet. Ihr geliebter älterer Bruder Alex wird ermordet und ihre beste Freundin Silvia fällt kurz danach dem „Lolitamörder“ zum Opfer. Diese Verluste haben sie geprägt, auch wenn sie nach vielen Jahren ihren Frieden damit gemacht hat. Nun soll der Mörder des Bruders nach 35 Jahren Haft entlassen werden und die alten Verletzungen brechen wieder auf. Als die Stammkneipe der Jugendclique abgerissen wird, taucht auch Silvias Fahrrad auf und die damaligen Ermittlungen erscheinen plötzlich in einem anderen Licht.
Ich hatte mir aus der Beschreibung einen spannenden regionalen Krimi erwartet, aber der Roman nimmt eine ganz andere Wende. Es ist ein Psychogramm einer traumatisierten Frau, die sich der Wahrheit stellen muss und deren ganzes Weltbild erschüttert wird. Das wird durchaus spannend und nachvollziehbar erzählt, auch die Ausschnitte aus dem alten Tagebuch der Freundinnen Nina und Silvia tragen dazu bei.
Da mir der Plot aber zu leicht durchschaubar war, konnte mich das Buch nicht durchgehend fesseln. Es lag vielleicht auch am spröden Ton der Ich-Erzählerin, dass mir die Personen anfangs nicht richtig nahe kamen. Allerdings sind die grundsätzlichen Fragen nach Schuld und Sühne, Verzeihen und Neuanfang sehr menschlich und nachvollziehbar erzählt. Sicher waren meine Erwartungen an einen Regionalkrimi schuld, dass ich Zeit brauchte, mich richtig auf den Roman einzulassen