Risse im Einheitsgrau
Agathe„Agathe“ lässt mich am Leben eines alternden, desillusionierten, namenlosen Psychiater teilhaben. Sein Ruhestand steht kurz bevor, er zählt die Sprechstunden, welche noch zu leisten sind. Er erfüllt vermeintlich ...
„Agathe“ lässt mich am Leben eines alternden, desillusionierten, namenlosen Psychiater teilhaben. Sein Ruhestand steht kurz bevor, er zählt die Sprechstunden, welche noch zu leisten sind. Er erfüllt vermeintlich gängige Klischees, was ihn auf den ersten und zweiten Blick nicht ansatzweise sympathisch macht.
Entsprechend abweisend reagiert er, als seine Sprechstundenhilfe, Mme Surrugue, ihm die dringende Anfrage einer neuen Patientin, Agathe, übermittelt. Agathe lässt sich jedoch nicht abweisen und ergattert schließlich doch einen Termin. Irgendetwas an seiner neuen Patientin rührt den Psychiater an, so dass sich heimlich kleine Risse in der Fassade des Mannes bilden, um stellenweise aufzubrechen. Und plötzlich erscheint der Protagonist in neuem Licht…
Anne Cathrine Bomann legt mit ihrem anmutigen, kleinen, handlichen Buch eine lesenswerte Geschichte in meine Hände, welche behutsam ihre wahre Größe entfaltet. Sprachlich verliert sich die anfängliche Schwere und weicht – auch unter Einflechtung tragisch-komischer Begebenheiten – nach und nach einer zarten Leichtigkeit. Das Buch endet in einem wunderbar gewählten Moment. Dies eröffnet meiner Phantasie Spielraum. Das Gelesene wirkt in mir nach und begleitet mich eine Weile. Ein wunderbares Buch.
Anne Cathrine Boman, Agathe, gebundene Ausgabe, Romane & Erzählungen, hanserblau Verlag, 16,00 €, 160 Seiten, Erscheinungstermin 28.01.2019